Dieser Artikel behandelt den mathematischen Begriff Zahl. Zu anderen Bedeutungen siehe
Zahl (Begriffsklarung)
.
Zahlen
sind
abstrakte
mathematische Objekte
beziehungsweise Objekte des Denkens, die sich historisch aus Vorstellungen von Große und Anzahl entwickelten. Die Zahlen beruhen auf der Abzahlbarkeit von Objekten, deren Unterscheidbarkeit naturgegeben ist. Durch eine
Messung
wird ein als Große verstandener Aspekt einer
Beobachtung
mit einer Zahl in Verbindung gebracht, beispielsweise bei einer
Zahlung
. Sie spielen daher fur die
empirischen Wissenschaften
eine zentrale Rolle.
[1]
In der
Mathematik
, die Zahlen und ihre Struktur formal untersucht, schließt der Begriff verschiedenartige Konzepte mit ein. Diese entwickelten sich als Verallgemeinerungen bestehender intuitiver Zahlkonzepte, so dass man sie ebenfalls als
Zahlen
bezeichnet, obwohl sie wenig Bezug zu den ursprunglich mit Messungen verbundenen Konzepten haben. Manche dieser Konzepte sind in der Mathematik von grundlegender Bedeutung und finden Verwendung in nahezu allen
Teilgebieten
.
In die
Urgeschichte
zuruck reicht das Konzept der
naturlichen Zahlen
, die zum Zahlen verwendet werden konnen und grundlegende Bedeutung besitzen. Bereits die
Neandertaler
schufen vor ca. 68.000 Jahren in Hohlen abstrakte Zahldarstellungen (zwei senkrechte Striche bzw. rot markierte Finger von Stalagmiten-Handen
[2]
). Ab etwa 2000 v. Chr. rechneten
Agypter
und
Babylonier
mit
Bruchzahlen
(rationalen Zahlen). In
Indien
entwickelte sich im 7. Jahrhundert n. Chr. ein Verstandnis der
Null
und der
negativen Zahlen
.
[3]
Irrationale Zahlen
wie
oder
, deren Notwendigkeit sich aus Erkenntnissen aus dem
antiken Griechenland
ergab (spatestens ab dem 4. Jahrhundert v. Chr.), wurden in der
Blutezeit des Islam
eingefuhrt.
Die Idee
imaginarer Zahlen
, durch die die
reellen Zahlen
spater zu den bedeutenden
komplexen Zahlen
erweitert wurden, reicht in die europaische
Renaissance
zuruck. Der Begriff der reellen Zahl konnte erst im 19. Jahrhundert hinreichend geklart werden. Ende des 19. Jahrhunderts konnte erstmals auch
unendlichen
Großen ein praziser Sinn als Zahlen gegeben werden. Auch wurden erstmals die naturlichen Zahlen
axiomatisch
definiert. Mit den Anfang des 20. Jahrhunderts geschaffenen ersten zufriedenstellenden
Grundlagen der Mathematik
erfuhren auch die bedeutendsten Zahlbegriffe eine dem heutigen Stand entsprechende vollstandig formale Definition und Bedeutung.
Vom Begriff der
Zahl
abzugrenzen sind
Ziffern
(spezielle
Zahlzeichen
; zur Darstellung bestimmter Zahlen verwendete
Schriftzeichen
),
Zahlschriften
(Schreibweisen von Zahlen z. B. mit Hilfe von Ziffern unter Verwendung bestimmter Regeln),
Zahlworter
(
Numerale
, zur Benennung bestimmter Zahlen verwendete
Worter
) und
Nummern
(
Identifikatoren
, die selbst Zahlen, oder aber ? in der Regel Ziffern enthaltende ?
Zeichenketten
sein konnen).
Das deutsche Wort
Zahl
geht vermutlich auf das
urgermanische
Wort
*tal?
(
Berechnung
,
Zahl
,
Rede
)
[4]
[5]
zuruck, das vermutlich Wurzel der
althochdeutschen
Worter
zala
(
Ordnung
,
geordnete Darlegung
,
Bericht
,
Aufzahlung
)
[6]
und
zal?n
(
berichten
,
rechnen
,
zahlen
,
[6]
berechnen
,
zahlen
[7]
) ist. Aus
zala
wurde im
Mittelhochdeutschen
zale
oder
zal
,
[6]
auf das das heutige Wort
Zahl
zuruckgeht.
Das urgermanische Wort findet seinen Ursprung vermutlich in einem
urindogermanischen
Etymon
*del-
(
zielen
,
berechnen
,
nachstellen
).
[7]
[4]
Auch ein Zusammenhang mit dem urindogermanischen
*del-
(
spalten
)
[7]
ist moglich; die ursprungliche Bedeutung ware dann moglicherweise ?eingekerbtes Merkzeichen“.
[8]
[9]
Uber das
Zahlenverstandnis
von Menschen in der Zeit vor einer ersten schriftlichen Uberlieferung lasst sich wegen fehlender Belege kaum Sicheres sagen. Die Bedeutung regelmaßiger Anordnungen von Strichen oder Kerben, die sich aus dieser Zeit erhalten haben, kann in der Regel nur vermutet werden.
Hinweise zur
Vorstellung von Zahlen
in einer vorgeschichtlichen
Kultur
konnen hingegen die jeweiligen Sprachen moglichst fruher, geschichtlich dokumentierter Nachfolgerkulturen oder auch heute noch existierende, verwandte Sprachen sowie die bekannten Sprachen von alten, ahnlichen Kulturen geben. Durch systematische Vergleiche verschiedener Sprachen konnen Ubereinstimmungen und Unterschiede zwischen diesen festgestellt werden, so dass die Eigenheiten jeder Sprache und Sprachgruppe ermittelt sowie gemeinsame oder verschiedene Herkunfte in gewissem Umfang gefunden werden konnen. So ergeben sich auch bei den Zahlwortern Strukturen, die Ruckschlusse auf das Zahlenverstandnis erlauben.
[10]
Der fundamentale und uberall in menschlichen Sprachen erkennbare Zahlbegriff ? die Vorstellung von Zahlen ? ist der von der unterschiedlich großen Anzahl bzw. Menge bestimmter Gegenstande, was am ehesten in der heutigen Mathematik dem Begriff der
Kardinalzahl
entspricht.
[11]
Am Anfang wird wohl der elementare Gegensatz von Einzahl und
Mehrzahl
gestanden haben, dem die weitere Aufteilung der Mehrzahl folgte.
[12]
In der Sprache der
Piraha
in Brasilien etwa sind lediglich drei oder sogar nur zwei Worter (?wenig“ und ?viel“) fur relative Großenangaben bekannt.
