Otto Mollinger

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Otto Mollinger um 1857

Otto Mollinger (* 19. Mai 1814 in Speyer ; † 22. Dezember 1886 in Fluntern , heute Stadt Zurich ) war ein deutsch - schweizerischer Naturwissenschaftler , Kantonsschullehrer , Erfinder und Unternehmer . Die Daguerreotypistin Franziska Mollinger war seine Schwester. Nach jahrzehntelanger Lehrtatigkeit an der Hohern Lehr- und Erziehungsanstalt des Kantons Solothurn wurde Mollinger 1869 gegen seinen Willen fruhpensioniert, nachdem er mit seiner monistisch - pantheistischen Schrift Die Gottidee der neuen Zeit einen Skandal ausgelost hatte.

Leben [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Otto Mollinger wurde als Sohn des Uhrmachers David Mollinger (1748?1834) und der Rosina, geborene Ficht (1785?1839), in Speyer geboren. Die Familie war mennonitischer Herkunft. [1] Otto Mollinger hatte eine Schwester, die 1817 geborene Louise Franziska . Er studierte an der Universitat Munchen Mathematik und Physik, wobei er ein besonderes Gewicht auf Strassen-, Brucken- und Wasserbaukunde legte. Nach Abschluss seiner Studien trat Mollinger als Ingenieur-Praktikant in ein Bauunternehmen ein. Als 1835 an der damaligen Hohern Lehr- und Erziehungsanstalt des Kantons Solothurn , der heutigen Kantonsschule Solothurn , eine mathematisch-naturwissenschaftliche Gymnasial -Professorenstelle zu besetzen war, meldete sich Mollinger und wurde am 10. Februar 1836 durch Ruf gewahlt. [2] Er zog zusammen mit der verwitweten Mutter und seiner Schwester nach Solothurn. In der Folge war Mollinger wahrend 33 Jahren am Gymnasium tatig. 1845 erwarb er durch Einburgerung in der Gemeinde Gunsberg das Schweizer Burgerrecht . Am 30. September gleichen Jahres heiratete er Elisabeth Nanette Fluri, Burgerin von Selzach . Das Ehepaar hatte funf Kinder, von denen zwei, Oskar und Mathilde, das Erwachsenenalter erreichten. Wahrend Otto Mollinger in Solothurn als Protestant lebte, war seine Frau katholisch und auch die Kinder wurden im katholischen Glauben erzogen. Nach seiner Fruhpensionierung 1869 verliess Mollinger Solothurn im Herbst 1872 und zog mit seiner Familie nach Fluntern bei Zurich , das damals noch eine selbstandige Gemeinde war. Dort betrieb er ein mathematisches Institut und Pensionat. Otto Mollinger verstarb am 22. Dezember 1886 im Alter von 72 Jahren an einem Leberleiden. [3]

Wirken [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Der junge Otto Mollinger 1840 im botanischen Garten von Solothurn. Zeichnung von Martin Disteli

Otto Mollinger bildete zusammen mit den kurz vor ihm als Professoren nach Solothurn berufenen Joseph Anton Dollmayr und Heinrich Schroder , die Mollinger in Solothurn empfohlen hatten, ein ≪gelehrtes Kleeblatt≫, das, so Hans Rudolf Stampfli in seiner Mollinger-Biographie, ≪innert kurzester Zeit fur durchgreifende Neuerungen im wissenschaftlich-kulturellen Bereich≫ sorgte. [4] Neben seiner Lehrtatigkeit als Professor der Mathematik und des geometrischen Zeichnens am Gymnasium engagierte sich Mollinger fur verschiedene Gesellschaften zur Forderung der Wissenschaft, der Bildung und des Gewerbes im Kanton Solothurn. So war er bereits 1836 an der Neubelebung der Naturforschenden Gesellschaft beteiligt. Auch die Ende 1836 von Apotheker Josef Anton Pfluger vorgeschlagene Sonn- und Feiertags-Industrieschule wurde von Mollinger stark unterstutzt. Bis dahin hatte es in Solothurn an Ausbildungsmoglichkeiten im Technik- und Gewerbebereich gefehlt. Wie auch Schroder unterrichtete Mollinger an dieser Schule jeden Sonntag unentgeltlich. Nach einem gut besuchten ersten Jahr nahm das Interesse jedoch ab und der Betrieb der Sonn- und Feiertagsschule wurde wieder eingestellt. Mollinger gehorte zu den Grundern sowohl des Gewerbevereins der Stadt Solothurn (1842) als auch des Landwirtschaftlichen Vereins des Kantons Solothurn (1845). Er hielt allgemeinbildende offentliche Vortrage, unter anderem ab 1857 in der Topfergesellschaft Solothurn zu Themen wie ≪Der Bau des Weltalls≫, ≪Kepler und seine Zeit≫ oder ≪Uber den Geist in der Materie und den Kreislauf des Wassers≫. Enthusiastisch setzte sich Mollinger wahrend Jahren fur die Errichtung einer ≪Industriehalle≫ ein, die als Ausstellungs- und Verkaufsort fur einheimische Betriebe dienen sollte. Nachdem ihn dabei weder der Gewerbeverein noch die Behorden unterstutzen wollten, eroffnete Mollinger die Halle schliesslich um 1858 im Alleingang. Das Unternehmen scheiterte und die Halle musste schon 1859 wieder geschlossen werden.

