Hans Schaffert
(*
22. Juni
1918
in
Buhler
; †
24. Juli
2003
in
Kilchberg ZH
) war ein
Schweizer
evangelisch-reformierter
Geistlicher.
Hans Schaffert war der Sohn des Lehrers Hans Otto Schaffert und dessen Ehefrau Helene (geb. Schlapfer). Er war seit 1947 in erster Ehe mit Cecile (geb. Banyai) und seit 1978 in zweiter Ehe mit Eva Berta (geb. Evard) verheiratet.
Hans Schaffert wurde 1942, wahrend seines Theologiestudiums, im Rahmen eines Auslandsemesters in
Clermont-Ferrand
gebeten, den franzosischen Pfarrer der evangelischen Gemeinde im
Deportationslager Gurs
im
Departement Basses Pyrenees
zu vertreten.
[1]
Dort blieb er drei Monate und wurde Zeuge der ersten
Deportationen
in das
KZ Auschwitz
und verhalf spontan sechs jungen Mannern zur Flucht Richtung
Spanien
. Nach seiner Ruckkehr in die Schweiz verfasste er einen Bericht uber das Lager und richtete diesen an den Prasidenten des
Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes
,
Alphons Koechlin
(1885?1965),
[2]
der den Bericht an den
Bundesrat
Eduard von Steiger
weitergab; dazu gab er den Bericht auch an
Paul Vogt
, seinen spateren Chef im Fluchtlingspfarramt, und an den
Theologen
Karl Barth
weiter.
[3]
Auch der Politiker
Arthur Frey
erhielt den Bericht zugespielt, der ihn
anonymisiert
veroffentlichte. Die Veroffentlichung fuhrte zu einem Protest des Prasidenten des franzosischen evangelischen Kirchenbundes,
Marc Boegner
, bei Marschall
Philippe Petain
.
[4]
Nach seiner
Ordination
war Hans Schaffert, gemeinsam mit dem deutschen Pfarrer Kurt Lehmann (1892?1963),
[5]
von 1943 bis 1945 Mitarbeiter bei Paul Vogt im Fluchtlingspfarramt in
Zurich
, das vom Schweizerischen Evangelischen Kirchenbund, von der
Evangelisch-reformierten Landeskirche des Kantons Zurich
und vom Schweizerischen kirchlichen Hilfskomitee fur evangelische Fluchtlinge eingerichtet worden war. Sie erhielten von
George Mandel-Mantello
1944 Protokolle aus
Budapest
uber den Abtransport von Juden nach Auschwitz und setzten sich, gemeinsam mit dem
Rabbiner
Zwi Taubes
, im Juli 1944 fur die Veroffentlichung dieser Dokumente ein.
In einer nachtlichen Aktion vom 3. zum 4. Juli 1944 vervielfaltigte er, gemeinsam mit Paul Vogt, 2000 Exemplare des Protokolls und versandte diese anschliessend. Die Veroffentlichung des sogenannten
Auschwitz-Protokolls
der geflohenen KZ-Haftlinge
Rudolf Vrba
und
Alfred Wetzler
rief ein weltweites Echo hervor und verstarkte den offentlichen Druck auf die
Grossmachte
. Georg Mantello dankte 1989 Hans Schaffert fur seinen Einsatz ≪als einem der Hauptbeteiligten an der Rettung von 150.000 Juden in Budapest wahrend des Holocaust≫.
Von 1945 bis 1953 war Hans Schaffert Pfarrer im franzosischen
Lille
. Die Gemeinde beauftragte ihn mit der Seelsorge an uber 200 als kriminell eingestuften Kriegsgefangenen; unter ihnen waren etwa 40 Frauen. Er akzeptierte den Auftrag zogernd, den Peinigern der ihm nahestehenden Opfer von Gurs das
Evangelium
zu verkunden. Selbst die vielen zu lebenslanglichem Zuchthaus oder zum Tode Verurteilten, die anfangs den ≪Judenpfaffen≫ ablehnten, waren schliesslich dankbar fur seinen Beistand. Vor Abschluss seines neunjahrigen Aufenthalts bat er den
Staatsprasidenten
Rene Coty
um einen Gnadenerlass fur neun Verurteilte, denen dieser auch gewahrt wurde.
