Als
Rechtsnorm
(auch
Rechtsvorschrift
beziehungsweise
Rechtssatz
) wird eine
gesetzliche
Regelung oder eine auf gesetzlicher Grundlage ergangene oder eine im
Gewohnheitsrecht
enthaltene Vorschrift bezeichnet. Rechtsnormen sind generell-abstrakter Natur. Darunter wird im
Rechtsverkehr
jede verbindliche Regelung verstanden, die eine
Rechtsfolge
an einen
Tatbestand
knupft. Unter Rechtsnormen fallen neben Gesetzen auch
Satzungen
und
Rechtsverordnungen
.
Da sie fur eine Vielzahl von Sachverhalten wirkt, ist sie abstrakt; aufgrund der Wirkung fur eine Vielzahl von Personen ist sie generell. Ist eine Rechtsnorm nur auf eine Person oder einen einzigen Sachverhalt anwendbar, spricht man von einem
Einzelfallgesetz
. Der Begriff der Rechtsnorm wird in der
Rechtswissenschaft
verschieden weit definiert.
Das zugehorige Adjektiv ist
normativ
.
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Rechtsnormen zahlen zu den
sozialen Normen
, zu denen auch
moralische
Normen gezahlt werden. Im Unterschied zu diesen sind Rechtsnormen aber mit Befehl und Zwang im Wege der
Vollstreckung
auch gegen den Willen des
Normadressaten
durchsetzbar. Zusatzlich handelt es sich bei einer Rechtsnorm, im Gegensatz zur moralischen Norm, um
positives Recht
: das bedeutet, dass es von Menschen gegenuber Menschen nach bestimmten Erzeugungsregeln
gesetzt
wird.
Rechtssatz
und Rechtsnorm sind keine Synonyme.
Paul Eltzbacher
stellte bereits 1903 fest: ?Die Rechtssatze sind die Bausteine, aus denen sich die kunstvollen Gebaude der Rechtsnormen zusammenfugen“.
[1]
Die Rechtsnorm betrifft den ?Inhalt rechtlicher Sollensanforderung“ und ist daher imperativen Charakters, demgegenuber erfullen die definitorischen und ausfullenden Rechtssatze andere Funktionen.
[2]
Der Rechtssatz beinhaltet die Struktur eines Satzes
(semantisches Merkmal)
und den Bezugspunkt des Rechts
(funktionales Merkmal)
. Er trifft eine rechtliche Aussage. Dagegen gibt die Rechtsnorm die Bedeutung mehrerer abstrakt-genereller Rechtssatze wieder.
[3]
Eine Rechtsnorm besteht grundsatzlich aus einem
Tatbestand
und einer
Rechtsfolge
im Sinne einer Wenn-Dann-Relation (juristischer
Syllogismus
). Derartige Rechtsnormen legen fest, unter welchen tatsachlichen Bedingungen ein bestimmter rechtlicher Erfolg eintreten soll. Wenn die
Tatfrage
(quaestio facti)
zu bejahen ist, dann soll die Rechtsfolge gelten.
Daneben konnen Rechtsnormen auch bloße Definitionen enthalten, indem ein bestimmtes Begriffsverstandnis durch den Gesetzgeber verbindlich festgelegt wird. Ein Beispiel fur eine solche
Legaldefinition
ist
§ 194
Abs. 1
Burgerliches Gesetzbuch
: das Recht, von einem anderen ein Tun oder Unterlassen zu verlangen, wird dort gesetzlich als
Anspruch
definiert.
Zielnormen
haben keinen unmittelbar regelnden, sondern programmatischen Charakter und enthalten einen Regelungsauftrag zum Erlass weiterer Rechtsvorschriften, die der Zielerreichung dienen.
Mit dem Aufbau von Rechtsnormen und mit ihrer Anwendung beschaftigt sich die Lehre vom
Rechtssatz
.
