Kustenfunkstelle

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Ehemalige belgische Kustenfunkstelle, ausgestellt im Nationalen Fischereimuseum Koksijde

Kustenfunkstellen (KuFuSt) sind ortsfeste Funkstellen des mobilen Seefunkdienstes , die Nachrichten von und zu Schiffen auf hoher See telegrafisch oder telefonisch weiterleiten. In Notfallen ist uber sie die Kommunikation mit den Rettungskraften moglich.

Bedeutung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Als Seefunkdienst wird der Nachrichtenaustausch mit und zwischen Seeschiffen bezeichnet. Die ortsfesten Funkstellen dieses Dienstes werden ?Kustenfunkstellen“, die beweglichen, also die Schiffe, ? Seefunkstellen “ genannt. Kustenfunkstellen dienen der Vermittlung des offentlichen Fernmeldeverkehrs (in diesem Falle Funktelegramme und -gesprache) zwischen den Seefunkstellen und den Fernmeldenetzen an Land. In fruheren Zeiten, in denen es noch keinen Satellitenfunk oder Mobiltelefone gab, waren die Reedereien auf den Seefunk angewiesen. Außerdem konnen Angehorige uber das normale Telefonnetz und die Vermittlung der Kustenfunkstelle mit Schiffsbesatzungen auf See Kontakt aufnehmen.

Aus allen Seegebieten der Erde laufen private Telefongesprache und Telegramme und eine noch großere Anzahl von dienstlichen Angelegenheiten uber derartige Funknetze , wie Nachrichten von und an Reedereiburos, Charterer , Schiffsmakler und Hafenbetriebe.

Seit den 1990er Jahren hat sich die Struktur des weltweiten Seefunkes grundlegend verandert und damit auch die Bedeutung von Kustenfunkstellen. Durch die weltweite Abdeckung der Meere durch Navigations- und Kommunikationssatelliten nutzen viele kommerzielle Schiffsbetreiber vor allem das Inmarsat -Satellitentelefonnetz. Die analoge Vermittlung von Gesprachen durch Kustenfunkstellen uber weltweiten Kurzwellenfunk entfallt damit. In der nichtkommerziellen Seefahrt werden vermehrt die landgebundenen Mobilfunknetze genutzt, da sie in kustennahen Gewassern wie der Ostsee eine brauchbare Abdeckung gewahrleisten.

Kustenfunkstellen spielen heute noch in drei wesentlichen Bereichen eine Rolle:

Zum einen sind sie fester Bestandteil des Global Maritime Distress and Safety System (kurz GMDSS, weltweites Seenot- und Sicherheitsfunksystem). Die ununterbrochene Beobachtung der Telegrafie - und Sprechfunk -Notfrequenzen, die Leitung des Not- und Dringlichkeitsfunkverkehrs innerhalb des Seenotbereichs der zustandigen Kustenfunkstelle gehoren heute auch meist noch zum Umfang der Arbeit. Ebenso die koordinierte Weitergabe von Informationen uber Seenotfalle an die zustandigen Dienststellen und Organisationen der Rettungsdienste. Nach der Einstellung aller offentlichen deutschen Kustenfunkstellen operiert als einzige nichtprivate Einrichtung das Bremen Rescue Radio (BRR) als Funkstelle des MRCC Bremen (Maritime Rescue Coordination Center) fur den GMDSS-Betrieb.

Die militarische Seefahrt betreibt meist eigene Kustenfunkstationen, da sie ihre Kommunikation unabhangig von offentlichen Netzen halten mochte. Die Seestreitkrafte greifen nur teilweise auf kommerzielle und meist auf hoheitlich betriebene Satellitenfunksysteme zuruck.

Schließlich kam es nach dem Ende der offentlichen Seefunkstellen zu einer zunehmenden Kommerzialisierung des Seefunkes. Auch die offentlichen Kustenfunkstellen erhoben Gebuhren, doch sind an ihre Stelle mittlerweile Funkstellen geruckt, die von Kommunikationskonzernen oder Privatpersonen betrieben werden, die z. B. weltweiten E-Mail-Verkehr anbieten und eigene Abrechnungsstellen betreiben. Ein Beispiel hierfur ist das von Swisscom betriebene Bernradio . In Deutschland bietet die Kiel Radio GmbH verschiedene Dienste an.

