Die
Via della Conciliazione
(
italienisch
fur
Straße der Versohnung
) in
Rom
ist eine 1936 unter
Benito Mussolini
geplante und zum papstlichen
Jubeljahr
1950 fertiggestellte etwa 500 m lange Straßenachse, die vom
Tiber
in Richtung
Petersdom
fuhrt und andererseits uber den
Corso Vittorio Emanuele II
die
Vatikanstadt
mit dem historischen Zentrum Roms verbindet.
Seit der Renaissance gab es Plane fur eine reprasentative Neugestaltung der Zufahrt durch den
Borgo
zur Peterskirche.
Papst
Nikolaus V.
ließ von
Leon Battista Alberti
einen Plan erstellen, in dem das komplette Viertel zwischen Engelsburg und Vatikan im Schachbrettmuster neu geordnet werden sollte. Nach dem Tod des Papstes wurde dieser Plan nicht realisiert. Zum Heiligen Jahr 1500 ließ Papst
Alexander VI.
lediglich die Via Alessandrina (spater Borgo Nuovo), die auf den Eingang des Papstpalastes ausgerichtet war, verwirklichen. Fur ihre Erbauung wurde die
Meta Romuli
abgerissen.
Von
Donato Bramante
, der fur Papst
Julius II.
den Neubau des Petersdoms plante, ist eine Skizze einer mit Saulen und Obelisken geschmuckten Straße erhalten, die auf den Petersdom zufuhren sollte, aber nicht verwirklicht wurde. Genauso wenig entstand eine Sichtachse von der
Engelsbrucke
aus, die
Domenico Fontana
auf den von ihm auf dem Petersplatz aufgestellten
Obelisk
zu plante.
Die Planung von Sichtachsen wurde hinfallig, nachdem
Gian Lorenzo Bernini
den
Petersplatz
mit seinen Kolonnaden, nach dem Vorbild der antiken
Foren
, umgab. Sein Prinzip war das Spiel mit dem Uberraschungsmoment, wenn die Pilger, aus dem verwinkelten Borgo kommend, durch die Kolonnaden traten und den weiten Platz mit dem Dom sahen. Dies funktionierte auch, obgleich der geplante ?Dritte Arm“ der Kolonnaden nie verwirklicht wurde.
Trotzdem gab es weiter, vor allem unter der Herrschaft von
Napoleon
, Plane von verschiedenen Architekten wie
Giovanni Battista Nolli
,
Cosimo Morelli
und
Giuseppe Valadier
, den Borgo zu ordnen oder teilweise abzureißen, die allerdings nicht verwirklicht wurden.
Luigi Poletti
gab 1852 dem Borgo mit zwei symmetrischen Gebauden am Borgo Nuovo und am Borgo Vecchio, sowie einer Brunnenfassade an der Spina, einen reprasentativen Eingang am Tiber.
Mit dem Ende des
Kirchenstaats
(1871) endete die Planungshoheit des Papsttums. Fur die neue Hauptstadt Italiens sah der Regulierungsplan von 1873 ein Netz von neuen Durchgangsstraßen in der mittelalterlichen Stadt vor. Darunter auch wieder den Abriss der Spina dei Borghi, der Hauserreihe zwischen den auf den Petersdom zufuhrenden schmalen Straßen
Borgo Vecchio
und
Borgo Nuovo
. Nach zahlreichen Protesten von Burgern, Architekten und Historikern kam es jedoch zu keiner Ausfuhrung. Stattdessen wurde der Palazzo dei Penitenzieri, mit seinen Fresken von
Pinturicchio
, unter Denkmalschutz gestellt.
