Rudolf Schenda
(*
13. Oktober
1930
in
Essen
; †
14. Oktober
2000
in
Jona
in der
Schweiz
) war ein
Volkskundler
,
Literaturwissenschaftler
und
Erzahlforscher
.
Der Sohn des Malermeisters Rudolf Schenda (* 1897 in
Gelsenkirchen
, † 1966 in
Nordlingen
) studierte in
Amherst
(Mass.),
Munchen
sowie in
Paris
Romanistik
und
Anglistik
, unterbrach sein Studium aber mehrfach fur Studienaufenthalte in
Italien
und
Frankreich
. Seine
Dissertation
reichte Schenda in Munchen 1959 zur
franzosischen
Prodigienliteratur
in der zweiten Halfte des 16. Jahrhunderts ein. 1960?1962 war er
Lektor
in
Palermo
, 1962 wurde er
Assistent
von
Hermann Bausinger
in
Tubingen
, wo er sich 1969 mit
Volk ohne Buch
habilitierte
. Von 1973 bis 1979 war er
Professor
und Direktor des Seminars fur Volkskunde an der
Universitat Gottingen
, danach bis zur
Emeritierung
1995
Lehrstuhlinhaber
fur Europaische Volksliteratur an der
Universitat Zurich
. Seit 1958 war er mit der Kunstlerin
Susanne Schenda
verheiratet.
Schenda machte sich als
sozialhistorisch
orientierter Erzahlforscher einen Namen. Seine 1970 erschienene Habilitationsschrift
Volk ohne Buch
gilt als
Klassiker
der
Literatur
- und
Lesersoziologie
. Seine Quellenkenntnis insbesondere der Literaturen der
Romania
wurde allgemein bewundert. Außer mit den popularen Lesestoffen
Europas
befasste er sich unter anderem mit der
Volksmedizin
und der
Sozialgerontologie
.
Unter seiner Leitung entstand außerdem ? als sein letztes großes Werk (2000) ? die erste vollstandige deutsche Ubersetzung der neapolitanischen Marchensammlung ?Lo cunto de li cunti“ von
Giambattista Basile
(bekannt auch unter dem Titel ?Il Pentamerone“), des altesten europaischen Marchenbuchs (1634/36).
Schenda war Mitherausgeber der
Enzyklopadie des Marchens
und der Zeitschriften
Fabula
,
Curare
und
Internationales Archiv fur Sozialgeschichte der deutschen Literatur
.
Der Titel der ihm 1995 gewidmeten Festschrift
Horen, Sagen, Lesen, Lernen
spielt auf Schendas Interessen an der Geschichte der kommunikativen Kultur an.
- Die franzosische Prodigienliteratur in der zweiten Halfte des 16. Jahrhunderts
, Munchen 1961 (= Munchner Romanistische Arbeiten, 16)
- Volk ohne Buch. Studien zur Sozialgeschichte der popularen Lesestoffe 1770?1910
, Klostermann, Frankfurt am Main 1970,
ISBN 3-465-01836-2
(=
Studien zur Philosophie und Literatur des 19. Jahrhunderts
. Band, 5, zugleich
Habilitationsschrift
Universitat Tubingen
1970).
- Die Lesestoffe der Kleinen Leute. Studien zur popularen Literatur im 19. und 20. Jahrhundert
, Munchen 1976 (= Beck’sche Schwarze Reihe, 146)
ISBN 3-406-04946-X
- Folklore e letteratura popolare: Italia ? Germania ? Francia
, Roma 1986 (= Bibliotheca Biographica)
- Sagenerzahler und Sagensammler der Schweiz. Studien zur Produktion volkstumlicher Geschichte und Geschichten vom 16. bis zum fruhen 20. Jahrhundert
. Hrsg. von Rudolf Schenda unter Mitarbeit von Hans Ten Doornkaat, Bern / Stuttgart 1988
ISBN 3-258-03878-3
- Von Mund zu Ohr. Bausteine zu einer Kulturgeschichte volkstumlichen Erzahlens in Europa
, Gottingen 1993
ISBN 3-525-01354-X
.
- Das ABC der Tiere. Marchen, Mythen und Geschichten
, Beck, Munchen 1995
ISBN 3-406-39889-8
- Gut bei Leibe. Hundert wahre Geschichten vom menschlichen Korper
, Beck, Munchen 1998
ISBN 3-406-44110-6
.
- als Herausgeber:
Giambattista Basile: Das Marchen der Marchen. Das Pentamerone.
Nach dem neapolitanischen Text von 1634/36 vollstandig neu ubersetzt und erlautert von
Hanno Helbling
,
Alfred Messerli
,
Johann Pogl
,
Dieter Richter
,
Luisa Rubini
, Rudolf Schenda und
Doris Senn
. Beck, Munchen 2000,
ISBN 978-3-406-68629-0
. (2. Aufl. 2015)