Geschichte [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Der Seefunkdienst ist einer der altesten Betriebszweige des Funkwesens. Die ersten Versuche mit drahtloser Telegrafie wurden an den Kusten durchgefuhrt. Schiffe und Feuerschiffe waren dabei die Trager der ersten Funkanlagen. Das Jahr 1897 gilt als Entstehungsjahr der praktischen Funktelegrafie, denn damals gelang es Guglielmo Marconi das erste Mal am Bristol-Kanal auf eine Entfernung von 5,5 km Nachrichten drahtlos zu ubermitteln. Am 10. Dezember 1901 wurde von ihm das erste Morsezeichen (Buchstabe ?S“) zwischen England und dem Signal Hill bei St. Johns, Neufundland ubermittelt.

Funkversuche in Straßburg [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Ab 1898 beschaftigte sich Ferdinand Braun , Rektor der Kaiser-Wilhelm-Universitat in Straßburg erneut mit der Funktechnik. Braun und Hertz waren einander bekannt, denn Hertz war Nachfolger von Braun an der Technischen Universitat Karlsruhe. Man hatte nach der Entdeckung der Funkwellen durch Hertz 1887 den Funkwellen keinerlei Bedeutung beigemessen. Zunachst leitete Braun wie andere Forscher auch die Funkwellen in Gewasser ein, ging jedoch rasch zu Luftleitern uber. Im Fruhjahr 1899 besuchte er Cuxhaven, um die Modalitaten fur die Versuche an der See mit den Behorden abzustimmen. Man außerte Bedenken, dass die Funkwellen moglicherweise die Kompasse der Schiffe storen wurden, die auf der Elbe passieren. Die Geschichte des deutschen Seefunks ist mit der Insel Borkum und besonders mit der Stadt Cuxhaven verbunden.

Kustenfunkstelle Borkum [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Am 15. Mai 1900 wurde am Kleinen Borkumer Leuchtturm und auf dem Feuerschiff Borkum Riff eine Station des Marconi-Systems in Betrieb genommen. Betreiber war die Wasser- und Schifffahrtsverwaltung in Emden, bezahlt wurden die Anlagen durch den Norddeutschen Lloyd Bremen. Diese Station gilt als die weltweit erste Station, die fur einen kommerziellen Dienst eingerichtet wurde.

Funkversuche in Cuxhaven [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Zunachst ubernahm Brauns Assistent Cantor die ersten Versuche an der See und wurde ab Sommer 1899 durch Jonathan Zenneck abgelost, der bis zum Ende der Versuche im Herbst 1900 in Cuxhaven war. Ausgehend vom Leuchtturm (Baujahr 1804) an der Alten Liebe wurden neue Schaltungen, Antennen und Anordnungen ausprobiert.

Das Seebaderschiff Silvana der Nordseelinien wurde benutzt, um auf den Fahrten zwischen Cuxhaven und Helgoland die Anlagen an Bord eines Schiffes auszuprobieren. Die Landstation wurde spater zur Kugelbake nach Cuxhaven-Dose verlegt. Am 24. September 1900 konnte der Erfolg gefeiert werden: Braun ist auf Helgoland; spontan aufgefordert, einen Text zu formulieren, der zum Festland drahtlos ubermittelt werden soll, dichtete er:

?Zum heutigen Feste, der Wunsche beste, trinkt nicht so viel bei Dolle, sonst werdet ihr volle.“

Dolle war damals ein bekanntes und beliebtes Hotel in Cuxhaven. An Zenneck wird in Cuxhaven-Dose, direkt am Seedeich in Sichtweite der Kugelbake, durch einen Gedenkstein in Form eines Obelisk erinnert.

Nach dem Erfolg wurden die Feuerschiffe in der Elbemundung mit Telegraphiefunkanlagen ausgerustet und nahmen an einem Schiffsmeldedienst teil. Die Versuche an der Nordsee waren damit beendet und Zenneck kehrte nach Straßburg zuruck. Zenneck wurde spater selbst Professor und hatte bedeutenden Anteil an der Erforschung der Ionosphare; er wurde unter anderem Direktor des Deutschen Museums in Munchen. Cuxhaven gilt als Wiege des deutschen Seefunks.

