Vokativ

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Unter Vokativ (auch Anredefall oder Anredeform ) versteht man gemeinhin eine spezielle Form eines Nomens , zumeist eines Substantivs , die gebraucht wird, um den Adressaten einer sprachlichen Außerung direkt anzureden oder anzurufen. Der Vokativ wird manchmal nicht als Kasus im grammatischen Sinne angesehen, weil er nicht als Satzglied fungiert, sondern als Anruf- und Anredeform des Nomens , die allerdings in manchen Sprachen oberflachlich wie ein Kasus aussehen kann. Eine solche kasusahnliche Vokativform gab es sehr wahrscheinlich im Ur-Indogermanischen , welche bis heute in einigen Nachfolgesprachen Europas und des indoiranischen Sprachraums erhalten ist.

Definitorisches

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?Der Anruf ist ein Hinweis auf eine zweite Person mit dem Zweck einer von dem Angerufenen selbst zu erschließenden Aufforderung. Seine charakteristische Kasusform ist der Vokativ.“

? Alfons Nehring [1]

Der Vokativ wird in der deutschsprachigen Sprachwissenschaft , in den europaischen Philologien und in der Indogermanistik ublicherweise als Kasus aufgefasst und als solcher in der Formenlehre ( Morphologie ) verortet; in der angelsachsischen Sprachwissenschaft dagegen wird ?vocative“ haufig als Phrase verstanden und fallt damit in das Teilgebiet der Syntax . Diese unterschiedlichen Definitionen fuhren oft zu Missverstandnissen. Dieser Artikel baut, der deutschsprachigen und indogermanistischen Tradition folgend, indessen auf der Definition des Vokativs als Anruf- und Anredeform des Nomens auf. Die Vokativphrase wird weiter unten erlautert.

Vokativ als Kasus

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Der Vokativ wird in den Grammatiken der klassischen Sprachen zu den Fallen ( Kasus ) gezahlt. Dies liegt darin begrundet, dass er vor allem auf der Oberflache wie ein Fall aussieht; man vergleiche die Deklinationsmuster des Wortes fur Wolf in den miteinandern verwandten klassischen Sprachen Latein, Altgriechisch, Sanskrit und der mit diesen vermutlich nicht verwandten Kaukasussprache Georgisch:

Latein Altgriechisch Sanskrit Georgisch
Nominativ lup-us lyk-os v?k-a? mgel-i
Ergativ mgel-ma
Akkusativ lup-um lyk-on v?k-an
Genitiv lup-? lyk-ou v?k-asya mgel-is
Dativ lup-? lyk-?(i) v?k-?ya mgel-s
Instrumental v?k-e?a mgel-it
Ablativ lup-? v?k-?t
Lokativ v?k-e
Adverbialis mgel-ad
Vokativ lup-e! lyk-e! v?k-a! mgel-o!

Funktion des Vokativs

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Der Vokativ sieht also zwar aus wie ein Fall, er hat jedoch eine andere Funktion als die ubrigen Falle. Wahrend Nominativ, Genitiv und die anderen Falle dazu dienen, die Syntax , also den Satzaufbau einer Sprache zu gestalten, und das jeweilige Verhaltnis zweier sprachlicher Denotate zueinander zum Ausdruck bringen, steht ein Nomen im Vokativ außerhalb des Satzes. Ein Vokativ dient ? vereinfacht gesagt ? dazu, den Kontakt zwischen Sprecher und angesprochener Person herzustellen (Anruf) oder aufrechtzuerhalten (Anrede).

Vokativbildung in den indogermanischen Sprachen

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Der indogermanische Vokativ, der sich fur gewohnlich auf den Singular beschrankt, sei am Beispiel des Wortes fur ?Wolf“ illustriert, einem typischen maskulinen o -Stamm:

Nominativ Vokativ
Urindogermanisch *wl?k?=o-s *wl?k?=e!
Altindisch vr?k=a-s vr?k=a!
Altgriechisch lyk=o-s lyk=e!
Latein lup=u-s lup=e!
Gotisch wulf-s wulf!
Altkirchenslavisch vlьk=ъ vlь?=e!
Litauisch vilk=a-s vilk=e!

Erklarung zur Notation: Der sog. Themavokal wird vom jeweiligen Wortstamm mittels Gleichheitszeichen (=) getrennt, die eigentliche Kasusendung (im Nominativ zumeist -s) mittels Bindestrich. Nullendungen werden nicht angegeben. Der Stern (*) vor den urindogermanischen Wortern bedeutet, dass es sich um hypothetische Wortrekonstruktionen handelt, die nicht durch schriftliche Quellen belegt sind.

Zwei morphologische Phanomene lassen sich beschreiben:

  1. Vermutlich bereits im Urindogermanischen wurde das Wortbildungssuffix -o- im Vokativ zu -e- abgelautet . Dieser Vokalwechsel halt sich auch in den wichtigsten Nachfolgesprachen, wenngleich -o- teilweise verandert wird.
  2. Das typische Kasus suffix fur den Nominativ war -s . Der Vokativ selbst war in der Regel ohne Suffix, woran sich bereits seine Ausnahmestellung im Kasussystem erkennen lasst.

