Carl Paul Malsch
(*
20. Mai
1916
in
Hamburg
; †
13. September
2001
ebenda) war ein evangelischer
Pastor
. Er war ein Mensch des Wortes und der Tat, nicht der theologischen Wissenschaft. Er hatte die Gabe, seine Mitmenschen von sozialen Projekten und kirchlichen Bauvorhaben zu begeistern und dafur die
Mittel zu beschaffen
. Er propagierte die ?leise
Kollekte
“ (
Scheine
statt
Munzen
) und pragte den Satz ?Gott liebt
blaue Zehnmarkscheine
“.
[1]
Carl Malsch wuchs in
Hamburg-Hamm
auf. Seine christliche und kirchliche Sozialisation geschah durch das Elternhaus und den ?Jugendbund fur entschiedenes Christentum“ (EC).
Seine Eltern gehorten der
Landeskirchlichen Gemeinschaft
unter
Friedrich Heitmuller
am Holstenwall an, die sehr
pietistisch
gepragt war. Sie schickten seine Geschwister und ihn zur Sonntagsschule (Kindergottesdienst) in die Jungmannstraße in
Eilbek
, wo seine Freunde den
Jugendbund fur entschiedenes Christentum
der Gemeinde grundeten. Im Alter von 15 Jahren las er innerhalb eines Jahres die Bibel komplett durch. Die christliche Jugendgruppe aus Handwerkern, Studenten und Schulern hatte starke Elemente von der
Jugendbewegung
ubernommen und verstand sich als Bruderschaft.
Ihr Wahlspruch lautete: ?Fur Christus und die Kirche“.
Als Heitmuller kurze Zeit bei den Nazis mit marschierte, trat die Gruppe 1934 geschlossen aus der ?Evangelischen Gemeinschaft“ aus und schloss sich der
Hamburgischen Landeskirche
an. Ihre neue Heimat war bei dem Pastor Kreye in der
Dreifaltigkeitskirche
.
Als die
Evangelische Jugend
1934 in die
Hitlerjugend
uberfuhrt werden sollte, machte die Gruppe nicht mit. Carl Malsch ubernahm in der Hammer Gemeinde die Reste der Evangelischen Jugend. Dort war er bis 1936 in der Jugendleitung tatig.
In der Hammer Gemeinde gehorte er zur Bekenntnisgemeinschaft. Besonders der Pastor
Gottfried Forck
, Mitglied der Vorlaufigen Leitung der
Bekennenden Kirche
informierte die Gruppe uber die Auseinandersetzungen zwischen Kirche und Staat. Als der andere Gemeindepastor, Herr Heldmann, 1934 fur kurze Zeit ins
KZ
gebracht worden war, hatte er schon einige erste Eindrucke vom zerstorerischen Wesen des Nationalsozialismus gewonnen.
Nach dem Abitur wollte er Lehrer werden, was ihm von den
Nationalsozialisten
verwehrt wurde, weil er nicht in der
Hitlerjugend
war. So entschloss er sich auf Anraten eines Freundes, Theologie zu studieren. Er begann das Studium im April 1936 in der
Theologischen Schule Bethel
, wo er zuerst das
Hebraicum
,
Latinum
und
Graecum
nachholen musste.
Im Dezember 1936 bekam er
Tuberkulose
, die ihn bis 1944 begleitete und wegen der er nicht zum Wehrdienst einberufen wurde. So konnte er, nachdem die Krankheit weit genug zuruckgegangen war und nachdem er 1938 ein halbes Jahr seinen ?
Studentischen Ausgleichsdienst
“ abgeleistet hatte, im Wintersemester 1938/39 sein Studium in
Rostock
[2]
,
Berlin
und
Erlangen
fortsetzen. Seine Heimat war die Bekennende Kirche und die
Evangelische Studentengemeinde
, sein großes Vorbild war der Pastor
Martin Niemoller
.
