Jean Vanier
,
CC
,
GOQ
(*
10. September
1928
in
Genf
,
Schweiz
; †
7. Mai
2019
in
Paris
,
Frankreich
) war ein
kanadischer
romisch-katholischer
Theologe
und
Philosoph
und der Grunder der Arche (
L’Arche
), einer internationalen okumenischen Organisation, welche Gemeinschaften grundet, in denen Menschen mit und ohne geistige Behinderung in christlicher Weise zusammenleben. Gleichzeitig hat er 1971 zusammen mit Marie-Helene Mathieu die ebenfalls weltweite Bewegung
Glaube und Licht
begrundet. In den 1.612 Gruppen in 81 Landern treffen sich Menschen mit Behinderung, deren Familien und Freunde regelmaßig zum Austausch, Gebet und Feiern. Sein Werk ist uberschattet von jahrzehntelangem sexuellen Missbrauch an Frauen durch ihn selbst und seinen Mentor Pere Thomas.
Jean Vanier war ein Sohn des spateren Generalgouverneurs von Kanada,
Georges Vanier
. Er kam in Genf zur Welt, weil sein Vater dort Vertreter Kanadas beim Volkerbund war.
[1]
Er wuchs spater in
Kanada
,
England
und
Frankreich
auf. Als er dreizehn Jahre alt war, trat er ins
Britannia Royal Naval College
in
Dartmouth (Devon)
ein. Zuletzt diente er als Marineoffizier auf dem kanadischen
Flugzeugtrager
HMCS Magnificent
. 1950 nahm er nach einer Wallfahrt nach Lourdes von der Marine Abschied, um in einer
Kommunitat
bei
Paris
zu leben. Vanier begann ein
Theologie
- und
Philosophiestudium
in Paris. Nach Abschluss des
Doktorats
(Doktorarbeit uber
Aristoteles
) lehrte er ab 1962 am
St. Michael’s College
an der
University of Toronto
.
1964 nahm Vanier mit Pere Thomas Philippe zwei geistig behinderte Manner (Raphael und Philippe) in ein Hauschen in
Trosly-Breuil
, einem franzosischen Dorf bei
Compiegne
, das erste Haus der Arche, auf. Er entdeckte ?die Tiefe ihres Leidens und ihren Schrei nach wahrhaftiger Beziehung, aber auch ihre Freude an der Gemeinschaft mit Menschen“ (Zitat Vanier). Er wollte ihnen helfen und merkte auf einmal, wie sie ihm halfen. 1965 ubernahm Vanier die Leitung des Behindertenheimes in Val Fleuri, wo 32 Manner mit einer geistigen Behinderung lebten. Er veranderte das Heim dahin, dass Behinderte und Nichtbehinderte in Hausgemeinschaften miteinander lebten, woraus die Arche-Bewegung entstand. 1969 wurden erste Archegemeinschaften außerhalb Frankreichs, ?Daybreak“ im kanadischen Toronto und ?Asha Niketan“ im indischen Bangalore, gegrundet. In den 1970er Jahren wurden Strukturen, gemeinsame Leitlinien und eine Charta der Archegemeinschaften entwickelt.
1981 nahm Jean Vanier ein Sabbatjahr und ubergab seine Leitungsfunktion an andere Mitverantwortliche. Seither gab er seine Erfahrungen im Zusammenleben mit geistig behinderten Menschen weltweit in Vortragen und Veroffentlichungen weiter.
[2]
In Deutschland existieren drei Arche-Gemeinschaften in
Tecklenburg
,
Ravensburg
und
Landsberg am Lech
. Weltweit gibt es 154 Archen in 38 Landern auf allen funf Kontinenten. In der kanadischen Arche
Daybreak
verbrachte der Psychologe und Schriftsteller
Henri Nouwen
seine letzten zehn Lebensjahre.
[3]
[1]
Vanier starb am 7. Mai 2019 im Alter von 90 Jahren in Paris.
