Herbert Hesmer
(*
21. August
1904
in
Plettenberg
; †
13. Juni
1982
in
Luneburg
) war ein
deutscher
Forstwissenschaftler
. Er ist vor allem mit Untersuchungen zur
Agroforstwirtschaft
in den
Tropen
sowie zu Waldgeschichte und
Forstwirtschaft
in
Nordrhein-Westfalen
hervorgetreten.
Herbert Hesmer wurde am 21. August 1904 im westfalischen Plettenberg geboren. Nach dem Abitur studierte er von 1923 bis 1928 an den Forstlichen Hochschulen in
Eberswalde
und
Hannoversch Munden
sowie an der
Universitat Kiel
. In dieser Zeit unternahm er selbstandige Studienreisen in die
Urwaldgebiete
Bulgariens
und in die
Turkei
. 1928 wurde er mit der Untersuchung
Die Waldgeschichte der
Nacheiszeit
des nordwestdeutschen Berglandes auf Grund von
pollenanalytischen
Mooruntersuchungen
in Hann. Munden zum
Doktor der Forstwissenschaften
promoviert
. Es folgte das
Referendariat
, das er 1930 als Forst
assessor
abschloss. Da er sich entschlossen hatte, die wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen, begann Hesmer im gleichen Jahr eine Tatigkeit als Assistent am Waldbauinstitut der
Forstlichen Hochschule Eberswalde
, wo er sich 1933 fur die Facher ?
Waldbau
“ und ?
Pflanzengeographie
“
habilitierte
. Er war bereits zum 1. Dezember 1931 der
NSDAP
beigetreten (Mitgliedsnummer 854.064)
[1]
und unterzeichnete im November 1933 das
Bekenntnis der Professoren an den deutschen Universitaten und Hochschulen zu Adolf Hitler
.
[2]
Er blieb als Privatdozent an dieser Hochschule, wurde 1936 zum Leiter des neu errichteten Instituts fur Waldkunde berufen, 1937 zum nichtbeamteten und 1938 zum beamteten außerordentlichen Professor. Als Nachfolger
Alfred Denglers
leitete er dann ab 1939 das so genannte Mollerinstitut fur Waldbau und Waldkunde in Eberswalde und wurde 1941 schließlich ordentlicher Professor fur Forstwirtschaft (Waldbau) an der Forstlichen Hochschule.
Wahrend des
Zweiten Weltkriegs
war Hesmer im Kriegsforstverwaltungsdienst tatig, so 1944/1945 als Leiter der Militarforstverwaltung in
Italien
. 1945 geriet er in Kriegsgefangenschaft, aus der er 1946 wieder entlassen wurde. Hesmer ging dann in das kunftige Bundesland
Nordrhein-Westfalen
, wo er zwischen 1947 und 1949 zunachst mit Forschungsauftragen der neuen Landesforstverwaltung, etwa zur
Aufforstungsplanung
, betraut wurde. Von 1949 bis 1959 verwaltete er dann das Lehr- und Versuchsforstamt
Kottenforst
bei
Bonn
. Im Jahr 1950 erhielt er die Leitung der Forstlichen Forschungsanstalt des Landes Nordrhein-Westfalen sowie deren, auf Initiative des damaligen Landwirtschaftsministers
Heinrich Lubke
eingerichteten Instituts fur Waldbau in Bonn ubertragen. Diese Funktionen hatte er bis 1968 inne. Ab 1948 war Hesmer zudem Gastprofessor, ab 1959 schließlich ordentlicher Professor fur Forstwirtschaft an der
Universitat Bonn
. Ab 1968 leitete Professor Hesmer die Forschungsstelle fur Forstwirtschaft in
Entwicklungslandern
an der Universitat Bonn. Bereits zuvor hatten ihn zahlreiche Reisen in nahezu alle Waldgebiete der Erde gefuhrt. 1963 hatte Hesmer eine halbjahrige Gastprofessur an der
Waseda-Universitat
Tokio
inne.