1939 holte ihn der Leiter der Evangelischen Studentengemeinden,
Martin Fischer
, nach Berlin und machte ihn zum
Reichsobmann
der Studentengemeinden. Von Berlin aus sammelte er zusammen mit Fischer an jeder Universitat einen Vertrauensobmann, sodass die Evangelischen Studentengemeinden unter dieser Obhut wachsen konnten. Die Studentengemeinde war 1945 die einzige noch bestehende Organisation an der Universitat.
Im Marz 1941 legte Carl Malsch sein Erstes
Theologisches Examen
in Hamburg ab. Danach war er ein Jahr lang von Berlin aus im Reisedienst der Evangelischen Studentengemeinden tatig. Ab April 1942 war er Lehrvikar in der Hammer Gemeinde.
Nach seinem Zweiten Theologischen Examen im Marz 1943 wurde er
Hilfsprediger
an der
Hamburger Hauptkirche
St.Katharinen
, wo er am 13. Juni 1943 von dem Hauptpastor
Herntrich
ordiniert
wurde. Im selben Monat heiratete er die Pastorentochter
Elisabeth Crusius
aus
Neuenkirchen
Kreis Melle. Ihre gemeinsame Wohnung im Katharinenkirchhof 26 wurde im
Feuersturm
am 27. Juli 1943 durch den herabfallenden Turm der Katharinenkirche zerstort.
Nach seiner Ernennung zum Pastor am 1. April 1944 wurde er von seiner Landeskirche zur Betreuung evakuierter Hamburger nach Niederbayern (
Landau an der Isar
) geschickt.
[3]
Nach dem Ende des Krieges wurde er Pastor in der
Maria-Magdalenen-Kirche
in
Hamburg-Klein Borstel
(bis 31. Juli 1947 als Dienstleistung der Kirchengemeinde
Fuhlsbuttel
; danach wurde die Kirchengemeinde Klein-Borstel selbststandig).
Im Mai 1954 wurde Carl Malsch
Studentenpfarrer
der
Evangelischen Studentengemeinde
in Hamburg, damals in der
Esplanade
15. In dieser Zeit grundete er den ?Verein fur okumenische Studentenwohnheime“.
[4]
In diesen Studentenheimen wird bis heute die Halfte der Platze satzungsgemaß an auslandische Studenten vergeben. Eines der Heime wurde in den 1990er Jahren nach ihm
Carl-Malsch-Haus
genannt.
[5]
Als Studentenpfarrer wurde ihm die Gelegenheit geboten, Rundfunkandachten und Gottesdienstubertragungen im Fernsehen zu halten.
Im Jahre 1960 erhielt er vom
Jerusalemsverein
den Ruf,
Propst
der
Evangelischen Gemeinde deutscher Sprache
in
Jerusalem
zu werden. Außerdem wahlte ihn die Synode der im Jahr zuvor gegrundeten und von Konig
Hussein von Jordanien
am 17. Mai 1959 anerkannten
Evangelisch-lutherischen Kirche in Jordanien
(ELCJ) zu ihrem geistlichen Leiter (
Bischof
). Am 9. Oktober 1960 wurde er von Bischof
Otto Dibelius
in sein Amt eingefuhrt.
[6]
Sein Amtssitz war die
Propstei
im Zentrum der
Jerusalemer Altstadt
neben der
Erloserkirche
. Zu seinen Aufgaben gehorten auch monatliche Predigten in der deutschen Gemeinde
Amman
, in den ersten zwei Jahren außerdem in
Damaskus
, weil der fur Damaskus zustandige Beiruter Auslandspfarrer aus politischen Grunden nicht nach Damaskus reisen durfte.
In die offentliche Kritik geriet Propst Malsch im Herbst 1962 wegen als israelfeindlich wahrgenommenen Außerungen.
