Luciano Berio
(*
24. Oktober
1925
in
Oneglia
; †
27. Mai
2003
in
Rom
) war ein
italienischer
Komponist
, bekannt fur seine experimentellen
Kompositionen
und als einer der Pioniere der
elektronischen Musik
.
Berio wurde in einer musikalischen Familie in der
ligurischen
Kustenstadt Oneglia geboren. Sowohl sein Vater als auch sein Großvater waren
Organisten
und lehrten ihn das
Klavierspiel
. Wahrend des
Zweiten Weltkriegs
wurde er zur Armee eingezogen, verletzte sich aber bereits am ersten Tag mit einem Gewehr die Hand. Er verbrachte einige Zeit in einem Militarkrankenhaus und floh schließlich, um sich einer Widerstandsgruppe anzuschließen.
Nach dem Krieg studierte Berio am
Mailander
Konservatorium bei
Giulio Cesare Paribeni
(1891?1964) und
Giorgio Federico Ghedini
. Durch die verletzte Hand am Klavierspiel gehindert, konzentrierte er sich auf die Komposition. 1947 fand die erste offentliche Auffuhrung eines seiner Werke statt, einer
Suite
fur Klavier.
Zu dieser Zeit verdiente Berio seinen Lebensunterhalt mit der Begleitung von Gesangsklassen; dabei lernte er die amerikanische
Sopranistin
Cathy Berberian
kennen. Sie heirateten kurz nach seinem Universitatsabschluss 1950 (die Ehe wurde 1964 geschieden).
1951 ging Berio in die
Vereinigten Staaten
, um in
Tanglewood
bei
Luigi Dallapiccola
zu studieren, der sein Interesse an
serieller Musik
weckte.
Bruno Maderna
brachte ihn zu den
Darmstadter Ferienkursen fur Neue Musik
, die er von 1954 bis 1959 besuchte. Dort lernte er
Pierre Boulez
,
Karlheinz Stockhausen
,
Gyorgy Ligeti
und
Mauricio Kagel
kennen. Er begann sich fur
elektronische Musik
zu interessieren und grundete 1955 mit Bruno Maderna in Mailand das
Studio di Fonologia Musicale
, ein Studio fur elektronische Musik. Er lud eine Reihe bedeutender Komponisten ein, hier zu arbeiten, darunter
Henri Pousseur
und
John Cage
. Daruber hinaus gab er eine Zeitschrift fur elektronische Musik heraus, die
Incontri Musicali
.
1960 kehrte Berio als ?Composer in Residence“ nach Tanglewood zuruck und ubernahm 1962 auf Einladung von
Darius Milhaud
eine Dozentenstelle am
Mills College
in
Oakland (Kalifornien)
. 1965 begann er, an der
Juilliard School
zu unterrichten, wo er das
Juilliard Ensemble
grundete, das sich der Auffuhrung
zeitgenossischer Musik
widmet. Im gleichen Jahr heiratete er zum zweiten Mal.
Wahrenddessen arbeitete Berio stetig an seinen Kompositionen. 1966 gewann er den
Prix Italia
fur
Laborintus II
, 1968 wurde mit großem Erfolg sein wohl bekanntestes Werk, die
Sinfonia
, uraufgefuhrt.
1972 kehrte Berio wieder nach Italien zuruck. Von 1974 bis 1980 war er Direktor der Abteilung fur Elektroakustik am
IRCAM
in Paris. 1977 heiratete er zum dritten Mal (seine zweite Ehe mit
Susan Oyama
war 1971 geschieden worden). Bei den Weltmusiktagen der
International Society for Contemporary Music (ISCM World Music Days)
wirkte er 1982 als Juror.
[1]
[2]
1987 grundete er in
Florenz
Tempo Reale
, ein Zentrum mit ahnlicher Ausrichtung wie das IRCAM. 1988 wurde er mit einem
Antonio-Feltrinelli-Preis
ausgezeichnet.
Von 1994 bis 2000 war er ?Distinguished Composer in Residence“ in
Harvard
. Zudem wurde er 1994 in die
American Academy of Arts and Sciences
gewahlt. 1985 wurde er als auswartiges Ehrenmitglied in die
American Academy of Arts and Letters
aufgenommen.
[3]
Im Jahr 2000 wurde er als assoziiertes Mitglied in die
Konigliche Akademie der Wissenschaften und Schonen Kunste von Belgien
aufgenommen.
