Vorfrieden von Leoben

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Vorfrieden von Leoben, gemalt von Guillaume Guillon-Lethiere .

Der Vorfriede (Praliminarfriede) von Leoben war ein vorlaufiges Abkommen zwischen Frankreich und Osterreich zwecks Einstellung der Feindseligkeiten zwischen den beiden Großmachten im Ersten Koalitionskrieg (1792?1797) und Vorbereitung eines endgultigen Friedens. Der Vorfriede von Leoben wurde am 18. April 1797 durch General Napoleon Bonaparte und dem osterreichischen General Merveldt unterzeichnet. Das Abkommen selbst wurde erst am 4. Mai bzw. 14. Mai 1797 von den Regierungen Frankreichs und Osterreichs genehmigt und am 24. Mai 1797 ratifiziert. Der abschließende Friede von Campo Formio wurde erst am 17. Oktober 1797 geschlossen.

Ursachlich fur den Praliminarfrieden von Leoben war der Siegeszug Napoleon Bonapartes in Oberitalien wahrend des Ersten Koalitionskrieges . In den Schlachten bei Castiglione (5. August 1796), Bassano (8. September 1796), Arcole (15.?17. November 1796) und Rivoli (14.?15. Januar 1797) hatte die franzosische Italienarmee unter dem Oberbefehl Napoleons glanzende Siege gegen Osterreich errungen. [1] Sie bildeten die Voraussetzung fur die Einnahme der wichtigen osterreichischen Festung Mantua durch die Truppen Bonapartes am 2. Februar 1797. [2] Der Fall der osterreichischen Schlusselfestung ermoglichte es Napoleon, die Entscheidung des Italienfeldzugs in den osterreichischen Erblanden selbst herbeizufuhren. Am 16. Marz 1797 besiegten die Truppen Bonapartes die Osterreicher an der Livenza und am Tagliamento . [3] Am 2. April 1797 gelang den Franzosen der Durchbruch ins Pustertal und bereits funf Tage spater drang eine Vorhut der franzosischen Italienarmee unter General Andre Massena bis Leoben in der Obersteiermark vor. [4] Am 18. April ruckte Napoleon mit seiner Hauptarmee in Leoben ein. [5] Der franzosische Vorstoß bis Leoben, nur noch vier Tagesmarsche von Wien entfernt, das Ausbleiben weiterer englischer Hilfe und der Ruckzug eines russischen Hilfscorps offenbarten die desastrose militarische Lage Osterreichs und fuhrten zu Verhandlungen der Wiener Hofburg mit Napoleon auf Schloss Goß ( Stift Goß , der damaligen Residenz des Bischofs von Leoben) bei Leoben. [6] Auch fur Napoleon kamen die Verhandlungen nicht ungelegen, weil seine Armee durch den Ausbruch eines Aufstands im venezianischen Gebiet ? namlich in Verona am 17. April 1797 ? sowie durch teilweise militarische Fortschritte der Osterreicher in Tirol im Rucken bedroht war. [7]

Vertragsunterzeichnung

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Eggenwald’sches Gartenhaus in Leoben

Nachdem Kaiser Franz II. und der osterreichische Staatskanzler Thugut in die von Napoleon vehement geforderte Abtretung des Herzogtums Mailand am 15. April eingewilligt hatten, drangten die osterreichischen Unterhandler in Leoben auf einen raschen Verhandlungsabschluss, vor allem weil Napoleon Osterreich einen in vielfacher Hinsicht gunstigen Vertragsabschluss zugestand. Auch drohte am Verhandlungsort stundlich die Ankunft von General Henri Clarke , des eigentlichen Bevollmachtigten des Direktoriums fur die vorlaufigen Friedensverhandlungen, von dem hartere Bedingungen fur Osterreich erwartet wurden. Noch vor der Ankunft Clarkes unterzeichneten am 18. April 1797 Napoleon Bonaparte fur Frankreich sowie Generalmajor Graf von Merveldt und Marchese di Gallo fur Osterreich in dem Gartenhaus des Josef von Eggenwald nahe Leoben die Friedenspraliminarien. [8]

