Toleranzpatente
bezeichnen
Toleranzedikte
Kaiser
Josephs II.
im Rahmen seiner Reformen (
siehe:
Josephinismus
), die den in den
osterreichischen Erblanden
zuvor diskriminierten Minderheiten eine freiere Ausubung ihrer Religion ermoglichten. Der Vorrang der
Katholischen Kirche
blieb aber weiterhin bestehen.
Die Toleranzpatente konnen als das Ende der
Gegenreformation
angesehen werden.
Das Patent vom 13. Oktober 1781
[1]
ermoglichte den durch den
Westfalischen Frieden
anerkannten
protestantischen
Kirchen (
Lutheranern
und
Reformierten
) und den
Orthodoxen
in den
Habsburger
Kronlandern erstmals seit der Gegenreformation wieder die Religionsausubung (
siehe:
Evangelische Kirche H.B. in Osterreich
fur das Helvetische Bekenntnis und
Evangelische Kirche A.B.
fur das Augsburger Bekenntnis). Die
Bohmischen Bruder
blieben weiterhin illegal. Diese Religionsausubung war jedoch weiterhin mit Auflagen verbunden:
Die
Eheschließung
musste als offizieller Akt weiterhin in der Hand der staatsnahen
katholischen Kirche
bleiben.
Durch das Patent konnten in den Kronlandern der Habsburgermonarchie ab 1781 evangelische Bethauser errichtet werden, die spater als Toleranzbethauser oder
Toleranzkirchen
bezeichnet wurden. Diese protestantischen Bethauser unterlagen, ahnlich den 100 Jahre zuvor zugelassenen
Artikularkirchen
im nordlichen Teil von Ungarn, diskriminierenden baulichen Beschrankungen. Sie durften nicht die Bezeichnung ?Kirche“ tragen, außerlich nicht wie
Kirchen
aussehen, sondern wie Burgerhauser. So waren zum Beispiel Rundfenster nicht gestattet. Außerdem mussten sie zumindest 50 m von einer Hauptstraße entfernt liegen und einen von der Hauptstraße abgewandten Eingang haben. Sie durften insbesondere keinen Turm besitzen. Außerdem durfte ein Bethaus nur dann errichtet werden, wenn sich in einem gewissen Gebiet zumindest 100 Familien oder 500 Einzelpersonen zum evangelischen Glauben bekannten.
Das Patent wurde am 13. und 27. Oktober 1781 fur die deutschen und bohmischen Provinzen verkundet, am 25. Oktober 1781 oder 21. Dezember 1781 fur Ungarn, am 10. November 1781 fur Galizien, am 12. November 1781 fur die belgischen Provinzen, am 30. Mai 1782 fur die Lombardei. Zwischen 6. November und 9. Dezember 1781 wurde es in Tirol verkundet.
[2]
[3]
[4]
[5]
In der Folge zeigte sich, dass in einigen Gebieten Osterreichs durch einen
Geheimprotestantismus
die Traditionen uber rund eineinhalb Jahrhunderte bewahrt werden konnten. So bekannte sich zum Beispiel in
Gosau
im
Salzkammergut
beinahe die gesamte Bevolkerung als ?akatholisch“, wie man die Protestanten ? auch amtlich ? abfallig nannte.
Im Patent vom 2. Janner 1782 wurden auch
Juden
großere Freiheiten in der Religionsausubung zugestanden.
Durch das Patent vom 11. Dezember 1785 wurde die
Freimaurerei
legalisiert, die Zahl der zugelassenen Logen aber zugleich beschrankt, was in Wien zu zwei Sammellogen fuhrte.
Durch das Kriminalpatent vom 2. Janner 1795
[6]
von
Franz II.
wurde das Freimaurertum, wie andere ?geheime Gesellschaften“, wieder unterdruckt.
