Zwinger (Architektur)

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Durch den Zwinger hindurchfuhrender Torweg in Carcassonne . Rechts die niedrigere Zwingermauer.
Beispiel einer Zwinger-Anlage: die Minneburg im Odenwald
Der durch fruhneuzeitliche Bastionen verstarkte Zwinger um die Veste Coburg

Ein Zwinger ist ein zwischen zwei Wehrmauern gelegenes offenes Areal, das der Verteidigung dient. [1] Zwingeranlagen wurden im Mittelalter und in der fruhen Neuzeit als Verstarkung von Burgen und Stadtmauern errichtet.

Im Gebiet des Deutschen Ordens wurde statt Zwinger der Begriff Parkam oder Parcham gebraucht, sinnverwandt mit Park und Pferch . [2]

Zwinger einer Burg

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Der Zwinger einer Burg ist der Ringmauer vorgelagert und wird zur Feldseite hin von einer zweiten, niedrigeren Mauer abgeschlossen, die als Zwingermauer bzw. Parchammauer [3] bezeichnet wird. Wenn es Angreifern gelang, die Zwingermauer zu uberwinden, waren sie im Zwinger eingekesselt und ein leichtes Ziel fur die Verteidiger auf der Hauptmauer. Das weitere Eindringen wurde dadurch wesentlich erschwert.

In Mitteleuropa wurden die meisten Zwingeranlagen alteren Burgmauern nachtraglich als Verstarkung vorgebaut.

Zwinger vor einem Stadttor

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Der Zwinger vor einem Stadttor ist ein befestigter Raum zwischen Haupttor und Vortor einer mittelalterlichen Stadttoranlage. Die Stadttore waren oft in Form eines Torturms gestaltet, wobei dem Haupttor ein zweites (sogenannte Doppeltoranlagen ), manchmal auch ein drittes Tor vorgelagert war. Vor den Stadtmauern wurde im Bereich der Stadttore in der Regel dabei ein zweiter Mauerzug vorgebaut, in dem sich das Vortor befand. Ein Feind, der das Vortor erobert hatte und in den Zwinger vorstieß, fand im beengten Raum kaum Entfaltungsmoglichkeiten vor. Dagegen konnten die zuruckweichenden Verteidiger nach unten den eingedrungenen Feind im Zwinger leicht bekampfen.

Auf einem ahnlichen Konzept wie der Torzwinger basiert die Barbakane , die von der Hauptmauer jedoch durch einen weiteren Graben getrennt ist.

In der Hussitenzeit (um 1420/30) entstanden eindrucksvolle Beispiele, die meist zum Schutz gegen fruhe Feuerwaffen geplant wurden.

Es kam auch zur Kombination beider Konzepte: So betrat man z. B. ? von Westen kommend ? am Munchner Neuhauser Tor zunachst durch einen seitlich nach Suden platzierten, vergleichsweise engen Durchlass eine halbkreisformige Barbakane, gelegen noch auf dem diesseitigen Ufer des Wassergrabens, hatte innerhalb der Teilanlage rechtwinklig nach rechts (ergo wieder Richtung Osten) abzubiegen, passierte das Tor in der Ruckwand, uberquerte die Brucke und gelangte dann am jenseitigen Ufer durch ein zwischen zwei Vorturmen gelegenes, weiteres Tor in den eigentlichen Torzwinger. Verlassen konnte man ihn dann letztlich via den zuruckgesetzten Haupt-Torturm. Zudem waren die funf nach diesem Muster errichteten Haupttore in eine die Stadt vollstandig umgebende Zwingersalage eingebettet ( Munchner Stadtbefestigung |Doppelter Mauerring).

Der nicht uberdachte Raum wurde in friedlichen Zeiten haufig zur Haltung von Tieren oder als Garten genutzt. In vielen Fallen wurden Zwinger mit Scheunen , Stallen und Lagerhausern bebaut, als ihre Wehrfunktion entbehrlich wurde.

Der Dresdner Zwinger hat seinen Namen von der ehemaligen Zwingeranlage vor dem Kronentor an der außeren Festungsmauer geerbt. Er war jedoch nicht als Wehranlage geplant, sondern als Vorhof eines neuen Schlosses konzipiert worden.