Die am 4. Mai bzw. 14. Mai 1797 von den Regierungen Frankreichs und Osterreichs genehmigten und am 24. Mai 1797 ratifizierten Praliminarien umfassten die Vereinbarung eines sechsmonatigen Waffenstillstands zwischen Osterreich und Frankreich und ein vorlaufiges Abkommen zwischen den beiden Großmachten uber verschiedene territoriale Fragen in Belgien , Frankreich, Deutschland und Italien . Insbesondere wurde vereinbart, dass Osterreich in dem noch abzuschließenden Definitivfrieden mit der franzosischen Republik die Osterreichischen Niederlande (Belgien) an diese abtreten wird und auf die Lombardei (mit Mailand ) zugunsten eines neu zu bildenden Freistaats in Norditalien (spatere Cisalpinische Republik ) gegen geplante Entschadigung durch das Landgebiet der Republik Venedig zwischen Oglio , Po und Adria nebst Dalmatien und Istrien verzichten wird (Artikel 6 der nicht geheimen sowie Artikel 1 und 8 der geheimen Vereinbarung). Das ubrige Territorium der Republik Venedig auf dem italienischen Festland, d. h. das zwischen der Adda , dem Po, dem Oglio, dem Veltlin und Tirol eingeschlossene Gebiet, sollte der franzosischen Republik zugunsten der neu zu bildenden norditalienischen Republik (d. h. zugunsten der spateren Cisalpinischen Republik, die erst am 29. Juni 1797 geschaffen wurde) zugeteilt werden (Artikel 2 und 8 der Geheimartikel). Ebenso sollte das von einem Verwandten des Kaisers regierte Herzogtum Modena (nebst Reggio sowie dem Herzogtum Massa und Carrara ) an die neu zu bildende norditalienische (Cisalpinische) Republik fallen, der Herzog von Modena dafur anderweitig entschadigt werden (Artikel 9 der Geheimartikel). Die Republik Venedig sollte als Entschadigung fur den Verlust ihres ganzen festlandischen Gebiets die papstlichen Legationen Romagna , Bologna und Ferrara , die der Kirchenstaat erst im Februar 1797 im Friedensvertrag von Tolentino an Frankreich abgetreten hatte, erhalten (Artikel 4 der Leobener Geheimartikel; zu der Abtretung an die Republik Venedig kam es spater aber nicht mehr). Die erst am 2. Februar 1797 von den Franzosen nach harten Kampfen eingenommene Festung Mantua sollte ? nebst den venezianischen Festungen Palma-Nuova , Peschiera del Garda und Porto Legnago ? an Osterreich zuruckgegeben bzw. Osterreich ubergeben werden (Artikel 6 der Geheimartikel). Außerdem wurde vereinbart, dass die Franzosen die osterreichischen Erblande raumen und die Feindseligkeiten gegen das Heilige Romische Reich deutscher Nation aufgeben sollten (Artikel 5 und 8 der nicht geheimen Vereinbarung). Sodann sollte der definitive Friede zwischen Frankreich und Osterreich auf einem Kongress in Bern (Artikel 4 der nicht geheimen Vereinbarung), zwischen Frankreich und dem Heiligen Romischen Reich deutscher Nation auf einem anderen Kongress in einer deutschen Stadt ?sur la base de l’integrite de l’Empire Germanique“ (auf der Grundlage der Integritat des Deutschen Reichs) vereinbart werden (Artikel 5 der nicht geheimen Vereinbarung). Im Ubrigen sollte Kaiser Franz II. die Grenzen Frankreichs anerkennen, wie sie durch die Gesetze der franzosischen Republik festgesetzt sind (Artikel 6 der nicht geheimen Vereinbarung: ?reconnait les limites de la France decretees par les loix de la Republique Francaise“). [9]

