Marie de Nemours
(*
5. Marz
1625
in Paris; †
16. Juni
1707
ebenda), geboren als
Marie d’Orleans-Longueville
, war souverane
Furstin von Neuenburg
und
Valangin
.
Marie d’Orleans, genannt
Demoiselle de Longueville
, war die Tochter von
Henri II. d’Orleans
und
Louise de Bourbon
, genannt
Mademoiselle de Soissons
. Sie heiratete am 22. Mai 1657 in Trie ihren Vetter
Henri II. de Savoie
,
Herzog von Nemours
,
Genevois
und
Aumale
, war aber bereits zwei Jahre spater Witwe, er starb am 14. Januar 1659
[1]
, die Ehe blieb ohne Nachkommen.
Durch ihre Urgroßmutter
Marie II. de Saint-Pol
wurde sie
Grafin von Saint-Pol
(sie verkaufte die Grafschaft mit Vertragen vom 15. und 17. November 1705 an
Elisabeth-Therese de Lorraine (1664?1748)
, genannt ?Mademoiselle de Commercy“, uber die sie an das
Haus Melun
und dann an das
Haus Rohan-Soubise
ging) und
Herzogin von Estouteville
. Sie war auch
Grafin von Tancarville
und
Dunois
, die sie beide an ihren Vetter
Louis-Henri de Bourbon-Soissons
, Comte de Noyers, weitergab.
[2]
Nach ihr gingen die Herrschaft uber das Herzogtum Estouteville (d. h. nicht der Titel selbst) an die Familien
Goyon
(dann an die Grimaldi von Monaco) und
Colbert
(dann an die Montmorency) als Nachkommen von
Leonor d’Orleans
. Die Baronie
Louhans
wurde 1709/11 verkauft.
Von 1672 bis 1674 war sie Mitregentin von Neuenburg fur ihren Halbbruder
Charles Paris
, von 1679 bis 1682 Regentin fur ihren Halbbruder
Jean Louis
unter der Autoritat eines Rates, ohne den sie nichts entscheiden konnte, setzte aber alle Ratsmitglieder ab, die sich Ansichten widersetzten, darunter den Kanzler Georges de Montmollin
[3]
Ludwig XIV.
, der Konig von Frankreich, entzog ihr die Vormundschaft uber ihren Bruder und gab sie 1682
Louis II. de Bourbon-Conde
, dem Bruder von
Anne Genevieve de Bourbon-Conde
, der Herzogin von Longueville und Mutter von Jean Louis, und dessen Sohn, dem
Duc d‘Enghien
. Der Kanzler Montmollin wurde wieder eingesetzt, dann abermals seiner Verantwortung enthoben. Der Herzog Jean Louis starb am 4. Februar 1694.
Die Herzogin von Nemours begab sich nach Neuenburg, um ihre Nachfolge einzufordern. Sie wurde vom
Chevalier de Soissons
begleitet. Aber auch
Francois Louis de Bourbon, prince de Conti
(le Grand Conti), Großneffe des
Grand Conde
und der Herzogin Anne-Genevieve, hatte seine Anspruche angemeldet. Die Schweizer Kantone stellten sich auf Maries Seite, und so wurde sie am 12. Marz 1694 die letzte erbliche Furstin von Neuenburg. Die Trois-Etats (
Conseil de la nation et tribunal supreme
) hatten ihr die Souveranitat verliehen und das Land fur
unveraußerlich
erklart.