[13]
Versuche, manchen Vertretern dieses Volkes das Zahlen beizubringen, schlugen fehl.
[14]
Es gibt auch
ethnologische
Berichte uber ein Volk in Sudafrika und von vielen Volkern australischer Ureinwohner,
[15]
die in ihren Sprachen jeweils nur die Zahlworter ?ein“, ?zwei“ und ?viel“ kennen. Das Gleiche findet sich auch in indoeuropaischen Sprachen in Form des
Singulars
, des
Duals
(z. B. im Griechischen, im Latein und fruher auch in germanischen Sprachen) und des
Plurals
von
Substantiven
wieder.
[16]
[17]
Um ?viel“ weiter unterscheiden und genauere Anzahlen sagen zu konnen, bildeten andere Volker weitere Zahlworter.
[18]
Bis hochstens zehn (fur großere Zahlen wurden die Zahlworter zu lang werden) ist dies einfach dadurch moglich, dass ?zwei“ additiv so oft wiederholt wird, wie sie in der entsprechenden Zahl enthalten ist, und bei einer ungeraden Zahl wird noch ein ?ein“ hinzugefugt. Einen anderen Weg, Worter fur großere Zahlen zu erhalten, haben Sprachen beschritten, die fur kleinere Zahlen zusatzliche eigene Worte wie ?drei“, ?vier“ oder ?funf“ erfanden und diese wiederum additiv oder multiplikativ, z. B. ?vier-zwei“ fur acht,
[19]
zu neuen großeren Zahlen verbanden. Fur die Bildung von wesentlich großeren Zahlen als zehn wird es notwendig, große Zahlen zu neuen,
großeren Einheiten
zusammenzufassen und fur diese neue Zahlworte zu finden,
[20]
etwa in Stufen zu ?zehn“, ?hundert“ usw.
Auf diese Art lassen sich so große Zahlen bilden, dass es fur deren genaue Erfassung erforderlich wird, eine entsprechende Anzahl von Gegenstanden zu
zahlen
. Dabei muss jedoch noch keine Trennung der Zahlen von der Art der gezahlten Gegenstande vorliegen: bei manchen Sprachen gibt es so genannte Zahlklassen, die fur die gleiche Zahl jeweils ein eigenes Zahlwort haben.
[21]
So benutzt man fur die gleiche Anzahl Lebewesen ein anderes Wort als bei langen Gegenstanden, bei runden Gegenstanden ein drittes Wort und bei noch anderen Gegenstanden weitere Worter.
Mit der
Loslosung von der Art der Gegenstande
, also wenn unabhangig von den gezahlten Gegenstanden das gleiche Zahlwort fur die gleiche Anzahl benutzt wird, erhalten Zahlen Selbststandigkeit und werden als etwas Eigenes aufgefasst. Bei indoeuropaischen Sprachen ist dies allgemein fur Zahlen großer als vier zu beobachten. Hier scheint es ursprunglich eine Stufung mit vier gegeben zu haben,
[22]
spater wurden die Zahlen offenbar noch in mehreren Schritten erweitert (das erkennt man z. B. im Deutschen am Unterschied zwischen ?dreizehn“ und ?drei
und
zwanzig“). Neben Zusammenfassungen von jeweils zwei, drei oder vier treten weltweit auch haufig noch Sprachen auf mit Stufen von funf, zehn, zwolf oder zwanzig sowie mit Mischformen von diesen.
[23]
[24]
Der nach der
letzten Kaltzeit
(nach 10.000 v. Chr.)
[25]
in der
Mittelsteinzeit
einsetzende
Klimawandel
[26]
fuhrte zur Austrocknung großer Gebiete von der Sahara im Westen bis zur Mongolischen Steppe im Osten. Die zunehmende Bevolkerung der betroffenen Gebiete wanderte in die Flussoasen, wo sich mit der Zeit differenziertere stadtische Gesellschaften entwickelten. Mit der Erfindung der
Schrift
bei den fruhen
Hochkulturen
an Euphrat und Tigris (
Mesopotamien
), am Nil (
Altes Agypten
), am Indus (
Indus-Kultur
) und am Gelben Fluss (
Altes China
) begann zwischen dem Ende des 4. und dem Anfang des 3. Jahrtausends v. Chr. die geschichtliche Zeit.
[27]
[28]
Von Beginn an entstanden zusammen mit der Schrift auch Zahlzeichen, da offenbar beides zur Verwaltung der immer starker organisierten Gesellschaften benotigt wurde.
Im alten Agypten fand spatestens seit ca. 3000 v. Chr. zur Darstellung naturlicher Zahlen ein
additives Zahlensystem
zur Basis 10 Verwendung.
[29]
Dort wurden bereits die
Grundrechenarten
der
Addition
,
Subtraktion
,
Multiplikation
und
Division
betrieben. Fur die ersteren beiden gab es besondere Schriftzeichen.
[30]
Besonders bedeutsame Zeugnisse mathematischer Fahigkeiten dieser Kultur sind der
Moskauer Papyrus
und der
Papyrus Rhind
? beide in
hieratischer Schrift
verfasst in der Zeit zwischen 2000 v. Chr. und 1800 v. Chr. Aus diesem lasst sich uber die naturlichen Zahlen hinausgehend eine besondere Notation fur
Stammbruche
entnehmen. Andere Verhaltnisse wurden systematisch in Summen von Stammbruchen uberfuhrt (
besaß jedoch auch ein eigenes Zeichen).
[31]
Motivation der altagyptischen Mathematik waren meist Bauwesen, Landvermessung und Wirtschaft, Beweise finden sich nicht.
[32]
Jedoch finden sich auch Probleme, die als humorvoll oder unterhaltsam intendiert interpretiert werden.
[33]
[34]
[35]
Ebenfalls gibt es reichhaltige mathematische Zeugnisse aus dem
Mesopotamien
des
Altertums
. In
sumerischer
Zeit entwickelte sich dort ein additives Zahlensystem, basierend auf den Basen 10 und 60. Aus
altbabylonischer
Zeit zwischen 1.800 und 1.600 v. Chr. gibt es zahlreiche Funde mit weitergehenden Errungenschaften: Es entstand ein
sexagesimales
Stellenwertsystem
, jedoch mit der Einschrankung, dass es keine Ziffer Null gab und die Notation daher uneindeutig war. Innerhalb dieses Systems wurden auch allgemeinere rationale Zahlen in einer der heute gebrauchlichen
Dezimalbruchentwicklung
entsprechenden Weise
dargestellt, d. h., es konnten etwa
- und
-Stellen gebraucht werden. Auf diese Weise nicht darstellbare Bruche oder (in moderner Sprechweise)
Logarithmen
, wie sie bei der
Zinsrechnung
auftraten, wurden naherungsweise dargestellt. In Gestalt des
babylonischen Wurzelziehens
wurden auch systematische
Approximationen
vorgenommen.
