Władysław Gomułka,
Tarnname
Wiesław, Feliks Duniak
[1]
(*
6. Februar
1905
in
Krosno
,
Galizien
, damals
Osterreich-Ungarn
; †
1. September
1982
in
Konstancin-Jeziorna
) war ein polnischer Politiker und von Oktober 1956 bis Dezember 1970 Parteichef der
Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei
(PVAP).
Gomułka wurde in eine Arbeiterfamilie geboren. Nach einigen Jahren Grundschulbildung wurde er Schlosser und schlug dann eine Funktionarskarriere ein, zunachst in dezidiert linken Gewerkschaften, ab 1926 in der
Kommunistischen Partei Polens
(KPP). 1929 wurde er in die oberste Fuhrungsebene der kommunistisch kontrollierten Partei PPS-Lewica gewahlt, die 1931 von den Behorden aufgelost wurde. Nachdem er wegen seiner Aktivitaten von 1932 bis 1934 zwei Jahre in Haft verbracht hatte, fuhr er wahrend einer Haftverschonung aus gesundheitlichen Grunden fur ein Jahr zur Schulung in die
Sowjetunion
. Nach seiner Ruckkehr wurde er 1935 erneut verhaftet und mit Unterbrechungen bis Kriegsbeginn 1939 erneut inhaftiert. Die Jahre 1939 bis 1942 verbrachte er im
sowjetisch besetzten Teil Polens
in
Białystok
und
Lemberg
, wo er Abteilungsleiter einer Papierfabrik war, bzw. nach dem deutschen Uberfall auf die UdSSR im Untergrund. Im Fruhjahr 1941 erfolgte seine Aufnahme in die
Kommunistische Partei der Sowjetunion
.
[2]
Gomulka begab sich 1942 uber das heimatliche
Karpatenvorland
nach Warschau, wo er die
Polnische Arbeiterpartei
(
Polska Partia Robotnicza,
PPR) im Untergrund mitbegrundete. Nach dem Tod zweier anderer Funktionare wurde er zum Generalsekretar der Partei bestimmt. In dieser Funktion entfaltete er eine rege publizistische Tatigkeit und pragte das im Herbst 1943 veroffentlichte Programm der Partei entscheidend. Zudem wirkte er entscheidend daran mit, Splittergruppen anderer Parteien zu mobilisieren, die in den vorbereitenden Strukturen fur ein kommunistisch gesteuertes Nachkriegspolen mitarbeiteten. Nachdem im November 1943 mehrere andere Parteifuhrer von der
Gestapo
verhaftet worden waren, verblieb Gomułka als einzige Fuhrungspersonlichkeit aktiv und dominierte damit die Partei. Lediglich
Bolesław Bierut
trat aufgrund seiner guten Verbindungen nach Moskau noch einige Monate als Konkurrent auf, bis Gomułka sich auch gegenuber der sowjetischen Fuhrung etabliert hatte.
[3]
In der neuen
kommunistisch-gefuhrten Regierung
fungierte Gomułka als stellvertretender Ministerprasident und Minister fur die ?
wiedergewonnenen Gebiete
“, also die bisherigen
deutschen Ostgebiete
.
Innerhalb der Arbeiterpartei (ab 1948 Polnische Vereinigte Arbeiterpartei) kam es bald zu Streitigkeiten uber die politische Ausrichtung, bei denen Gomułka fur eine nationalpolnische kommunistische Losung pladierte. Das Lager der engen Stalin-Anhanger um
Bolesław Bierut
,
Hilary Minc
und
Jakub Berman
konnte sich jedoch mit Moskauer Unterstutzung durchsetzen und sturzte Gomułka im Herbst 1948 wegen angeblicher
rechtsnationalistischer Abweichungen.
In der folgenden stalinistischen Phase bereitete man einen
Schauprozess
gegen ihn vor, der jedoch nicht zustande kam. 1951 wurde er jedoch verhaftet und aus der Partei ausgeschlossen. 1954 erfolgte seine Freilassung.
Nachdem die
politischen Unruhen im Herbst 1956
eskaliert waren und Parteichef
Edward Ochab
abgelost worden war, kehrte Gomułka im Triumph und mit der Unterstutzung von weiten Teilen der polnischen Gesellschaft an die Macht zuruck und wurde zum Parteichef der
Polnischen Vereinigten Arbeiterpartei
(
PVAP
) gewahlt. Die Sowjetunion stand ihm zunachst ablehnend gegenuber,
[4]
war jedoch schließlich bereit, Gomułka anzuerkennen, nachdem er die sowjetische Besatzung Polens nicht mehr anprangerte. Am 29. Oktober 1956 erschien er auf der Tribune vor dem
Warschauer Kulturpalast
vor einer riesigen Menge von Warschauern und wurde sturmisch begrußt.
