Georg Friedrich Rudolf Theodor Andreas Herwegh
(*
31. Mai
1817
in
Stuttgart
; †
7. April
1875
in
Lichtental
)
[1]
war ein revolutionarer geburtiger
deutscher
Dichter
des
Vormarz
und
Ubersetzer
, der auf eigenen Wunsch ab 1843 auch die
Schweizer
Staatsburgerschaft hatte. Im 19. Jahrhundert war er neben
Heinrich Heine
und
Ferdinand Freiligrath
einer der popularsten deutschsprachigen politischen
Lyriker
[2]
und neben
Georg Weerth
einer der bedeutendsten mit der deutschen
Arbeiterbewegung
verbundenen Dichter.
Georg Herwegh wurde 1817 als Sohn des Gastwirts Ludwig Ernst Herwegh und Rosine Catharina Herwegh geboren. Getauft wurde er am 15. Juni 1817 in der
Stuttgarter
Hospitalkirche. Ab 1828 wohnte er bei Verwandten und besuchte die Lateinschule in
Balingen
als Klassenkamerad von
Gottlieb Rau
. Von 1831 bis 1835 besuchte er nach bestandenem
Landexamen
das
Evangelische Seminar
(Gymnasium) im
Kloster Maulbronn
und studierte ab 1835
Theologie
und
Rechtswissenschaften
in Tubingen als Stipendiat des
Tubinger Stifts
, dessen er 1836 verwiesen wurde. Wahrend seines Studiums wurde er 1835 Mitglied der
burschenschaftlichen
Vereinigung der Patrioten Tubingen
.
[3]
Ab 1836 war er als
freier Schriftsteller
in Stuttgart tatig. Ab 1837 arbeitete er sowohl an
August Lewalds
Zeitschrift
Europa
, als auch an
Karl Gutzkows
Blatt
Telegraph fur Deutschland
mit.
Im Jahr 1839 sah er sich veranlasst, in die
Schweiz
zu fliehen, weil er auf einem Maskenball einen koniglich-wurttembergischen Offizier beleidigt hatte und ihm die militarische Zwangsrekrutierung drohte.
Seine Flucht fuhrte ihn zunachst nach
Emmishofen
und dann nach
Zurich
, wo er fur die von
Johann Georg August Wirth
herausgegebene Zeitschrift
Deutsche Volkshalle
den kritischen Teil redigierte. Er freundete sich mit dem
Burschenschafter
und Dichter
August Follen
an. Im Sommer 1841 erschien der erste Teil seiner
Gedichte eines Lebendigen
, die ein polemisches Gegenstuck zu den
Briefen eines Verstorbenen
von
Hermann von Puckler-Muskau
darstellten und ihn auf einen Schlag beruhmt machten. Zu den 1841 entstandenen Gedichten gehoren
Wiegenlied
,
Die bange Nacht
und
O Freiheit, Freiheit!
.
O Freiheit, Freiheit! Nicht wo Hymnen schallen,
In reichgeschmuckten furstlichen Arkaden ?
Freiheit! Du wohnst an einsamen Gestaden
Und liebst die Stille, wie die Nachtigallen.
Du fliehest das Gerausch der Marmorhallen,
Wo trunkne Schlemmer sich im Weine baden,
Du laßt in Hutten dich zu Gaste laden,
Wo Tranen in die leeren Becher fallen.
Ein Engel nahst du bei verschlossnen Turen,
Stellst lachelnd dich an deiner Treuen Bette
Und horchst der himmlischen Musik der Kette.
Nicht stolze Tempel wollen dir gebuhren,
Drin wir als Opfer unsern Stolz dir bieten ?
Warst du die Freiheit, wenn wir vor dir knieten?
Von Herbst 1841 bis Februar 1842 reiste Herwegh nach
Paris
und traf dort mit
Heinrich Heine
zusammen, der ihn spater in seinem Gedicht
An Georg Herwegh
ironisch als ?eiserne Lerche“ verewigte. Nach seiner Ruckkehr nach Zurich lieferte er sich einen publizistischen Kampf mit den Zurcher Konservativen. Aufgrund seiner bissigen Kommentare in der
Augsburger Allgemeinen Zeitung
und dem von
Julius Frobel
herausgegebenen Blatt
Schweizerischer Republikaner
wurde er vom
Zurcher Bezirksgericht
zu einer Geldstrafe verurteilt.