Entwicklung des Vokativs in den indogermanischen Sprachzweigen

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In einigen indogermanischen Sprachzweigen ist der Vokativ außer Gebrauch geraten und seine Form darum verschwunden, in anderen dagegen ist er erhalten und wird bis heute verwendet. Einige Sprachen haben außerdem neue Vokativformen ausgebildet. Eine Ubersicht:

Sprachfamilie Vokativ bewahrt maskuliner Vokativ erhalten,
femininer Vokativ verschwunden
Vokativ vollig verschwunden Vokativ neu gebildet
Baltische Sprachen: Litauisch Lettisch
Germanische Sprachen: Ostgermanisch (Gotisch) Westgermanisch
(Englisch, Niederlandisch, Friesisch)
Nordgermanisch
(Danisch, Islandisch, Norwegisch, Schwedisch)
Keltische Sprachen Bretonisch Galisch, Walisisch
Italische Sprachen: Lateinisch
Romanische Sprachen: Portugiesisch, Spanisch,
Katalanisch, Provenzalisch,
Franzosisch, Ratoromanisch,
Italienisch
Rumanisch
Slawische Sprachen: Bulgarisch,
Bosnisch/Kroatisch/Serbisch,
Polnisch, Tschechisch,
Ukrainisch
Obersorbisch Niedersorbisch, Slowakisch, Slowenisch, Belarussisch Russisch
Indoiranische Sprachen: Kurdisch Hindi/Urdu Persisch (Dari, Farsi)
Andere Sprachen: Neugriechisch Armenisch Albanisch

Im Griechischen ist der Vokativ Singular haufiger vom Nominativ verschieden, der Vokativ Plural ist aber immer identisch mit dem Nominativ Plural.

Nominativ Vokativ Ubersetzung Anmerkungen
Maskulina o-Stamme lykos
(λ?κο?)
lyke!
(λ?κε)
Wolf
i-Stamme ophis ophi! Schlange
u-Stamme hyiys hyiy! Sohn Nur im attischen Dialekt , sonst zum o-Stamm umgeformt: hyios ? hyie!
n-Stamme ky?n
(κ?ων)
kyon!
(κ?ον)
Hund
nt-Stamme ger?n
(γ?ρων)
geron!
(γ?ρον)
Greis
r-Stamme pat?r
(πατ?ρ)
pater!
(π?τερ)
Vater
?-Stamme polit?s
(πολ?τη?)
polita! Burger
Feminina ?-Stamme nymph?
(ν?μφη)
nympha!
(ν?μφ?)
Madchen nur episch, in anderen Dialekten Synkretismus mit dem Nominativ: nymph?!
Konsonantenstamme nyx nyx! Nacht
Besonderheiten gyn? gynai! Frau vereinzelte Form, vermutlich aus dem obliquen Stamm gynaik- gebildet mit Abfall von -k

Bei Maskulina der ?-Deklination fallt das End-s (-?) der Endungen -?s (-η?) bzw. -as (-α?) weg; wenn der Endung -?s (-η?) ein t (τ) vorangeht ( -t?s , -τη?), ist die Endung -t? (-τ?). Beispiele: Nom. tamias ( ταμ?α? ), ?Verwalter, Schatzmeister“ > Vok. tamia! ( ταμ?α ); Nom. bouleut?s ( βουλευτ?? ), ?Ratsmitglied“ > Vok. bouleuta! ( βουλευτ? ).
In der 3. Deklination entspricht der Vokativ fast immer dem Nominativ, es konnen aber Akzentverschiebungen oder Quantitatswechsel auftreten.

Das Neugriechische fuhrt die Vokativformen fur Feminina nicht fort und hat auch die Zahl der maskulinen Deklinationsklassen stark reduziert: Im Prinzip endet im Neugriechischen heute jedes Maskulinum auf Sigma (-s); so wurde der altgriechische Nom.Sg. πατ?ρ pater umgeformt zu πατ?ρα? pateras . Dieses Sigma wiederum fehlt durchgehend in den neugriechischen Vokativformen. Eine Ubersicht:

Nominativ Vokativ Ubersetzung
Maskulina auf -os: kyrios kyrie! Herr
geros gero! Greis
Maskulina auf -as: pateras patera! Vater
Maskulina auf -us: pappous pappou! Opa
Maskulina auf -is: politis politi!
polita! (archaisch)
Burger

Bei zweisilbigen mannlichen Namen auf -os (z. B. Giorgos ) sowie mehrsilbigen zusammengesetzten Namen, deren zweiter Bestandteil ein zweisilbiger Name ist (z. B. Karakitsos aus kara + Kitsos ), lautet der Vokativ niemals auf -e , sondern stets auf -o . Bei Nomina auf -tis (-τη?) endet der Vokativ auf -ti (-τη). Die archaische Form mit der Endung -ta (-τα) kann im gehobenen Sprachniveau sowie unter alteren oder konservativen Sprechern auch benutzt werden (siehe Katharevousa ) oder zur scherzhaften Parodie dieser Sprachform dienen.