1904 wurde an der Alten Liebe in Cuxhaven die ?Marinefunkenstation Cuxhaven“ errichtet, die zunachst rein militarischen Zwecken diente. Ab 1906 vermittelte sie auch Telegramme privaten Inhalts von See an die Reichspostverwaltung . Von 1910 an waren neben den Marineangehorigen auch Postbeamte bei dieser Funkstelle tatig. Schließlich ubernahm 1912 die Reichspostverwaltung diese Station und betrieb sie seitdem als Kustenfunkstelle fur den offentlichen Seefunkverkehr. Damit begann praktisch die Geschichte von Elbe-Weser Radio. Der Dienst wurde am 15. Dezember 1996 geschlossen und an Norddeich Radio abgegeben.

Kustenfunkstelle Norden [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die bekannteste deutsche Kustenfunkstelle war Norddeich Radio: Angeblich auf Anweisung von Kaiser Wilhelm II. wurde ab 1902 der Aufbau einer Kustenfunkstelle betrieben, die den Bereich der Westlichen Deutschen Bucht bis zum Armelkanal abdecken sollte. 1907 ging die Anlage in Norddeich in Betrieb. In den 1990er Jahren wurden die Aufgaben der weiteren deutschen Kustenfunkstellen schrittweise auf Norddeich Radio ubertragen bis am 31. Dezember 1998 die Station endgultig abgeschaltet wurde.

Kustenfunkstelle Swinemunde [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Fur den Bereich der Ostsee wurde 1911 in Swinemunde eine Kustenfunkstelle in Betrieb genommen. Sie wurde 1932 unter dem Namen Rugen Radio nach Glowe verlegt und blieb bis 1998 in Betrieb und der Kurzwellenverkehr von Rugen Radio bei Norddeich Radio angegliedert.

Bernradio [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Bernradio (Rufzeichen HEB) war die weltweit tatige Kustenfunkstelle der Schweiz . Sie war die einzige Kustenfunkstelle der Welt, die von einem Binnenstaat betrieben wurde. Seefunk wurde in der Schweiz von 1941 bis 2016 betrieben.

Kustenfunkstelle Kiel [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde 1946 zur Abdeckung des bundesdeutschen Teiles der Ostsee mit Kiel Radio eine neue Kustenfunkstelle in Betrieb genommen, die bis 1994 bestehen blieb.

Kustenfunkstellen Luderitzbucht und Swakopmund [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die erste Kustenfunk-Station in Deutsch-Sudwestafrika wurde am 1. Februar fertiggestellt und am 4. Februar 1912 in Swakopmund eroffnet. [1] Die Reichs-Funktelegraphenanstalt in Luderitzbucht ging am 3. Juni 1912 in Betrieb. [1]

Zusatzlich zu diesen vier Kustenfunkstellen gab es noch zahlreiche abgesetzte Stationen, die von diesen aus fernbedient wurden.

Ende der amtlichen Kustenfunkstellen fur den offentlichen Verkehr in Deutschland [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Mit der zunehmenden Konzentration der Seefunkdienste in den neunziger Jahren unter anderem durch Einfuhrung der Satellitenkommunikation wurden nach und nach immer mehr Kustenfunkstellen geschlossen und samtliche Dienste erst auf Norddeich Radio zusammengefasst und dann eingestellt. Am 31. Dezember 1998 wurde in Deutschland der amtliche Kustenfunkdienst endgultig abgeschaltet.

Heute wird die Uberwachung der Seefunk-Frequenzen, z. B. auf Notrufe , durch die Seenotleitung Bremen (MRCC Bremen) wahrgenommen. Betreiber ist die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbruchiger (DGzRS), die in ihrer Zentrale eine 24-Stunden-Horwache sicherstellt. Ihr Funkrufname ist Bremen Rescue Radio . Wegen der begrenzten UKW-Reichweite von ca. 30 sm (rd. 55 km) wird ein UKW-Relais-Funksystem mit 19 Funkstationen an exponierten Standorten betrieben, das die gesamte deutsche Kuste abdeckt.

Militarische Kustenfunkstellen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Fernmeldeeinheiten der Deutschen Marine betreiben nach wie vor eigene Kustenfunkstellen. Die Anlagen unterstanden bis zu dessen Auflosung 2002 dem Marinefuhrungsdienstkommando und seitdem der Fuhrungsunterstutzungsgruppe des Flottenkommandos und der Fuhrungsunterstutzungsgruppe des Marineamtes . Seit 2012 unterstehen die Anlagen dem Marineunterstutzungskommando .

