S-75
|
|
Allgemeine Angaben
|
Typ
|
Boden-Luft-Lenkwaffensystem
|
Heimische Bezeichnung
|
S-75 Dwina
|
NATO-Bezeichnung
|
SA-2 Guideline
|
Herkunftsland
|
Sowjetunion 1955
Sowjetunion
|
Hersteller
|
OKB-2
Lawotschkin
|
Entwicklung
|
1953
|
Indienststellung
|
1957
|
Einsatzzeit
|
Im Dienst
|
Technische Daten
|
Lange
|
10,78 m
|
Durchmesser
|
Booster: 456 mm
Rakete: 500 mm
|
Gefechtsgewicht
|
2391 kg
|
Spannweite
|
Booster: 2566 mm
Rakete: 1691 mm
|
Antrieb
Erste Stufe
Zweite Stufe
|
Feststoffbooster
,
Flussigtreibstoff-Raketentriebwerk
|
Geschwindigkeit
|
885 m/s
|
Reichweite
|
7?43 km
|
Dienstgipfelhohe
|
1000?30.000 m
|
Ausstattung
|
Lenkung
|
Tragheitsnavigationsplattform
|
Zielortung
|
Radarzielverfolgung mit Funkkommandolenkung
|
Gefechtskopf
|
190 kg Splittergefechtskopf
|
Zunder
|
Naherungs-
und
Aufschlagzunder
|
Waffenplattformen
|
Halbstationare Stellung
|
Listen zum Thema
|
Das
S-75
Dwina
(
NATO-Codename
:
SA-2 Guideline
) ist ein
Flugabwehrraketenkomplex
, der in den 1950er Jahren in der
Sowjetunion
entwickelt wurde. Er ist bis heute im Einsatz und eines der am weitesten verbreiteten und genutzten Flugabwehrsysteme.
Das Flugabwehr-Raketensystem wurde nach den russischen Flussen
Dwina
,
Desna
bzw.
Wolchow
(
russisch
С-75
Двина
, Десна bzw.
Волхов
) benannt. Die Entwicklung des Systems startete im November 1953 durch das Almas-Konstruktionsburo unter
Boris Bunkin
, die Rakete selbst wurde vom Entwicklungsburo
Fakel
unter Leitung von
Pjotr Gruschin
entwickelt. Die Waffe sollte hochfliegende britische und amerikanische
Bomber
wie die
B-52
abfangen konnen. Testfluge wurden ab 1955 durchgefuhrt. Das System wurde 1957 als einsatztauglich eingestuft und ab 1959 in Dienst gestellt. Die S-75 wurde als preiswertere Rakete entwickelt, die anstelle der aufwandigen
S-25
in vielen Regionen stationiert werden konnte.
[1]
Das komplette System aus Raketen,
Radar
und anderen Geraten kann auf Fahrzeugen und Anhangern transportiert werden. Die typische
Batterie
bestand aus sechs Startern, einem RSNA75-Radargerat und mehreren mobilen
Generatoren
. Wegen des begrenzten Auffassungsbereichs des RSNA75-Radars wurden Zieldaten zunachst von leistungsstarkeren Geraten wie dem
P-12
-Radar erfasst und an die S-75-Batterie per Drahtverbindung weitergemeldet.
[1]
1958 wurden die ersten funf Batterien mit 62 Raketen an die
Volksrepublik China
geliefert. Zum Hohepunkt der S-75-Verbreitung 1969 hatte die Sowjetunion uber 800 Raketenbatterien auf ihrem Staatsgebiet installiert.
[1]
Ab 1961 wurde die modernisierte Version S-75M eingefuhrt und ab 1962 in Dienst gestellt. Verbessert wurde vor allem das Radarsystem, das nun besser mit Gegenmaßnahmen wie
Duppel
und Storsender umgehen konnte.
[1]
Das System S-75 besteht aus
zweistufigen
radargelenkten Raketen vom Typ W-75, dem Fruhwarnradar P-12
Jenissei
(NATO-Codename: Spoon Rest) mit einer Reichweite von bis zu 275 km und dem
Feuerleitradar
RSNA-75 (NATO-Codename: Fan Song)
[2]
, Reichweite 60?145 km.
Eine Bodenstation fasst das Ziel per
Radar
auf und lenkt die Rakete uber
Funkbefehle
. Die Bodenstation besteht aus den Einheiten UW (zur Steuerung der Raketen), RW (zur Stromversorgung), PW (Antennenanlage zur Signalubermittlung an die Rakete), AW (enthalt die meisten elektronischen Bauteile der Anlage) und ZAF (zur Unterscheidung von Freund- oder Feindflugzeugen auf dem Radar). In der UW arbeiten ein
Feuerleitoffizier
, der Schießende (als Befehlshaber), zwei Planzeichner und drei Funkorter.