Er arbeitete fur die von
Karl Marx
redigierte
Rheinische Zeitung
und plante, den
Deutschen Boten aus der Schweiz
zu einem Kampforgan gegen die politische und soziale Unterdruckung in Deutschland umzustrukturieren. In dieser Zeit freundete er sich mit
Ludwig Feuerbach
an.
Im Jahr 1842 reiste er nach Deutschland, um Mitarbeiter fur sein Zeitschriftenprojekt zu gewinnen, und schrieb an Karl Marx uber den Konflikt der Freien in Berlin,
[4]
fur dessen Zeitung er schon geschrieben hatte. Außerdem bekam er eine
Audienz
beim preußischen Konig
Friedrich Wilhelm IV.
, der gleich nach dem Treffen mit Herwegh die Zeitschrift noch vor ihrer Veroffentlichung verbieten ließ. Im Dezember ließ Friedrich Wilhelm IV. Herwegh aus Preußen ausweisen, nachdem dieser sich in einem offenen Brief uber die politischen Verhaltnisse in Deutschland beschwert hatte. Auf der Ruckreise in die Schweiz lernte er in
Leipzig
den
Anarchisten
Michail Bakunin
kennen, der ihn mit seinen spateren Schriften immer wieder beeinflusste.
1843 wohnte Herwegh wiederum im Kanton Zurich, wo er Verbindungen zur
kommunistischen
Handwerkerbewegung
herstellte. Am 8. Marz 1843 vermahlte er sich in
Baden AG
[5]
mit
Emma Siegmund
, der Tochter eines Berliner Bankiers. Außerdem pflegte er gute Kontakte zu
Ludwig Buchner
,
August Becker
und
Wilhelm Weitling
, dem pragenden Theoretiker des ?
Bundes der Gerechten
“. Von 1842 bis 1843 arbeitete er als
Redakteur
fur die Zeitschrift
Die junge Generation
und veroffentlichte 1843
Einundzwanzig Bogen aus der Schweiz
, eine Sammlung unveroffentlichter Beitrage fur die Zeitschrift, die die
Zwanzig-Bogen-Klausel
der deutschen Zensur umgehen sollte.
Spottet des Volkleins nicht! Es hat ja den romischen Adler
eine geringere Zahl solcher Apostel gesturzt.
Da die Gesinnungsfreunde Herweghs den Unwillen der konservativen Zurcher Regierung auf sich gezogen hatten und der Kanton Zurich deren Ausweisung vorbereitete, erwarb Herwegh gegen eine hohe Gebuhr das
Burgerrecht
von
Augst
im
Kanton Basel-Landschaft
.
[6]
Dieser Kanton entstand erst 10 Jahre davor durch gewalttatige Sezession von der Stadt
Basel
und war somit revolutionar gemaß Herweghs Verstandnis. Der noch junge und klamme Kanton umgekehrt profitierte finanziell. Wohnsitz im Baselbiet nahm Herwegh jedoch nie.
[7]
Vielmehr siedelte er 1843, vom wurttembergischen Konig unter der Bedingung der Auswanderung begnadigt, nach
Paris
um. Er begegnete dort erneut Karl Marx und Michael Bakunin. Des Weiteren lernte er
Jenny Marx
,
Moses Hess
,
George Sand
,
Victor Hugo
,
Lamartine
,
Beranger
,
Carl Vogt
und andere prominente Intellektuelle jener Zeit kennen. 1843 erschien hier der zweite Teil seiner
Gedichte eines Lebendigen
, dem es an Dynamik des ersten Bandes fehlte, der jedoch seine republikanischen Tendenzen noch bestimmter zeigte.
1848 bis 1875: Marzrevolution, Engagement fur den Sozialismus
[
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]
Nach der Pariser
Februarrevolution 1848
wurde Herwegh Prasident der
Deutschen Democratischen Gesellschaft in Paris
und der
Deutschen Demokratischen Legion
.
Gegen alle Einspruche und Ratschlage von Karl Marx und
Friedrich Engels
eilte er mit einer kleinen bewaffneten Truppe den radikaldemokratischen
Aufstandischen
um
Friedrich Hecker
in
Baden
wahrend der
Marzrevolution
zu Hilfe (vgl. auch
Badische Revolution
). Am 27. April 1848 wurde die Deutsche Demokratische Legion von
wurttembergischen
Truppen im
Gefecht bei Dossenbach
(nahe
Schopfheim
) besiegt. Die
Freischar
von Friedrich Hecker, der so genannte
Heckerzug
, war schon eine Woche zuvor im
Gefecht auf der Scheideck
bei
Kandern
im
Schwarzwald
besiegt und aufgerieben worden, ohne dass es zur Vereinigung mit Herweghs Freischar gekommen war.