Im Lateinischen ist der Vokativ fast immer mit dem Nominativ identisch. Als Fall mit unterscheidbarer Form erscheint er unter anderem bei den (allerdings recht haufigen) maskulinen Wortern der o-Deklination, die im Nominativ auf -us enden. In diesem Fall wird aus der Nominativendung (im Singular) -us im Vokativ die Endung -e (z. B. Brut us Brut e ! , Christ us Christ e ! ). Eine Ausnahme bilden im Nominativ auf -ius endende Worter sowie bestimmte Formen des Possessivpronomens : erstere enden im Vokativ auf -? , letztere haben eigene Formen (z. B. Claudia clamat: ?Consule tibi, m i fil i !“ ? Claudia ruft: ?Sorge fur dich, mein Sohn!“). Griechische Namen auf -?s und -?s bilden einen Vokativ auf -? bzw. -?: Orest?! (auch Oresta! , zu Orest?s ), Aen??! (zu Aen??s , Nebenform Aen?a ), Amynt?! (zu Amynt?s ). Unregelmaßige Vokative sind Hercle! fur Hercules und Jesu! fur Jesus, letzteres ist der griechische Vokativ.

Legendar ist die Ansprache des Augustus zum abgeschlagenen Kopf des Schlachtenverlierers Varus : ? Quinctil i Var e , redde legiones! ? ?Quinctilius Varus, gib [mir] die Legionen zuruck!“

Romanische Sprachen

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Das Rumanische hat als einzige romanische Standardsprache den Vokativ fur Maskulina auf -e aus dem Lateinischen bewahrt und daruber hinaus Vokativformen auf -ule entwickelt; zudem kennt es heute einen Vokativ fur Feminina auf -o , welcher vermutlich durch Sprachkontakt entweder aus der benachbarten Slavia oder aus dem Albanischen entlehnt worden ist. Es gibt jedoch auch einige Substantive, die keine vom Nominativ unterschiedliche Vokativform ausgebildet haben, v. a. solche auf -e :

Nominativ Vokativ Ubersetzung
Maskulina b?rbat b?rbate! Mann
so? so?ulе! Ehemann
frate frate! Bruder
Feminina sor? sorо! Schwester
femeie femeio! Frau
so?ie so?ie! Ehefrau

Eine weitere Besonderheit des Rumanischen besteht in der Herausbildung von Vokativformen im Plural. Diese Formen stimmen, anders als die entsprechenden Singularformen, allerdings mit einer anderen Kasusform uberein, namlich dem Casus obliquus im Plural, der in der rumanischen Sprachwissenschaft haufig Genitiv - Dativ genannt wird. Man vergleiche:

Nominativ Vokativ Ubersetzung
Maskulina b?rba?i b?rba?ilor! Manner
fra?i fra?ilor! Bruder
Feminina fete fetelor! Madchen
so?ii so?iilor! Ehefrauen

Der Gebrauch des Vokativs Plural ist jedoch nicht zwingend; auch ein Gebrauch des Nominativs fur die Anrede ist moglich.

Baltische Sprachen

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Beide lebende Sprachen des baltischen Sprachzweigs zeigen bis heute Vokativformen, und auch die ausgestorbene altpreußische Sprache kannte solche.

Die litauische Sprache hat den Vokativ aus der indogermanischen Ursprache nicht nur erhalten, sondern weiter ausdifferenziert, und zeigt von allen europaischen Sprachen darum die großte Vielfalt an Vokativformen:

Nominativ Vokativ Ubersetzung
Maskulina o-Stamme vilkas vilke! Wolf
jo-Stamme v?jas v?jau! Wind
jo-Stamme brolis broli! Bruder
i-Stamme vagis vagie! Dieb
u-Stamme ?mogus ?mogau! Mensch
n-Stamme ?uo ?unie! Hund
Feminina a-Stamme tauta tauta! Volk
e-Stamme kat? kate! Katze
i-Stamme ?uvis ?uvie! Fisch
r-Stamme dukt? dukterie! Tochter

In der lettischen Sprache ist der Vokativ zwar fur die meisten Substantive vom Nominativ verschieden, aber weniger ublich als im Litauischen und wird v. a. bei den Feminina durch den Nominativ ersetzt.