[36]
Zudem wurden Losungen fur
quadratische
,
kubische
und
biquadratische Gleichungen
gefunden. Diese Gleichungen wurden mit geometrischen Begriffen beschrieben (ein in moderner Sprechweise in solchen Gleichungen auftretendes
Quadrat
wurde als Flacheninhalt beschrieben, von dem etwa eine Seitenlange subtrahiert wird, dass als Flacheninhalte und als Langen bezeichnete Großen addiert werden konnten, legt jedoch ein recht abstraktes, algebraisches Verstandnis nahe).
[37]
[38]
Diese Errungenschaften entstammten praktischen Bedurfnissen von Wirtschaft, Bauwesen und Astronomie.
[39]
Aus dem
antiken Griechenland
sind eine Vielzahl mathematischer Erkenntnisse uberliefert. Erstmals (soweit bekannt) kam es hier zum ausgepragten Verstandnis von Beweisen,
[40]
durch die die Ergebnisse in einer der heutigen Mathematik nahekommenden Strenge bewiesen wurden. Besondere Bedeutung hatte ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. die Schule der
Pythagoreer
, gegrundet von
Pythagoras von Samos
(ca. 570?510 v. Chr.), der vermutlich durch Reisen nach Agypten, Mesopotamien und evtl. Indien beeinflusst war.
[41]
In dieser religiosen Gruppierung trennte sich die Mathematik vom aus den Notwendigkeiten des Alltags entspringenden Rechnen,
[42]
wobei (naturliche) Zahlen eine zentrale Rolle spielten. Die Uberlieferungslage bezuglich dieser Zeit der Mathematikgeschichte, den mutmaßlich etwas fruher lebenden
Thales von Milet
mit eingeschlossen, ist allerdings noch dunn, die meisten Dokumente stammen aus spaterer Zeit, so dass sich nicht sicher sagen lasst, welche Konzepte dort schon bekannt waren, und mit welcher Methodik verfahren wurde.
[43]
Aus nicht vollstandig geklarten Grunden legte die darauffolgende griechische Mathematik großen Wert auf die
Geometrie
, trotz des Einflusses der Pythagoreer, unter denen die Arithmetik als grundlegend aufgefasst worden war.
[44]
Bedeutende Protagonisten waren hier
Eudoxos von Knidos
(* zw. ca. 397 und 390 v. Chr., † zw. ca. 345 und 338 v. Chr.) und
Euklid
(ca. 360?280 v. Chr.).
Bezuglich des Zahlbegriffs der Griechen muss festgestellt werden, dass sie nicht uber ein Konzept rationaler Zahlen als algebraische Objekte oder Erweiterung der naturlichen Zahlen verfugten. Die aus moderner Sicht oft als Aussagen uber solche interpretierten Ergebnisse wurden geometrisch als Aussagen uber Langen- und Flachenverhaltnisse formuliert: Eine Lange oder Flache konnte ein ganzzahliges Vielfaches einer anderen sein, dementsprechend lassen sich Verhaltnisse zwischen zwei solchen Vielfachen einer Lange oder Flache im heutigen Verstandnis als (positive ? mit negativen Zahlen vergleichbare Konzepte waren nicht vorhanden) rationale Zahlen beschreiben, im griechischen Verstandnis von Zahlen waren sie jedoch nicht enthalten. Erst recht gab es keine irrationalen
Zahlen
in der griechischen Mathematik ? es traten lediglich geometrische Verhaltnisse auf, die keinem Verhaltnis von zwei ganzzahligen Vielfachen einer Große entsprachen; man spricht von
Inkommensurabilitat
.
[45]
[46]
Selbst die Eins wurde bei Euklid nicht zu den Zahlen gezahlt.
[47]
[48]
Die Existenz der inkommensurablen Verhaltnisse war spatestens seit
Aristoteles
(384?322 v. Chr.), der einen recht allgemeinen Beweis lieferte, womoglich aber schon vor 400 v. Chr.
[49]
in Griechenland bekannt. Dies zeigte die Unmoglichkeit des pythagoreischen Ansatzes, die in der Geometrie auftretenden Verhaltnisse mittels der Arithmetik zu beschreiben ? in heutiger Begrifflichkeit eine Unzulanglichkeit der rationalen Zahlen.
[50]
Der Ubergang zu einer geometrischen Grundlegung, die den Umgang mit solchen Verhaltnissen erlaubte, wird maßgeblich auf Eudoxos zuruckgefuhrt, der selbst noch Schuler des bedeutenden Pythagoreers
Archytas von Tarent
gewesen war, der die Arithmetik als einzige mogliche Grundlage fur Beweise ansah.
[51]
Eudoxos lieferte eine Definition der Gleichheit zweier geometrischer Verhaltnisse (von Langen oder Flachen): Zwei Verhaltnisse sind demzufolge gleich, wenn alle ? in moderner Interpretation ? rationalen Verhaltnisse, die kleiner bzw. großer sind als das eine Verhaltnis, auch kleiner bzw. großer sind als das andere.
[52]
Diese Definition gilt sogar analog fur den heutigen Begriff der reellen Zahlen. Einige Stimmen sahen oder sehen hierin bereits ein Vorhandensein der reellen Zahlen in der griechischen Mathematik.
[53]
[54]
[55]
Diese Aussagen sind jedoch problematisch:
[55]
Zum einen war eben nicht einmal das Konzept der rationalen Zahlen vorhanden, zum anderen wurde nichts daruber ausgesagt, dass bestimmte Verhaltnisse existieren, so dass diese etwa
ordnungsvollstandig
sind, sondern vielmehr durch die Geometrie
gegebene
Verhaltnisse untersucht. In jedem Fall ermoglichte diese Definition eine Vielzahl von Beweisen, deren Techniken wie die
Exhaustionsmethode
als Vorlaufer heutiger Begriffe der
Analysis
gelten, wobei gewisse Abschatzungen bereits eine zentrale Rolle spielten. Zudem war
Richard Dedekind
bei
seiner Definition
der reellen Zahlen eigenen Angaben zufolge durch Eudoxos inspiriert.