[7]
Der West-Jerusalemer Journalist
Schalom Ben-Chorin
berichtete am 21. September 1962 in der Zeitung
Jedioth Chadashoth
davon, dass sich Malsch deutlich gegen den Staat Israel und die Juden ausgesprochen habe. Ben-Chorin berief sich im Zeitungstext auf einen namentlich nicht genannten Pfarrer, der den Propst um Unterstutzung beim Grenzubertritt von Jordanien nach Israel am Mandelbaumtor gebeten habe und von Malsch daraufhin voller Zorn mit den Worten angefahren worden sei: ?Was haben Sie denn in Israel verloren? Das ganze Land ist zusammengestohlen und 90 % der Bevolkerung sind Atheisten“
[8]
. Dieser Artikel sorgte in Kreisen des christlich-judischen Dialogs innerhalb der Bundesrepublik Deutschland fur Aufsehen. Im Kirchlichen Außenamt der EKD und bei
Bernhard Karnatz
, dem Vorsitzenden des Jerusalemsvereins, gingen teils gemaßigte, teils heftige Beschwerdebriefe ein. Karnatz forderte Malsch zu einer Stellungnahme auf und fugte seinem Brief die Worte bei: ?Angesichts der regen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel ist zu befurchten, dass sich die Sache in weiten Kreisen herumspricht und nicht nur Ihr personliches Ansehen schadigt, sondern auch unsere Arbeit im Heiligen Lande in Misskredit bringt.“ Malsch entgegnete: ?Der Satz ?Was wollen Sie in Israel?’, ist niemals von mir so isoliert gebraucht worden, sondern hochstens im Zusammenhang mit der Bitte, doch mehr Zeit auf Jordanien zu verwenden, um den hiesigen Problemen objektiv gegenuber stehen zu konnen.“ Angesichts einseitig proisraelischer Artikel in deutschen Kirchenzeitungen sehe er es als seine Aufgabe an, gegenuber deutschen Touristen die arabische Position zu erlautern. Mit der Bitte an Malsch, er musse sich in seiner exponierten Stellung kunftig vorsichtiger ausdrucken, wurde die Affare im Januar 1963 zu den Akten gelegt.
1963 nahm Malsch als Vertreter der ELCJ an der Vollversammlung des
Lutherischen Weltbundes
in
Helsinki
teil, die unter dem Motto ?Christus heute“ stand.
In Malschs Amtszeit fiel auch ein wichtiges okumenisches Ereignis, die Begegnung zweier Kirchenoberhaupter im
Heiligen Land
: Am 6. Januar 1964 trafen sich Papst
Paul VI.
und der Patriarch
Athinagoras
von
Konstantinopel
in Jerusalem. Carl Malsch wurde als Oberhaupt der ELCJ von Paul VI. und Athinagoras in
Privataudienz
empfangen.
[9]
[10]
Im Herbst 1965 holte ihn
Landesbischof
Hans-Otto Wolber
zuruck nach Hamburg. Carl Malsch wurde einstimmig zum 26.
Hauptpastor
der Hamburger
Hauptkirche St.Petri
gewahlt und wurde damit der Nachfolger von Landesbischof
Karl Witte
im Hauptpastorenamt. Gleichzeitig ubernahm er die Leitung der
Hamburger Stadtmission
als Vorsitzender des Verwaltungsrats, die traditionsgemaß beim Hauptpastor von St. Petri lag. Am 5. Dezember 1965 wurde er durch Bischof Wolber in sein Amt eingefuhrt.
[11]
In St. Petri stellte sich fur ihn das Problem der leeren Kirchen schon recht fruhzeitig: Die City-Kirchen mussten mit der
Entvolkerung
der Innenstadt ihre Aufgaben neu justieren. Statt einer ?Wohngemeinde“ gab es hier eine ?Personalgemeinde“.
Carl Malsch pragte den Begriff der ?Alltagskirche“. An den Werktagen um 17:15 wurden Kurzandachten zu Alltagsthemen im Wechsel mit
Kirchenmusik
etabliert.
1969 grundete er zusammen mit dem Pastor Gunnar von Schlippe nach einem Besuch in Holland und bei den
Samaritanern
in London das Beratungs- und Seelsorgezentrum (BSZ) an St. Petri nach deren Vorbild. Im BSZ versehen bis heute ausgebildete
ehrenamtliche
Seelsorgehelfer
ihren Dienst. Auch Carl Malschs Frau Elisabeth ließ sich zum Seelsorgehelfer ausbilden und arbeitete ehrenamtlich im BSZ mit.