Nominativ Vokativ Ubersetzung
Maskulina o-Stamme vilks vilk! Wolf
jo-Stamme v?j? v?j! Wind
jo-Stamme br?lis br?li! Bruder
u-Stamme tirgus tirgu(s)! Markt
n-Stamme suns suns! Hund
Feminina ?-Stamme tauta tauta! Volk
e-Stamme kundze kundz(e)! Dame
i-Stamme zivs zivs! Fisch

Keltische Sprachen

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Fur das Urkeltische , das uns nicht uberliefert ist, konnen Vokativformen rekonstruiert werden. Jedenfalls kennt die alteste belegte keltische Sprache, das Gallische , durchaus Vokativformen auf -e fur o-stammige Substantive:

Nominativ Vokativ Ubersetzung
Urkeltisch (~ 500 v. Chr.) *makwos *makwe! Sohn
Gallisch (~ 0 Chr.) mapos mape! Sohn

Sowohl in der irischen als auch in der schottischen Varietat der galischen Sprachen hat sich der Vokativ bis heute erhalten, jedoch in seiner Gestalt stark verandert. Er tritt nur bei Maskulina der o-Deklination auf. In den fruhesten Belegen des Irischen (also in den Ogham -Inschriften) war die Nominativendung der o-Deklination (-os) bereits geschwunden, und ebenso die Vokativ-Endung -e , jedoch kam es durch diese zu einem Umlaut des Stammvokals a > i. Außerdem tritt schließlich eine Vokativpartikel vor das Substantiv, die zu einer Lenierung des Anlauts m > mh [v] fuhrt. Man vergleiche das Wort fur Sohn in mehreren Stadien des Galischen:

Nominativ Vokativ
Urgalisch (~ 0 Chr.) *makkwos *makkwe!
Ogham -Irisch (~ 200?700 n. Chr.) macc *micc!
Alt- u. Mittelirisch (~ 700?1200 n. Chr.) mac a mhic!
Neuirisch (bis heute) mac (a) mhic!

Im Plural der 1. Deklination tritt zudem gelegentlich die Endung -a im Vokativ auf: fir (Manner) ? a fheara! (Manner!)

Britannische Sprachen

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Walisisch kennt bis heute Vokativformen. Deren Entwicklung ist vermutlich ahnlich verlaufen wie im Galischen, allerdings ist die Partikel a , die den Anlaut leniert ( m > f ), nicht mehr erhalten. Eine Umlautung des Stammvokals durch die ursprungliche Endung -e hat nicht stattgefunden:

Nominativ Vokativ
Urbritannisch (> 500 n. Chr.) *mapos *mape!
Altkymrisch (~ 800?1200 n. Chr.) *mab *a mhab!
Neukymrisch (Walisisch) (bis heute) mab fab!

Das Bretonische hat vermutlich die gleiche Entwicklung durchgemacht, jedoch sind die Vokativformen mittlerweile außer Gebrauch:

Nominativ Vokativ
Bretonisch (heute) mab mab!

Slawische Sprachen

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Gebrauch des Vokativs in der Slavia

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Die nicht belegte urslawische Sprache und das seit dem Mittelalter belegte Altkirchenslawische haben den indogermanischen Vokativ fortgefuhrt und formenreich ausgebaut; viele dieser Formen leben in den heutigen slawischen Sprachen fort, darunter im Tschechischen , Polnischen , Obersorbischen , Bulgarischen , Mazedonischen , Ukrainischen , in den nationalen Varietaten der serbokroatischen Sprache (Bosnisch, Kroatisch, Montenegrinisch und Serbisch) und in den Dialekten des Slowakischen .

Vokativ in der Standardsprache Vokativ im Substandard (Dialekte) Vokativ verschwunden
  • Bulgarisch
  • Mazedonisch
  • Obersorbisch
  • Polnisch
  • Serbokroatisch
  • Tschechisch
  • Ukrainisch
  • Slowakisch
  • Belarussisch
  • Niedersorbisch
  • Russisch
  • Slowenisch

Slawische Vokativformen im Vergleich

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Anders als im Lateinischen ist der Vokativ in den betreffenden slawischen Sprachen gut erhalten und nahezu immer vom Nominativ verschieden. Es folgt ein Uberblick uber den Formenbestand der slavischen Sprachen im Vergleich zu den rekonstruierten (und darum mit Asterisk versehenen) Formen des Urslawischen . Dabei sind Formen, die sich nicht lautgesetzlich aus dem Urslawischen in die Tochtersprachen entwickelt haben, sondern durch Analogie entstanden sind, orange markiert. Lautgesetzlicher bedingter Vokalwandel u > i (nur im Tschechischen) ist dagegen grun markiert.