[55]
Archimedes von Syrakus
(287?212 v. Chr.), der aufbauend auf Eudoxos besonders weitreichende Beweise fur bestimmte geometrische Verhaltnisse sowie bestimmte Naherungen lieferte, gilt auch als erste Person, die
infinitesimale
Großen einfuhrte: Im
Archimedes-Palimpsest
wandte er ein Prinzip vergleichbar dem
Prinzip von Cavalieri
an, bei dem eine Flache in unendlich viele
infinitesimale
Linien zerlegt wird. Eine solche Vorgehensweise entsprach schon damals nicht den Anspruchen an einen mathematischen Beweis, Archimedes sah in diesem
mechanisch
motivierten Verfahren jedoch ein nutzliches Werkzeug, um an ein Problem heranzugehen und spater einfacher einen korrekten Beweis finden zu konnen.
[56]
Die Existenz von von Null verschiedenen infinitesimalen Großen widerspricht der Definition des Eudoxos von Gleichheit und auch dem von Archimedes selbst aufgestellten sogenannten
Archimedischen Axiom
.
Der Begriff der
Zahl
ist nicht mathematisch definiert, sondern ein
gemeinsprachlicher
Oberbegriff fur verschiedene mathematische Konzepte. Daher gibt es im mathematischen Sinn keine
Menge aller Zahlen
oder dergleichen. Die Mathematik spricht, wenn sie sich mit Zahlen befasst, stets uber bestimmte wohldefinierte
Zahlbereiche
, d. h. nur uber bestimmte Objekte unseres Denkens mit festgelegten Eigenschaften, die zusammenfassend alle als
Zahlen
bezeichnet werden. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts werden in der Mathematik Zahlen rein mittels der
Logik
unabhangig von Vorstellungen von Raum und Zeit definiert. Grundsteine wurden hier von
Richard Dedekind
und
Giuseppe Peano
mit der
Axiomatisierung
der
naturlichen Zahlen
(Siehe
Peano-Axiome
) gelegt. Dedekind schreibt zu diesem neuen Ansatz:
?Was beweisbar ist, soll in der Wissenschaft nicht ohne Beweis geglaubt werden. So einleuchtend diese Forderung erscheint, so ist sie doch, wie ich glaube, selbst bei der Begrundung der einfachsten Wissenschaft, namlich desjenigen Theiles der Logik, welcher die Lehre von den Zahlen behandelt, auch nach den neuesten Darstellungen noch keineswegs als erfullt anzusehen. […] die Zahlen sind freie Schopfungen des menschlichen Geistes, sie dienen als ein Mittel, um die Verschiedenheit der Dinge leichter und scharfer aufzufassen. Durch den rein logischen Aufbau der Zahlen-Wissenschaft und durch das in ihr gewonnene stetige Zahlen-Reich sind wir erst in den Stand gesetzt, unsere Vorstellungen von Raum und Zeit genau zu untersuchen, indem wir dieselben auf dieses in unserem Geiste geschaffene Zahlen-Reich beziehen.“
Zu unterscheiden sind axiomatische Definitionen von
mengentheoretischen
Definitionen von Zahlen: Im ersteren Fall wird die Existenz gewisser Objekte mit auf ihnen definierten Verknupfungen mit bestimmten Eigenschaften in Form von
Axiomen
postuliert, so etwa auch bei den fruhen Axiomatisierungen der naturlichen und der reellen Zahlen durch Peano und Dedekind. In der Folge der Entwicklung der Mengenlehre durch
Georg Cantor
ging man dazu uber, zu versuchen, sich auf mengentheoretische Axiome zu beschranken, wie es in der Mathematik heute etwa mit der
Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre
(ZFC) ublich ist. Die Existenz gewisser Zahlenmengen und Verknupfungen uber ihnen mit gewissen Eigenschaften wird dann aus diesen Axiomen gefolgert. Mitunter wird ein Zahlbereich als eine bestimmte
Klasse
definiert. Die axiomatische Mengenlehre versucht, eine einzige, einheitliche formale Grundlage fur die gesamte Mathematik zu sein. Innerhalb ihrer lasst sich auf reichhaltige Weise mit den Zahlbereichen umgehen. Formuliert wird sie in der Regel in der
Pradikatenlogik erster Stufe
, die die Struktur der mathematischen Satze sowie die Moglichkeiten zur Schlussfolgerung aus den Axiomen festlegt.
Elementares Beispiel einer mengentheoretischen Definition einer Menge von Zahlen ist die von
John von Neumann
eingefuhrte
Definition der naturlichen Zahlen
als die kleinste
induktive Menge
, deren Existenz im Rahmen der Zermelo-Fraenkel-Mengenlehre durch das
Unendlichkeitsaxiom
postuliert wird.
Als mengentheoretische Konzepte werden
Ordinal
- und
Kardinalzahlen
in aller Regel mengentheoretisch definiert, ebenso die Verallgemeinerung der
surrealen Zahlen
.
Die Peano-Axiome etwa und die auf Dedekind zuruckgehende Definition der reellen Zahlen basieren im Gegensatz zu ZFC auf der
Pradikatenlogik zweiter Stufe
. Wahrend die Pradikatenlogik erster Stufe eine klare, allgemein akzeptierte Antwort darauf liefert, wie
gultige Schlusse
vorzunehmen sind, wobei diese sich systematisch
berechnen
lassen, fuhren Versuche, dies fur die Pradikatenlogik zweiter Stufe zu klaren, meist dazu, dass eine komplexe
Metatheorie
eingefuhrt werden muss, die ihrerseits mengentheoretische Begriffe
metasprachlich
einfuhrt und von deren Details die in der Folge erschlossenen Moglichkeiten der Folgerung in der Pradikatenlogik zweiter Stufe abhangen. ZFC ist ein Kandidat fur eine solche Theorie.
[58]
Diese Einschrankungen lassen die Pradikatenlogik zweiter Stufe in einem Teil der
Philosophie der Mathematik
ungeeignet erscheinen, auf grundlegender Ebene verwendet zu werden.
[59]
Die Pradikatenlogik erster Stufe dagegen ist nicht hinreichend, um gewisse wichtige intuitive Eigenschaften der naturlichen Zahlen zu formulieren und (bei Betrachtung dieser in einer mengentheoretischen Metatheorie, etwa aufgrund des
Satzes von Lowenheim-Skolem
die Abzahlbarkeit) sicherzustellen.