Bekannt sind folgende Sendeanlagen:

Listen von Kustenfunkstellen [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Liste weltweiter Kustenfunkstellen
Sendername Rufzeichen Land Aktivitat
Townsville Radio VZG Australien Mitglied des GLN seit 2006
Darwin Radio VID Australien Betrieb 2002 eingestellt
Ostend Radio (OST) Belgien seit 1930
Portishead Radio (GKB) Großbritannien 1928 bis 2000
Lyngby Radio (OXZ) Danemark aktiv seit 1924
Bergen Radio (LGN) Norwegen Dienst 2004 auf Rogaland Radio ubertragen
Kystradio Sør (LGB, fruher LGQ) Norwegen ehemals Rogaland Radio, aktiv
Bernradio HEB u. a. Schweiz 1922 bis 2016
Stockholm Radio SDJ Schweden aktiv seit 1914
San Francisco Radio KFS Vereinigte Staaten
Shanghai Radio XSG Volksrepublik China aktiv
KKL Radio Vereinigte Staaten aktiv
KPH Radio KPH, KSM Vereinigte Staaten aktiv
Isfjord Radio Norwegen ferngesteuert von Kystradio Nord
Taupo Maritime Radio/ZLM Neuseeland aktiv
Kystradio Nord LGP Norwegen ehemals Bodø Radio, aktiv seit 1938
Scheveningen Radio (PCH) Niederlande 1904 bis 31. Dezember 1998
Liste der deutschen Kustenfunkstellen
Kustenfunkstelle Besetzungszeitraum danach fern-
gesteuert von
SMD ab DP07 ab
Kiel Mail seit Nov. 2000 Kielradio GmbH Initiator des GLN unabhangig
Norddeich Radio 1907?1998
Rugen Radio 1911?1998 Norddeich Radio ?
Elbe-Weser Radio 1904?1996 Norddeich Radio ? 1. Apr. 2000 [2]
Kiel Radio 1946?1994 Rugen Radio 25. Marz 1999 [3] 1. Apr. 2000 [2]
Bremen Radio 1962 sofort Relais [4] Elbe-Weser Radio ? 1. Apr. 2000 [2]
Hamburg Radio 1959 (?)?1961 [4] Elbe-Weser Radio 1. Jan. 1999 [3] 1. Apr. 2000 [2]
Eiderstedt Radio 1963 sofort Relais [4] Elbe-Weser Radio ?
Helgoland Radio ? ?? Elbe-Weser Radio 7. Apr. 1999 [3]
Nordfriesland Radio 1963 sofort Relais [4] Elbe-Weser Radio 1. Apr. 2000 [2]
Flensburg Radio 1963 sofort Relais [5] Kiel Radio ? 31. Mai 2007 [6]
Lubeck Radio 1963 sofort Relais [5] Kiel Radio ? 1. Apr. 2000 [2]
Rostock Radio 1963 [7] ?? Rugen Radio ? Juni 2007 [6]
Wismar Radio 1971 [7] ?? Rugen Radio ?
Arkona Radio ? ?? Rugen Radio ? 1. Apr. 2000 [2]
Fischland Radio ? ?? Rugen Radio ?
Finkenwerder Radio Mai 1998 [3]
Cuxhaven Radio Mai 1998 [3]
Borkum Radio ? 1. Apr. 2000 [2]
Accumersiel Radio ? ?

Siehe auch [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. a b Von der ?Sandbuchse“ zum Kommunikationsnetzwerk Die Entwicklungsgeschichte des Post- und Telegraphenwesens in der Kolonie Deutsch-Sudwestafrika (1884?1915) . (PDF; 5,6 MB) Dissertation, Uni Halle, Dezember 2004.
  2. a b c d e f g h Hamburger funkt fur die Segler . In: Hamburger Abendblatt , 11. Juni 2005; abgerufen am 4. Februar 2015
  3. a b c d e GMDSS-News. maricom.de; abgerufen am 11. Januar 2008
  4. a b c d R. Marschner: Elbe-Weser Radio / DAC ? Ein geschichtlicher Ruckblick . abgerufen am 11. Januar 2008
  5. a b Herbert Gondermann: ?Die Kustenfunkstelle Kiel Radio / DAO - Eine Chronik“ , abgerufen am 11. Januar 2008
  6. a b Meldung. DP07; abgerufen am 11. Januar 2008
  7. a b Historischer Ruckblick auf der HP von Rugen Radio; abgerufen am 11. Januar 2008