Werner Wilhelm Franke
(*
31. Januar
1940
in
Paderborn
; †
14. November
2022
[1]
in
Heidelberg
) war ein deutscher
Biologe
, Professor fur Zell- und Molekularbiologie am
Deutschen Krebsforschungszentrum
in Heidelberg sowie international bekannter fuhrender Experte in
Doping
-Fragen. 1991 trug er maßgeblich zur Aufdeckung des
staatlich verordneten Zwangsdopings im DDR-Leistungssport
bei und wurde der achte Preistrager der
Heidi-Krieger-Medaille
des
Doping-Opfer-Hilfe e. V.
Franke besuchte in Paderborn die Grundschule Bonifatius,
[2]
im Jahre 1959 bestand er ebenda das Abitur am
Gymnasium Theodorianum
.
[3]
Nach dem Wehrdienst studierte er an der
Ruprecht-Karls-Universitat Heidelberg
von 1960 bis 1966
Biologie
,
Chemie
und
Physik
. Als Student arbeitete Franke nebenbei als Autor fur das
Kabarett
(unter anderem
Bugelbrett
,
Kom(m)odchen
, Die Zwiebel) sowie Fernsehen und Rundfunk.
[4]
Nach seiner
Promotion
zum
Dr. rer. nat.
(summa cum laude) im Februar 1967 war Franke von 1967 bis 1970 als Wissenschaftlicher Assistent an der Fakultat fur Biologie der
Albert-Ludwigs-Universitat Freiburg
tatig. Im Januar 1971 wurde in Freiburg seine
Habilitation
im Fach
Zellbiologie
angenommen, bis 1973 war er anschließend an der Uni Freiburg als Hochschullehrer beschaftigt. 1973 wurde er als Universitatsprofessor an die Ruprecht-Karls-Universitat Heidelberg berufen. Zwischen 1980 und 1991 hatte er das Amt des Geschaftsfuhrenden Direktors des Instituts fur Zell- und Tumorbiologie am
Deutschen Krebsforschungszentrum
(DKFZ) inne.
[2]
Von 1982 bis 1990 war Franke Prasident der
European Cell Biology Organization
(ECBO). 1975 grundete er die
Deutsche Gesellschaft fur Zellbiologie
, wirkte als deren erster Geschaftsfuhrer sowie spater auch als ihr Prasident (1999 bis 2002), 2005 wurde er zum DGZ-Ehrenmitglied ernannt. Von 1988 bis 1994 war Franke Generalsekretar der Europaischen Konferenz fur Zellbiologie (EMBC) und von 1988 bis 2000 Vorsitzender des Wissenschaftsrates des Deutschen Krebsforschungszentrums.
[2]
Zu seinen Schwerpunkten in der Forschung zahlten die
Topogenese
von Proteinen des Zellkerns, die
Biogenese
und Dynamik von Membrandomanen sowie die molekulare Charakterisierung des
Zytoskeletts
in normalen und transformierten Zellen.
[5]
Franke war mit der Sportlerin und Buchautorin
Brigitte Berendonk
verheiratet.
[6]
Er starb am 14. November 2022 im Alter von 82 Jahren infolge einer
Hirnblutung
.
[1]
Werner Franke war im Kampf gegen Doping im
Leistungssport
tatig und einer der scharfsten Kritiker einer dopingvertuschenden
Sportberichterstattung
. ?Ich mache das nicht hauptberuflich, sehe das aber als Verantwortung des Wissenschaftlers“, sagte er uber seinen Kampf gegen das Doping.
[7]
Gemeinsam mit seiner Ehefrau
Brigitte Berendonk
, einer ehemaligen Diskuswerferin und Kugelstoßerin, engagierte sich Franke viele Jahre in der Bekampfung des Dopings. Die beiden seien aufgrund ihres Einsatzes im Spitzensport als ?Verrater, Nestbeschmutzer“ angesehen worden, sagte Franke 2006.
[8]
Nach Einschatzung von Sporthistoriker
Giselher Spitzer
haben die Eheleute Berendonk und Franke ?das Verdienst, in der Bundesrepublik Deutschland die offentliche Debatte um Anabolika in Gang gesetzt zu haben.“
[9]
Im April 1977 veroffentlichte Franke den Aufsatz ?Anabolika im Sport“, in dem er auf gesundheitliche Gefahren der Einnahme von Anabolika hinwies und Sportmediziner kritisierte, die die Verabreichung solcher Mittel als unbedenklich einstuften oder Athleten ?zum Zweck der sportlichen Leistungssteigerung“ verschrieben, und zwar Frankes Einschatzung nach ?ohne jede medizinische Indikation, ohne jede angemessene Guterabwagung und gegen die Regeln der olympischen Sportarten selbst“.
[10]
Franke half bei der Beschaffung
[11]
und Auswertung von Quellen fur das 1991 von Brigitte Berendonk veroffentlichte Buch
Doping-Dokumente. Von der Forschung zum Betrug,
in dem sie das langjahrige systematische Zwangsdoping im Leistungssport der DDR aufdeckte. Bereits im Dezember 1990 war es Berendonk und Franke dafur unter anderem gelungen, Dokumente (darunter 30 geheime Doktorarbeiten) in der
Militarmedizinischen Akademie
der DDR in
Bad Saarow
zu sichern.