Mollinger entfaltete auch Tatigkeiten als Erfinder, Unternehmer, Redaktor und Herausgeber. Zu seinen Erfindungen gehoren ein Universal- Zirkel , eine logarithmische Hulfstafel , welche die Funktionen eines Rechenschiebers auf eine Tafel ubertragt, sowie ein modifizierter Telegraf , dessen Konstruktion sich aufgrund ihrer Kompliziertheit jedoch nicht durchsetzen konnte. Er produzierte und vertrieb eine Dachpappe , die ≪leider nicht ganz wasserdicht≫ [5] war und der daher ebenfalls kein Erfolg beschieden war, wie auch Mollingers Unternehmen fur Galvanoplastik wenig eingebracht haben soll. Erfolgreicher betrieb er die galvanische Vergoldung . Mollingers Mathematisches Institut , zuerst in Solothurn, spater in Fluntern, zog Schuler aus diversen europaischen Staaten von Norwegen bis Ungarn an, die darin propadeutische Kurse im Hinblick auf das Studium am Polytechnikum angeboten erhielten. [6]

Ab 1839 war Mollinger Redaktor der in Solothurn bei Franz Joseph Amatus Gassmann gedruckten volksbildenden Zeitschrift Der Verbreiter gemeinnutziger Kenntnisse bis zu ihrer Einstellung 1849. Von 1840 bis 1844 war er zudem zusammen mit Pompeius Bolley Redaktor des Schweizerischen Gewerbeblattes . 1855 grundete Mollinger als Redaktor und Herausgeber die Allgemeine Schweizer-Zeitung fur Industrie, Handel und Gewerbe, Haus- und Landwirthschaft in Verbindung mit einer Adress- und Musterzeitung nebst allgemeinem Anzeiger , die ihr Erscheinen nach einem Jahr wieder einstellen musste.

Der Naturforscher Franz Vinzenz Lang (1821?1899), ab 1846 ebenfalls Professor am Solothurner Gymnasium und von 1872 bis 1883 dessen Rektor , wurdigte Mollinger in einem Nachruf mit den Worten:

?Mollinger war ein rastlos vorwarts strebender Geist, der sich mit unermudlicher Ausdauer in die verschiedensten Wissensgebiete vertiefen konnte; daneben besass er einen menschenfreundlichen Charakter, welcher ihm die Zuneigung aller derjenigen erwarb, die mit ihm in Beruhrung kamen. Man konnte ihm vielleicht den Vorwurf machen, dass er nicht die notige Klugheit besass, um die Lebensverhaltnisse allseitig zu wurdigen und zu verstehen, aber sein harmloses Gemut baute auf die Rechtlichkeit und Gute der Menschheit.“

? Franz Vinzenz Lang : Nachruf in den ≪Verhandlungen der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft≫ [7]