Das Land Neuenburg war nun zwischen Maries Anhangern und denen Contis zerrissen. Das Volk blieb Marie treu, die im Triumphzug nach Neuenburg zuruckkehrte und in das
Schloss
einzog. Conti forderte die Einberufung eines unparteiischen Tribunals, um das Urteil von 1694 anzufechten, aber die Bevolkerung und auch die Schweizer Kantone sahen Neuenburg auf dem Weg zu einer franzosischen Provinz und bereiteten sich darauf vor, die Westgrenze zu verteidigen. Die Delegierten der Kommunen trafen sich am 24. April 1699 in Neuenburg und beschlossen, die Autoritat der Trois-Etats aufrechtzuerhalten. Conti musste nun seine Anspruche aufgeben. Ludwig XIV. hingegen rief beide, Conti und die Furstin, nach Frankreich zuruck. Marie wurde im Januar 1700 auf ihre Herrschaft
Coulommiers
verbannt, weil sie sich dem Willen den Konigs widersetzte, der sie zwingen wollte, die Beamten abzusetzen, die sich am starksten gegen Conti gestellt hatten. Nach vierjahrigem Exil kehrte sie zuruck und ließ sich in Valangin nieder.
Als Marie d’Orleans-Longueville 1707 starb, starb die letzte Furstin von Neuenburg franzosischer Herkunft. Die Familie
Orleans-Longueville
, die zwei Jahrhunderte lang uber Neuenburg geherrscht hatte, existierte nicht mehr. Die Neuenburger Stande wahlten Konig
Friedrich I. von Preußen
zum neuen Fursten von Neuenburg und wiederum nicht den Fursten Conti. Die Angst vor der Politik Ludwigs XIV. und der Wunsch, das Land Neuenburg als unabhangigen, unveraußerlichen und unteilbaren Staat zu erhalten und gleichzeitig seine Freiheiten und seine Verbindungen zu den Schweizer Kantonen zu wahren, stand hinter der Wahl der Trois-Etats.
Der
Kanton Bern
wollte einen Pufferstaat zwischen der Schweiz und Frankreich, das sich bereits die
Freigrafschaft Burgund
einverleibt hatte. Da auch der Konig von England Anspruche auf Neuenburg geltend machte und Ludwig XIV. England nicht kranken wollte, zogen die Franzosen ihre Truppen zuruck, so dass Conti schließlich mit leeren Handen dastand.
[4]
Marie de Nemours wurde in der
Karmelitenkloster Paris
(Rue Chapon) bestattet.
- Pere Anselme
,
Histoire genealogique et chronologique
, Band 1, 1726, S. 222f
- Charles Clemencet
,
Maur Dantine
,
Ursin Durand
,
L’art de verifier les dates
, 3. Ausgabe, Band 12, 1818, S. 412f
- Albert Henry,
Histoire abregee du Pays de Neuchatel
, 1878
- Louis Thevenaz,
Histoire du Pays de Neuchatel
, 1948.
- Detlev Schwennicke
,
Europaische Stammtafeln
, Band 3, Teilband 2, 1983, Tafel 311
- Jean-Pierre Jelmini,
12 septembre 1814 ... et Neuchatel devint suisse
, 1989
- Michel Cuenin (Hrsg.),
Memoires de Marie d'Orleans, duchesse de Nemours
, (1709), Paris, Mercure de France, Sammlung "Le temps retrouve", 1990.
- Etienne Pattou,
Duc d’Orleans, Angouleme et Longueville
, S. 12 (
online
, abgerufen am 1. Juni 2021)
- Laurence Vial Bergon (Ubers. Andrea Linsmayer),
Marie de Nemours
, in: Historisches Lexikon der Schweiz (HLS) (
online
, abgerufen am 4. Juni 2021)
- ↑
Clemencet e.a.: † 4. Januar 1659
- ↑
Louis Henri erhob auch Anspruch auf das Furstentum Neuenburg, scheiterte damit aber. Seine Nachkommen, die Albert de Luynes de Chevreuse, erlangten die Nachfgole in Dunois und
Coulommiers
.
- ↑
Georges de Montmollin (1628?1703) war Generalprokurator und dann Kanzler (1661) der Grafschaft Neuenburg, siehe Frederic-Alexandre Jeanneret, James-Henri Bonhote,
Biographie neuchateloise
, Le Locle, Eugene Courvoisier, 1863.
- ↑
Jelmini, S. 57?61