Clara de Vries
(*
31. Dezember
1915
in
Schoonhoven
; †
22. Oktober
1942
in
Auschwitz
) war eine niederlandische
Jazztrompeterin
.
Clara de Vries, die jungere Schwester von
Louis de Vries
und
Jack de Vries
, erhielt beim Vater Arend de Vries (1882?1942), einem Textilhandler und Amateurtrompeter, und spater bei ihrem Bruder Louis Trompetenunterricht. 1931/32 war sie Mitglied bei den
Jazz Blues Ladies
(Leitung Leo Selinsky), die sehr popular waren (darin spielte auch die Tenorsaxophonistin, Klarinettistin und Pianistin
Annie van ’t Zelfde
, eine enge Freundin, und Micky Bezemer, Cello und Holzblasinstrumente). Sie spielten in Tanzhallen und Restaurants wie dem
Pschorr
in Rotterdam und dem
Heck’s Lunchroom
in Den Haag und Amsterdam. 1934/35 tourte sie mit
Alexander Schirmanns
Jazz Girls
in Deutschland, Spanien und der Schweiz.
[1]
Das Repertoire bestand uberwiegend aus
Tanzmusik
(
Foxtrot
,
Tango
,
Walzer
), bisweilen spielten sie aber auch
hot
.
De Vries spielte auch in anderen Bands wie den
Wiener Jazz Ladies
. 1935 grundete sie eine eigene Band
Clara de Vries and her Jazzladies
und spielte danach bei den
Internationals
ihres Bruders Jack de Vries. 1936 heiratete sie in Rotterdam den Trompeter
Willy Schobben
(1915?2009), trat aber weiter mit verschiedenen Damenorchestern in Rotterdam und Amsterdam auf. Die Ehe blieb kinderlos. 1937 ließ sie die
Jazz Ladies
wieder aufleben (Gigs im
Mephisto
in Rotterdam) und begleitete im selben Jahr
Coleman Hawkins
. 1938 spielte sie im Damenorchester
Rosian Ladies
(Leitung Ro Hakker, Akkordeon) im
Heck
in Rotterdam.
Nach der deutschen Besetzung der Niederlande wurde es fur De Vries, die aufgrund ihrer Herkunft nach den
NS-Rassengesetzen
als ?judisch“ diskriminiert wurde, immer schwieriger, aufzutreten. Anfangs spielte sie mit den
Plus Fours
, hauptsachlich in der Provinz Groningen. Doch noch im Februar 1941 konzertierte sie außerhalb des judischen Viertels von Amsterdam im Cafe-Cabaret
Alcazar
(am Thorbeckeplein), bis das durch Schlagereien und Razzien unmoglich wurde.
[2]
Noch im August 1942 spielte sie im Amstel-Kabarett im judischen Viertel. Untertauchen wollte sie nicht ? ihre Eltern waren schon verhaftet worden und ihr Bruder noch zu Hause. In einem Abschiedsbrief an ihre Freundin Annie van 't Zelfde vom 1. September 1942 schrieb sie, dass sie ihre Verhaftung und ihren Abtransport ins Sammellager jeden Augenblick erwartete.
[3]
De Vries wurde am 15. Oktober 1942 verhaftet und wie ihre Eltern und ihr Bruder ins
Durchgangslager Westerbork
deportiert
. Vier Tage spater wurde sie in den Zug nach Auschwitz verbracht und noch am Tag ihrer Ankunft ermordet.
[4]
Jahrzehnte spater außerte sich
Louis Armstrong
ebenso wie uber das Trompetenspiel ihres Bruders Louis, auch uber das von Clara sehr anerkennend (
That Louis de Vries, he had a sister Clara with a ladies-band. Oh boy, she could play that horn!
).
[5]
Sie war eine der Musikerinnen in der niederlandischen TV-Dokumentation
Sweet and hot Music ? Nederlandse damesorkesten uit de jaren ‘30
von Netty van Hoorn (1989).
[6]
Es sind keine Plattenaufnahmen bekannt, es gibt aber zum Beispiel Radioaufnahmen (sie bzw. ihre Bands waren haufig im Radiosender VARA zu horen). Eine Straße in Rotterdam ist nach ihr benannt.
[4]
- Wim van Eyle u. a.: Jazz & Geimproviseerde Muziek in Nederland, Het Spectrum 1978, S. 152
[7]
- Hans Langeweg:
Clara de Vries
, in Doctor Jazz Magazine (April 1975) S. 25?29
- Chiel Zwinkels:
Vries, Clara de
, in: Digitaal Vrouwenlexicon van Nederland, 2015,
KNAW
.
- ↑
Damenorchester waren damals nichts ungewohnliches in Europa, wohl aber Jazzbands mit Damenbesetzung. In den USA gab es damals schon unter anderem
Babe Eagan
and her Hollywood Redheads
, die 1929 auch in Europa waren.
- ↑
Am 9. Februar 1941 storten dort Angehorige der
Nationaal-Socialistische Beweging
und der deutschen
Wehrmacht
ihren Auftritt mit einer Schlagerei, bei der es zu 23 Verwundeten kam. Ein NSB-Mann starb spater. Die Storer hatten gehort, dass dort noch judische Kunstler auftraten.
- ↑
Der Abschiedsbrief wird von Annie van 't Zelfde in dem Dokumentarfilm von Netty van Hoorn vorgelesen. Sie wolle auch das Schicksal der ubrigen Juden teilen.
- ↑
a
b
Digitaal Vrouwenlexicon van Nederland
- ↑
Arie van Breda u. a.,
100 jaar Jazz in Den Haag
, 2000
- ↑
Webseite von Netty van Hoorn zum Film
- ↑
Dort ist irrtumlich 1918 als Geburtsjahr angegeben und 1943 als Todesjahr