Die Mathematik untersucht Beziehungen zwischen mathematischen Objekten und
beweist
strukturelle Eigenschaften in diesen Beziehungen. Elementare Beispiele fur zwischen Zahlen definierte Beziehungen sind etwa die allgemein bekannten Rechenoperationen (
Grundrechenarten
) uber den
rationalen Zahlen
(Bruche),
Vergleiche
(?kleiner“, ?großer“, ?großer gleich“ etc.) zwischen rationalen Zahlen und die
Teilbarkeits
relation zwischen
ganzen Zahlen
(?3 ist ein Teiler von 9“). Zudem werden Eigenschaften uber bestimmten Zahlen definiert, zum Beispiel ist uber den
ganzen Zahlen
die Eigenschaft definiert, eine
Primzahl
zu sein.
Solche Verknupfungen sind nicht als vom Zahlbegriff unabhangige willkurliche Operationen zu verstehen, vielmehr werden bestimmte
Zahlbereiche
meist untrennbar von bestimmten Verknupfungen betrachtet, da diese die zu untersuchende Struktur maßgeblich bestimmen. Spricht man etwa uber die
naturlichen Zahlen
, gebraucht man fast immer zumindest auch
ihre Ordnung
(?
“, ?
“), welche maßgeblich unseren Begriff von naturlichen Zahlen bestimmt.
In der
Schulmathematik
, der
Informatik
und der
numerischen Mathematik
befasst man sich mit
Verfahren
, um solche Verknupfungen auf konkreten Darstellungen von Zahlen auszuwerten (
Rechnen
). Als Beispiel sei hier die
schriftliche Addition
genannt: Unter Verwendung der Darstellung von Zahlen in einem
Stellenwertsystem
ist es hier moglich, durch systematisches Abarbeiten der Ziffern eine Darstellung fur die
Summe
der beiden Zahlen zu erlangen. In der Informatik und der numerischen Mathematik werden solche Verfahren entwickelt und auf ihre Leistungsfahigkeit hin untersucht. Einige solcher Verfahren sind von fundamentaler Bedeutung fur die heutigen
Computer
.
In der
abstrakten Algebra
befasst man sich mit der Struktur von Verallgemeinerungen solcher Zahlbereiche, wobei nur noch das Vorhandensein von Verknupfungen mit gewissen Eigenschaften uber einer beliebigen
Menge
von Objekten vorausgesetzt wird, welche die Struktur der Verknupfungen nicht eindeutig bestimmen, sondern viele verschiedene konkrete Strukturen mit diesen Eigenschaften (
Modelle
) zulassen (siehe
algebraische Struktur
). Ihre Resultate lassen sich auf konkrete Zahlbereiche anwenden, die wiederum in der abstrakten Algebra als Motivation und elementare Beispiele dienen konnen.
Die
Zahlentheorie
behandelt Eigenschaften (im weiteren Sinne) von Zahlen, etwa Existenz, Haufigkeit und Verteilung von Zahlen mit bestimmten Eigenschaften. Eigenschaften
transfiniter
(in bestimmten Sinnen ?unendlicher“) Zahlen sind allerdings Gegenstand der
Mengenlehre
.
In der Mathematik werden solche Verknupfungen, Beziehungen und Eigenschaften als
Pradikate
oder
Relationen
, einschließlich
Funktionen
, aufgefasst.
Einige wichtige Zahlbereiche seien hier in ihrem mathematischen Kontext vorgestellt. Im Laufe der
Geschichte der Mathematik
wurden immer weitere Zahlbereiche eingefuhrt, um gegenuber bisherigen Zahlbereichen bestimmte Probleme allgemeiner behandeln zu konnen. Insbesondere wurden bestehende Zahlbereiche durch Hinzufugen zusatzlicher Elemente zu neuen Zahlbereichen erweitert, um uber gewisse Operationen allgemeiner sprechen zu konnen, siehe hierzu auch den Artikel zur
Zahlbereichserweiterung
.
Zum Begriff des
Zahlbereichs
siehe den Abschnitt zur
Definition
.
Die
naturlichen Zahlen
1, 2, 3, 4, 5 … oder 0, 1, 2, 3, 4, 5 … bilden diejenige
Menge
von Zahlen, die ublicherweise zum
Zahlen
verwendet wird, wobei je nach Definition die
Null
mit eingeschlossen wird oder nicht. Die naturlichen Zahlen sind mit einer
Ordnung
(?kleiner“) versehen. Es gibt ein kleinstes
Element
(je nach Definition die Null oder die
Eins
), und jedes Element hat einen
Nachfolger
und ist kleiner als sein Nachfolger. Indem man ausgehend vom kleinsten Element immer wieder den Nachfolger bildet, erreicht man schließlich jede naturliche Zahl und sukzessive immer weitere, so dass es ihrer unendlich viele gibt. Die naturlichen Zahlen sind zudem mit
Addition
und
Multiplikation
versehen, je zwei naturlichen Zahlen lassen sich damit eine Summe und ein Produkt zuordnen, die wieder naturliche Zahlen sind. Diese Operationen sind
assoziativ
und
kommutativ
, zudem sind sie im Sinne des Distributivgesetzes miteinander vertraglich:
. Diese drei Eigenschaften sind auch grundlegend fur viele allgemeinere Zahlbereiche wie die ganzen, rationalen, reellen und komplexen Zahlen. Die Ordnung der naturlichen Zahlen ist in gewisser Hinsicht mit der Addition und Multiplikation
vertraglich
: Sie ist
verschiebungsinvariant
, d. h., fur naturliche Zahlen
folgt aus
auch
, zusatzlich zur Verschiebungsinvarianz folgt auch
.
Die Existenz der
Menge aller naturlichen Zahlen
wird in der Mengenlehre durch das
Unendlichkeitsaxiom
sichergestellt.
Diese Menge wird mit
oder
bezeichnet.
In der Menge der naturlichen Zahlen existiert fur zwei Zahlen
keine naturliche Zahl
, sodass
. Die
ganzen Zahlen
erweitern die naturlichen Zahlen so, dass fur zwei beliebige Elemente eine solche Zahl
existiert. Hierzu fugt man die
negativen Zahlen
den naturlichen Zahlen hinzu: Zu jeder naturlichen Zahl
existiert eine zweite ganze Zahl
, so dass
, welche als
additives Inverses
bezeichnet wird. Die obige Zahl
, genannt
Differenz
, ist dann als
, kurz
, gegeben. Hierdurch ist die
Subtraktion
auf den ganzen Zahlen definiert, die jedoch im Wesentlichen eine Kurzschreibweise darstellt.
Die Ordnung uber den naturlichen Zahlen wird auf die ganzen Zahlen erweitert. Hierbei gibt es kein kleinstes Element mehr; dafur hat jedes Element einen Vorganger und einen Nachfolger (der Vorganger der
ist die
, der der
die
etc.). Die Vertraglichkeit mit der Addition, die Verschiebungsinvarianz, bleibt dabei erhalten. Zudem ist das Produkt von zwei ganzen Zahlen großer Null stets wiederum großer Null.