Seine Forschungsergebnisse fasste Hesmer in sechs Buchern und zahlreichen Abhandlungen fur
Fachzeitschriften
zusammen. Daneben gab er Standardwerke wie
Die Technik der Kiefernkultur
,
Die Technik der Fichtenkultur
und
Das Pappelbuch
sowie von 1935 bis 1968 auch die Fachzeitschrift
Forstarchiv
heraus. Rund anderthalb Jahrzehnte lang beriet Hesmer auch den
Deutschen Pappelverein
. Er war Mitglied der
Akademie der Deutschen Forstwissenschaft
und korrespondierendes Mitglied der Finnischen Forstwissenschaftlichen Gesellschaft. Herbert Hesmer starb am 13. Juni 1982 in Luneburg.
Wahrend seiner Forschungsjahre in Eberswalde beschaftigte sich Herbert Hesmer intensiv mit der unterschiedlichen Waldentwicklung auf verschiedenen Standorten und leistete eine einwandfreie Ermittlung der Baumartenzusammensetzung der naturlichen Bestockung, deren Verhaltnis von der seinerzeit herrschenden
pflanzensoziologischen
Richtung verzerrt gesehen wurde. Die exakte Klarung der naturlichen Bewaldungsverhaltnisse gelang Hesmer und seinen Mitarbeitern vor allem mit
palaofloristischen
Untersuchungen von Trocken
torfbildungen
. Als Nebeneffekt dieser Analysen wurde eine Reihe von pflanzlichen und tierischen Fossilien erstmals bestimmt. In Zusammenarbeit mit Jurgen Meyer und
Elisabeth Freiin von Gaisberg
stellte Hesmer in dem Buch
Waldgraser
(1940) die waldbaulich als Standortsindikatoren bedeutsamen
Suß-
und
Sauergraser
zusammen. Das Buch war lange ein Standardwerk und erlebte bis 1969 noch drei weitere Auflagen.
Maßgeblich beteiligt war Hesmer zudem an der Erarbeitung des
Kartenwerks
Die heutige Bewaldung Deutschlands
(1937), das zum ersten Mal in der Geschichte die Zusammensetzung des deutschen Waldes nach Baum- und Betriebsarten zusammengefasst aufzeigte. Ein weiteres Werk,
Die naturliche Bewaldung Deutschlands
, wurde indes mitsamt seinem umfangreichen Kartenmaterial und vielen Untersuchungsergebnissen bei Kriegsende vernichtet. Im Zusammenhang mit der Frage nach der naturlichen Waldentwicklung ohne Eingriffe des Menschen hatte Hesmer bereits im Jahr 1934 vorgeschlagen, von allen
Waldgesellschaften
moglichst naturnahe Teile zwischen etwa funf bis 20
Hektar
Große als so genannte ?
Naturwaldzellen
“ auszuscheiden, die von jeder wirtschaftlichen Nutzung ausgenommen und lediglich als Forschungs- und Demonstrationsobjekte dienen sollten. Hesmers Anregung wurde jedoch erst nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund gesetzlicher Grundlagen in die Tat umgesetzt.
Nach dem Zweiten Weltkrieg sah Hesmer eine der vordringlichsten Aufgaben darin, fur die notwendigen großflachigen Aufforstungen nach den Waldzerstorungen durch die Kriegshandlungen sowie den
Reparationshieben
der Alliierten das Wissen um die Kulturtechnik fur den Anbau von
Fichte
und
Waldkiefer
zusammenzufassen und der Praxis zur Verfugung zu stellen. So entstanden die von mehreren Autoren gemeinsam verfassten Anleitungen
Die Technik der Kiefernkultur
(1949) und
Die Technik der Fichtenkultur
(1950). In jahrelanger wissenschaftlicher Kleinarbeit erforschte Hesmer ein naturliches Vorkommen einer hervorragend veranlagten Tieflandskiefer im ostlichen
Munsterland
und deren Geschichte. Hesmer nahm sich zudem in enger Zusammenarbeit mit dem Forstentomologen
Fritz Schwerdtfeger
auch der Probleme der
Stieleichen
-Wirtschaft an, die unter dem standigen Fraß des
Eichenwicklers
litt. Intensiv untersuchte er so genannte ?
Spateichen
“-Vorkommen in Deutschland und
Jugoslawien
, deren Eigenschaft, spater als ihre ubrigen Artgenossen auszutreiben, ihm als einzige Moglichkeit erschien, die Stieleichen-Wirtschaft zu sanieren und deren Ertrage zu steigern. Dazu wurde auch entsprechendes forstliches Saatgut aus Jugoslawien eingefuhrt.