Er bremste die unter seinen Vorgangern noch nicht vollzogene
Kollektivierung
der privaten Landwirtschaft ab, erlaubte im begrenzten Rahmen private
Kleinunternehmen
und konzentrierte sich auf die Modernisierung der bereits in Staatsbesitz befindlichen Produktion. Mit dieser Wirtschaftsstrategie erzielte die
polnische Wirtschaft
in den spaten 1950er und fruhen 1960er Jahren hohe
Wachstumsraten
. Die Versorgung mit lebensnotwendigen Gutern stabilisierte sich und auch neuartige Konsumguter wie Fernseh- und elektrische Haushaltsgerate waren bald in den meisten Haushalten vorhanden. Die Stadte wuchsen rasch durch staatliche Wohnungsbauprogramme und die Entwicklung der
Plattenbauverfahren
, welche in den 1970ern ihren Hohepunkt erreichten.
Die Kehrseite dieser Entwicklung war eine baldige erneute Zunahme der von Gomułka anfanglich stark gelockerten staatlichen Repressalien, vor allem gegen kritische Intellektuelle und die in Polen gesellschaftlich einflussreiche
katholische Kirche
. Die nach wie vor bestehende politische Abhangigkeit Polens von der Sowjetunion machte auch Gomułkas anfanglich relativ populare Regierung, die von vielen Polen als das gegenuber den moskautreuen Kommunisten geringere Ubel betrachtet wurde, zunehmend unbeliebt.
Die in Europa ab den spaten 1960er Jahren um sich greifenden
Studentenrevolten
und die
Ereignisse in der Tschechoslowakei
verscharften die Unzufriedenheit mit der polnischen Regierung (nebst dem
DDR
-Staatsratsvorsitzenden
Walter Ulbricht
gehorte Gomułka zu entschiedensten Gegnern der Reformpolitik im Nachbarland).
[5]
Ab jetzt begann dem Parteichef Gomułka sogar innerhalb der Partei selbst die Macht zu entgleiten. Im Krisenjahr 1968 spielten andere, wie etwa Innenminister
Mieczysław Moczar
, die Hauptrolle bei unruhmlichen Ereignissen wie der
Niederschlagung der Studentenproteste
und einer
antizionistischen
Kampagne.
Einen letzten Versuch, seiner Entmachtung zu entrinnen, stellte die Annaherung an die
Bundesrepublik Deutschland
dar. Gomułka bot am 17. Mai 1969 der westdeutschen Regierung Verhandlungen an. Der neue
Bundeskanzler
Willy Brandt
griff diesen Faden auf, sodass Anfang Dezember 1970 der
Warschauer Vertrag
unterzeichnet werden konnte. Er enthielt die Bestatigung der
Oder-Neiße-Grenze
durch die Bundesrepublik, sodass Gomułkas politisches Hauptziel erreicht war. Bereits zwei Wochen spater ? nach Ausbruch gewalttatiger
Arbeiterunruhen an der Ostseekuste
? wurde er jedoch von seinen Parteigenossen gesturzt.
Heute gilt Gomułka gemeinhin als ein relativ glaubwurdiger Vertreter eines nationalkommunistischen Kurses, der zudem polnischen ?Stallgeruch“ besessen und sich niemals bereichert hatte. Negativ schlugen allerdings Vorkommnisse wie sein Schießbefehl auf die Danziger Demonstranten 1970 zu Buche.
- Wladyslaw Gomulka:
Ausgewahlte Reden und Aufsatze: 1960?1963.
Dietz-Verlag, Berlin 1965.
- Anita Pra?mowska:
Władysław Gomułka: a biography,
London: I.B. Tauris 2016.
- ↑
Biuletyn Informacji Publicznej Instytutu Pami?ci Narodowej.
ipn.gov.pl,
abgerufen am 26. Marz 2019
(polnisch).
- ↑
Andrzej Friszke, Antoni Dudek:
Geschichte Polens 1939?2015
, Brill Schoningh, Paderborn 2022, S. 114.
- ↑
Andrzej Friszke, Antoni Dudek:
Geschichte Polens 1939?2015
, Brill Schoningh, Paderborn 2022, S. 115.
- ↑
Ich bin ein Lump, Herr Staatsanwalt! ? Gehenkte machen Revolution / Vom Schicksal der Laszlo Rajk, Traitscho Kastoff, Rudolf Slansky und anderer geehrter Toter.
Der Spiegel
4/1957 vom 23. Januar 1957, S. 28?35.
- ↑
Kornelia Lobmeier:
Als nach dem Fruhling der Winter kam: Prag 1968 und die Folgen.
museumsmagazin 3/2003 der Stiftung ?Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“.