[12]
Die im Rahmen der Ausarbeitung des Buches gesicherten Dokumente spielten bei der spateren juristischen Aufarbeitung des DDR-Dopings eine wichtige Rolle.
[13]
1991 stellte Franke Anzeige gegen DDR-Dopingverantwortliche.
[14]
Alle spateren Anklagen in diesem Bereich bauten eigener Aussage nach darauf auf.
[15]
2005 kundigte Franke seinen Ruckzug aus dem Kampf gegen das Doping an,
[16]
setzte diesen dann aber aufgrund der Dopingfalle im Radsport fort.
[8]
Eigener Angabe nach wurden Berendonk und Franke rund 35 Mal (Stand Januar 2016) wegen ihrer Dopingveroffentlichungen verklagt.
[4]
Darunter befand sich auch eine Klage der neun
ARD
-Anstalten sowie des Journalisten
Hagen Boßdorf
, die im April 2006 verhandelt wurde. Franke war die Behauptung zur Last gelegt worden, die ARD und Boßdorf unterstutzten indirekt Dopingvergehen im Radsport
[17]
und verbreiteten ?systematisch Lugen“.
[18]
Der eintagige Gerichtsprozess endete mit der Feststellung, dass Franke nicht habe behaupten wollen, dass die ARD und Boßdorf ?Sachverhalte zum Doping im Programm“ falsch dargestellt hatten. Nach Einschatzung Frankes habe er sich vor Gericht lediglich von etwas distanziert, was er nie behauptet habe.
[19]
Im Juni 2006 nannte er den Radsport ?eine einzige rollende hochkriminelle Szene, ein mafioses System mit Schweigepflicht und allem, was zum organisierten Verbrechen dazugehort“.
[20]
Er beschuldigte im selben Jahr anlasslich des
Dopingskandals Fuentes
, bei dem er nach eigener Aussage Einsicht in die Ermittlungsakten der spanischen Polizei hatte, den Radprofi
Jan Ullrich
des Dopings. Dieser erwirkte im Februar 2007 eine
einstweilige Verfugung
vor dem
Oberlandesgericht Hamburg
gegen Franke, die es diesem verbot, zu behaupten, Ullrich habe innerhalb eines Jahres dem spanischen Arzt
Eufemiano Fuentes
35.000 Euro zur Anschaffung von illegalen Substanzen bezahlt.
[21]
Im Hauptsacheverfahren wies das OLG Hamburg Ullrichs Unterlassungsklage gegen Franke jedoch ab, da Frankes Behauptung ?hinsichtlich ihres tatsachlichen Gehalts als wahr anzusehen sei und den Klager nicht in seinem allgemeinen Personlichkeitsrecht verletze“.
[22]
Franke stellte im Februar 2008
Strafanzeige
wegen
Betrugs
gegen die
Tour-de-France-2006
-Teilnehmer der
Radsport
-Mannschaft T-Mobile und den damaligen Teamchef
Olaf Ludwig
.
[23]
Er warf den angezeigten Fahrern vor, im Verlauf der Rundfahrt
Eigenblut
-
Transfusionen
am
Universitatsklinikum Freiburg
erhalten zu haben, um eine betrugerische Leistungssteigerung wahrend des sportlichen Wettbewerbs herbeizufuhren.
Ab 2007 gehorte Werner Franke der ?Evaluierungskommission Freiburger Sportmedizin“
[24]
an, welche sich mit der Dopingvergangenheit des Universitatsklinikums Freiburg beschaftigt. Am 1. Marz 2012 gab Franke an, die Kommission verlassen zu wollen. Damit kam er einer Aufforderung der Kommissionsvorsitzenden
Letizia Paoli
nach, die Franke beschuldigte, Kommissionsgeheimnisse verletzt zu haben.
[25]
Nach Medienberichten kam Franke hiermit einer Entlassung zuvor.
[26]
Franke kritisierte spater, dass Ergebnisse geheim gehalten werden sollten. Und er habe nach eigener Aussage gemerkt, dass die Universitat Freiburg ?gegen die Aufklarung“ gearbeitet habe. Er kritisierte, dass einzelne Mitglieder der Kommission schriftlich erklart hatten, gewisse Ergebnisse der Kommission nicht zu veroffentlichen. Franke sagte, er habe das nicht unterschrieben und erklarte seinen Ruckzug aus der Kommission auch mit seinem Selbstverstandnis: ?Ich bin Wissenschaftler. Ich schaffe Wissen und publiziere es… Ich halte das sogar fur straflich, denn wenn ich merke: Hier wurden diese Mittel gegeben, die zu Schaden fuhren konnen, dann muss ich doch daruber informieren.“
[27]
Er kritisierte, dass bei Dopingfallen oft die Sportler (?Die Sportler sind in dem Sinne Opfer, (…) weil sie vorher nicht adaquat aufgeklart werden“), aber selten Hintermanner wie Arzte rechtlich belangt werden.
