Unter der
Ein-Gen-ein-Enzym-Hypothese
versteht man die Hypothese, dass ein
Gen
die Informationen fur die Bildung eines bestimmten
Enzyms
, also ein
katalytisch
wirkendes
Eiweißmolekul
tragt.
Bereits 1909 hatte der britischen Arzt
Archibald Garrod
angeborene Stoffwechselstorungen (englisch
inborn errors of metabolism
) identifiziert und vermutet, dass etwa im Fall der
Alkaptonurie
ein Enzymdefekt vorliege, der genetisch fixiert sei. Die Hypothese
ein Gen ? ein Enzym
wurde in den
1940er
Jahren von
George Beadle
und
Edward Tatum
entwickelt und am
Schimmelpilz
Neurospora
experimentell untermauert.
[1]
[2]
Fur diese Arbeiten bekamen sie
1958
den
Nobelpreis fur Physiologie oder Medizin
.
[3]
Diese Hypothese ist inzwischen nur noch eingeschrankt gultig.
Generell kann ein
DNA
-Abschnitt ein
Protein
codieren. Dieses kann, muss aber nicht
katalytisch
wirken. Auch
Strukturproteine
sind direkt in der DNA codiert und werden durch die
Proteinbiosynthese
gebildet. Im Zuge der Aufklarung dieser Synthese musste die Hypothese also modifiziert werden. Da einerseits viele Enzyme aus mehreren
Polypeptidketten
bestehen und andererseits auch Strukturproteine ohne katalytische Wirkung, wie das
Keratin
der Haare, auf demselben Weg erzeugt werden, wurde die Hypothese zur
Ein-Gen-ein-Polypeptid
-Hypothese
modifiziert.
Bei
Eukaryoten
fuhrt ein und derselbe DNA-Abschnitt oft zu unterschiedlichen
mRNA
-Molekulen und damit zu unterschiedlichen Proteinen. Ursache ist das
alternative Spleißen
, durch das erst entschieden wird, welche DNA-Abschnitte eines Gens codieren, also
Exons
sind und welche im Reifungsprozess herausgeschnitten werden (
Introns
).
Mit der Entdeckung des alternativen Spleißens bei der
Transkription
der
Eukaryoten
musste die Hypothese also erneut modifiziert werden. Durch unterschiedliche Verarbeitung (Spleißen) der an der DNA erzeugten
pra-mRNA
konnen aus derselben DNA-Sequenz mehrere unterschiedliche reife mRNA-Molekule und damit mehrere unterschiedliche Polypeptide entstehen. Die Regulation ist noch nicht vollstandig geklart.
An der DNA synthetisierte RNA-Molekule konnen an andere mRNA-Molekule binden und Doppelstrange ausbilden. Diese werden dann von der Zelle zerstort. Durch dieses
RNA-Silencing
kann eine RNA-Sequenz als nachtraglicher Genschalter wirken und andere Gene beeinflussen.
Auch RNA-Molekule konnen allein oder im Verbund mit Proteinen als
Biokatalysatoren
wirken, funktionieren also wie Enzyme (
Ribozyme
). Dabei kann das aktive Zentrum ausschließlich durch RNA gebildet sein.
Auch die
rRNA
wird von Genen transkribiert, aber nicht in eine Polypeptidkette translatiert.
Nach gegenwartigem Forschungsstand kann man die Hypothese so modifizieren:
- Ein Gen codiert eine biologisch aktive RNA. Diese wird nicht zwangslaufig in ein Polypeptid translatiert.
- ↑
George W. Beadle, Edward L. Tatum:
Genetic Control of Biochemical Reactions in Neurospora.
In:
Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America
.
Bd. 27, Nr. 11, 1941, S. 499?506,
PMID 16588492
,
PMC 1078370
(freier Volltext).
- ↑
George W. Beadle:
Biochemical Genetics.
In
Chemical Reviews
.
Bd. 37, Nr. 1, 1945, S. 15?96,
doi
:
10.1021/cr60116a002
.
- ↑
Informationen
der
Nobelstiftung
zur Preisverleihung 1958 an George Beadle und Edward Tatum (englisch)