[4]
Luciano Berio starb 2003 in
Rom
, er hinterließ seine zweite Frau, Susan Oyama, sowie seine dritte Frau Talia Pecker Berio, die zwei Tochter Cristina und Marina Berio, die drei Sohne Stefano, Dani und Yoni Berio und vier Enkel.
[5]
Berios elektronische Werke stammen zum uberwiegenden Teil aus seiner Zeit am Mailander Studio di Fonologia. Eines seiner einflussreichsten Werke aus dieser Zeit ist
Thema (Omaggio a Joyce)
von 1958, in dem
Cathy Berberian
aus
James Joyce
’
Ulysses
liest. In einer spateren Arbeit,
Visage
(1961), erschuf Berio eine wortlose emotionale Sprache, indem er Fragmente einer Aufnahme von Berberians Stimme arrangierte.
1968 vollendete Berio
O King
. Von dieser Komposition existieren zwei Versionen, eine fur Stimme,
Querflote
,
Klarinette
,
Geige
,
Violoncello
und
Klavier
, die andere fur acht Stimmen und Orchester. Das Stuck ist der Erinnerung an
Martin Luther King
gewidmet, der wenig vorher einem Attentat zum Opfer gefallen war.
Die Orchesterfassung von
O King
wurde kurz nach ihrer Vollendung in die
Sinfonia
(1968?69) fur Orchester und acht Stimmen integriert. Die Stimmen werden hier nicht auf traditionelle Art eingesetzt; die Sanger werden durch Mikrophone verstarkt, außer Gesang wird rhythmisiertes oder freies Sprechen und Flustern verlangt. Berio verwendet Textmaterial aus verschiedensten Quellen, so aus
Claude Levi-Strauss
’
Le cru et le cuit
,
Samuel Becketts
The Unnameable
, Auffuhrungsanweisungen aus diversen Partituren, Solmisations- und Scatsilben oder Kommentare zu gerade erklingenden musikalischen Zitaten. Besonders bekannt geworden ist der dritte Satz; hier nimmt Berio den dritten Satz aus Mahlers Zweiter Symphonie und lasst das Orchester eine leicht gekurzte und neu arrangierte Version davon spielen. Gleichzeitig rezitieren verschiedene Stimmen Texte aus verschiedenen Quellen, und das Orchester spielt Zitate von
Claude Debussy
,
Arnold Schonberg
und anderen. Auf diese Weise entsteht eine dichte
Collage
. Das Ergebnis ist ein Werk mit dem in der klassischen Musik ublichen Schema von Spannung und Auflosung ? unter Verwendung einer vollig neuen Sprache. Zu jedem Zeitpunkt spielen die tatsachlich verwendeten
Akkorde
und
Melodien
eine untergeordnete Rolle gegenuber der Tatsache, dass man ein bestimmtes Zitat von Mahler,
Alban Berg
oder Beckett hort. Aus diesem Grund wird der Satz oft als eines der ersten Beispiele fur
Postmoderne
in der Musik betrachtet. Auch wurde er als
Dekonstruktion
von Mahlers zweiter Symphonie beschrieben, ahnlich wie
Visage
eine Dekonstruktion von Berberians Stimme gewesen war.
A-Ronne
, von 1975, verwendet ebenfalls die Collagetechnik, konzentriert sich aber mehr auf die Stimmen. Es ist ein Stuck fur acht Stimmen und optionalem Klavierteil. Die Arbeit ist eine aus einer Serie von Kooperationen mit dem Dichter
Edoardo Sanguineti
, der fur sie einen Text voller Zitate der
Bibel
,
T.S. Eliots
und
Karl Marx
’ schuf.
Nicht alle von Berios Arbeiten zitieren Werke anderer. Vielleicht die bekannteste unter denen, fur die das nicht zutrifft, ist die Serie von Kompositionen fur Soloinstrumente unter dem Namen
Sequenze
.
Sequenza I
entstand 1958 und ist fur
Querflote
, die letzte
Sequenza XIV
, fur
Violoncello
, wurde 2002 vollendet. Gemeinsames Charakteristikum dieser Arbeiten ist, dass sie die Moglichkeiten des Instrumentes zu erkunden suchen, und oft neue Spieltechniken verlangen. So werden auch in dem technisch schwierigen Stuck
Sequenza XI
aus dem Jahr 1988 verschiedenste Spieltechniken der Gitarre
[6]
miteinander verbunden.