Nach dieser Niederlage musste Herwegh erneut fliehen. Ein Gastwirt aus
Karsau
schickte Georg Herwegh und Emma Herwegh zur Tarnung in Arbeitskleidern aufs Feld und verhalf ihnen abends auf einem Mistwagen zur Flucht nach
Rheinfelden in der Schweiz
? und wieder endete seine Flucht in der Schweiz.
[8]
Sein kleiner Aufstand zur Unterstutzung der radikaldemokratischen Bewegung im
Großherzogtum
Baden fuhrte schließlich zum Bruch mit den Begrundern des
wissenschaftlichen Sozialismus
.
Bei seiner darauffolgenden Reise nach
Frankreich
lernte er
Alexander Herzen
und
Iwan Sergejewitsch Turgenew
kennen.
Anfang der 1850er Jahre war Herweghs Haus in Zurich ein Treffpunkt fur Leute wie
Richard Wagner
,
Gottfried Semper
,
Wilhelm Rustow
und
Franz Liszt
. Hier kam es auch zum Bruch mit Alexander Herzen, dessen Frau Natalja Herwegh leidenschaftlich liebte. Er arbeitete wahrend dieser Zeit fur die Schweizer liberale Presse und anonym fur die satirische Zeitschrift
Kladderadatsch
.
Im Jahr 1863 wurde Herwegh zum Bevollmachtigten des neu gegrundeten
Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins
(ADAV) in der Schweiz. Der ADAV war die erste Vorlauferorganisation der spateren
Sozialdemokratischen Partei Deutschlands
(SPD).
Zur Grundung des ADAV schrieb Herwegh 1863
Das Bundeslied
als
Hymne
auf das revolutionare
Proletariat
. Im Folgenden die letzten drei von insgesamt zwolf Strophen des
Bundeslieds
:
Mann der Arbeit, aufgewacht!
Und erkenne deine Macht!
Alle Rader stehen still.
Wenn dein starker Arm es will.
Deiner Dranger Schar erblaßt,
Wenn du, mude deiner Last,
In die Ecke stellst den Pflug.
Wenn du rufst: Es ist genug!
Brecht das Doppeljoch entzwei!
Brecht die Not der Sklaverei!
Brecht die Sklaverei der Not!
Brot ist Freiheit, Freiheit Brot!
Das
Bundeslied
wurde sehr schnell verboten und konnte jahrelang nur illegal verbreitet werden. Gleichwohl gilt es bis heute als eines der bekanntesten deutschen Arbeiterkampflieder.
Herwegh befreundete sich mit dem Begrunder des ADAV,
Ferdinand Lassalle
, der ihn zur Abfassung des
Bundesliedes
und
Hans von Bulow
zu dessen Vertonung gedrangt hatte,
[9]
[10]
und von dem er sich aber spater wegen dessen gemaßigter, eher reformorientierter und staatskonformer Haltung distanzierte. Auch dem ADAV entfremdete er sich wieder.
1866 kehrte Herwegh als Mitstreiter der
Ersten Internationale
und Interessenvertreter der Arbeiterklasse nach Deutschland zuruck und wurde noch im selben Jahr zum Ehrenkorrespondenten der
Ersten Internationale
ernannt.
1869 schloss sich Herwegh der von
August Bebel
und
Wilhelm Liebknecht
gegrundeten marxistisch-revolutionaren
Sozialdemokratischen Arbeiterpartei
(SDAP) an, die sich 1875 mit dem ADAV vereinigte.
Herwegh wurde zum standigen Mitarbeiter des
sozialdemokratischen
Blatts
Der Volksstaat
und veroffentlichte in dieser Position seine scharfsten politischen Gedichte. Er verurteilte darin den
preußischen Militarismus
, den
Deutsch-Franzosischen Krieg
von 1870/71 und das
deutsche Kaiserreich
.
Am 7. April 1875 starb Herwegh im heute zu
Baden-Baden
gehorenden
Lichtental
. Begraben ist er in der Hauptstadt des Kantons
Basel-Landschaft
, in
Liestal
,
[11]
obwohl er in Liestal nie wohnte oder Burger war (wohl aber Burger von Augst im gleichen Kanton). Fur die Uberfuhrung des Leichnams war seine Witwe besorgt. Sie erfullte damit den Wunsch des Verstorbenen, in ?seinem Heimatkanton, in freier republikanischer Erde“ begraben zu sein.