Die ganzen Zahlen bilden einen
Ring
.
Die Menge der ganzen Zahlen wird mit
oder
bezeichnet.
Ebenso wie die naturlichen Zahlen zu den ganzen Zahlen erweitert werden, um ein additives Inverses und die Subtraktion zu erhalten, erweitert man die ganzen Zahlen zu den rationalen Zahlen, um ein multiplikatives Inverses und die Division zu erhalten. D. h., die rationalen Zahlen enthalten die ganzen Zahlen, und zu jeder ganzen Zahl
fugt man die
genannte Zahl (
Stammbruch
) als multiplikatives Inverses hinzu, so dass
. Zudem soll das Produkt zweier beliebiger rationaler Zahlen definiert sein, allgemein erhalt man rationale Zahlen der Form
, genannt
Bruch
, wobei eine ganze Zahl
mit dem Bruch
identifiziert wird. Fur ganze Zahlen
werden die Bruche
und
miteinander identifiziert; diese Identifizierung wird auch als
Erweitern
und
Kurzen
bezeichnet. Somit erhalt man eine mit der Multiplikation ganzer Zahlen kompatible Multiplikation und Division.
Mittels der
Dezimalbruch
darstellung lasst sich eine mit der Ordnung der ganzen Zahlen kompatible Ordnung definieren, die auch die Vertraglichkeit mit Addition und Multiplikation erhalt.
Die rationalen Zahlen bilden einen (
geordneten
)
Korper
. Die Konstruktion der rationalen Zahlen aus den ganzen Zahlen wird verallgemeinert als
Quotientenkorperbildung
zu einem Ring.
Die Menge der rationalen Zahlen wird mit
oder
bezeichnet. In der (deutschen) Schulmathematik kommt daneben die Bezeichnung
vor (?Menge der (positiven) Bruchzahlen“), wenn die positiven Bruche vor den negativen ganzen Zahlen eingefuhrt werden.
Mit der Addition und Multiplikation ganzer oder rationaler Zahlen lassen sich sogenannte
Polynomfunktionen
definieren: Jeder ganzen bzw. rationalen Zahl wird dabei eine Summe von
Potenzen
multipliziert mit konstanten Zahlen (
Koeffizienten
) zugeordnet. Etwa einer beliebigen Zahl
der Wert
definiert als
. Fur viele solcher Polynomfunktionen existiert keine rationale Zahl, so dass der Wert der Polynomfunktion an dieser Stelle gleich Null wird (
Nullstelle
). Fugt man nun Nullstellen bestimmter Polynomfunktionen den rationalen Zahlen hinzu, wobei Multiplikation und Addition wohldefiniert bleiben, erhalt man eine
algebraische Erweiterung
. Erweitert man die rationalen Zahlen um solche Nullstellen fur alle nicht-konstanten Polynome, erhalt man die
algebraischen Zahlen
. Erweitert man die ganzen Zahlen um Nullstellen fur alle nicht-konstanten Polynome, deren Koeffizienten ganzzahlig sind und deren Koeffizient zur hochsten Potenz
ist, so erhalt man die
ganzalgebraischen Zahlen
.
Algebraische Erweiterungen werden in der
Korpertheorie
, insbesondere in der
Galois-Theorie
, untersucht.
Betrachtet man Probleme wie etwa das Finden von Nullstellen von Polynomfunktionen uber den rationalen Zahlen, stellt man fest, dass sich in den rationalen Zahlen beliebig gute
Naherungen
konstruieren lassen: Etwa findet sich bei zahlreichen Polynomfunktionen zu jeder festgelegten Toleranz eine rationale Zahl, so dass der Wert der Polynomfunktion an dieser Stelle hochstens um die Toleranz von der Null abweicht. Zudem kann man die Naherungslosungen so wahlen, dass sie ?nah beieinander“ liegen, denn Polynomfunktionen sind
stetig
(?weisen keine ?Sprunge‘ auf“). Dieses Verhalten tritt nicht nur bei Nullstellen von Polynomfunktionen auf, sondern auch bei zahlreichen weiteren mathematischen Problemen, die eine gewisse Stetigkeit aufweisen, so dass man dazu ubergeht, die Existenz einer Losung zu garantieren, sobald beliebig gute Naherungen durch nahe beieinander gelegene rationale Zahlen existieren. Eine solche Losung nennt man eine
reelle Zahl
. Um die Existenz solcher Losungen zu zeigen, reicht es, zu fordern, dass es zu jeder Menge rationaler Zahlen, die nicht beliebig große Zahlen enthalt, unter den reellen Zahlen, die großer oder gleich als all diese Elemente der Menge sind, eine kleinste gibt. Alternativ lassen sich die reellen Zahlen explizit als
Folgen
von rationalen Zahlen, die sich einander ?
annahern
“, definieren.
Die Menge der reellen Zahlen ist
uberabzahlbar
. Daher ist es nicht moglich, jede beliebige reelle Zahl sprachlich eindeutig zu beschreiben.
Die Abgeschlossenheit der reellen Zahlen unter solchen Naherungsprozessen bezeichnet man als
Vollstandigkeit
. Diese erlaubt es, zahlreiche Begriffe aus der
Analysis
, wie den der
Ableitung
und den des
Integrals
, uber
Grenzwerte
zu definieren. Grenzwerte erlauben zudem die Definition zahlreicher wichtiger
Funktionen
, etwa der
trigonometrischen Funktionen
(Sinus, Cosinus, Tangens etc.), was uber den rationalen Zahlen nicht moglich ist.
Die reellen Zahlen behalten maßgebliche Eigenschaften der Addition, Multiplikation und der Ordnung in den rationalen Zahlen und bilden somit ebenfalls einen
geordneten Korper
. Sie lassen sich nicht erweitern, ohne diese Eigenschaft oder das
archimedische Axiom
zu verletzen, also ?unendlich kleine strikt positive Zahlen“ einzufuhren.
Die Idee des Ubergangs von den rationalen zu den reellen Zahlen wird durch verschiedene Konzepte der
Vervollstandigung
verallgemeinert.
Die Menge der reellen Zahlen wird mit
oder
bezeichnet.