Berio war dafur bekannt, die Musik von anderen zu adaptieren und zu verwandeln, aber er unterwarf auch seine eigenen Werke diesem Prozess: die Serie der
Sequenze
war Ausgangspunkt einer Reihe von
Chemins
genannten Werken, die jeweils auf den
Sequenze
basieren.
Chemins II
(1967) etwa geht von der ursprunglichen
Sequenza VI
fur
Bratsche
aus und adaptiert sie fur Bratsche und neun weitere Instrumente. Durch Hinzunahme weiterer Instrumente entstanden daraus weitere Ableitungen,
Chemins IIb
,
Chemins IIc
und
Chemins III
. Die Namen der abgeleiteten Werke folgen nicht zwangslaufig diesem Schema, so basiert etwa
Corale
von 1981 auf der
Sequenza VIII
fur Solovioline.
Neben eigenstandigen Arbeiten unternahm Berio eine Reihe von
Arrangements
von alteren Arbeiten, darunter Werke von
Claudio Monteverdi
,
Henry Purcell
,
Johannes Brahms
und
Gustav Mahler
. Fur Berberian schrieb er
Folk Songs
(1964) sowie (1967) Bearbeitungen dreier Lieder von
John Lennon
und
Paul McCartney
. Ebenfalls in diesen Zusammenhang gehort auch seine Vollendung von
Giacomo Puccinis
Oper
Turandot
(uraufgefuhrt am 25. Mai 2002 in
Los Angeles
(
Kent Nagano
)
[7]
[8]
); in seinem Orchesterstuck
Rendering
(1989) vervollstandigte er die wenigen Skizzen, die
Franz Schubert
fur seine
Symphonie Nr. 10
hinterlassen hat, mit eigener, von anderen Werken Schuberts abgeleiteter Musik.
Zu den weiteren Kompositionen Berios gehoren
Circles
(1960) und
Recital I (for Cathy)
(1972), beide fur Berberian geschrieben, und eine Reihe von Buhnenwerken, von denen
Un re in ascolto
, in Zusammenarbeit mit
Italo Calvino
entstanden, vermutlich das bekannteste ist.
- Opus Number Zoo, Kinderoper 1951; 1970 mit Texten von
Rhoda Levine
fur funf Blasinstrumente, 1981 revidierte Fassung.
- Thema (Omaggio a Joyce), 1958
- Sequenze
I?XIV, 1958?2002 fur Soloinstrument
- Sequenza I, 1958
- Circles, 1960
- Visage, 1961
- Passaggio (messa in scena), 1961?1962
- Folk Songs, 1964
- Chemins
I?VII, 1965?1996 fur Soloinstrument und Ensemble/Kammerorchester
- Laborintus II; das Werk brachte ihm 1966 den
Prix Italia
ein
- Gesti, 1966 (Werk fur Altblockflote Solo)
- Chemins II, 1967
- O King, 1968
- Sinfonia, 1968,
Leonard Bernstein
gewidmet; Auftragsarbeit fur die
New Yorker Philharmoniker
, Urauffuhrung mit diesen und den
Swingle Singers
1968 unter Berios Leitung. Urauffuhrung der endgultigen funfsatzigen Fassung 1969 auf den
Donaueschinger Musiktagen
mit dem
Sudwestfunk-Orchester
unter
Ernest Bour
.
- Recital I (for Cathy), 1972
- A-Ronne, 1974 (Tonbandfassung) bzw. 1975 (Konzertante Fassung)
- Coro, 1975?1976
- Quattro versioni originali della "Ritirata notturna di Madrid", 1975 (nach
Luigi Boccherini
)
- Corale, 1981
- Un re in ascolto, Urauffuhrung
Salzburger Festspiele
1984 unter
Lorin Maazel
- Call (St. Louis Fanfare), 1985/1987
- Sequenza XI, 1988 fur Solo-Gitarre (beispielsweise eingespielt 1996 von Franz Halasz)
- Ofanim, 1988 (rev. 1997)
- Concerto II "Echoing Curves", 1988/89 (nach den Entwurfen der 10. Sinfonie in D-dur, D936a, von Franz Schubert)
- Rendering, 1989/90
- Outis, 1996
- Cronaca del luogo, 1999
- Altra voce, 1999
- Sequenza XIV, 2002 fur Violoncello
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Reclam, Stuttgart 2013,
ISBN 978-3-15-020279-1
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thefreelibrary.com: Placido Domingo Outlines His Plans for Los Angeles Opera
(
Memento
des
Originals
vom 2. Februar 2018 im
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- ↑
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