Im
Forstamt
Kottenforst widmete sich Hesmer den waldbaulichen Problemen auf
Pseudogley
-Boden, ließ mehrere hundert Hektar Waldbestande aus fremdlandischen Baumarten, darunter der
Douglasie
, anlegen und untersuchte Biologie, Okologie und waldbauliches Verhalten der
Winter-Linde
, die im Kottenforst ihr großtes naturliches Vorkommen in der damaligen Bundesrepublik hatte. Dort ließ Hesmer auch die Einsatzmoglichkeiten motorisierter und tragbarer
Freischneider
aus den
USA
testen, was wiederum die Entwicklung entsprechender deutscher Gerate beeinflusste. Als passionierter
Jager
sorgte er zudem 1952 fur die Wiedereinburgerung des
Damwilds
im Kottenforst.
In der Windschutzanlage
Ollesheim
schließlich wurden Bedeutung und Auswirkungen des
Windschutzes
in den oft baumfreien rheinischen Gegenden untersucht. Unter Hesmers Leitung wurden daruber hinaus die forstwirtschaftlichen Auswirkungen des
Durrejahres
1959
fur ganz Nordrhein-Westfalen ermittelt. Fur die aufkommende
Pappel
-Wirtschaft gab Hesmer das Standardwerk
Das Pappelbuch
(1951) heraus und brachte spater aus Amerika und Asien Saat- und Steckgut bisher in Europa noch nicht angebauter und untersuchter Pappelarten, -provenienzen und -sorten mit. 1958 veroffentlichte er die
Monographie
Wald- und Forstwirtschaft in Nordrhein-Westfalen
, die jahrzehntelang ebenfalls ein Standardwerk bleiben sollte. Darin verwob Hesmer wirtschaftliche und geschichtliche Entwicklungen und Bedingtheiten. 1963 folgte die zusammen mit
Fred-Gunter Schroeder
verfasste Darstellung
Waldzusammensetzung und Waldbehandlung im
Niedersachsischen Tiefland
westlich der
Weser
und in der
Munsterschen Bucht
bis zum Ende des 18. Jahrhunderts
.
Nachdem Professor Hesmer 1959 die Leitung des Forstamtes Kottenforst abgegeben hatte, widmete er sich zunehmend den Fragen der
Weltforstwirtschaft
, speziell der
Agroforstwirtschaft
. Dabei konzentrierte er sich vorrangig auf den in den
Tropen
geubten zerstorerischen
Brandrodungswanderfeldbau
. Ziel war, diesen als Beitrag zur
Entwicklungshilfe
durch einen kombinierten land- und forstwirtschaftlichen Anbau mit Nutzholzerzeugung zu ersetzen. Bei seinen Reisen rund um den Globus erfasste Hesmer in insgesamt 44 Landern, die alle Tropengebiete abdeckten, Voraussetzungen, Techniken und Ergebnisse solcher
nachhaltigen
Nutzungsformen. Um die oftmals so gut wie unzuganglichen Gebiete zu erkunden, nutzte Hesmer nicht nur Waldbefliegungen, sondern bestieg bis ins siebte Lebensjahrzehnt hinein viele Berge aller Tropen bis uber die alpine
Baumgrenze
hinaus. Seine Erfahrungen aus
Afrika
und
Asien
fasste er in dem zweibandigen Werk
Der kombinierte land- und forstwirtschaftliche Anbau
(1966 und 1970) zusammen. Daneben hat Hesmer seine Reisen auch stets fotografisch dokumentiert, woraus eine der umfangreichsten forstlichen
Lichtbildsammlungen
uberhaupt entstand. 1975 veroffentlichte er zudem eine
Biographie
des Pioniers der tropischen Forstwirtschaft und international bekanntesten deutschen Forstmannes, Sir
Dietrich Brandis
.
- Die Waldgeschichte der Nacheiszeit des nordwestdeutschen Berglandes auf Grund von pollenanalytischen Mooruntersuchungen
, Dissertationsschrift, Berlin 1928
- Naturwaldzellen
. Der Deutsche Forstwirt 16 (1934) 133-135 und 141-143.
