Geiselnahme von Stockholm

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Die Deutsche Botschaft Stockholm im August 2008

Die Geiselnahme von Stockholm war ein Terroranschlag eines Kommandos der Rote Armee Fraktion , der sich am 24. April 1975 ereignete. Sechs Terroristen verschafften sich Zugang zur bundesdeutschen Botschaft in Stockholm (Schweden), nahmen dort zwolf Geiseln und ermordeten zwei von ihnen. Nach einer Sprengstoffexplosion, die die Geiselnehmer wahrscheinlich versehentlich ausgelost hatten, konnten die restlichen Geiseln fliehen. Die uberlebenden Geiselnehmer wurden zu langjahrigen Haftstrafen verurteilt.

Vorgeschichte [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Am 27. Februar 1975, drei Tage vor der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus , hatten Terroristen der Bewegung 2. Juni den Spitzenkandidaten der CDU Berlin , Peter Lorenz , entfuhrt . Damals hatte die Bundesregierung ( Kabinett Schmidt I ) der Forderung der Entfuhrer nachgegeben: Sie hatte funf Straftater aus der RAF und der Bewegung 2. Juni freigelassen und sie in den Sudjemen ausfliegen lassen.

Verlauf [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Am Mittag des 24. April 1975 sturmten sechs RAF-Terroristen ( Karl-Heinz Dellwo , Siegfried Hausner , Hanna Krabbe , Bernhard Rossner , Lutz Taufer und Ulrich Wessel ) die Botschaft der Bundesrepublik in Stockholm, nahmen zwolf Geiseln und verbarrikadierten sich im oberen Stockwerk des Gebaudes. Sie nannten sich Kommando Holger Meins und forderten die Freilassung von insgesamt 26 inhaftierten RAF-Angehorigen, darunter Andreas Baader , Ulrike Meinhof , Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe . [1] Stefan Wisniewski war wohl außerhalb der Botschaft versteckt und hielt die Terroristen in der Botschaft per Funkgerat uber die Lage dort auf dem Laufenden.

Die Terroristen drohten, sie wurden Geiseln erschießen, wenn die schwedische Polizei nicht bis 14 Uhr aus dem Untergeschoss der Botschaft abziehen wurde. Als das Ultimatum verstrich, schossen zwei Terroristen unmittelbar von hinten funfmal auf den von ihnen zur Verhandlung mit der Polizei gezwungenen Militarattache Oberstleutnant Andreas von Mirbach und stießen ihn die Treppe des Botschaftsgebaudes hinunter. [2] Die Polizisten zogen sich in ein Nebengebaude der Botschaft zuruck. Zwei bis auf die Unterhosen entkleidete schwedische Polizisten durften Mirbach eine Stunde nach den Schussen aus dem Gefahrenbereich befordern; nach einer Operation verstarb dieser zwei weitere Stunden spater.

Um 20 Uhr beschloss der Krisenstab um Bundeskanzler Helmut Schmidt , nicht auf die Forderungen der Terroristen einzugehen. Schmidt eroffnete eine Zusammenkunft seines Krisenstabes mit den Worten: ?Meine Herren, mein ganzer Instinkt sagt mir, dass wir hier nicht nachgeben durfen.“ [3]

Die Terroristen legten 15 Kilogramm TNT -Sprengstoff aus und verbanden ihn mit Kabeln. [4] Gegen 22:20 Uhr erschoss einer der Terroristen den Wirtschaftsattache Heinz Hillegaart offentlich sichtbar an einem offenen Fenster. [4] Um 23:46 Uhr explodierte der Sprengstoff. Die Explosion beschadigte das Botschaftsgebaude schwer und verletzte die vier verbliebenen Geiseln und die Geiselnehmer zum Teil schwer. Die Geiseln konnten fliehen. In der spateren Gerichtsverhandlung behaupteten die Terroristen, die Einsatzkrafte vor Ort hatten ihn gezundet, was von der Bundesregierung gebilligt worden sei. Das Gericht schenkte dieser Erklarung aber keinen Glauben. [5] Hans-Joachim Klein schrieb spater, dass die Explosion dadurch ausgelost wurde, dass einer der Terroristen uber einen Draht stolperte und damit die Elektrozundung ausloste. [6] Alle Kommandomitglieder und Geiseln erlitten Verbrennungen. Wessel starb zwei Stunden spater in einem Krankenhaus, Hausner zehn Tage spater in der Krankenstation der JVA Stuttgart . [7]

Nach dem Anschlag [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die vier uberlebenden Terroristen (Krabbe, Dellwo, Taufer und Rossner) wurden am 20. Juli 1977 vom Oberlandesgericht Dusseldorf zu jeweils zweimal lebenslangen Freiheitsstrafen wegen gemeinschaftlichen Mordes in zwei Fallen sowie Geiselnahme und versuchter Notigung eines Verfassungsorgans verurteilt. Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes verwarf am 1. Marz 1978 die Revisionen der Angeklagten gegen dieses Urteil als unbegrundet. [8]

Rossner wurde am 17. November 1992 Strafausstand gewahrt, 1994 wurde er begnadigt. Taufer und Dellwo wurden im Fruhjahr 1995, Krabbe am 10. Mai 1996 aus der Haft entlassen.

Rossner außerte 1994 wahrend eines Fernsehinterviews im ZDF, er empfinde keine Reue und kein Bedauern gegenuber den Opfern und ihren Angehorigen. Clais von Mirbach, Sohn des erschossenen Attaches, erklarte daraufhin, dass er sich wunsche, ?dass die Offentlichkeit solchen Selbstverklarungen und Verharmlosungen entschiedener entgegentrate.“ [9]

Film [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Stockholm 75 (Schweden) Dokumentarfilm, 2003, Regie: David Aronowitsch.

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Martin Steinseifer: ?Terrorismus“ zwischen Ereignis und Diskurs: Zur Pragmatik von Text-Bild-Zusammenstellungen in Printmedien der 1970er-Jahre . Walter de Gruyter, Berlin/Boston 2011, S. 26.
  2. Was wissen wir denn uber den Terrorismus? FAZ.net , 12. Februar 2007.
  3. Marion Detjen, Stephan Detjen , Maximilian Steinbeis : Die Deutschen und das Grundgesetz: Geschichte und Grenzen unserer Verfassung . Schriftenreihe der Bundeszentrale fur Politische Bildung , 2009, ISBN 978-0-309-28693-0 , S. 176 ( books.google.de ).
  4. a b Butz Peters : Der Terror von Stockholm . In: Die Welt , 25. April 2005; abgerufen am 27. Oktober 2017.
  5. Die Geiselnahme von Stockholm . Bundeszentrale fur politische Bildung , 21. April 2015; abgerufen am 27. Oktober 2017.
  6. Hans-Joachim Klein : Ruckkehr in die Menschlichkeit . rororo aktuell, 1979, S. 51 ( ISBN 978-3-499-14544-5 )
  7. Herr mit Trauerflor . In: Der Spiegel . Nr.   20 , 1976, S.   55   f . ( online ).
  8. BGH, 01.03.1978 - 3 StR 24/78 (S) ( Volltext ( Memento vom 8. August 2016 im Internet Archive ))
  9. Die Opfer der RAF: Selbstverklarung und Verharmlosung . Bundeszentrale fur politische Bildung (Hrsg.): Aus Politik und Zeitgeschichte , 24. September 2007

Koordinaten: 59° 20′ 4,4″  N , 18° 6′ 23″  O