Manche Polynomfunktionen besitzen keine Nullstellen in den reellen Zahlen. Beispielsweise nimmt die Funktion
fur jede reelle Zahl
einen Wert großer als Null an. Es lasst sich zeigen, dass durch Hinzufugen einer Zahl
, genannt
imaginare Einheit
, die die Gleichung
erfullt, wobei die grundlegenden Eigenschaften der Addition und Multiplikation erhalten bleiben sollen, bereits die reellen Zahlen zu den
komplexen Zahlen
erweitert werden, in denen alle nicht konstanten Polynomfunktionen eine Nullstelle besitzen. Die komplexen Zahlen bilden damit den
algebraischen Abschluss
der reellen Zahlen. Grenzwertprozesse sind in den komplexen Zahlen ebenso moglich wie in den reellen Zahlen, jedoch sind die komplexen Zahlen nicht mehr geordnet. Sie lassen sich als
Ebene
(zweidimensionaler
Vektorraum
uber den reellen Zahlen) auffassen. Jede komplexe Zahl lasst sich eindeutig in der Form
?darstellen“, wobei
und
reelle Zahlen sind und
die imaginare Einheit bezeichnen.
Die
Funktionentheorie
ist das Teilgebiet der Analysis, das sich mit den analytischen Eigenschaften von Funktionen uber den komplexen Zahlen befasst.
Die Menge der komplexen Zahlen wird mit
oder
bezeichnet.
Die Ordinal- und Kardinalzahlen sind Konzepte aus der
Mengenlehre
. In der Mengenlehre definiert man die Kardinalitat einer
Menge
als Kardinalzahl, die Kardinalitat ist eine Verallgemeinerung des Konzepts der ?Anzahl der Elemente“ einer endlichen Menge auf unendliche Mengen. Die Kardinalitaten endlicher Mengen sind somit naturliche Zahlen, die auch in den Kardinalzahlen enthalten sind.
Ordinalzahlen verallgemeinern das Konzept der ?Position in einer (
wohlgeordneten
) Menge“ auf unendliche Mengen. Ordinalzahlen beschreiben dann eindeutig die Position eines Elementes in einer solchen Wohlordnung. Die Ordinalzahlen sind selbst wohlgeordnet, so dass die Reihenfolge von wohlgeordneten Objekten der Reihenfolge der ihnen zugeordneten ?Positionen“ (also Ordinalzahlen) entspricht. Fur Positionen in Anordnungen endlich vieler Objekte lassen sich naturliche Zahlen verwenden, die den
kleinsten
Ordinalzahlen entsprechen.
Kardinalzahlen werden heutzutage als spezielle Ordinalzahlen definiert, wodurch sie ebenfalls eine Ordnung erhalten. Neben der Ordnung sind auf Kardinalzahlen und Ordinalzahlen auch Addition, Multiplikation und Potenzierung definiert, die eingeschrankt auf die naturlichen Zahlen mit den ublichen Begriffen fur naturliche Zahlen ubereinstimmen, siehe hierzu
Kardinalzahlarithmetik
und
transfinite Arithmetik
.
Sowohl die Ordinalzahlen als auch die Kardinalzahlen bilden
echte Klassen
, das heißt, sie sind im Sinne der modernen Mengenlehre keine Mengen.
Die hyperreellen Zahlen sind eine Verallgemeinerung der reellen Zahlen und Untersuchungsgegenstand der
Nichtstandardanalysis
. Sie erlauben die Definition von Begriffen aus der Analysis, etwa die der
Stetigkeit
oder der
Ableitung
, ohne die Verwendung von
Grenzwerten
.
Die komplexen Zahlen lassen sich als zweidimensionaler
Vektorraum
uber den reellen Zahlen auffassen (siehe
Gaußsche Zahlenebene
), das heißt als zweidimensionale Ebene, bei der neben der ublichen koordinatenweisen Addition eine Multiplikation zwischen zwei Punkten der Ebene definiert ist. Es gibt zahlreiche ahnliche
Strukturen
, die man unter dem Begriff
hyperkomplexe Zahlen
zusammenfasst. Diese Strukturen sind in der Regel endlichdimensionale Vektorraume uber den reellen Zahlen (vorstellbar als zwei- oder hoherdimensionaler Raum) mit einer zusatzlichen Multiplikation. Oftmals lassen sich die reellen Zahlen selbst in diese Strukturen
einbetten
, wobei die Multiplikation eingeschrankt auf die reellen Zahlen der ublichen Multiplikation von reellen Zahlen entspricht.
- p-adische Zahl
, eine Verallgemeinerung der rationalen Zahlen unter Miteinbeziehung von unendlich vielen ?Vorkomma-Stellen“, die in der
Zahlentheorie
Verwendung findet.
- Surreale Zahl
, eine Verallgemeinerung der hyperreellen Zahlen und der Ordinalzahlen mit Anwendungen in der
Spieltheorie
.
- Restklassenringe
konnen als Einschrankungen der ganzen Zahlen auf die ersten endlich vielen Elemente mit entsprechend definierter Arithmetik aufgefasst werden. Ihre Elemente werden mitunter auch als Zahlen bezeichnet.
In der Mathematik spricht man mittels der Sprache der
Logik
uber in dieser definierte mathematische Objekte wie etwa Zahlen, mit ihr lassen sich auch konkrete Zahlen mitunter eindeutig beschreiben, unter Umstanden mittels Formeln. Uber die gangigen
logischen Formalismen
hinaus existieren jedoch systematische
Bezeichnungen
fur bestimmte Zahlen, etwa in Form von speziellen Kombinationen von
Schriftzeichen
(mitunter eigens dafur verwendete
Ziffern
) oder mittels besonders
konstruierter
Worter der naturlichen Sprache, wie etwa
Numerale
. Bezeichnungen fur bestimmte Zahlen werden außerhalb der Mathematik verwendet, um konkrete Beobachtungen zu beschreiben, etwa eine Anzahl beobachteter Objekte (
Ich sehe funf Bananen
) oder mittels eines anderen
Messverfahrens
bestimmte
Messwerte
(
Der Turrahmen ist zwei Meter hoch
). Des Weiteren erlauben solch systematische Zahldarstellungen mitunter einfaches, systematisches
Rechnen
mit konkreten Zahlen ? gerade auch durch
Rechenmaschinen
und
Computer
. Die
Rechenverfahren
zur Berechnung gewisser Operationen zwischen konkreten Zahlen hangen von der gewahlten Darstellung ab.