≪Die Gottidee der neuen Zeit≫ [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Mit der Veroffentlichung seiner kleinen Schrift ≪Die Gottidee der neuen Zeit und der nothwendige Ausbau des Christenthums in sechs Vorlesungen entwickelt aus den Gesetzen der naturlichen Offenbarungen der Gottheit≫ loste Mollinger 1869 zu seiner Uberraschung einen Aufruhr im Kanton Solothurn und daruber hinaus aus. Er vertritt darin eine monistisch - pantheistische Glaubenslehre, der zufolge die Natur die alleinige Offenbarung ist, und erkennt weder eine gottliche Vorsehung noch die Unsterblichkeit der Seele an. Mollinger hatte fur seine Publikation einen besonders ungunstigen Zeitpunkt gewahlt, da die Hohere Lehranstalt gerade starker Kritik von katholisch-konservativer Seite ausgesetzt war, beispielsweise wegen vieler Schuler, die dem obligatorischen Besuch der Messe unentschuldigt ferngeblieben waren. In der Folge wurde Mollinger vor allem von der katholischen Schweizerischen Kirchenzeitung heftig angegriffen, die seine Schrift als ≪Schandfleck unseres Jahrhunderts≫ darstellte. [8] Der Protestant Johann Mollet , Oberrichter und fruherer Regierungsrat , verfasste eine erste Entgegnungsschrift. Unter dem konservativen Druck gab die Regierung des Kantons Solothurn schliesslich nach, obwohl es fur eine Amtsenthebung Mollingers keine rechtliche Basis gab. Mollinger wurde bei vollem Jahresgehalt fruhpensioniert, was von ihm als ≪wesentlich ungerechtfertigte Absetzung, welche allerdings in einer sehr milden Form vollzogen worden ist≫, bezeichnet wurde. [9] Als Mollinger bereits abgesetzt war, erschien unter dem Titel ≪Alte Wahrheiten und alte Irrthumer≫ eine weitere Entgegnung von drei Professoren der Theologie, unter denen sich auch der spatere Bischof Friedrich Fiala befand. In den ebenfalls 1869 (als Sonderdruck aus dem Nidwaldner Volksblatt in Stans ) erschienenen ≪Solothurner Briefen≫ des streng konservativ gesinnten Alois Johann Zurcher, einer Polemik gegen die liberalen Professoren der solothurnischen Lehranstalt, wird Mollinger als ≪Hollinger≫ verspottet. Jedoch hat der unter dem Pseudonym Hilarius Immergrun auftretende Zurcher fur Mollinger als einzigen der Angegriffenen auch freundliche Worte ubrig, indem er ihn als ≪im Grunde (menschlich genommen) eine gute sittlich reine Seele≫ bezeichnet. [10]

Werke (Auswahl) [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Logarithmische Hulfstafel, als Ersatzmittel des englischen Schieberlineals, zum Gebrauche fur Erwerbsleute aller Art … Solothurn 1839.
  • Anleitung zur Construktion und zum Gebrauch der beweglichen Himmelskarte mit Horizont, nebst ausfuhrlicher Beschreibung der einzelnen Sternbilder . Brodtmann, Schaffhausen 1840.
  • Taschenbuch des Rechnenden fur Mechaniker, Geometer, Forstleute, Pharmazeuten, Kaufleute, Techniker und Gewerbetreibende jeder Art . Jent & Gassmann, Solothurn 1842.
  • Die Gottidee der neuen Zeit und der nothwendige Ausbau des Christenthums . In sechs Vorlesungen entwickelt aus den Gesetzen der naturlichen Offenbarungen der Gottheit. Verlags-Magazin, Zurich 1869.
  • Die induktive Philosophie der Kraft, als Grundlage zur Entwicklung der Gottidee . Gegenwort auf die an der Schlussfeier der solothurnischen Kantonsschule am 12. August 1869 gehaltenen Rede des Hrn. Dr. V. Kaiser, Professor der Philosophie in Solothurn. K.J. Wyss, Bern 1869.
  • Das cyclische Verwaltungs-System, oder, Beantwortung der Frage: Wie mussen die zu humanen und gemeinnutzigen Zwecken bestimmten Geschenke und Vermachtnisse verwaltet werden, um die finanziellen Hulfsmittel unserer wohltatigen und gemeinnutzigen Anstalten unbegrenzt zu vermehren? Ein Beitrag zur Losung der sozialen Frage. Caesar Schmidt, Zurich 1879.

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Hans R. Stampfli: Otto Mollinger, 1814?1886 . Lehrer und Wissenschafter. In: Jahrbuch fur solothurnische Geschichte . Band   65 . Historischer Verein des Kantons Solothurn, Solothurn 1992, S.   5?105 , doi : 10.5169/seals-325117 .
  • Franz Lang: Professor Otto Mollinger . In: Verhandlungen der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft in Frauenfeld . Band   70 , Jahresbericht 1886/87. Huber, Frauenfeld 1887, S.   162?166 ( e-periodica.ch [PDF; abgerufen am 11. Januar 2015]).

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Stampfli, S. 44?45.
  2. Stampfli, S. 10?11.
  3. Stampfli, S. 78.
  4. Stampfli, S. 8.
  5. Stampfli, S. 37.
  6. Stampfli, S. 38.
  7. Franz Lang: Professor Otto Mollinger . In: Verhandlungen der Schweizerischen Naturforschenden Gesellschaft in Frauenfeld . Band   70 , Jahresbericht 1886/87. Huber, Frauenfeld 1887, S.   165 .
  8. Stampfli, S. 68?69.
  9. Stampfli, S. 74.
  10. Stampfli, S. 50.