Das Leitsystem kann nur ein Ziel auf einmal erfassen und mit bis zu drei Raketen bekampfen. Um Ausweichmanovern des Piloten zu begegnen, wird meist ein Abstand von sechs Sekunden zwischen den Starts gewahlt. Erst nach dem Ende der Flugzeit konnen neue Raketen gestartet oder ein neues Ziel erfasst werden.
Typischerweise besteht eine Stellung aus sechs Raketenstartern mit je einer Rakete, die im Abstand von etwa 100 m im Sechseck angeordnet sind. In der Mitte befinden sich die Radar- und Kontrollsysteme sowie sechs weitere Raketen zum Nachladen. Unter bestimmten Bedingungen ist auch der Einsatz gegen See- oder Landziele moglich. Je nach Geschwindigkeit des anfliegenden Ziels und der daraus resultierenden ?Begegnungszeit“ kann die Splitterzone des Gefechtskopfes in Richtung nach vorn, seitlich oder hinten variiert werden. Die Zundung erfolgt durch einen funkelektronischen Annaherungszunder, der eine voreingestellte Anzahl reflektierter Impulse empfangen hat. Die Vernichtung des Zieles selbst wird von den mit hoher Energie fliegenden Teilen der Splitterummantelung des Gefechtskopfes verursacht.
Die veralteten Radarsysteme sind heute durch
ECM
leicht zu storen. Es gibt modernisierte Varianten mit optischem Visier hoher Reichweite (Kamera) und raumlich verringerter Radarabtastung (Impulsbundelregime). Im Falle eines Luftangriffs mit Antiradarraketen ARM auf einen S-75-Komplex kann bei rechtzeitiger Ortung das Radar ausgeschaltet werden. Durch den zunehmenden Winkelfehler der anfliegenden ARM verringert sich deren Trefferwahrscheinlichkeit. Ebenso besteht mit entfernten einfachen Sendern die Moglichkeit, virtuelle SA-Ziele fur die ARM zu simulieren. Die schon in der Luft befindlichen Raketen des S-75 konnen in der Zwischenzeit von benachbarten S-75-Leitstationen funktechnisch ubernommen und weiterhin in das Ziel gelenkt werden. Aufgrund der ausschließlichen Ausstattung mit Rohrentechnik ist der altere, nicht modernisierte Raketenkomplex durch einen
EMP
einer Kernexplosion nur außerst kurz gestort und danach wieder einsatzbereit.
S-75M
Dwina
[1]
|
Typ
|
Ferngelenkte Flugabwehrrakete
|
Leistung
|
Geschwindigkeit
|
Mach
3 (1030 m/s)
|
Bekampfungsreichweite (max.)
|
29 km
|
Bekampfungsreichweite (min.)
|
5 km
|
Bekampfungshohe (max.)
|
27 km
|
Bekampfungshohe (min.)
|
500 m
|
Vernichtungszone
|
5?35 km
|
Antrieb
|
PRD18-
Feststoffbooster
/ S2711W-
Flussigkeitsrakete
(Hauptstufe)
|
Schub
|
27?50 t fur 5 Sek. / 3,1 t fur 25 Sek.
|
Gewicht
|
Gesamtmasse
|
2287 kg
|
Gefechtskopf
|
190 kg
HTA
-Sprengstoff
|
Abmessungen
|
Lange
|
10,72 m
|
Durchmesser (Rakete, max.)
|
0,5 m
|
Der erste erfolgreiche Einsatz fand 1959 statt. 1958 hatte die Sowjetunion funf S-75-Batterien mit insgesamt 62 Raketen an die Volksrepublik China geliefert, die sich im Konflikt mit der
Republik China
befand. Die
Luftstreitkrafte der Republik China
setzten US-amerikanische
RB-57D
-
Spionageflugzeuge
zur Aufklarung uber der Volksrepublik ein, wobei eines am 7. Oktober 1959 in 20 km Flughohe von drei S-75-Raketen getroffen wurde. Die Umstande des Abschusses wurden jedoch verschleiert und der Abschuss offiziell chinesischen Jagdflugzeugen zugeschrieben, um die Existenz der S-75 in China zu verheimlichen.
[1]
International wurde das System S-75 so erst durch den Abschuss eines US-amerikanischen Spionageflugzeuges
U-2
am 1. Mai 1960 uber der Sowjetunion bekannt. Die Maschine von
Francis Gary Powers
wurde sudlich
Swerdlowsk
abgeschossen, der Pilot uberlebte und wurde gefangen genommen. Insgesamt wurden 14 Fla-Raketen abgefeuert, zusatzlich waren Jagdflugzeuge der Typen
MiG-19
und
Su-9
auf die U-2 angesetzt. Aufgrund fehlerhafter Kommunikation zur Jagerleitstelle traf eine der Raketen eine MiG-19, deren Pilot ums Leben kam. Die Amerikaner waren bis zu diesem Tag davon ausgegangen, dass die Operationshohe der U-2 außerhalb der Reichweite samtlicher Luftabwehrwaffen lag.