[4]
Was im konkreten Fall gilt, lasst sich in aller Regel nicht aus einem einzelnen Rechtssatz entnehmen. Vielmehr muss meist auf einen zusammengesetzten Rechtssatz zuruckgegriffen werden. Er besteht außer aus dem Kernrechtssatz aus Rechtssatzen zum Geltungsbereich der Vorschrift in personlicher, sachlicher, zeitlicher und ortlicher Hinsicht sowie aus Erganzungsnormen zur Konkretisierung der Begriffe in einem Rechtssatz.
[5]
Verbreitet ist die Gleichsetzung der Rechtsnorm mit dem materiellen
Gesetz
, wobei letzteres die
Rechtsquelle
ist, der schließlich die Rechtsnorm entnommen wird. Danach ist Rechtsnorm jede (in personlicher Hinsicht) generelle und (in sachlicher Hinsicht) abstrakte Regelung, die auf Außenwirkung gerichtet ist. Beispiele:
Verfassung
,
Parlamentsgesetz
,
Rechtsverordnung
,
offentlich-rechtliche Satzung
. Man spricht insoweit auch vom
positiven Recht
, weil es von einem
Gesetzgeber
?positiv“ gesetzt worden ist, im Gegensatz zum ungeschriebenen
Gewohnheitsrecht
. Diese Einordnung ist aber nicht zwingend. Wo im sozialen
Rechtsstaat
noch Raum fur dessen Geltung verbleibt, besteht auch das Gewohnheitsrecht aus Rechtsnormen.
Eine Ausweitung erfahrt der Begriff der Rechtsnorm, wenn auf das Merkmal der
Außenwirkungsfinalitat
verzichtet wird. Rechtsnorm ist dann jede (personliche) generelle und (sachliche) abstrakte Bestimmung. Beispiele: Verfassung, Parlamentsgesetz, Verordnung, kommunale Satzung,
Subventionsrichtlinie
als
Verwaltungsvorschrift
.
Auch ist es moglich, als Rechtsnorm schlechthin jede Regelung zu verstehen, die gewisse
Verhaltensweisen
normativ qualifiziert, also durch die Angabe einer
Subsumtionsbedingung
oder die Anknupfung einer Rechtsfolge an einen Tatbestand. Beispiele: Verfassung, Parlamentsgesetz, Verordnung, kommunale Satzung,
Richterrecht
oder durch
Rechtsfortbildung
entstandene Rechtsnormen, Subventionsrichtlinie als Verwaltungsvorschrift,
Baugenehmigung
als
Verwaltungsakt
,
Kaufvertrag
. Diese Terminologie entspricht beispielsweise der
Reinen Rechtslehre
Hans Kelsens
.
Eine
Sollensanordnung
kann folgenden vier Typen zugeordnet werden (Typisierung):
[6]
- statuiert eine Unterlassungspflicht;
- statuiert eine Handlungspflicht;
- statuiert ein Handlungsrecht;
- statuiert ein Unterlassungsrecht.
- ↑
Paul Eltzbacher,
Die Handlungsfahigkeit nach deutschem burgerlichem Recht
, Berlin 1903, S. 43.
- ↑
Hermann Eichler,
Gesetz und System
, 1970, S. 36.
- ↑
Dirk Heckmann,
Geltungskraft und Geltungsverlust von Rechtsnormen
, 1997,
S. 124 f.
- ↑
Eine mittlerweile ?klassische“ Darstellung findet man in der Lehrbuchliteratur bei:
Karl Larenz
/
Claus-Wilhelm Canaris
,
Methodenlehre der Rechtswissenschaft
, 3. neubearb. Aufl. Nachdruck,
Springer-Verlag
, Berlin/Heidelberg 2008,
ISBN 978-3-5405-9086-6
, Kapitel 2 ? ?Die Lehre vom Rechtssatz“, S. 71?98.
- ↑
Rolf Wank
,
Juristische Methodenlehre
, Munchen 2020, § 5.
- ↑
Klaus F. Rohl
/
Hans Christian Rohl
:
Allgemeine Rechtslehre: Ein Lehrbuch.
Vahlen Verlag, 4. Auflage, Munchen 2021,
ISBN 978-3-8006-4722-4
, S. 192?196.