  • Maskulina:
o-Stamme (?Volk‘) o-Stamme (?Wolf‘) jo-Stamme (?Mann‘)
Nominativ Vokativ Nominativ Vokativ Nominativ Vokativ
Urslawisch *narodъ *narode! *vьlkъ *vьl?e! *m??ь *m??u!
Tschechisch narod narode! vlk vlku! mu? mu?i!
Polnisch narod narodzie! wilk wilku! m?? m??u!
Ukrainisch narod narode! vovk vov?e! mu? mu?e!
Serbokroatisch narod narode! vuk vu?e! mu? mu?u!
Bulgarisch narod narode! vъlk vъlko! mъ? mъ?o!
o-Stamme (?Opa‘) u-Stamme (?Sohn‘) jo-Stamme (?Pferd‘)
Nominativ Vokativ Nominativ Vokativ Nominativ Vokativ
Urslawisch *d?dъ *d?de! *synъ *synu! *konjь *konju!
Tschechisch d?d d?de! syn syne! k?? koni!
Polnisch dziad dziadu! syn synu! ko? koniu!
Ukrainisch did didu! syn synu! kin’ konju!
Serbokroatisch djed djede! sin sine! konj konju!
Bulgarisch djado djado! sin sine! kon konjo!
  • Femina:
a-Stamme (?Frau‘) ja-Stamme (?Seele‘) ja-Stamme (?Erde‘)
Nominativ Vokativ Nominativ Vokativ Nominativ Vokativ
Urslawisch *?ena *?eno! *du?a *du?e! *zemja *zemje!
Tschechisch ?ena ?eno! du?e du?e! zem? zem?!
Polnisch ?ona ?ono! dusza duszo! ziemia ziemio!
Ukrainisch ?ona ?ono! du?a du?o! zemlja zemle!
Serbokroatisch ?ena ?eno! du?a du?o! zemlja zemljo!
Bulgarisch ?ena ?eno! du?a du?o! zemja zemjo!
ja-Stamme (?Madchen‘) i-Stamme (?Nacht‘) ?-Stamme (?Blut‘)
Nominativ Vokativ Nominativ Vokativ Nominativ Vokativ
Urslawisch *d?vica *d?vice! *no?ь *no?i! *kry *kry!
Tschechisch ?arod?jnice
(?Zauberin‘)
?arod?jnice! noc noci! krev krvi!
Polnisch zakonnica
(?Nonne‘)
zakonnico! noc nocy! krew krwio!
Ukrainisch bludnycja
(?Hure‘)
bludnyce! ni? no?e! krov krove!
Serbokroatisch djevica djevice! no? no?i! krv krvi!
Bulgarisch devica device! no?t no?t! krъv krъv!

Von allen slawischen Sprachen hat das Tschechische den Vokativ am besten fur die meisten Substantive bewahrt, und ihn außerdem grammatikalisiert: Die Anrede im Vokativ ist die einzig mogliche, die Anrede im Nominativ ungrammatisch. [2]

Hier einige Beispiele fur die Bildung des Vokativ (poln. wołacz ) im Polnischen :

Nominativ Vokativ
Pani Ewa (Frau Eva) Pani Ewo! (Frau Eva! )
Pan profesor (Herr Professor) Panie profesorze! (Herr Professor! )
Krzysztof (Christoph) Krzysztofie! (Christoph! )
Krzy? (Koseform von Krzysztof ) Krzysiu!
Ewusia (Koseform von Ewa ) Ewusiu!
Marek (Markus) Marku!
Bog (Gott) Bo?e! (O Gott! )

Wenn die Person mit ihrem Namen angesprochen wird, benutzt man oft einfach den Nominativ. Die Verwendung des Vokativs klingt heutzutage gehoben oder respektvoll. Beispiel: ?Paweł, …“ (?Paul, …“) ware die normale Alltagsanrede, wahrend ?Pawle, …“ hoflich bzw. respektvoll klingt.

Auch im Russischen haben sich Reste des Vokativs ? in ihrer isolierten Form als Ausdruck besonderen Respekts ? erhalten. Beispiel: Бог (Bog, Nom.) ? Боже (Bo?e, Vok.) . Verwendung: Боже мой! (Bo?e moj!) ? Mein Gott! Zudem gibt es in der Umgangssprache regelhafte Formen fur Namen, die auf a bzw. я enden: Таня (Tanja, Nom.) ? Тань (Tan’, Vok.), Наташа (Natascha, Nom.) ? Наташ (Natasch, Vok.) . [3]

Das in der Lausitz gesprochene Obersorbische besitzt ebenfalls einen Vokativ. Dieser tritt paradigmatisch nur bei mannlichen Substantiven auf. Meistfrequentiert ist hierbei die Endung -o, doch tritt bisweilen auch -je auf:
mu? 'Mann' ? mu?o!
d??d 'Opa' ? d??do!
P?tr (Name) ? P?trje!

Von den Feminina hat nur ein Wort eine vom Nominativ verschiedene Vokativform: ma? 'Mutter' ? ma?i!

Im Bulgarischen wird der Vokativ ublicherweise nur bei einer gewissen Vertrautheit der Gesprachspartner, also im Freundes- und Familienkreis verwendet. Obwohl es vollig ublich ist, auch weibliche, Personen bezeichnende Nomina wie z. B. Mama ( мама (Nom.) ? мамо (Vok.)) in den Vokativ zu setzen, wird hingegen das Setzen weiblicher Vornamen in den Vokativ als grob und unhoflich bzw. sehr ordinar angesehen (z. B. Daniela Даниела (Nom.) ? Даниело * (Vok.; Achtung ? beleidigend! [4] )).