Unterschiedliche Auslegungen des Vertrags

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Es war offensichtlich, dass zwischen den Artikeln 5 und 6 der nicht geheimen Praliminarien ein klarer Widerspruch bestand, denn die gesetzlichen Grenzen der Republik Frankreich umfassten zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses schon außer Belgien auch das Hochstift Luttich , die Abteien Stablo und Malmedy , die Grafschaft Ligne , zahlreiche deutsche Reichsstande , ferner Reichsgebiete im Elsass , in Lothringen , in der Franche-Comte sowie im Franzosischen und angrenzenden Schweizer Jura (das Furstentum Salm-Salm in den Vogesen, die Grafschaften Saarwerden in Lothringen und Mompelgard / Montbeliard in der Freigrafschaft Burgund sowie große Teile des Hochstifts Basel mit dem Elsgau/Ajoie ), so dass von einer Integritat (Unverletzlichkeit) des Reichsgebiets nicht die Rede sein konnte. Gleichwohl unterzeichneten die osterreichischen Bevollmachtigten, Marchese di Gallo und Generalmajor Merveldt , den vor allem durch Napoleon ausgehandelten Vertrag. Immerhin enthielt dieser nach seinem Wortlaut den Verzicht Frankreichs auf die wichtigen linksrheinischen Hochstiftsgebiete Mainz , Worms und Speyer . Die osterreichische Regierung ging wie die preußische, die kurz darauf von der Vertragsunterzeichnung erfuhr, davon aus, dass die linksrheinischen Gebiete des Heiligen Romischen Reiches deutscher Nation großenteils dem Reich verblieben (noch am 15. Mai 1797 war das preußische Ministerium der Auffassung, dass der Leobener Vertrag dem Reich das ganze linke Rheinufer zuruckgebe ?mit Ausnahme der schon in Departements verwandelten Gebiete und eines zur Verteidigung notwendigen Grenzstriches“). In Paris zielten jedoch die Direktoren Paul de Barras , Jean Francois Reubell und Louis-Marie de La Revelliere-Lepeaux , die fur eine Erweiterungspolitik der ?naturlichen Grenzen“ Frankreichs eintraten, mit Hilfe des dehnbaren Ausdrucks ?gesetzliche Grenzen“ (Artikel 6 des nicht geheimen Vertrags) auf den Erwerb aller linksrheinischen Reichsgebiete. Sie fanden die vorlaufigen Friedensbestimmungen noch viel zu gunstig fur Kaiser Franz II. und den Gedanken einer Ruckgabe Mantuas an Osterreich unertraglich. Insofern konnten sie nur muhsam fur die Bestatigung des von Napoleon abgeschlossenen Praliminarfriedens gewonnen werden. Eine Minderheit im hochsten franzosischen Regierungsgremium, namlich die Direktoren Lazare Nicolas Carnot und Etienne-Francois Le Tourneur , vertrat im Gegensatz zu Barras, Reubell und La Revelliere-Lepeaux gegenuber der Wiener Hofburg eine gemaßigtere Linie und war damit einverstanden, dass man Kaiser Franz II. nicht durch kompromissloses Verhalten reizen und der offentlichen Meinung in Frankreich, die baldigen Frieden wunschte, sich nicht langer widersetzen durfe. Gleichwohl war aber zumindest Carnot sich uber die illusionistischen und blauaugigen Vorstellungen der osterreichischen Regierung bezuglich der Leobener Abmachungen im Klaren. Schon Ende Mai 1797 außerte Direktor Carnot gegenuber dem preußischen Gesandten in Paris: ?Das Wiener Kabinett hat wohl ubersehen, dass es durch die Anerkennung der konstitutionellen Grenzen zugleich das linke Rheinufer [Frankreich] bewilligt. Selbst Mainz konnte, genau genommen, in diese Grenzen einbezogen werden!“ Bald stellte sich uberdies heraus, dass weder General Bonaparte, noch das Direktorium gesonnen waren, sich an einzelne Teile der Abmachungen (Integritat des Reichsgebiets und Entschadigung Venedigs) zu halten, dass aber auch die osterreichische Regierung unter Thugut darauf abzielte, die Praliminarien zu weiteren Vorteilen Osterreichs umzuarbeiten (v. a. Forderung nach Entschadigung des mit Kaiser Franz II. verwandten Herzogs von Modena, Ercole III. d’Este , mit der Romagna und Ferrara). [10]

Die endgultigen Friedensvereinbarungen zwischen Frankreich und Osterreich wurden am 17. Oktober 1797 im Frieden von Campo Formio getroffen.

  • Gunter Jontes: Der Vorfriede von Leoben und die Ereignisse der ersten franzosischen Invasion in der Steiermark. Obersteirischer Kulturbund, Leoben 1997, ISBN 978-3-9500191-6-2