Ab 1787 wurde der Ubertritt von der katholischen zur evangelischen Kirche dadurch wieder erschwert, dass man sich einem sechswochigen Glaubensunterricht unterziehen musste. Hintergrund dieser Maßnahme war zum einen, dass sich in einigen Gebieten Osterreichs ? nordostlich von
Wels
in Oberosterreich,
Inneres Salzkammergut
, rund um
Schladming
in der Steiermark und in
Oberkarnten
? teilweise mehr als die Halfte der Bevolkerung zum evangelischen Glauben bekannten, was besonders bei den regionalen katholischen Kirchenstellen Besorgnis erregte. Zum anderen nutzten aber auch manche Evangelische das verbreitete Unwissen mancher Katholiken in Glaubensfragen dazu aus, um moglichst rasch die fur ein Bethaus erforderliche Personenanzahl zu erreichen.
Infolge der politischen Umwalzungen von
1848/49
wurden auch zahlreiche Beschrankungen fur die Protestanten aufgehoben. Den abfalligen und amtlich verwendeten Begriff ?akatholisch“ ersetzte man durch ?Evangelische der Augsburger oder Helvetischen Konfession“. Die baulichen Beschrankungen fur Kirchengebaude wurden aufgehoben. Schon am 23. Mai 1849 erfolgte in Wels die Grundsteinlegung fur die erste protestantische Kirche in Osterreich mit Turm. Fast alle Bethauser erfuhren einen Umbau, um dem außerlichen Erscheinungsbild einer Kirche zu entsprechen.
Erst 1861 erhielten die Protestanten im
Protestantenpatent
weitgehende Freiheit ihrer Religionsausubung, der Staat zog sich auf Aufsichtspflichten zuruck.
Das Protestantengesetz von 1961 schließlich regelte das Verhaltnis zwischen den evangelischen Kirchen und dem Staat neu im Sinne voller innerer Freiheit der Kirchen.
Die Kirchengemeinden, die sich auf Grund des Toleranzpatentes bei den bisher
Geheimprotestanten
jetzt in der Legalitat bilden konnten, wurden als
Toleranzgemeinden
bezeichnet.
In Gegenden, in denen wenigstens 100 evangelische Familien (in Entfernung von einer Gehstunde von einem Ort) lebten, durfte ein Bethaus errichtet werden. Dieses durfte aber von außen nicht als Kirche erkennbar sein und keinen offentlichen Zugang von der Straße und keine Glocken haben. Auch Schulen durften gebaut werden. Es konnten auch Pfarrer und Lehrer berufen werden. Und was fur den einzelnen Evangelischen wichtig war: Er konnte Meister werden, Burgerrechte erhalten und studieren.
Zwischen 1781 und 1795 entstanden in den Grenzen des heutigen Osterreichs 48 Toleranzgemeinden:
- In
Niederosterreich
eine:
Mitterbach am Erlaufsee
(1785).
[7]
- In
Wien
zwei: Wien A.B.
Lutherische Stadtkirche
(1782), Wien H.B.
Reformierte Stadtkirche
(1782).
[7]
- In der
Steiermark
drei:
Ramsau am Dachstein
(1782),
Schladming
(1782),
Wald am Schoberpaß
(1795).
[7]
- In
Oberosterreich
neun:
Goisern
(1782),
Eferding
(1783),
Gosau
(1784),
Neukematen
(1783),
Rutzenmoos
(1781),
Scharten
(1784),
Thening
(1783),
Wallern an der Trattnach
(1782),
Wels
(1782).
[8]
- In
Karnten
vierzehn:
Arriach
(1782),
(Bad) Bleiberg
(1783),
Eisentratten
(1784),
Feffernitz bei Paternion
(1784),
Feld am See
(1782),
Fresach
(1782),
Gnesau
(1783),
St. Ruprecht bei Villach
(1782),
Trebesing
(1782),
Treßdorf
(1783),
Watschig-Hermagor
(1782),
Weißbriach bei Gitschtal
(1782),
Zlan
(1782),
Dornbach im Maltatal
(1791).
[7]
- Im
Burgenland
achtzehn:
Eltendorf
(1783),
Gols
(1783),
Kobersdorf
(1783),
Kukmirn
(1783),
Lutzmannsburg
(1783),
Markt Allhau
(1783),
Morbisch
(1785),
Siget an der Wart (Rotenturm an der Pinka)
(1785),
Oberschutzen
(1783),
Pinkafeld
(1783),
Pottelsdorf
(1783),
Rechnitz
(1783),
Rust
(1781),
Stadtschlaining
(1782),
Stoob
(1783),
Zurndorf
(1783),
Bernstein im Burgenland
(1783),
Neuhaus am Klausenbach
(1792),
Oberwart
(
Artikularkirche
H.B. seit 1681 gemaß ungarischem Recht, Toleranzgemeinde H.B. ab 1781).