[4]
Nachdem mehrere Frauen Jean Vanier sexuellen Missbrauch vorgeworfen hatten, wurde durch die ?Arche“ eine Untersuchung in Auftrag gegeben. Diese bestatigte Vorwurfe, wonach Vanier von 1970 bis 2005 seine Stellung ausgenutzt und mindestens sechs Frauen missbraucht hat. Des Weiteren habe er den sexuellen Missbrauch an Frauen durch seinen Mentor und L’Arche-Mitbegrunder Pere Thomas uber Jahrzehnte gedeckt.
[5]
[6]
?Seit 2014 hatten mehrere Zeugenaussagen von Frauen, die von Thomas Philippe geistlich und sexuell missbraucht wurden, die Leitung der L’Arche erreicht, was die Untersuchung ausloste. Die langjahrige Aufklarungsarbeit brachte auch die offenbar von Jean Vanier begangenen Misshandlungen ans Licht.“
[7]
Spater wurde die Anzahl der betroffenen Frauen auf 25 korrigiert.
[8]
- In Gemeinschaft leben. Meine Erfahrungen.
Herder, Freiburg im Breisgau 1993,
ISBN 3-451-23244-8
.
- Weites Herz. Dem Geheimnis der Liebe auf der Spur.
Neufeld, Schwarzenfeld 2010,
ISBN 978-3-937896-92-2
.
- Von den Wunden des Herzens. Wegbegleiter durch Zeiten der Depression.
Neufeld, Schwarzenfeld 2011,
ISBN 978-3-86256-015-8
.
- Ziemlich verletzlich, ziemlich stark: Wege zu einer solidarischen Gesellschaft.
Zusammen mit
Philippe Pozzo di Borgo
und Laurent de Cherisey. Hanser, Berlin 2012,
ISBN 978-3-446-24155-8
.
- Ich und Du: dem anderen als Mensch begegnen.
Neufeld, Schwarzenfeld 2013,
ISBN 978-3-86256-036-3
.
- Zeichen der Zeit: Fur eine Kirche, die Hoffnung schenkt.
Edition Wortschatz, Schwarzenfeld 2016,
ISBN 978-3-943362-37-4
.
- Von Liebe, Hoffnung und den letzten Dingen. Erinnerungen vom Grunder der Arche.
Herder, Freiburg im Breisgau 2017,
ISBN 978-3-451-32072-9
.
- Kathryn Spink:
Jean Vanier und die Arche. Die Geschichte einer außergewohnlichen Berufung. Die Biografie zum 80. Geburtstag.
Neufeld, Schwarzenfeld 2008,
ISBN 978-3-937896-66-3
.
- ↑
a
b
c
Thomas Isler:
Ein Heiliger seiner Zeit.
In:
NZZ am Sonntag
.
11. Mai 2019,
abgerufen am 12. Mai 2019
.
- ↑
Jean Vanier.
In:
Website Arche Im Nauen.
Archiviert vom
Original
am
27. Januar 2017
;
abgerufen am 7. Mai 2019
.
- ↑
Martina Werle, Sandro Gopfert:
Begegnung mit Jean Vanier.
In: Zeitschrift AufAtmen 2/2017, S. 48?51.
- ↑
Jean Vanier, le fondateur de L’Arche, est decede.
In:
arche-france.org.
7. Mai 2019,
abgerufen am 7. Mai 2019
(franzosisch).
- ↑
Eric Quintin, Marie-Pierre Raimbault:
Gottes missbrauchte Dienerinnen ? Die ganze Doku.
(mp4-Video; 1,4 GB; 94 Minuten) In:
Arte.tv
.
2017,
abgerufen am 8. Marz 2022
.
- ↑
Die Missbrauchstaten von Jean Vanier und P. Thomas Philippe.
In:
arche-deutschland.de.
2020,
abgerufen am 8. Marz 2022
.
- ↑
Anne Preckel:
Frankreich: Untersuchung deckt Missbrauch durch Arche-Grunder auf.
In:
Vatican News
.
22. Februar 2020,
abgerufen am 2. Marz 2020
.
- ↑
Neue Untersuchungsberichte zu Missbrauchsskandal um Jean Vanier.
In:
kath.net
.
2. Februar 2023,
abgerufen am 2. Februar 2023
.