Einzelnachweise

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  1. Gerhard Taddey (Hrsg.): Lexikon der deutschen Geschichte . Personen, Ereignisse, Institutionen. Von der Zeitwende bis zum Ausgang des 2. Weltkrieges. 2., uberarbeitete Auflage. Kroner, Stuttgart 1983, ISBN 3-520-81302-5 , S. 56, 93, 199?200, 1053.
  2. Karl Theodor Heigel: Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs d. Gr. bis zur Auflosung des alten Reiches, Zweiter Band: Vom Feldzug in der Champagne bis zur Auflosung des alten Reiches (1792?1806), Stuttgart u. Berlin 1911, S. 225.
  3. Karl Theodor Heigel: Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs d. Gr. bis zur Auflosung des alten Reiches, Zweiter Band: Vom Feldzug in der Champagne bis zur Auflosung des alten Reiches (1792?1806), Stuttgart u. Berlin 1911, S. 231.
  4. Karl Theodor Heigel: Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs d. Gr. bis zur Auflosung des alten Reiches, Zweiter Band: Vom Feldzug in der Champagne bis zur Auflosung des alten Reiches (1792?1806), Stuttgart u. Berlin 1911, S. 233.
  5. Karl Theodor Heigel: Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs d. Gr. bis zur Auflosung des alten Reiches, Zweiter Band: Vom Feldzug in der Champagne bis zur Auflosung des alten Reiches (1792?1806), Stuttgart u. Berlin 1911, S. 233.
  6. Gerhard Taddey (Hrsg.): Lexikon der deutschen Geschichte. Personen, Ereignisse, Institutionen. Von der Zeitwende bis zum Ausgang des 2. Weltkrieges. 2., uberarbeitete Auflage. Kroner, Stuttgart 1983, ISBN 3-520-81302-5 , S. 727; Heinrich von Sybel: Geschichte der Revolutionszeit 1789?1800, 7. Bd., Stuttgart 1899, S. 422?438.
  7. Der Kaiserstaat Oesterreich unter der Regierung Kaisers Franz I. und der Staatsverwaltung des Fursten Metternich. Mit besonderer Rucksicht auf die Lebensgeschichte der Beiden, Hallberger’sche Verlagshandlung, Stuttgart 1836, S. 182.
  8. Heinrich von Sybel: Geschichte der Revolutionszeit 1789?1800, 7. Bd., Stuttgart 1899, S. 430?433, 438. ? Ferdinand Krauss: Die eherne Mark. Eine Wanderung durch das steirische Oberland, Bd. 1, Graz 1892, S. 359.
  9. M. de Clercq: Recueil des Traites de la France, publie sous les auspices de M. C. de Feycinet, President de Conseil, Ministre des Affaires Etrangeres, Tome I (1718?1802), Paris 1880, S. 319?322. - Heinrich von Sybel: Geschichte der Revolutionszeit 1789?1800, 7. Bd., Stuttgart 1899, S. 290, 325, 430?436. - Karl Theodor Heigel: Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs d. Gr. bis zur Auflosung des alten Reiches, Zweiter Band: Vom Feldzug in der Champagne bis zur Auflosung des alten Reiches (1792?1806), Stuttgart u. Berlin 1911, S. 238?239, 241?242. - Napoleons Leben. Meine ersten Siege. Sechs Bande, 2. Band, 2. Aufl., Verlag Robert Lutz, Stuttgart 1910, S. 180?181; Gerhard Taddey (Hrsg.): Lexikon der deutschen Geschichte. Personen, Ereignisse, Institutionen. Von der Zeitwende bis zum Ausgang des 2. Weltkrieges. 2., uberarbeitete Auflage. Kroner, Stuttgart 1983, ISBN 3-520-81302-5 , S. 727.
  10. Karl Theodor Heigel: Deutsche Geschichte vom Tode Friedrichs d. Gr. bis zur Auflosung des alten Reiches, Zweiter Band: Vom Feldzug in der Champagne bis zur Auflosung des alten Reiches (1792?1806), Stuttgart u. Berlin 1911, S. 235?242. - Der Kaiserstaat Oesterreich unter der Regierung Kaisers Franz I. und der Staatsverwaltung des Fursten Metternich. Mit besonderer Rucksicht auf die Lebensgeschichte der Beiden, Hallberger’sche Verlagshandlung, Stuttgart 1836, S. 183?184. - Heinrich von Sybel: Geschichte der Revolutionszeit 1789?1800, 8. Bd., Stuttgart 1899, S. 33?38, 48?50; Gerhard Taddey (Hrsg.): Lexikon der deutschen Geschichte. Personen, Ereignisse, Institutionen. Von der Zeitwende bis zum Ausgang des 2. Weltkrieges. 2., uberarbeitete Auflage. Kroner, Stuttgart 1983, ISBN 3-520-81302-5 , S. 727.