Zur großten Herausforderung seiner Amtszeit wurde 1979 die
Kirchenbesetzung
durch etwa 400
Atomkraftgegner
.
[12]
Einer seiner Nachfolger, der Hauptpastor
Christoph Stormer
, gehorte damals zu den Besetzern der Kirche.
Ab 1. November 1975 wurde er als amtsaltester Hauptpastor der letzte
Senior
der
Hamburgischen Landeskirche
und damit der Vertreter des Landesbischofs. In dieser Funktion wurde er Vorsitzender der Schule-Kirche-Kommission und des Kuratoriums des
Rauhen Hauses
, außerdem Mitglied des Verwaltungsrates des Rauhen Hauses.
Diese Amter hatte er bis zu seiner
Emeritierung
inne.
Am
31. Oktober 1981
wurde Carl Malsch emeritiert.
[13]
Im Sommer des Jahres 1984 waren Carl Malsch und seine Frau Elisabeth ehrenamtliche ?Kurseelsorger“
[14]
in
Wenningstedt
auf
Sylt
.
Den Vorsitz der Hamburger Stadtmission legte er im Juni 1990 nieder.
- Kirche fur die Stadt ? St. Petri-Gemeinde in der City von Hamburg
(= Zur Sache; 23). Lutherisches Verlagshaus, Hamburg 1981,
ISBN 3-7859-0478-9
.
- als Hrsg.:
Die Hauptkirche St. Petri in Hamburg ? Baugeschichte, Kunstwerke, Prediger.
Friedrich Wittig Verlag, Hamburg 1979,
ISBN 3-8048-4172-4
.
- Propst an der Erloserkirche 1960?1965, Besondere Aufgaben und Erlebnisse.
In:
Karl-Heinz Ronecker
(Hrsg.):
Den Erloser der Welt zur Ehre ? Festschrift zum hundertjahrigen Jubilaum der Einweihung der evangelischen Erloserkirche in Jerusalem.
Evangelische Verlagsanstalt, Leipzig 1998,
ISBN 3-374-01706-1
, S. 229?245.
- ↑
Artikel vom 15. Mai 1955 in ?Die Kirche in Hamburg“ (Herausgeber:
Volkmar Herntrich
)
- ↑
Immatrikulation von Carl Malsch
im
Rostocker Matrikelportal
- ↑
Artikel uber den Besuch nach 31 Jahren in der Landauer Zeitung vom 29. Mai 1976
- ↑
Geschichte des Vereins fur okumenische Studentenwohnheime
- ↑
Das Carl-Malsch-Haus
- ↑
Artikel in DIE WELT vom 3. Oktober 1060
- ↑
So Gerhard Gronauer:
Der Staat Israel im westdeutschen Protestantismus. Wahrnehmungen in Kirche und Publizistik von 1948 bis 1972
(AKIZ.B57). Gottingen 2013. S. 173?178
- ↑
Dieses und die beiden weiteren Zitate sind nachgewiesen bei Gerhard Gronauer:
Der Staat Israel im westdeutschen Protestantismus. Wahrnehmungen in Kirche und Publizistik von 1948 bis 1972
(AKIZ.B57). Gottingen 2013. S. 174?176.
- ↑
Bericht von Malsch
uber Papst Paul VI. in Jerusalem
- ↑
Artikel in der ?Cuxhavener Presse“ im August 1963
- ↑
Artikel vom 4. Dezember 1965 im Hamburger Abendblatt
- ↑
Ernst Christian Schutt:
Chronik Hamburg.
2. aktualisierte Ausgabe, Bertelsmann Lexikon Verlag, Gutersloh/ Munchen 1997,
ISBN 3-577-14443-2
, S. 577.
- ↑
Artikel vom 31. Oktober 1981 im Hamburger Abendblatt
- ↑
Artikel ?In den Ferien auf der Suche nach dem Paradies?“ vom 30. Juli 1984 im Hamburger Abendblatt