Alfred Charles Kinsey
(*
23. Juni
1894
in
Hoboken
,
New Jersey
; †
25. August
1956
in
Bloomington
,
Indiana
) war ein
US-amerikanischer
Sexualforscher
und
Hochschullehrer
. Er war
Professor
fur
Zoologie
an der
Indiana University
und fuhrte als Erster im großen Stil statistische Erhebungen uber das
Sexualverhalten
des Menschen durch. Der aufgrund dieser Daten erstellte
Kinsey-Report
gilt als ein Ausloser der
Sexuellen Revolution
.
Alfred Kinsey entwickelte schon fruh eine Vorliebe fur die Natur, war
Pfadfinder
und studierte gegen den Willen seines Vaters
Biologie
. 1920 wurde er in
Harvard
zum Doktor der
Zoologie
promoviert. Seine wissenschaftliche Laufbahn begann er als
Entomologe
(Insektenkundler) an der
Indiana University
in Bloomington. Dort beschaftigte er sich mit der Katalogisierung von
Gallwespen
und schrieb ein zweibandiges Standardwerk uber diese Insektenfamilie. Um gesicherte Aussagen machen zu konnen, sammelte und bestimmte er hunderttausende Tiere. In Bloomington heiratete er auch seine Frau Clara, die damals Chemie studierte. 1936 wurde Kinsey gebeten, Eheberatungskurse fur die Studenten abzuhalten, wodurch sein Interesse fur das menschliche Sexualverhalten geweckt wurde. Dabei zeigte sich, dass es so gut wie keine Daten uber das Sexualverhalten des Saugetiers Mensch gab und viele Schriften aufgrund rein philosophischer Uberlegungen teilweise sehr obskure Schlusse zogen. 1947 grundete er an der
Universitat von Indiana
das ?Institut fur Sexualforschung“, welches heute ?Kinsey-Institut fur Sexual-, Geschlechts- und Reproduktions-Forschung“ heißt.
Vollig selbstandig und allein legte er den Grundstein fur die akademische Sexualforschung, indem er zunachst seine Studentinnen nach ihrem Sexualverhalten befragte; diese erzahlten das ihren Eltern, welche wiederum kirchliche Kreise davon unterrichteten. Jene emporten sich und ubten Druck auf Kinsey aus. Er musste seine Methodik umstellen. Zusammen mit seinen Mitarbeitern befragte er uber 20.000 Amerikaner nach ihren sexuellen Verhaltensweisen, wozu er einen 500 Fragen umfassenden Fragenkatalog selbst entwickelte. Seine daraus entstandenen, 1948 und 1953 veroffentlichten Berichte (
Kinsey-Reports
) fuhrten zu einem heftigen Meinungsstreit und werden von vielen als ein Ausloser der
sexuellen Revolution
in den
1960er
Jahren angesehen. Er entwickelte bei seinen Forschungen auch die sogenannte
Kinsey-Skala
zur Klassifizierung der menschlichen
Bisexualitat
.
Christliche-konservative Gruppen griffen und greifen Kinsey noch heute wegen seiner in ihren Augen unmoralischen und gefahrlichen Untersuchungen an. Kinsey wurde dabei von seinen Gegnern verschiedener sexueller
Devianzen
bis hin zu Straftaten bezichtigt. Dazu gehorten Vorliebe fur
Gruppensex
,
Sex mit Kindern
und der Vorwurf, er habe seine Frau zu Sex mit anderen Mannern oder seine Mitarbeiter zum Gruppensex angehalten. Obwohl diese Behauptungen nie belegt werden konnten, wird bis heute ? beispielsweise durch
Judith A. Reisman
? versucht, Kinseys Forschungen damit zu diskreditieren. Der Prasident der Universitat von Indiana,
Herman B. Wells
, verteidigte seinerzeit Kinseys Forschungen in einem Streit, der zum Testfall fur die
akademische Freiheit
wurde. Die
Rockefeller-Stiftung
, der Hauptgeldgeber, wurde vor den
McCarthy-Ausschuss
geladen und stellte dann ihre Zahlungen ein. Kinsey verweigerte sich auch den Wunschen des
FBI
-Chefs
J. Edgar Hoover
, Daten weiterzugeben, um mit ihnen Homosexuelle im
State Department
aufzuspuren.
[1]
Kinsey selbst schatzte an seinem Lebensende die gesellschaftlichen Auswirkungen seiner Arbeit als gering ein. Sein Ziel der sexuellen Befreiung habe er nicht erreicht, so Kinseys eigene Einschatzung kurz vor seinem Tod im Jahr 1956. Zu diesem Zeitpunkt war die Sexuelle Revolution noch nicht in ihrer ganzen Wirkung erkennbar.
Kinseys Leben ist Thema des biografischen Films
Kinsey ? Die Wahrheit uber Sex
(2004) und des Romans
The Inner Circle
(2004) von
T. C. Boyle
mit dem deutschen Titel
Dr. Sex
(deutsches Horbuch gesprochen von
Jan Josef Liefers
).
- Das sexuelle Verhalten des Mannes
,
G. B. Fischer
, Berlin 1955 (US-Originalausgabe 1948)
- Das sexuelle Verhalten der Frau
, G. B. Fischer, Berlin/Frankfurt am Main 1954 (US-Originalausgabe 1953)
Neben diesen beiden auch als
Kinsey-Report
bekannten Hauptwerken veroffentlichte Kinsey zahlreiche Aufsatze und Beitrage in wissenschaftlichen Publikationen.
- Cornelia Christenson:
Kinsey: A Biography
, Indiana University Press, 1971
- Wardell Pomeroy:
Dr. Kinsey and the Institute for Sex Research
, Harper & Row, 1972
- James H. Jones:
Alfred C. Kinsey. A Public/Private Life
, Norton, 1997
- Jonathan Gathorne-Hardy:
Alfred C. Kinsey: Sex the Measure of All Things
. Chatto & Windus, London 1998.
- T. Coraghessan Boyle, aus dem Amerikan. von Dirk van Gunsteren: "Dr. Sex: Roman". Hanser, Munchen 2005,
ISBN 978-3-446-20566-6
, Dt. Taschenbuch-Verlag, Munchen 2007,
ISBN 978-3-423-20981-6
, Zeitverl. Bucerius, Hamburg,
ISBN 978-3-938899-62-5
- Josef Rattner
& Gerhard Danzer:
Alfred C. Kinsey ? Ein Wespenforscher ubernimmt die Fuhrung in der Sexualwissenschaft
, in:
Eros und Sexus ? Ihre Befreier von 1500 bis 2000
, Konigshausen & Neumann, Wurzburg 2007,
ISBN 978-3-8260-3703-0
, S. 217?232.
- Gunter Schmidt:
Alfred C. Kinsey (1894?1956)
. In:
Volkmar Sigusch
, Gunter Grau (Hrsg.):
Personenlexikon der Sexualforschung
. Campus Verlag, Frankfurt/New York 2009,
ISBN 978-3-593-39049-9
, S. 350?359.
- ↑
Profile: Alfred Kinsey: The Swinging Detective: He Opened Our Eyes to Sex
, The Sunday Times, 6. Marz 2005; bei Sodomy Laws