[7]
Von den 48 Toleranzgemeinden im heutigen Osterreich sind die Toleranzbethauser zu unterscheiden. Da viele Toleranzgemeinden auch Tochtergemeinden und Predigtstationen umfassten, war die Anzahl der Toleranzbethauser um einiges hoher. In der gesamten osterreichischen Monarchie entstanden uber 1.100 Kirchengemeinden, ein Großteil jenseits der Leitha im ungarischen Teil (Transleitanien).
[9]
Nach 1795 wurden zwar weiterhin evangelische Gemeinden genehmigt, jedoch deutlich restriktiver als in den Jahren davor. Dieser Kurswechsel erfolgte nach dem Ableben von Josef II. und Leopold II. durch den 1792 gekronten letzten Kaiser des Heiligen Romischen Reichs
Franz II.
Einige Beispiele von Grundungen zwischen 1795 und 1861 sind:
Graz
(1821),
Grobming
(1812),
Attersee am Attersee
(1812),
[9]
Hallstatt
(1785 Toleranzbethaus als Filiale von Goisern, Gemeindeerhebung 1836) und
Linz
(1844). Eine deutliche Zunahme der Grundung von evangelischen Pfarrgemeinden geschah erst nach Inkrafttreten des Protestantenpatents von 1861, da durch dieses Gesetz etliche Beschrankungen aufgehoben wurden.
[10]
In Cisleithanien waren per Oktober 1782 bereits 73.722 Evangelische registriert, bis Ende 1785 erhohte sich die der Hofkammer bekannte Zahl auf 107.454 evangelische Christen.
[9]
Dieser Artikel oder nachfolgende Abschnitt ist nicht hinreichend mit
Belegen
(beispielsweise
Einzelnachweisen
) ausgestattet. Angaben ohne ausreichenden Beleg konnten demnachst entfernt werden. Bitte hilf Wikipedia, indem du die Angaben recherchierst und
gute Belege einfugst.
Zwischen 70.000 und 80.000 Menschen meldeten sich im Gebiet des heutigen Osterreich und bekannten, evangelisch zu sein. Zentren fur die unter diesem kaiserlichen Patent moglichen Toleranzgemeinden war das oberosterreichische
Salzkammergut
. Im Einzelnen lasst sich die Bildung evangelischer Gemeinden, sogenannter Toleranzgemeinden, aus geheimprotestantischen Gruppierungen unmittelbar nach dem Toleranzpatent in Osterreich wie folgt quantifizieren (außerhalb von Wien, Graz und unter Weglassung des Burgenlandes; Personenzahlen fur ca. 1800 geschatzt, außer wenn anders angegeben):
Oberosterreich
? 1786: 7644 Personen:
Niederosterreich
:
Steiermark
:
Karnten
:
- Gebiet um
Spittal
und den
Ossiacher See
(Evang. Gemeinden
Arriach
,
Bleiberg
,
Feffernitz
,
Feld am See
,
Fresach
,
Gnesau
, St. Ruprecht bei
Villach
,
Unterhaus
,
Zlan
) ? ca. 9000 Personen
- Lieser-
und
Maltatal
(Evang. Gemeinden
Dornbach
,
Eisentratten
,
Trebesing
) ? ca. 3500 Personen
- Weißenseegebiet
(Evang. Gemeinde
Weißbriach
) ? ca. 1000 Personen
- Oberes
Gailtal
(Evang. Gemeinden
Hermagor
,
Treßdorf
) ? ca. 2000 Personen
Weitere Gemeinden:
Glaubenskirche (Sankt Johann am Tauern)
Mit den zunehmenden Freiheiten wurden manche der genannten Hauser, ihrer Nutzung entsprechend, außerlich wahrend der vergangenen zweihundert Jahre mehr oder weniger Kirchen angepasst und sind manchmal, wie etwa in Wien und Graz, nicht mehr als Toleranzbethauser erkennbar. Sehr ursprunglich geblieben und in dieser Form immer noch genutzt ist das
Watschiger Toleranzbethaus
.