[28]
Als seine Gegner sehe er nicht die Sportler, ?sondern die Arzte, die verantwortlichen politischen Stellen und Teile der Journalistik, die daruber hinweg gehen“, so Franke 2015.
[29]
Noch 2017 warf er Bundesinnenministerium und Deutschem Olympischem Sportbund fehlenden Willen zur Aufklarung und Aufarbeitung des westdeutschen Dopings vor.
[30]
Er beklagte, dass gegen Doping-Verantwortliche aus der Bundesrepublik anders als solche aus der DDR nicht gerichtlich vorgegangen wurde, obwohl diese laut Franke ?genau dasselbe gemacht haben.“
[27]
Franke sprach sich ebenfalls fur ein unabhangiges Dopingkontrollsystem aus und kritisierte im Marz 2015: ?Es kann doch nicht sein, dass die Sportverbande diejenigen bezahlen durfen, konnen, sollen, die sie selbst kontrollieren.“
[27]
Seine oft gewahlte Vorgehensweise, mit plakativen und mitunter drastischen Ausspruchen (beispielsweise ?Die IAAF hat einen an der Klatsche“,
[31]
?Da passieren Sauereien am laufenden Band. Ein Beispiel ist die ?ungarische Arschrinne‘“,
[7]
?Jeder weiß doch, dass nur Besoffene und Doofe da anreisen mit positiven Befunden“,
[32]
?Gedopt wie ’ne Sau“
[33]
oder ?Typische freundschaftliche Sudwest-Korruption von Freiburg bis Stuttgart“
[27]
) auf Missstande hinzuweisen, begrundete er 2015 wie folgt: ?Es hat keinen Zweck, man muss proletarisch direkt reden, um gehort zu werden. (…) Ich erschrecke die Menschen mit meinem Vokabular.“
[29]
Franke nannte das ?eine viele Leute verstorende satirische Scharfe“.
[4]
Die
Deutsche Presse-Agentur
schrieb Franke 2020 eine ?fundierte Haudrauf-Mentalitat“ zu.
[34]
2018 forderte Franke gemeinsam mit
Gerhard Treutlein
,
Claudia Lepping
und
Henner Misersky
in einem Brief an den Sportausschuss des Bundestages eine Anderung des Dopingopferhilfegesetzes. Die Gruppe um Franke zweifelte die These des
Doping-Opfer-Hilfevereins
(DOH) an, dass die Schadigungen von DDR-Dopingopfern vererbt sein konnten,
[35]
und forderte, die Gutachten der Antragssteller zu hinterfragen.
[36]
Es entwickelte sich daraus ein offentlicher Streit um die Arbeit des DOH und die Vergabe von Hilfszahlungen fur Dopingopfer.
[37]
Als Franke 2019 der Zutritt zu einer Veranstaltung des Vereins verwehrt wurde, wehrte er sich dagegen.
[38]
Anlasslich Frankes 80. Geburtstags ordnete Treutlein dessen Verdienste mit den Worten ein: ?Um den Kampf gegen Doping und fur Sauberkeit im Sport wurde es viel schlimmer stehen, wenn es ihn und Brigitte Berendonk nicht gegeben hatte“.
[34]
1981 erhielt Franke den
Meyenburg-Preis
fur Krebsforschung. Er wurde 1984 mit dem
Ernst-Jung-Preis
fur Medizinische Forschung ausgezeichnet.
[39]
1986 wurde er als ordentliches Mitglied in die
Heidelberger Akademie der Wissenschaften
aufgenommen.
[40]
Ab 1989 war er Mitglied der
Academia Europaea
.
[41]
1995 wurde der
Deutsche Krebspreis
an Werner Franke (experimenteller Teil) und Claus Garbe (klinischer Teil) verliehen.
Werner Franke erhielt 2004 zusammen mit seiner Ehefrau Brigitte Berendonk das Bundesverdienstkreuz am Bande des
Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland
, vor allem als Auszeichnung fur den Kampf ?gegen die menschenverachtenden und kriminellen Methoden des Dopings“.
[42]
2007 wurde Franke vom
Deutschen Hochschulverband DHV
mit der Auszeichnung ?
Hochschullehrer des Jahres
“ geehrt.
[43]
2009 wurde ihm die Ehrenmedaille der Medizinischen Fakultat der
Karls-Universitat Prag
verliehen.
[39]
Im April 1994 veroffentlichte die
Berliner Zeitung
eine sechsteilige Serie
Doping in der DDR
von Franke:
- Kollektiver Zwang zum Schweigen
- Bartwuchs bei Sportlerinnen und Abtreibungen auf Kommando
- Ein zuckerkranker Sportler wurde zum korperlichen Wrack gespritzt
- Kinder ? Spielballe fur Mediziner und Trainer
- Das Gesetz war fur die Arzte keine Hurde
- Aus Jena rund um den Globus
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