Dieser Artikel behandelt eine Verlegerin und Emigrantin. Zur zeitgenossischen Arztin, Psychoanalytikerin und emigrierten Widerstandskampferin ahnlicher Schreibweise siehe
Edith Jacobson
.
Edith Lotte Jacobsohn
, geborene
Schiffer
(*
26. Oktober
1891
in
Schoneberg
bei
Berlin
[1]
; †
31. Dezember
1935
in
London
) war eine deutsche
Ubersetzerin
und
Verlegerin
.
Edith Schiffer wurde als Tochter des judischen Holzhandlers und Bauunternehmers Max Schiffer und seiner Ehefrau Anna geb. Pleßner in Schoneberg geboren. Der liberale Politiker und spatere Reichsjustizminister
Eugen Schiffer
war ihr Onkel; der Hamburger Verleger
Paul Cassirer
und der Philosoph
Ernst Cassirer
waren ihre Vettern, mit denen sie in Kontakt stand.
Sie besuchte ein Internat in Großbritannien, wo sie die englische Lehrerin Edith Lillie Williams kennenlernte. 1915 heiratete sie den Publizisten und Theaterkritiker
Siegfried Jacobsohn
, der die Zeitschrift
Die Schaubuhne
herausgab (ab 1918
Die Weltbuhne
). Mit ihrem Vermogen rettete sie die beruhmte Zeitschrift mehrere Male vor dem Konkurs und ubernahm 1927 (nach dem Tode ihres Mannes) auch die Leitung des Verlags der
Weltbuhne
.
Edith Jacobsohn ubersetzte englische Kinderbucher ins Deutsche, darunter das 1920 erschienene Buch
The Story of Doctor Dolittle (
Doktor Dolittle und seine Tiere
)
von
Hugh Lofting
und
Winnie-the-Pooh (
Pu der Bar
)
von
A. A. Milne
. Dabei war sie hauptsachlich unter ihrem Aliasnamen
E. L. Schiffer
(ihrem Geburtsnamen) tatig ? das Pseudonym
E. L. Schiffer-Williams
stand hingegen fur Gemeinschaftsubersetzungen mit Edith Williams.
Im April 1924 grundete sie mit ihren Freundinnen Annie Williams (geb. Ball) und Edith Weinreich (geb. Williams) den Kinderbuchverlag
Williams & Co.
, aus dem der spatere
Cecilie Dressler Verlag
hervorging. Die beiden Englanderinnen schieden schon nach einem Jahr wieder aus und Jacobsohn fuhrte den Verlag von da an alleine. Er veroffentlichte mit großem Erfolg ab 1925 die Doktor-Dolittle- und ab 1928 die Pu-der-Bar-Geschichten. 1929 regte Edith Jacobsohn
Erich Kastner
zum Schreiben von Kinderbuchern an und veroffentlichte in ihrem Verlag seine Klassiker
Emil und die Detektive
(1929) und
Punktchen und Anton
(1931).
1927 ubernahm Jacobsohn nach dem fruhen Tod ihres Ehemannes auch die Leitung des
Weltbuhne
-Verlages. Zuerst wurde Kurt Tucholsky zum Chef der Weltbuhne ernannt. Als dieser wieder nach Frankreich ging, ernannte Jacobsohn
Carl von Ossietzky
im Mai 1927 zu seinem Nachfolger. Nach außen hin blieb vorerst Tucholskys Name auf dem Titelblatt der Zeitung. Ab Oktober 1927 lautete dieses Impressum:
Leiter der Weltbuhne Carl von Ossietzky unter der Mitarbeit von Kurt Tucholsky
. Nach ihrer Flucht aus Deutschland verkaufte Jacobsohn beide Verlage. Der Williams Verlag wurde von der ehemaligen Verlagsmitarbeiterin
Cecilie Dressler
ubernommen, deren Namen der Verlag ab 1941 trug. Die
Weltbuhne
ging nach langen Verhandlungen an den der Kommunistischen Partei Deutschlands nahestehenden Journalisten
Hermann Budzislawski
.
[2]
Am Tag nach dem
Reichstagsbrand
, Ende Februar 1933, floh sie mit ihrem Sohn Peter (1916?1998) aus dem
Deutschen Reich
nach
Wien
, spater nach
Zurich
und dann nach
London
, wo sie zur Sicherung ihrer Aufenthaltsgenehmigung eine
Scheinehe
einging und den Familiennamen Forster annahm.
Edith (Jacobsohn-)Forster starb 1935 im Alter von 44 Jahren an einem
Schlaganfall
.
Nach
Kriegsende
geriet Edith Jacobsohn in Westdeutschland jahrzehntelang fast in Vergessenheit. Von Dezember 1997 bis Januar 1998 zeigte die Theodor-Fontane-Bibliothek in Berlin ihr zu Ehren die Ausstellung
Mein Schoner Verlag. Edith Jacobsohn und der Williams & Co. Verlag. Geschichte und Erfolg eines Berliner Verlages aus den Zwanziger Jahren
.
[3]
Es erschien ein 60-seitiger Ausstellungskatalog.
- Frank Flechtmann:
Mein schoner Verlag, Williams & Co. Erinnerung an Edith Jacobsohn.
Uber einen vergessenen Verlag beruhmter Bucher; mit einer Bibliografie 1925?1955. (Katalog zur Ausstellung ?Mein Schoner Verlag. Edith Jacobsohn und der Williams & Co. Verlag. Geschichte und Erfolg eines Berliner Verlages aus den Zwanziger Jahren“, Theodor-Fontane-Bibliothek, Berlin, Dezember 1997 bis Januar 1998), Berlin 1997,
ISBN 978-3-933175-19-9
(
verbesserte Textausgabe, Berlin 2010, online (PDF)
)
- Jacobsohn, Edith
. In:
Ernst Fischer
:
Verleger, Buchhandler & Antiquare aus Deutschland und Osterreich in der Emigration nach 1933: Ein biographisches Handbuch
. Elbingen: Verband Deutscher Antiquare, 2011, S. 148
- ↑
Geburtsregister Standesamt Schoneberg 1, Nr. 1013/1891
- ↑
Chronologie zur Weltbuhne auf der Homepage
Aus Teutschland Deutschland machen.
- ↑
Frank Flechtmann:
Mein schoner Verlag, Williams & Co.: Erinnerung an Edith Jacobsohn; uber einen vergessenen Verlag beruhmter Bucher.
In:
deutsche-digitale-bibliothek.de.
4. Dezember 1997,
abgerufen am 17. April 2020
.