In der Kultur- und Mathematikgeschichte haben sich zahlreiche
Zahlensysteme
zu solchen systematischen Zahldarstellungen entwickelt. Belege fur die Darstellung von Zahlen reichen bis in die spate
Steinzeit
zuruck, wobei Schwierigkeiten bestehen,
Zahlzeichen
von bloßen
Zahlzeichen
zu unterscheiden, das heißt zu erkennen, ob den Menschen Zahlen als abstrakte Bedeutung jener bewusst waren, oder nur eine werkzeugartige Verwendung vorlag, bei denen die physische Konstruktion des Zahlzeichens, nicht aber eine Bedeutung relevant war, seine Aufgabe zu erfullen. Zu dieser Problematik siehe etwa den Artikel zum
Ishango-Knochen
, einem Fund aus der spaten
Altsteinzeit
, der verschiedenartige Interpretationen zulasst.
Beispiele fur solche Darstellungen sind
Strichlisten
(
Unarsystem
) und die Ziffernfolgen verwendenden
Stellenwertsysteme
, wie sie heute fur die Darstellung
naturlicher Zahlen
ublich sind und auch fur die Zahldarstellung in Computern in Form des
Dualsystems
verwendet werden.
Betrachtet man
sprachliche
Darstellungen von Zahlen formal, so lasst sich nicht jeder Zahl eine solche Darstellung in einem formalen Sinne zuordnen, d. h., in einem mathematischen formalen Sinne existieren
mehr
Zahlen als mogliche Darstellungen in einer Sprache: Da sprachliche Formulierungen stets endlich sind, kann es von ihnen nur
abzahlbar
viele verschiedene geben, wahrend die Mathematik auch
uberabzahlbare
Zahlbereiche betrachtet. Man spricht dennoch auch von Darstellungen uberabzahlbarer Zahlbereiche, wenn man sich bei solchen formalen Darstellungen nicht mehr auf zu sprachlichen Formulierungen korrespondierende beschrankt, in ihrer Struktur konnen sie jedoch den Zahlensystemen ahneln, etwa lassen sich die
reellen Zahlen
als spezielle formale
Reihen
definieren, welche der Darstellung in Stellenwertsystemen strukturell ahneln.
Einige Beispiele fur Darstellungen von Zahlen:
- ?Vier“ bezeichnet im Deutschen als Zahlwort eine Zahl.
- Diese Zahl lasst sich als Strichliste |||| darstellen.
- In der
indisch-arabischen Zahlschrift
wird sie als 4 dargestellt.
- In der
romischen Zahlschrift
wird sie als IV dargestellt.
- Als
Formel
lasst sie sich z. B. als
darstellen, was einer mathematischen
Definition
gleichkommt, falls die Eins und die Addition zuvor definiert worden sind.
- Fasst man die naturlichen Zahlen als
algebraische Struktur
versehen mit Multiplikation und Addition auf, so lasst sich die Eins als einzige naturliche Zahl
definieren, so dass
und
, das Symbol
steht dann fur eine beliebige naturliche Zahl, die diese Bedingung erfullt, und ist damit eindeutig.
- Definiert man naturliche Zahlen mengentheoretisch in der
Variante von John von Neumann
, so lasst sich die Vier uber die ubliche Darstellung endlicher Mengen als
darstellen.
- Rationale Zahlen
lassen sich als Bruche darstellen, z. B.
.
- Losungen
quadratischer Gleichungen
uber den rationalen Zahlen lassen sich als Formeln, bestehend aus Addition, Multiplikation und Quadratwurzelbildung rationaler Zahlen darstellen. Beispielsweise beschreibt die Formel
eine Losung der Gleichung
fur die Variable
.
- Komplexe Zahlen
werden oft als Summe von Realteil und dem Imaginarteil multipliziert mit der imaginaren Einheit dargestellt, etwa
.
- Im Dualsystem wird die naturliche Zahl Neun als
dargestellt, dies entspricht der Darstellung als Formel
.
- Jede reelle Zahl lasst sich als
Reihe
mit einer ganzen Zahl
und Koeffizienten
?darstellen“, solche Darstellungen sind jedoch im Allgemeinen nicht endlich beschreibbar, da es uberabzahlbar viele mogliche ?Belegungen“ der Koeffizienten gibt. Falls
fur hinreichend große
stets Null wird, entsprechen die
dem Nachkommateil in einer Darstellung im Dualsystem (etwa
fur
).
Ebenso wie Zahlen sprachliche Ausdrucke, Zeichenketten oder dergleichen zugeordnet werden, konnen umgekehrt Zahlen bestimmten Objekten zugeordnet werden, zum einen fur abstrakte Uberlegungen, zum anderen, um Darstellungen von Zahlen konkret zur systematischen Bezeichnung von anderen Objekten einzusetzen, etwa Information mittels Zahlen zu kodieren. Solches Vorgehen erlaubt die Anwendung von den auf Zahlen definierten Operationen auf diese Bezeichnungen. Ein verbreitetes Beispiel ist die
Nummerierung
, bei der jedem Objekt einer bestimmten betrachteten Gesamtheit eine (meist naturliche) Zahl zugeordnet wird: Dies erlaubt zum einen die Benennung der Objekte mittels ihrer Nummern, und schafft zum anderen mittels der auf den naturlichen Zahlen definierten Ordnung (?kleiner“) eine Ordnung der Objekte; dies erlaubt etwa im Falle naturlicher Zahlen ein sequentielles Durchgehen aller Objekte. Zu beachten ist, dass nicht jede Nummer eine Zahl als von der Darstellung unabhangiges mathematisches Objekt ist. Manche Nummern sind als spezielle Symbolfolgen zu verstehen, die als Identifikatoren dienen, selbst wenn sie nur aus Ziffern bestehen (z. B.
ISB
-,
Versicherungs-
oder
Steuernummern
).
Ein anderes Beispiel ist die Interpretation
digitaler Information
in der
Datenverarbeitung
: Als
binare Folge
vorliegende
Daten
konnen auf naturliche Weise als naturliche Zahl, dargestellt im Dualsystem, interpretiert werden (Randfalle wie fuhrende Nullen mussen dabei beachtet werden). Arithmetische Operationen uber dieser Kodierung als Zahl werden u. a. in der
Kryptographie
und der
Datenkompression
eingesetzt.
Auch in der reinen Mathematik finden sich Anwendungen dieses Prinzips, wobei ublicherweise nicht als Zahlen aufgefassten mathematischen Objekten Zahlen zugeordnet werden, etwa in Form von
Godelnummern
, die
logische Formeln
oder
Algorithmen
identifizieren.
Weitere Beispiele sind die Reprasentation von Spielsituationen mittels
surrealer Zahlen
in der
Spieltheorie
, die Darstellung von
Drehstreckungen
im zweidimensionalen euklidischen Raum durch komplexe Zahlen sowie
Drehungen
im Dreidimensionalen mittels
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