[12]
Das Grab ? in welchem im Jahr 1904 auch seine Ehefrau bestattet wurde ? besteht weiterhin auf dem Liestaler Friedhof. Seine Grabinschrift lautet:
[13]
[14]
?Hier ruht, wie er’s gewollt, in seiner Heimat freien Erde
Georg Herwegh 31. Mai 1817 ? 7. April 1875
Von den Machtigen verfolgt,
Von den Knechten gehaßt,
Von den meisten verkannt,
Von den Seinen geliebt.“
?
Grabinschrift Liestal
Ebenfalls in Liestal, an zentraler Lage unweit des
Bahnhofs
und der Altstadt, ist 1904 durch deutsche und Schweizer Arbeitervereine ?dem Freiheitssanger und -kampfer in Dankbarkeit gewidmet von Mannern der Arbeit Freunden der Freiheit“ ein Denkmal errichtet worden.
[15]
Es ist mit der dritten Strophe des Gedichts
An Herweghs Grab
des Frankfurter Dichters und Kampfgefahrten Herweghs,
Friedrich Stoltze
, versehen.
[14]
In einem Nachruf auf Herwegh schrieb dieser auch:
Nie sang, der Freiheit Heil verkundend,
Ein Dichterherz mit solcher Glut,
In allen Seelen fuhr es zundend,
Dem Volke wuchs der stolze Mut,
Zu den Gestirnen wirst du schweben,
Dein Sangername loscht nicht aus.
Und der Lebendige wird leben
Auch uber Tod und Grab hinaus.
Auf dem Denkmal sind zwei Metallplatten angebracht. Auf deren linken Seite vom Portrat steht folgendes geschrieben.
Zum Volke standst Du ohne wanken, am Trone gingst Du stolz vorbei, lass Dir es noch im Tode danken o freies Herz, nun bist Du frei. Zu den Gestirnen wirst Du schweben, dein Sangername lischt nicht aus, und der Lebendige wird Leben, weit uber Tod und Grab hinaus!
Auf der rechten Seite steht:
Dem Freiheitssanger und Kampfer. In Dankbarkeit gewidmet von Mannern der Arbeit, Freunden der Freiheit.
Marcel Herwegh vermachte wesentliche Teile des Nachlasses von Georg Herwegh und
Emma Herwegh
an die Stadt
Liestal
mit der Auflage, ein Museum einzurichten. Der Nachlass bildet heute einen erheblichen Teil des
Dichter- und Stadtmuseums Liestal
.
[16]
Obgleich Herwegh im Unterschied zu anderen Intellektuellen seiner Zeit ein entschiedener Gegner des nach dem Deutsch-Franzosischen Krieg aufkommenden
Nationalismus
war, ist die Wirkung seiner Gedichte auch umstritten. Mit der teilweise pathetischen, kampferischen und gewaltbereiten Sprache insbesondere seiner fruhen
Gedichte eines Lebendigen
habe er sich wenig von der Sprache seiner Feinde unterschieden und ware somit auch als Wegbereiter eines aggressiven Nationalismus, des
Wilhelminismus
, zu sehen, meint
Ulrich Enzensberger
in seiner Biographie
Herwegh. Ein Heldenleben
.
[17]
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Marie d’Agoult
et du poete Georges Herwegh
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Les documents bleus
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Band
11
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- Georg Herwegh:
Werke und Briefe. Kritische und kommentierte Gesamtausgabe.
6 Bde., hg. v. Ingrid Pepperle in Verb. mit Volker Giel, Heinz Pepperle, Norbert Rothe und Hendrik Stein. Aisthesis, Bielefeld 2005?2019.
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a
b
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Memento
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Bereits 1884 war ein erstes Denkmal auf Initiative des Deutschen Arbeiterverein Basel errichtet worden. Siehe Martin Stohler: Die Liestaler Herwegh-Feier von 1884 und das vom Deutschen Arbeiterverein gestiftete Denkmal ?auf dem Wetterkreuz“. In: Baselbieter Heimatblatter, Band 70 (2005), Heft 4, S. 153?174
doi
:
10.5169/seals-860427
- ↑
Dauerausstellungen
auf der Website des Dichter- und Stadtmuseums Liestal, abgerufen am 1. Juli 2018.
- ↑
siehe Thomas Kastura:
Schaumschlager oder Revolutionar.
- ↑
Thomas Kastura:
Schaumschlager oder Revolutionar.
Rezension bei literaturkritik.de, Nr. 10, Oktober 1999 (1. Jahrgang), abgerufen am 1. Juli 2018.