Swiad Gamsachurdia
(
georgisch
????? ???????????
; *
31. Marz
1939
in
Tiflis
; †
31. Dezember
1993
in West-Georgien) war ein
georgischer
Schriftsteller,
Dissident
und
Politiker
. Von Mai 1991 bis Januar 1992 war er der erste
Prasident Georgiens
. Nach einem
Militarputsch
kam er unter ungeklarten Umstanden in West-Georgien ums Leben.
Gamsachurdia wurde als Sohn des georgischen Schriftstellers
Konstantine Gamsachurdia
geboren und gehorte nach der westgeorgischen Herkunftsregion der Familie zu den
Mingreliern
.
[1]
In der Schulzeit wurde er 1956 wegen nationalistischer und
antikommunistischer
Aktivitaten verhaftet. Nach dem Abitur studierte er von 1957 bis 1962 englische Sprache und Literatur.
Durch sein fruhes Interesse an der
Anthroposophie
Rudolf Steiners
versuchte er spater als Prasident die Entwicklung Georgiens nicht nur wirtschaftlich, sondern gleichzeitig unter neuen anthroposophischen und esoterischen Gesichtspunkten zu gestalten.
[2]
1973 war er Mitbegrunder der
Initiativgruppe fur die Verteidigung der Menschenrechte
in Georgien, 1976 Mitbegrunder und Vorsitzender der georgischen
Helsinki-Gruppe
. Er schrieb fur oppositionelle
Samisdat
-Zeitschriften wie die von
Sergei Kowaljow
herausgegebene
Chronika tekuschtschich Sobytij
(
deutsch
Chronik der laufenden Ereignisse
) und
Okros Satsmisi
(dt.
Goldenes Vlies
).
1977 fiel Gamsachurdia einer Verhaftungswelle gegen die sowjetischen Mitglieder der Helsinki-Bewegung zum Opfer. Er wurde wegen
antisowjetischer Aktivitaten
zu drei Jahren Arbeitslager im
GULAG
und drei Jahren Verbannung verurteilt, kam jedoch mit einer zweijahrigen Verbannung in ein Gebirgsdorf im nordlichen
Kaukasus
davon, nachdem er im sowjetischen Fernsehen Selbstkritik geubt und eine Zeugenaussage gegen zwei westliche Journalisten unterschrieben hatte. Diese hatten behauptet, die Selbstkritik sei eine Falschung des
KGB
gewesen. 1978 schlug ihn der
US-Kongress
fur den
Friedensnobelpreis
vor.
Gamsachurdia stellte seine politische Tatigkeit bis zum Beginn der
Perestroika
in der Sowjetunion ein und beschaftigte sich mit der Philosophie Rudolf Steiners. Gemeinsam mit
Merab Kostawa
stellte er sich Ende der 1980er Jahre an die Spitze der Protestbewegung.
1989 grundete er die Partei
Runder Tisch/Freies Georgien
(georgisch ??????? ??????/
mrgwali magida
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tavisupali sakartvelo
). Gamsachurdia versuchte einen moglichst schnellen Austritt aus der Sowjetunion und eine vollstandige Unabhangigkeit Georgiens zu erreichen. Er fand damit großen Zuspruch bei der Bevolkerung.
Gamsachurdia wandte sich gegen die Spaltung des Landes nach ethnischen Zugehorigkeiten.
[3]
[4]
Nachdem sich
Sudossetien
im November 1989 von Georgien unabhangig erklart hatte, organisierte er einen Marsch in die sudossetische Hauptstadt
Zchinwali
, an dem rund 10.000 seiner Anhanger teilnahmen. Der russische Historiker Sergei Markedonow warf ihm vor, die
Osseten
in einer Rede als ?ungebildet“ und ?wild“ bezeichnet und aufgefordert zu haben, entweder Georgier zu werden oder nach Russland zu gehen.
[5]
Ahnlich soll er sich gegenuber anderen Minderheiten, wie etwa
Abchasen
,
Armeniern
,
Russen
,
Aserbaidschanern
oder
Awaren
geaußert haben. Nach interethnischen Spannungen zwischen Awaren und Georgiern kam es im Juni 1990 zur Belagerung eines awarischen Dorfs im
Rajon Lagodechi
durch Gamsachurdia-Anhanger, die in der Flucht der awarischen Dorfbewohner nach Russland endete. Gamsachurdia hatte zuvor auf einer Demonstration offentlich mit der Vertreibung der Awaren von ?georgischem Boden“ sympathisiert.
[6]
Nach Ansicht des Historikers George Khutsishvili trug Gamsachurdias minderheitenfeindliche Rhetorik entscheidend dazu bei, dass die interethnischen Konflikte Georgiens in brutale Gewalt und offenen Burgerkrieg ausarteten.