- Gunter Stemberger
(Hrsg.):
2000 Jahre Christentum. Illustrierte Kirchengeschichte in Farbe.
Pawlak, Herrsching 1983,
ISBN 3-88199-122-0
, bes. Kapitel
Theologie, Aufklarung und Idealismus
, S. 539 ff.
- Karl R. Popper
:
Zum Thema Freiheit.
In: Ders.:
Alles Leben ist Problemlosen. Uber Erkenntnis, Geschichte und Politik.
8. Auflage. Piper, Munchen 2004,
ISBN 3-492-22300-1
, S. 155?172.
- Louise Hecht:
Toleranzpatente.
In:
Dan Diner
(Hrsg.):
Enzyklopadie judischer Geschichte und Kultur
(EJGK). Band 6:
Ta?Z.
Metzler, Stuttgart/Weimar 2015,
ISBN 978-3-476-02506-7
, S. 137?141.
- ↑
Johann Thomas Edler von Trattner
:
Sammlung der k.k. landesfurstlichen Verordnung in Publico-Ecclesiasticis
. Kaiserl. Konigl. Hofbuchdruckern und Buchhandlern, Wien 1782 (
Online-Version
– Patent Nr. 133 vom 13. Oktober 1781).
- ↑
?Ein rheinischer Rechtsgelehrter“:
Fur die Glaubenseinheit Tirols: Ein offenes deutsches Wort an das Tiroler Volk
, Vereins-Buchdruckerei, 1861, S. V, 30, 88, 89, 92 (
Online-Version
)
- ↑
Wilhelm Engelander:
Der Katholizismus und Protestantismus in Oesterreich.
1846, S. 88 (
Online-Version
).
- ↑
Karl Kuzmany (Hrsg.):
Urkundenbuch zum osterreichisch-evangelischen Kirchenrecht
bzw.
Praktische Theologie der evangelischen Kirche augsb. und helvet. Confession. Erster Band: Lehrbuch des Kirchenrechtes. Zweite Abtheilung: Urkundenbuch.
Wilhelm Braumuller, Wien 1856, S. 140 (
Online-Version
).
- ↑
Albert Jager
:
Kaiser Joseph II. und Leopold II. Reform und Gegenreform 1780?1792
(=
Oesterreichische Geschichte fur das Volk.
Band XIV). Prandel & Ewald, 1867, S. 99 (
Online-Version
).
- ↑
Nr. 209, Patent vom 2ten Januar 1795, ?Das Verbrechen des Hochverrathes begehet derjenige …“
, in:
Seiner Majestat des Kaisers Franz Gesetze und Verfassungen im Justitz-Fache fur die Deutschen Staaten der Oesterreichischen Monarchie.
Kaiserlich-konigliche Staats-Druckerey, Wien 1817, S. 177.
- ↑
a
b
c
d
e
Peter F. Barton:
Evangelisch in Osterreich
. 1. Auflage. Bohlau, Wien/Koln/Graz 1987,
ISBN 3-205-05096-7
,
S.
129
.
- ↑
Leopold Temmel
:
Evangelisch in Oberosterreich. Werdegang und Bestand der Evangelischen Kirche
. 1. Auflage.
Oberosterreichischer Landesverlag
, Linz 1982,
ISBN 3-85214-334-9
,
S.
79
.
- ↑
a
b
c
Peter F. Barton:
Evangelisch in Osterreich
. 1. Auflage. Bohlau, Wien/Koln/Graz 1987,
ISBN 3-205-05096-7
,
S.
130, 143, 203
.
- ↑
Leopold Temmel
:
Evangelisch in Oberosterreich. Werdegang und Bestand der Evangelischen Kirche
. 1. Auflage.
Oberosterreichischer Landesverlag
, Linz 1982,
ISBN 3-85214-334-9
,
S.
162, 174
.
- ↑
Johannes-Mathesius-Gesellschaft
- ↑
?Mitterbach“ ? Die einzige Toleranzgemeinde Niederosterreichs
auf ORF vom 24. August 2003.
- ↑
Geschichte der Evangelischen Pfarrgemeinde Pinkafeld