Von 1954 bis 1961 war er Pfarrer in
Leysin
, bevor er 1962 begann, im Auftrag des
Okumenischen Rats der Kirchen
ein Hilfswerk in
Belgisch-Kongo
aufzubauen und die okumenische Hilfe zu koordinieren. Er war von 1968 bis zu seiner Pensionierung 1984 Zentralsekretar des
Hilfswerks der Evangelischen Kirchen der Schweiz
(HEKS) in Zurich.
Hans Schaffert veroffentlichte unter anderem eine Studie uber
Johann Heinrich Heidegger
(1633?1698), dessen Haus die Zentrale fur Nachrichten uber die Verfolgungen der Evangelischen
[6]
in Ungarn gewesen zu sein scheint. Zum 40-jahrigen Jubilaum des HEKS verfasste er 1986 eine Broschure unter dem Titel
Unterwegs mit Menschen, die unten sind
. In
Shalom Israel
verurteilte er den Einmarsch der israelischen Armee in den Libanon, wofur ihm anschliessend
Antisemitismus
unterstellt wurde.
- mit
Oscar Cullmann
:
Die ersten christlichen Glaubensbekenntnisse.
Evangelischer Verlag, Zollikon-Zurich 1949.
- Ihr seid meine Zeugen.
Zurich 1969.
- ... bis an das Ende der Erde.
1970.
- Gott hat keine anderen Hande als die deinen.
Zurich 1971.
- Vom Ziel wissen heisst Wege suchen.
Zurich 1972.
- Ich ? du ? wir.
Zurich 1974.
- Evangelium ? Endstation Welt: Wort ? Antwort ? Widerspruch.
Zurich 1974.
- Johann Heinrich Heidegger: 1. Juli 1633?18. Januar 1698: Professor der Theologie, Protektor der ungarischen Pradikanten: eine okumenische Gestalt in Zurich.
Zurich 1975.
- Steine tragen aufs Baugerust.
Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz, Zurich 1976.
- Ich pflanze ihn dennoch, heute.
Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz, Zurich 1976.
- Was wir geben, haben wir empfangen.
Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz, Zurich 1977.
- Grenzen erkennen, anerkennen, uberschreiten ...
Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz, Zurich 1979.
- Funf Brote, zwei Fische.
Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz, Zurich 1980.
- Von Brucken und Barrikaden.
Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz, Zurich 1981.
- Shalom Israel.
In:
HEKS Nachrichten.
Juli/August 1982.
- ... und sie bewegt sich doch.
Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz, Zurich 1982.
- 40 Jahre HEKS: 1946?1986 ? 40 Geschichten.
Hilfswerk der Evangelischen Kirchen der Schweiz, Zurich 1986.
- ↑
Im Dienst Verfolgter und Notleidender.
Neue Zurcher Zeitung
,
abgerufen am 20. Mai 2020
.
- ↑
Hermann Kocher:
Koechlin, Alphons.
In:
Historisches Lexikon der Schweiz
.
- ↑
Michael Beintker
, Christian Link,
Michael Trowitzsch
:
Karl Barth im europaischen Zeitgeschehen (1935-1950): Widerstand ? Bewahrung ? Orientierung. Beitrage zum Internationalen Symposion vom 1. bis 4. Mai 2008 in der Johannes a Lasco Bibliothek Emden
. Theologischer Verlag Zurich, 2010,
ISBN 978-3-290-17531-3
(
google.de
[abgerufen am 20. Mai 2020]).
- ↑
Heinrich Rusterholz
:
≪… als ob unseres Nachbars Haus nicht in Flammen stunde≫: langer Untertitel
. Theologischer Verlag Zurich, 2015,
ISBN 978-3-290-17712-6
(
google.de
[abgerufen am 20. Mai 2020]).
- ↑
Albrecht Ernst,
Thomas K. Kuhn
, Udo Wennemuth:
Jahrbuch fur badische Kirchen- und Religionsgeschichte 2
. W. Kohlhammer Verlag, 2007,
ISBN 978-3-17-020573-4
(
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[abgerufen am 20. Mai 2020]).
- ↑
Michael Baumann:
Petrus Martyr Vermigli in Zurich (1556?1562): Dieser Kylchen in der heiligen gschrifft professor und laser
. Vandenhoeck & Ruprecht, 2016,
ISBN 978-3-647-55099-2
(
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[abgerufen am 20. Mai 2020]).