[7]
Gamsachurdias Partei erhielt bei den Wahlen 1990 87 % der Wahlerstimmen und bildete die Mehrheit im Obersten Sowjet der
Georgischen SSR
. Wahrend der ersten Parlamentssitzung wurde Gamsachurdia einstimmig zum Vorsitzenden gewahlt und war damit Staatsoberhaupt Georgiens. Zu den ersten Amtshandlungen seiner neuen Regierung gehorten die Abschaffung der Autonomierechte Sudossetiens und die Ausrufung der staatlichen Unabhangigkeit Georgiens.
1991 wahlte ihn der Oberste Sowjet zum Prasidenten Georgiens, was durch nationale Wahlen am 26. Mai 1991 bestatigt wurde. Seine Politik wurde innenpolitisch zunehmend sprunghaft und autoritar, außenpolitisch ging er auf Konfrontationskurs mit
Russland
. Er ließ sich mit diktatorischen Vollmachten ausstatten und Oppositionsfuhrer verhaften. Gegen nationale Minderheiten wie
Abchasen
und
Osseten
ging Gamsachurdia hart vor und stellte deren Recht, in Georgien zu leben, in Frage.
[8]
Nationalisten und Reformisten vereinten ihre Krafte in einer Anti-Gamsachurdia-Koalition.
Am 22. Dezember 1991 begann ein
Putsch
von Teilen der
Nationalgarde
und paramilitarischer Gruppen unter
Tengis Kitowani
und
Dschaba Iosseliani
gegen Gamsachurdia. Am 6. Januar 1992 siegten die Putschisten nach harten Kampfen mit der Prasidialgarde in der Innenstadt von Tiflis. Dabei kamen nach offiziellen Schatzungen zwischen 100 und 1.000 Menschen ums Leben, nach inoffiziellen waren es etwa 2.000. Gamsachurdia floh mit rund 200 bewaffneten Anhangern und seiner Familie zunachst nach
Armenien
, dann nach
Sochumi
und schließlich nach
Grosny
in
Tschetschenien
.
Am 24. September 1993 kehrte er nach Georgien zuruck und etablierte eine Exil-Regierung in
Sugdidi
. Seine bewaffneten Anhanger konnten im Oktober große Teile Westgeorgiens, darunter die Hafenstadt
Poti
und den Eisenbahnknoten
Samtredia
, unter ihre Kontrolle bringen. Mit Hilfe russischer Truppen und Waffen sowie der paramilitarischen Einheit
Sakartwelos Mchedrioni
gelang es der Regierung unter
Eduard Schewardnadse
, den Aufstand im November niederzuschlagen.
Am 31. Dezember 1993 starb Gamsachurdia. Bis heute ist ungeklart, an welchem Ort er starb und ob der Tod durch eigene oder fremde Hand herbeigefuhrt wurde. Vermutlich starb er im Haus eines Anhangers im Dorf Chibula in der westgeorgischen Region
Mingrelien
und wurde spater in der Ortschaft Dschichaschkari beerdigt. Die georgische Regierung gab seinen Tod erst am 5. Januar 1994 bekannt.
Am 15. Februar wurde er
exhumiert
und auf Wunsch seiner Familie in das tschetschenische
Grosny
uberfuhrt, wo er am 24. Februar 1994 erneut beigesetzt wurde. Der tschetschenische Prasident
Ramsan Achmatowitsch Kadyrow
ließ den Leichnam Gamsachurdias am 3. Marz 2007 zu einer
gerichtsmedizinischen
Untersuchung nach
Rostow am Don
bringen. Nach einer Identifizierung durch russische Mediziner wurde er nach Georgien uberfuhrt und am 1. April auf dem
Tifliser Pantheon
am Berg Mtazminda beigesetzt.
[9]
Die Regierung von Gamsachurdias Nachfolger
Eduard Schewardnadse
verbreitete die Version eines
politischen Mordes
durch seine eigenen Anhanger. Gamsachurdias Witwe sprach gegenuber der russischen Nachrichtenagentur
Interfax
zunachst von einem
Suizid
. Ihr Ehemann habe ihn verubt, nachdem sein Zufluchtsort von Paramilitars der
Sakartwelos Mchedrioni
eingekesselt worden sei. Im Marz 2007 sprach sie dagegen von einem
Auftragsmord
.
Staatsprasident
Micheil Saakaschwili
setzte am 26. Februar 2004 eine Untersuchungskommission ein, die die Ereignisse um den Sturz und Tod Gamsachurdias durchleuchten sollte. Ihr gehorten der Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrates, der Generalstaatsanwalt und der Sicherheitsminister Georgiens an. Drei Jahre spater hatte die Kommission noch keine Ergebnisse vorgelegt.