Teilansicht der Theodosianischen Landmauer des ehemaligen Konstantinopel. Im Vordergrund die doppelte Zwingeranlage.

Die Entwicklung des Zwingers ist bislang nur unzureichend erforscht. Bereits im funften Jahrhundert n. Chr. war der byzantinischen Landmauer von Konstantinopel ein voll entwickelter Zwinger vorgelegt worden.

Auch im fruhmittelalterlichen Wehrbau lasst sich die Tiefenstaffelung von Wallzugen nachweisen. Besonders ungarnzeitliche Schutzburgen wurden zum Schutz vor den Reiterattacken der Magyaren mit Bermen und vorgelagerten Wallen gesichert. Hier handelt es sich jedoch um keine Zwingeranlagen im eigentlichen Sinn, oft trennt ein Zwischengraben die Befestigungslinien. Ein solcher Graben ist allerdings manchmal auch bei spatmittelalterlichen Zwingern vorhanden.

Gelegentlich werden die schmalen Vorbefestigungen der Habsburg (Aargau) oder der Burg Alt-Bolanden (Rheinland-Pfalz) als fruhe Zwingeranlagen des spaten 10. und fruhen 11. Jahrhunderts angesehen. Diese Befestigungskonzepte blieben jedoch ohne direkte Nachfolger.

In Mitteleuropa wurden Zwinger erst wieder in der ersten Halfte des 13. Jahrhunderts den Ringmauern einzelner Wehranlagen vorgelegt. Gegen Ende dieses Jahrhunderts erhohte man bereits deutlich haufiger die Wehrtauglichkeit in dieser Weise ( Burg Gnandstein , Sachsen; Burg Landsberg und Burg Hoh-Andlau , beide Elsass). In Sudfrankreich hat sich aus dieser Epoche zudem ? stark restauriert ? der Zwinger der Stadtbefestigung von Carcassonne anschaulich erhalten. Anfangs lagen die Zwingermauern in sehr geringem Abstand vor der Hauptmauer.

Im 14. Jahrhundert erzwang die Entwicklung der ersten Feuerwaffen eine Weiterentwicklung des Zwingers. Besonders im 15. und 16. Jahrhundert entstanden zahllose Beispiele. In Franken ist sogar die Befestigung einer spatmittelalterlichen Großstadt weitgehend erhalten geblieben. In Nurnberg wurde der alteren Ringmauer eine niedrigere Zwingeranlage vorgelegt. Im fruhen 15. Jahrhundert erhalt Munchen eine komplett neue Stadtbefestigung aus einem doppelten Mauerring. Durch die Verbindung der Wachturme der inneren (= hoheren) und außeren (= niedrigeren) Mauer mit Zwischenwanden entstand eine Abfolge zahlreicher Zwinger, die den Ort bald komplett einrahmten.

Die ersten Zwingermauern des Hochmittelalters wurden meist noch nicht durch Turmbauten gesichert. Die Artilleriebefestigungen des Spatmittelalters waren hingegen durch zahlreiche Flankierungs-, manchmal auch Geschutzturme bewehrt.

Aus der Hussitenzeit stammen die Zwingeranlagen einer kleinen Burgengruppe in den frankischen Haßbergen . Wie andernorts reagierten hier die Landesherren auf die akute Bedrohung durch die Aufstandischen aus dem nahen Bohmen . Gut erhalten blieben hier etwa die Zwinger der Burgen Altenstein , Rauheneck und Schmachtenberg . Auf der Burg Rauheneck verstarkten ehemals zwei Schießerker die Wehrkraft zusatzlich. Derartige Erker und Kampfhauser sind auch bei anderen Zwingeranlagen nachweisbar.

Die hussitenzeitlichen Ausbauten zahlreicher Burganlagen in den gefahrdeten Landstrichen gehen letztlich oftmals auf Innovationen zuruck, die von den Hussiten selbst entwickelt wurden. Hier ist vor allem die Stadtbefestigung der sudbohmischen Hussitenstadt Tabor zu erwahnen. Die Zwingeranlage vor der Hauptmauer ist dort noch teilweise bis in die heutige Zeit erhalten geblieben.