Im Belarussischen wird der Vokativ uberwiegend in den sudlichen und westlichen Dialekten verwendet. Man vergleiche:

Maskulina Feminina
Nominativ дзед_ сябар_ баб-а мам-а
Vokativ дзед-у! сяб_р-а баб-о! мам-о!
Ubersetzung Opa Freund Oma Mama

Iranische Sprachen

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Von den iranischen Sprachen haben vor allem jene Vokativformen bewahrt (oder neu ausgebildet), welche erst unzureichend schriftlich standardisiert sind, namlich die kurdischen Dialekte und Paschtunisch . Darum ist mit einer gewissen dialektalen Vielfalt zu rechnen.

Im Kurmandschi -Dialekt des Kurdischen wird der Vokativ mit der Endung -o bei Maskulina und -e bei Feminina markiert. Beispiele:

Nominativ Vokativ Ubersetzung
Maskulin merik meriko! Mann
Feminin jinik jinike! Frau

Viele arabische Namen, die das Kurdische ubernommen hat, werden abgekurzt, sodass im Allgemeinen kurdische Frauennamen (im Nominativ wie auch im Vokativ) auf -e und die Mannernamen auf -o enden.
Beispiele fur Mannernamen: Mostafa > Misto, Mahmud > Maho, Sayyid > Sayo .
Beispiele fur Frauennamen: Zaynab > Zayne, Fatima > Fatte .

Die paschtunische Sprache kennt ebenfalls fur Maskulina wie fur Feminina Vokativformen. Bei den Maskulina allerdings ist die Vokativform identisch mit dem Obliquus II genannten Objektkasus:

Nominativ Obliquus I Obliquus II Vokativ Ubersetzung
Maskulin wror???? wror???? wrora????? wrora!????? Bruder
Feminin xor??? xor??? xore xore!???? Schwester

Indische Sprachen

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Die altindischen Sprachen Sanskrit und Pali sowie deren altere Stufe, das Vedische , kennen Vokativformen fur fast alle Substantive ? als einziger Zweig des Indogermanischen sogar einige mittels Analogie entstandene Formen fur Neutra:

Nominativ Vokativ Ubersetzung Bemerkungen zu unregelmaßigen Entwicklungen
Maskulina o-Stamme v?ka? v?ka! 'Wolf'
u-Stamme ?atru? ?atro! 'Feind' gleiches Muster fur feminine u-Stamme
i-Stamme agni? agne! 'Feuer' gleiches Muster fur feminine i-Stamme
r-Stamme pit?? pita! 'Vater'
n-Stamme r?j? r?jan! 'Konig'
Feminina ?-Stamme kany? kanye! 'Madchen' Analogie zu den maskulinen i-Stammen
?-Stamme vadh?h vadhu! 'Frau'
?-Stamme str?? stri! 'Weib'
Neutra o-Stamme r?pam r?pa! 'Korper' Analogie zu den maskulinen o-Stammen
u-Stamme madhu madhu! 'Honig' selten Analogie zu den maskulinen u-Stammen: madho!
i-Stamme v?ri v?ri! 'Korper' selten Analogie zu den maskulinen i-Stammen: v?re!

Der Vokativ ist im Hindi im Singular gleich dem Obliquus Singular. Im Plural ist er gleich dem Obliquus Plural ohne die Nasalierung (-o statt -o). Damit ergeben sich vom Nominativ abweichende Endungen fur die Maskulina auf -? und im Plural:

Singular Plural Ubersetzung
Nominativ Vokativ Nominativ Vokativ
Maskulin auf -? la?k? la?k e ! la?ke la?k o ! 'Junge'
Maskulin nicht auf -? und Ausnahmen guru guru! guru guru o ! 'Lehrmeister'
Feminin auf -? la?k? la?k?! la?kiya la?kiy o ! 'Madchen'
Feminin nicht auf -? bah? bah?! bahu? bahu o ! 'Schwiegertochter'

Die vom Altindischen abstammende Sprache Romani hat die indogermanischen Vokativmuster teils bewahrt, teils weiterentwickelt. Fur den Plural hat es eine spezielle Form auf -le entwickelt:

Singular Plural Ubersetzung
Nominativ Vokativ Nominativ Vokativ
Maskulin phral phrala! phrala phralale! 'Bruder'
Feminin phen phene! pheno! phenja phenjale! 'Schwester'

Auch die singhalesische Sprache kennt Vokativformen fur Singular wie fur Plural:

Nominativ Vokativ Ubersetzung
Singular miniha miniho! 'Mann'
Plural minissu minissune! 'Manner'

Auch Sprachen, welche keinen morphologischen Vokativ aufweisen, konnen Vokativphrasen ausbilden, welche sich von anderen Nominalphrasen durch folgende Kriterien unterscheiden:

  • Ein in der Anrede verwendetes Nomen fungiert als Index und wird daher nicht grammatisch determiniert .
  • Zum Nomen der Anrede konnen sich Vokativpartikeln gesellen, welche die Adressatenrolle festlegen.