Am 5. September 1961 entdeckten US-amerikanische U-2-
Aufklarungsflugzeuge
bei Spionageflugen uber
Kuba
sowjetische S-75-Stellungen
. Wahrend der
Kubakrise
wurde am 27. Oktober 1962 eine weitere U-2 mit einer S-75 abgeschossen. Der Pilot, Major
Rudolf Anderson
, kam ums Leben.
Im
Vietnamkrieg
setzte
Nordvietnam
ebenfalls die Flugabwehrrakete S-75 ein. Schon 1965 wurden kurz nach dem Beginn der US-Luftoffensive
Operation Rolling Thunder
die ersten Anlagen installiert. Obwohl US-amerikanische Aufklarer die Installationen ausmachen und identifizieren konnten, wurden diese nicht angegriffen, bis erste Verluste zu verzeichnen waren (erster Abschuss Juli 1965).
[3]
Die S-75 war ein zentraler Bestandteil der integrierten nordvietnamesischen Luftverteidigung zur Bekampfung hochfliegender Ziele. Auch
John McCain
, spater US-amerikanischer Prasidentschaftskandidat, wurde im Oktober 1967 von einer S-75 abgeschossen. 1972 waren 65 S-75-Stellungen in Nordvietnam verteilt. Wahrend der US-Operation
Linebacker II
im Dezember 1972, bei der die USA in elf Tagen rund 740 Angriffe mit B-52-Bombern und etwa 1200 Angriffe mit anderen Kampfflugzeugen auf die Stadte
Haiphong
und
Hanoi
flogen, konnte die nordvietnamesische Luftverteidigung 15 B-52-Bomber und 10 sonstige Kampfflugzeuge mit S-75 abschießen.
Wahrend des
Jom-Kippur-Kriegs
im Oktober 1973 war die S-75 ein wichtiger Schutz der agyptischen Offensive gegen Angriffe israelischer Mirage- und Phantom-Kampfflugzeuge.
Die Versionen
HQ-1/2/3/4
sind chinesische Lizenzbauten der S-75.
Die Dongfeng DF-7 (auch
M-7
,
Projekt 8610
oder
CSS-8
) ist eine ballistische
Kurzstreckenrakete
der Volksrepublik China. Die Reichweite betragt 180 km, ihr Gefechtskopf wiegt zwischen 190 und 250 kg. Er kann konventionell, chemisch oder mit
Streumunition
bestuckt sein. Die DF-7 wurde auf Basis der
HQ-2
entwickelt, außer Dienst gestellte HQ-2 wurden zu DF-7 konvertiert.
[4]
[5]
Die indische Kurzstreckenrakete
Prithvi
(?Erde“) verwendet das Flussigkeitstriebwerk der S-75 seit 1987. Es existieren drei Varianten mit Reichweite bis zu 350 km, außerdem diente sie als Oberstufe des ersten indischen
Satellitentragers
1992?1994.
In ehemaligen Staaten des
Warschauer Pakts
war der Komplex S-75 weit verbreitet und ist zum Teil bis heute dort zu finden, obwohl er technisch inzwischen veraltet ist. In der
NVA
der
DDR
gab es etwa 25 S-75-Systeme. Auch in der
Luftwaffe
von
Nordkorea
befinden sich noch immer viele, vermutlich modernisierte Komplexe im Dienst.
- ↑
a
b
c
d
e
f
Steven Zaloga:
Red SAM: The SA-2 Guidline Anti-Aircraft missile.
Osprey Publishing, 2007,
ISBN 978-1-84603-062-8
.
- ↑
Carlo Kopp:
Engagement and Fire Control Radars.
August 2011,
abgerufen am 14. August 2014
(englisch).
- ↑
Jack Broughton:
Thud Ridge
. F-105 Thunderchief missions over Vietnam. Crecy Publishing, 2006,
ISBN 978-0-85979-116-8
,
S.
276
(englisch,
eingeschrankte Vorschau
in der Google-Buchsuche [abgerufen am 24. Dezember 2015]).
- ↑
DF-7 / M-7 / 8610 / CSS-8.
In:
globalsecurity.org.
Abgerufen am 2. Februar 2015
(englisch).
- ↑
M-7 (CSS-8/Project 8610).
In:
missilethreat.com.
Missile Threat, archiviert vom
Original
(nicht mehr online verfugbar) am
11. Februar 2015
;
abgerufen am 2. Februar 2015
(englisch).