In der Regel waren die Zwingermauern deutlich niedriger und schwacher als die eigentlichen Ringmauern. Oft erhob sich nur eine Brustungsmauer uber das aufplanierte Zwingergelande. Gelegentlich wurde ein gedeckter oder offener Wehrgang aufgesetzt ( Burg Trausnitz , Landshut ). Auch unterirdische Wehrgange mit Schartenoffnungen fur Handfeuerwaffen sind nachweisbar ( Burg Hochhaus bei Nordlingen ).

Zwingermauern konnen eine Wehranlage vollstandig umlaufen oder nur einen besonders gefahrdeten Abschnitt schutzen. Oft ist ein Graben vorgelagert, die Zwingermauer ist hier gleichzeitig die Futtermauer des Grabens. Bei Hangburgen wurde die Zwingermauer oft als Stutzmauer sehr hoch aufgemauert und dient so zugleich der statischen Sicherung der Gesamtanlage.

Haufig ermoglichten kleine, versteckte Ausfallpforten ( Poternen ) die aktive Bekampfung eines in den Grabenbereich eingedrungenen Feindes. Auch der eigentliche Zwingerbereich war oft durch solche Schlupfpforten zuganglich.

Fruhe hochmittelalterliche Zwingeranlagen im Heiligen Land

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Der Krak des Chevaliers mit den ausgedehnten Zwingeranlagen um die Kernburg (Rekonstruktionszeichnung von 1871)

Der Krak des Chevaliers des Johanniterordens gilt allgemein als Inbegriff einer Kreuzritterburg. Hier entstand bereits kurz nach 1170 ein erster schmaler Zwinger um die Kernburg. Diese erstaunlich fruh zu datierende Zwingeranlage wurde in der Mitte des 13. Jahrhunderts durch die erhaltene Außenbewehrung ersetzt. Auch dieser Zwinger gehort somit zu den altesten Beispielen dieses Typs. Eine Bauinschrift berichtet von einer ?Barbacane“ (dies bezeichnet sicherlich den Zwinger), die der Burgverwalter Nicolas Lorgne anlegen ließ. Durch diese Quelle lasst sich der zweite Zwinger des Krak (Crak) gut auf die Zeit um 1250 datieren.

Der Zwinger des Krak wurde bis etwa 1270 ausgebaut. Trotz dieser Verstarkung gelang es den Muslimen unter ihrem Sultan Baibars I. , die Veste 1271 nach nur vierwochiger Belagerung einzunehmen.

Auch andere große Kreuzfahrerburgen werden von ausgedehnten Zwingeranlagen umgeben. Der außere Mauerring der Burg von Tartus (Syrien) konnte etwa zeitgleich mit dem Zwinger des Krak entstanden sein, also in der Mitte des 13. Jahrhunderts. Bereits kurz nach 1168 begannen die Johanniter mit dem Umbau der Burg Belvoir im heutigen Israel. Die außere Befestigung mit ihren eckigen Turmen wirkt wie ?ein zum Bauwerk erweiterter Zwinger“ (U. Großmann).

Doppelte Ringmauern im Wales des 13. Jahrhunderts

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Burganlage in Beaumaris

Die walisischen Burgen Harlech Castle und Beaumaris Castle (1295 begonnen, aber unvollendet) haben doppelte Wehrmauern, wobei die außere Mauer die innere in geringem Abstand konzentrisch umschließt. Die außere Befestigung in Beaumaris mit ihren runden Mauerturmen ist besonders aufwendig, vergleichbar mit der des Krak des Chevaliers.

Beispiele erhaltener mittelalterlicher Zwingeranlagen

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Stadtbefestigungen:

Kernburg und Zwinger Burg Lowenstein (Wurttemberg)

Burgen:

Einzelnachweise

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  1. Piper, Otto: Burgenkunde. Bauwesen und Geschichte der Burgen. Wurzburg 1995, S. 684.
  2. Piper, Otto : Burgenkunde . 1. Auflage. Theodor Ackermann, Munchen 1895, S.   11, Fußnote 2 ( google.com [abgerufen am 10. September 2021]).
  3. Tuulse, Armin: Die Burgen in Estland Und Lettland , in Verhandlungen der gelehrten Estnischen Gesellschaft Band XXXIII, Dorpater Estnischer Verlag, Dorpat (Tartu) 1942, S. 47, 204, 273 (abgerufen am 10. September 2021).