Gamsachurdia sprach mehrere Sprachen, unter anderem
Russisch
,
Deutsch
,
Englisch
und
Franzosisch
. Er hielt sich 1969 auf Einladung von
Gertrud Patsch
zweimal in der DDR auf.
[10]
Gamsachurdia war zweimal verheiratet. Aus der ersten Ehe stammt sein Sohn
Konstantine
(* 24. Juni 1961), der von 1992 bis 2006 mit
politischem Asyl
in der
Schweiz
lebte. Nach seiner Ruckkehr nach Georgien wurde er Vorsitzender der Partei
Freiheitsbewegung
. Aus Swiads zweiter Ehe mit Manana Artschwadse stammen die Sohne Zotne und Giorgi.
Noch nach dem Tod bewegte sein Name die georgische Politik. Vor der georgischen
Rosenrevolution
im November 2003 reiste der damalige Oppositionsfuhrer
Micheil Saakaschwili
nach West-Georgien, warb in den Regionen
Mingrelien
und
Imeretien
unter Anhangern Gamsachurdias. Er erinnerte an das Zitat des ersten Prasidenten
?Wir werden Rosen statt Kugeln auf unsere Feinde werfen“
und uberzeugte rund 30.000 Menschen, an Demonstrationen in Tiflis teilzunehmen.
[11]
Gamsachurdias Sohn
Konstantine
ubernahm nach dem Sturz Schewardnadses den Vorsitz der georgischen Partei
Freiheitsbewegung
(georgisch
Tawisupleba
), pendelt zwischen seinem Wohnsitz in
Basel
und seiner Partei in Tiflis.
Georgiens Regierung, Parlament und die
Georgische Orthodoxe Apostelkirche
ehrten Gamsachurdia anlasslich seiner Beisetzung auf dem Tifliser Pantheon am 30. Marz 2007 mit einem Gottesdienst unter Leitung des Katholikos-Patriarchen
Ilia II.
in der
Swetizchoweli-Kathedrale
in
Mzcheta
, an der der georgische Prasident, der Premierminister und die Parlamentsprasidentin teilnahmen.
[12]
Im Mai 2002 hatte ihn die westgeorgische Stadt
Sugdidi
mit einem Bronzedenkmal geehrt.
- Amerikuli poeziis antologia
. Ganatleba, Tbilisi 1971
- XX saukunis amerikuli poezia
. Ganatleba, Tbilisi 1972
- Literaturuli cerilebi
. Merani, Tbilisi 1976
- Vepxistqaosani inglisur enaze
. Mecniereba, Tbilisi 1984
- Igavebi da zgaprebi
. Nakaduli, Tbilisi 1987
- Mtvaris nischnoba (leksebi)
. Merani, Tbilisi 1989
- The spiritual mission of Georgia
. Ganatleba, Tbilisi 1991,
ISBN 5-505-01424-0
- Vepxistqaosnis saxismetqveleba
. Mecniereba, Tbilisi 1991,
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- Cerilebi. esseebi
. Xelovneba, Tbilisi 1991
- Uberblick uber die Beziehungen zwischen Rußland und Georgien vor und nach 1917
. in: J. Gerber:
Nationaler Dissens in Georgien 1956 bis 1991
. Freiburg i. Br., Diss. 1995, S. 313?316 (= Dok. 4)
- Chelovechestvo pered dilemmoi
. Aktrisa Margarita, Moskva, 1994
Die Flucht Gamsachurdias im Jahr 1993 bildet den Hintergrund fur den 2017 veroffentlichten Film
Vor dem Fruhling
(
Khibula
) von Regisseur
George Ovashvili
. Der georgische Prasident flieht zusammen mit verbliebenen Anhangern in die Berge, wo er unter ungeklarten Umstanden stirbt.
[13]
- Konstantin Gamsachurdia:
Swiad Gamsachurdia, Dissident ? Prasident ? Martyrer
. Perseus-Verlag, Basel 1995,
ISBN 3-907564-19-7
- Jurgen Gerber:
Georgien: Nationale Opposition und kommunistische Herrschaft seit 1956
. Nomos-Verlagsgesellschaft, Baden-Baden 1997,
ISBN 3-7890-4763-5
- Manana Arcvacze-Gamsakhurdia:
Zviad Gamsaxurdia (avtorizebuli) biograpia bibliograpiit
. Tbilisi 1999
- Janice Bohle:
Gamsakhurdia a product of the Soviet Union
. o. O. 1997
- Conflict in Georgia: human rights violations by the government of Zviad Gamsakhurdia
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- Ghia Nodia:
Political Turmoil in Georgia an the Ethnic Policies of Zviad Gamsakhurdia
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.