Artikellosigkeit

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Die Vokativphrase ist in den meisten Artikelsprachen durch Abwesenheit jeglichen Artikels gekennzeichnet, im weiteren Sinne ist sie also eine Nominalphrase ohne Determinativ . Die erste indogermanische Sprache, die einen bestimmten Artikel ausbildete, war Griechisch (und zwar bereits etwa 800 v. Chr.). Unter antiken Grammatikern galt jedoch die Vokativpartikel ? (siehe oben) als Vokativartikel; diese Sichtweise ist heute nicht mehr ublich. Die griechische Vokativphrase wird also durch Artikellosigkeit gekennzeichnet. Im Laufe ihrer Entwicklung bilden auch die germanischen , keltischen und romanischen Sprachen Artikel aus, sodass sich ein analoges Muster fur deren Vokativphrasen ergibt.

Dies ist etwa im Deutschen der Fall, wo im Vokativ kein Artikel gesetzt wird: Da ein Appellativum wie zum Beispiel Gast als Satzglied fur gewohnlich nicht ohne Artikel steht (außer nach als ), ergibt sich aus der artikellosen Verwendung eine Vokativphrase, welche ublicherweise mit einem Adjektivattribut angereichert wird. Dieses Attribut begleitet das Kopfnomen stets in seiner unbestimmten Form:

Lieber Gast, setz dich!

Setz dich, lieber Gast!

NICHT: *
Lieber Gast setzt sich.

In der suddeutschen Umgangssprache und in den oberdeutschen Dialekten ist diese Art der Vokativphrase gelaufiger, da hier auch Eigennamen von Personen in der Nominalphrase einen proprialen Artikel mit sich fuhren (der wie ein bestimmter Artikel aussieht, aber keine semantische Funktion hat):

Das ist 
der
 Peter.

NICHT: *
Das ist Peter.

ABER: 
Lieber Peter!

Vokativpartikeln

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Einige Sprachen verwenden Vokativpartikeln , welche im Anruf meistens dem Substantiv vorangestellt werden. Hierzu gehoren etwa Arabisch , Altgriechisch und Albanisch .

Eine mogliche, jedoch keineswegs obligatorische Vokativpartikel im Deutschen ist das literarische "o". Demnach ist der Vokativ zu Vater ?o Vater!“, zu Tochter ?o Tochter!“ usw. Dieses "o" wurde aus dem Altgriechischen , wo die Partikel ? (?) lautet, ins Deutsche und andere europaische Sprachen entlehnt.

Sehr bekannt und haufig verwendet ist die Vokativpartikel y? in der arabischen Sprache, z. B. in y? rajul! . Diese Partikel kann sowohl konativ , also auffordernd, eingesetzt werden (etwa deutsch: ‘(h)ey Mann!’) als auch honorifikativ , also ehrerbietend (vgl. deutsch (nach griechischem Muster): ‘o Mann!’). [5]

Auch in der neuhebraischen Umgangssprache wird die arabische Vokativpartikel ya verwendet, vermutlich in Folge intensiven Kontaktes beider Sprachen.

Die altgriechische Anrede wurde haufig von der Vokativpartikel ? begleitet, z. B. ? Σ?κρατε?! ?o Sokrates!‘. Ein Fehlen derselben ist ein Zeichen sachlicher Kuhle oder gar Geringschatzung: ? Akoueis, Aischin?? ?? κο?ει?, Α?σχ?νη; “ ?Horst du, Aischines?“ fragt etwa Demosthenes seinen verhassten Gegner. Diese Partikel wurde auch im Lateinischen verwendet, allerdings nur dann, wenn der Eindruck entstehen sollte, man lehne sich an die griechische Sprache an. Uber das Lateinische gelangte diese Partikel auch in die deutsche Hochsprache , findet dort ? ebenso wie im Neugriechischen ? jedoch nur noch selten Verwendung.

Neugriechisch und die Balkansprachen

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In der neugriechischen Sprache ist aus dem Vokativ des Wortes μωρ?? m?ros , welches so viel wie ?Dummkopf“ bedeutet, eine Partikel entstanden, welche ihre abwertende Bedeutung verloren hat und deshalb im Neugriechischen haufig zur informellen Anrede verwendet wird: μωρ?! m?re! .

Daneben existiert eine weitere Partikel βρε vre gleichen Ursprungs, die aus der Kontraktion von more zu mre entstanden ist.

Beide Partikeln wurden in die anderen Sprachen des Balkansprachbunds , welche von der griechischen Sprache stark beeinflusst wurden, entlehnt: Albanisch bre und more , bulgarisch be und more , rumanisch, serbisch und turkisch bre dienen jeweils der familiaren, informellen Anrede, vergleichbar dem jugendsprachlichen deutschen ey oder Alter .