Erst das faschistische Regime Benito
Mussolinis
konnte wieder auf die radikalen Losungsvorschlage zuruckgreifen. Nach der Klarung der Position des Papsttums in den
Lateranvertragen
begann man neu zu planen. Der einflussreiche italienische Architekt und Stadtplaner
Marcello Piacentini
hatte schon 1929 in zwei Grundsatzartikeln vertreten, dass im Vergleich zum ?wohl geordneten“, seine historischen Monumente ?herausstellenden“
Paris
Rom seine schonsten und großten Baudenkmaler geradezu verstecke. Selten sei ein Monument auf die Achse einer geraden Straße hin ausgerichtet. Piacentini, auch Schopfer der fur die
Weltausstellung von 1942
vorgesehenen
Satellitenstadt
EUR
, nannte dabei neben der schwer aufzufindenden
Piazza Navona
als Beispiel auch die unbefriedigende Situation bei der Peterskirche. Piacentinis Auffassung wurde von Mussolini geteilt, der sich ?eine der großten Kirche der Christenheit wurdige“ Zufahrt wunschte.
So kam es in Abanderung des Regulierungsplans von 1931 zum Beschluss, nicht nur die Hauser der Spina, sondern auch zahlreiche angrenzende historische Gebaude des Borgo abzureißen. Mit der Planung beauftragt waren die Architekten Piacentini und Spaccharelli. Der ?Duce“ selbst setzte am 28. Oktober 1936 offentlichkeitswirksam den ersten Hieb mit der Spitzhacke, und bis Oktober 1937 wurden 600.000 m³ Gebaude weggerissen, darunter vier Kirchen und zahlreiche historische Palaste. Erhalten wurden nach vehementen Protesten zumindest der Palazzo Torlonia (1496?1504), der Palazzo dei Penitenzieri und die Kirche Santa Maria in Traspontina (1566?1637), die in die neue Achse integriert werden konnten. Der im Besitz des Vatikan befindliche Palazzo dei Convertendi (16. Jahrhundert) wurde abgerissen und an der neuen Straße wieder aufgebaut. Doch eines der lebendigsten historischen Viertel Roms war verschwunden.
Die neu entstandene Prachtstraße mit ihren vereinheitlichten Fassaden wurde nach dem Vorschlag des Journalisten
Franco Franchi
Via della Conciliazione
genannt ? in Erinnerung an die
Lateranvertrage
von 1929, die eine Versohnung zwischen italienischem Staat und Papsttum und die Grundung des modernen Vatikanstaats gebracht hatten.
Die Via della Conciliazione stellt wie die
Via dei Fori Imperiali
ein Beispiel fur den weiterwirkenden Einfluss der stadtebaulichen Konzeptionen
Napoleons III.
und seines Mitarbeiters
Georges-Eugene Haussmann
im Paris des 20. Jahrhunderts dar.
Im August 2023 sollen die Bauarbeiten fur eine neue, große autofreie Fußgangerzone zwischen Engelsburg und Via della Conciliazione starten. Geplant ist eine Realisierung bis 2025.
[1]
- Antonio Cederna
:
Mussolini urbanista. Lo sventramento di Roma negli anni del consenso
(=
Voci sulla Citta.
). Corte del Fontego, Venezia 2006,
ISBN 88-95124-01-4
.
- Paolo Portoghesi
:
Roma, un'altra citta. Eccezionali fotografie d'epoca rivelano immagini segrete di luoghi, monumenti e ambienti di una vita urbana sparita
(
Quest'Italia.
17,
ZDB
-ID
433075-4
). Newton Compton Editori, Roma 1981.
- Robert Schediwy
:
Stadtebilder. Reflexionen zum Wandel in Architektur und Urbanistik.
2. Auflage. Lit, Wien 2005,
ISBN 3-8258-7755-8
, speziell S. 204?206.
- ↑
?Bauarbeiten fur Heiliges Jahr 2025 starten noch diesen August“
auf
vaticannews.va
vom 28. Juli 2023, abgerufen am 6. August 2023
41.902333333333
12.461
Koordinaten:
41° 54′ 8,4″
N
,
12° 27′ 39,6″
O