- Die heutige Bewaldung Deutschlands. Dargestellt an Hand von 17 Karten der einzelnen Holz- und Betriebsarten
, Berlin 1937 (2., neubearbeitete Auflage Berlin 1938)
- zusammen mit Jurgen Meyer und
Elisabeth Freiin von Gaisberg
:
Waldgraser
, Hannover 1940 (4. Auflage Hannover 1969)
- Der Wald im
Weichsel
- und
Wartheraum
, Hannover 1941
- als Gesamtbearbeiter:
Die Technik der Kiefernkultur
, (Mitteilungen der Technischen Zentralstelle der Deutschen Wirtschaft, Band 8), Hannover 1949
- als Gesamtbearbeiter:
Die Technik der Fichtenkultur
, (Mitteilungen der Technischen Zentralstelle der Deutschen Wirtschaft, Band 9), Hannover 1950
- als Gesamtbearbeiter:
Pappelwirtschaft. Mitteilungen des Deutschen Pappelvereins
, Bonn 1948?1952
- Heft 1:
Bericht uber die Tagung auf Grube Fortuna am 8. Juli 1948
- Heft 2:
Bericht uber die Tagung in Bonn vom 13.-15. Juli 1949
- Heft 3:
Zur Tagung des Deutschen Forstvereins in Bonn 1952
- als Mitverfasser und Herausgeber:
Das Pappelbuch
, Bonn 1951
- Wald und Forstwirtschaft in Nordrhein-Westfalen. Bedingtheiten, Geschichte, Zustand
, Hannover 1958
- zusammen mit Fred-Gunter Schroeder:
Waldzusammensetzung und Waldbehandlung im Niedersachsischen Tiefland westlich der Weser und in der Munsterschen Bucht bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. Forstgeschichtlicher Beitrag zur Klarung der naturlichen Holzartenzusammensetzung und ihrer kunstlichen Veranderungen bis in die fruhe Waldbauzeit
, (
Decheniana
, Band 11), Bonn 1963
- Der kombinierte land- und forstwirtschaftliche Anbau
- Teil 1.: Tropisches Afrika
, (Wissenschaftliche Schriftenreihe des Bundesministeriums fur Wirtschaftliche Zusammenarbeit, Band 8), Stuttgart 1966
- Teil 2.: Tropisches und subtropisches Asien
, (Wissenschaftliche Schriftenreihe des Bundesministeriums fur Wirtschaftliche Zusammenarbeit, Band 17), Stuttgart 1970
- Leben und Werk von Dietrich Brandis. 1824 ? 1907. Begrunder der tropischen Forstwirtschaft, Forderer der forstlichen Entwicklung in den USA, Botaniker und Okologe
, : ([Wissenschaftliche] Abhandlungen der Rheinisch-Westfalischen Akademie der Wissenschaften, Band 58), Opladen 1975,
ISBN 3-531-0958-5
- Einwirkungen der Menschen auf die Walder der Tropen. Waldformationen ? Eingriffe ? Forstwirtschaft in kolonialer Zeit
, (aus dem Nachlass herausgegeben von Eberhard F. Brunig; Forschungsberichte des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 3202. Fachgruppe Geisteswissenschaften), Opladen 1986,
ISBN 3-531-03202-X
- Einwirkungen der Menschen auf die Walder der borealen kuhlen Zonen der alten Welt. Island, Norwegen, Schweden, Finnland, Sowjetunion
, (aus dem Nachlass herausgegeben von Eberhard F. Bruenig, bearbeitet von Jutta Poker; Forschungsberichte des Landes Nordrhein-Westfalen, Heft 3211. Fachgruppe Geisteswissenschaften), Opladen 1986,
ISBN 3-531-03211-9
Von 1935 bis 1968 gab Hesmer zudem die Fachzeitschrift
Forstarchiv
heraus.
- Hans Stubner:
Herbert Hesmer
, in
Albrecht Milnik
(Hrsg.) et al.:
Im Dienst am Wald ? Lebenswege und Leistungen brandenburgischer Forstleute. Brandenburgische Lebensbilder
. Verlag Kessel, Remagen-Oberwinter 2006,
ISBN 3-935638-79-5
, S. 378?382
- Anonymus.:
Professor Hesmer 65 Jahre
, in:
Allgemeine Forstzeitschrift
, 24. Jahrgang, Heft 37/1969, S. 728
- ↑
Bundesarchiv R 9361-IX KARTEI/15350266
- ↑
Biographie als Beamter nationalsozialistischer Reichsministerien