Besonders interessant verhalt sich diese Partikel in der mazedonischen Sprache , wo sie sich in zwei Formen aufgespalten hat: fur die Anrede an eine mannliche Person lautet sie more , an eine weibliche Person dagegen mori .

Dagegen ist die Partikel o im Albanischen sehr gelaufig und wird haufig mit Anrufen und Anreden verbunden. Das Besondere an der albanischen Partikel ist, dass sie nicht zwingend vor dem Substantiv steht, sondern auch gelegentlich dahinter. In diesem Falle ersetzt sie das fur die Anrede im Albanischen ubliche Definitheitssuffix :

Maskulinum Femininum
Nominativ (ohne Definitheitssuffix): cun vajzё
Vokativ mit Definitheitssuffix und Partikel: o cun-i! o vajz-a!
Vokativ mit suffigierter Partikel: cun-o! vajz-o!
Ubersetzung: Bursche Madchen

Im kurmandschi Dialekt des Kurdischen (vgl. oben) kann der Vokativ auch ohne Suffix mit Hilfe eigenstandiger Worter (sog. Partikeln) gebildet werden, die sich je nach Geschlecht der angesprochenen Person unterscheiden:

Name Suffigierter Vokativ Vokativ mit Partikel
Azad (m) Azad-o! lo Azad!
Berivan (f) Berivan-e! le Berivan!

Pradikative Anrede

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Die pradikative Anrede unterscheidet sich von der Vokativphrase dadurch, dass sie den Adressaten durch ein evaluatives, also wertendes Nomen, beschreibt (der Adressat erhalt also ein Pradikat). In der deutschen Sprache ist die pradikative Anrede von der Vokativphrase dadurch zu unterscheiden, dass sie ein Pronomen der 2. Person als Deiktikon enthalten kann, aber nicht muss:

  • (du) Depp! , (du) Genie! , (du) Schlampe!
  • (ihr) Arschlocher! , (ihr) Helden!
  • (Sie) Engel! , (Sie) Schnosel!

Dies ist in der Vokativphrase nicht moglich; das deiktisches Pronomen wird hier intonarisch von der eigentlichen Phrase abgegrenzt:

  • (du,) Schatz!
  • (Sie,) Frau Muller!

Die Aussage ist denn auch eine vollig andere: Die pradikative Anrede du Schatz! soll jemanden als Schatz , also als wertvollen oder lieben Menschen, charakterisieren. In der Vokativphrase (du,) Schatz! dient Schatz dagegen als Kosename, also als Ersatz fur den Namen eines vertrauten Menschen. Noch deutlicher wird dies am Diminutiv Schatzchen , das nur in der Vokativphrase gebraucht wird (um jemanden zu ermahnen), nicht aber als pradikative Anrede: * (du) Schatzchen! .

Skandinavische Sprachen

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In den nordgermanischen Sprachen hat sich eine spezifische Phrase etabliert, welche vor allem fur Zuschreibungen mittels Appellativa verwendet wird; in Verbindung mit Personennamen ist sie nicht ublich. Als pradikative Kopula dient der Possessivbegleiter der 2. Person Singular, also des Adressaten. Beispiele aus allen vier Sprachen:

Danisch Schwedisch Norwegisch Islandisch
Nominativ geni angel svin fifl
Vokativ dit geni! din angel! ditt svin! fiflið þitt!
Ubersetzung du Genie! du Engel! du Schwein! du Idiot!

Dabei wird im Islandischen zusatzlich das Definitheitssuffix (quasi der bestimmte Artikel) ans Substantiv angefugt.

Das Islandische kennt uberdies vor allem fur Eigennamen von Personen eine Vokativphrase, welche sich des Possessivbegleiters der 1. Person Singulars (also des Sprechers) bedient:
Jon minn! (Mannername) / Helga min! (Frauenname)

Bemerkungen und Einzelnachweise

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  1. Alfons Nehring: Anruf, Ausruf und Anrede. Ein Beitrag zur Syntax des Einwortsatzes. In: Festschrift fur Theodor Siebs zum 70. Geburtstag (hgg. c. Walther Steller, Breslau 1933).
  2. Tanja Anstatt: ?Der slavische Vokativ im europaischen Kontext“. In: Geist, L. / Mehlhorn, G. (eds.) (2008): Linguistische Beitrage zur Slavistik XV, Munchen, S. 9?26. Online: https://dbs-lin.ruhr-uni-bochum.de/lotman/download.php?f=6964699fad7b9b1cdaf42a117deac550&target=0
  3. Vgl. E.-G. Kirschbaum: Grammatik der Russischen Sprache . Cornelsen, Berlin 2004, S. 151.
  4. Der Beleidigungsgrad lasst sich am Vergleich folgender Satze ablesen: Даниела, какво зяпаш бе? (Hi Daniela, warum guckst du denn?) vs. Даниело, какво зяпаш бе? (Daniela, was glotzt du so?)
  5. https://corpus.quran.com/documentation/vocative.jsp
Wiktionary: Vokativ  ? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen