Versailles
ⓘ
/
?
[
v???s?ːj
] ist eine
franzosische
Stadt in der
Region
Ile-de-France
mit etwa 85.000 Einwohnern. Sie ist Verwaltungssitz (
franzosisch
chef-lieu
) des
Departements
Yvelines
(78) und seit 1801 Sitz des
Bistums Versailles
. Der elegante Wohnort im Einzugsbereich von
Paris
ist auch
Garnisonsstadt
und einer der bedeutendsten
Fremdenverkehrsorte des Landes
. Er ist weltweit bekannt fur das großtenteils fur den ?Sonnenkonig“
Ludwig XIV.
im 17. Jahrhundert erbaute
Schloss Versailles
und den dort unterzeichneten
Friedensvertrag von Versailles
von 1919.
Die Einwohner werden
Versaillais
genannt.
Versailles liegt ca. 16 km sudwestlich des Zentrums von
Paris
, eingebettet in ein hufeisenformiges Tal, das eine vom linken Ufer der
Seine
aufsteigende Hochebene durchschneidet. Dieses im Sudosten bei
Viroflay
geschlossene und zum Nordwesten geoffnete, bis weit uber Villepreux hinausreichende Tal erreicht seine breiteste Ausdehnung zwischen Rocquencourt und
Satory
. In seiner Mitte erheben sich zwei kleine Hugel: der fruher hohere Montboron, der im Zuge des fortschreitenden Schlossbaus teilweise abgetragen wurde, und der Hugel Saint-Antoine.
Die waldreichen Talhange bilden mit dem
Bois des Fonds des Marechaux
und dem
Bois des Fausses Reposes
im Norden, den Waldern von
Viroflay
und
Meudon
im Osten und den Waldern von
Gonards
und
Satory
im Suden noch immer eine grune Krone um Versailles. In fruheren Zeiten erstreckten sie sich bis an den spateren Paradeplatz und das heutige Schlossgitter.
Der geologische Untergrund des Tales besteht aus
kreidezeitlichem
Kalkstein
. Daruber liegen eine
quartare
Tonschicht
und eine aus
Sand
bestehende Anhohe, auf der das Schloss errichtet wurde. Von der auf dem Montboron liegenden
Wasserscheide
fließt einer der zwei
Ru
genannten Bache im Suden am Fuß des Talhanges entlang (ru de Marival), wahrend der andere sich fruher westlich des Schlosses ausgebreitet und ? bedingt durch den undurchlassigen Boden ? ein
Sumpfgebiet
mit mehreren Tumpeln gebildet hat. Die bedeutendsten Wasserflachen waren der im Norden beim inzwischen verschwundenen gleichnamigen Dorf gelegene
Etang de Clagny
(Teich oder Weiher von Clagny) und ein
Wasserloch
im Bereich des noch heute bestehenden zweiten Kuchengartens. Westlich des jetzigen Schweizersees lag ein weiterer Tumpel mit dem vielsagenden Namen
Etang puant
(stinkender Teich). Die endgultige
Trockenlegung
dieser Sumpfe erfolgte erst in der Zeit zwischen dem Ende des 17. und der Mitte des 18. Jahrhunderts.
Die Beschaffenheit des Gelandes, erganzt durch die nahezu standig vom
Atlantik
wehenden Winde, die in das nach Westen weit geoffnete Tal eindringen konnen, fuhren dazu, dass die Temperatur in Versailles im Jahresmittel um 3 °C niedriger liegt als in Paris.
Versailles besitzt acht Stadtviertel
(quartiers)
. Schloss und Kathedrale befinden sich im altesten Quartier, Notre-Dame. Das Quartier Saint-Louis grenzt in Richtung Paris an Notre-Dame an. Die ubrigen Quartiers sind Chantiers,
Montreuil
, Porchefontaine, Clagny-Glatigny, Bernard de Jussieu und
Satory
.
Da es sich um eine in der
Barockzeit
geplante Stadtanlage handelt, verlauft das Straßennetz geradlinig und symmetrisch.
Der Ursprung des Namens ist nicht geklart. Gelegentlich wird die Vermutung geaußert, er sei im 11. Jahrhundert von dem
lateinischen
versare
(drehen, umdrehen) abgeleitet worden und beziehe sich auf gepflugte (umgedrehte) Erde.
Versailles wurde viel spater gegrundet als andere, bereits in der
gallo-romischen
Zeit besiedelte umliegende Orte, moglicherweise aufgrund der vorgenannten ungunstigen geografischen und klimatischen Verhaltnisse. Jedenfalls blieb Versailles das gesamte
Mittelalter
hindurch eine kleine, unbedeutende Ansammlung von wohl eher armseligen Hausern. Im 16. Jahrhundert entwickelte sich der Ort dank seiner Lage an der Kreuzung dreier Straßen zu einem kleinen Marktflecken.
Unter Konig
Ludwig XIV.
entwickelte sich Versailles allmahlich zum Machtzentrum Frankreichs. Zu Beginn seiner Herrschaft hielt sich der Monarch allerdings jeweils nur fur kurze Zeit in Versailles auf. Erst im Jahr 1682 erklarte er den Ort zum standigen Sitz von Regierung und Hofstaat. Der
Ausbau des Jagdschlosses
und der Parkanlage seines Vaters
Ludwig XIII.
begann 1661 und dauerte mehrere Jahrzehnte an. Das Schloss sollte schließlich den
absolutistischen
Herrschafts- und Ordnungsanspruch visualisieren.
[1]
Ostlich des Schlosskomplexes ließ der Konig eine neue Ortschaft errichten. Seither wird die Stadt von drei
Avenuen
gegliedert. Sie verlaufen strahlenformig auf den Vorplatz des Schlosses zu, die
Place d’Armes
. Der Straßengrundriss kopiert dabei die seit der Renaissance gelaufige Gansefußform (
Patte d’oie
). Dieses Muster wurde spater auch fur den Bau der Stadt
Washington
angewandt.
[2]
Trotz der Große und einiger vorgenommener Erweiterungen des Schlosses konnten nicht alle hofischen Amtsinhaber eine Wohnung im Komplex beziehen. Viele Adlige wichen daher in die Stadt Versailles aus, wo sie entweder zur Miete wohnten oder neue Palais erbauen ließen. Um den hohen Mieten der Stadt entgegenzuwirken, erließ Ludwig XIV. 1671 ein Dekret, das Adlige in Versailles von der Grundsteuer befreite und Verpfandungen von deren Wohnsitzen untersagte.
[3]
Dennoch blieben viele hohe Amtstrager wegen ihrer stadtischen Wohnung hoch verschuldet. Niedere Hoflinge wurden haufig im
Grand Commun
untergebracht, einem Nebengebaude nahe dem Schloss. Die engen Wohnverhaltnisse dort fuhrten regelmaßig zu Konflikten.
[4]
Im Erdgeschoss befanden sich die Hofkuchen und Raume fur die Bediensteten des Konigs und der Konigin. In den daruber liegenden vier Stockwerken lagen die Unterkunfte der niederen Hoflinge und deren Dienerschaft.
[5]
Das Grand Commun beherbergte sowohl große Wohnungseinheiten mit mehreren privaten Raumen als auch Wohnungen, in denen Beamte Vorzimmer und Aufenthaltsraum gemeinsam nutzen mussten.
[6]
Viele Hoflinge ließen sich nicht dauerhaft in Versailles nieder. Ihr Dienst am Hof beschrankte sich oft nur auf wenige Tage in der Woche oder einige Wochen im Jahr. Sie wohnten daher weiterhin hauptsachlich in Paris und dessen naherer Umgebung. In Versailles benotigten sie haufig nur angemietete Unterkunfte, wovon insbesondere die Gastwirtschaft profitierte. Waren dem Polizeikommissar von Versailles zu Beginn der Herrschaft von Ludwig XIV. nur etwa 50 Unterkunfte mit moblierten Zimmern bekannt, waren es im Jahr 1724 bereits uber 400. Fur die Einwohner der Stadt wurde die Vermietung von Wohnraumen zu einem wichtigen Nebenerwerb. Des Weiteren entstanden uber 150 Wirtshauser in Versailles.
[7]
Der
Straßenfacher
wurde zum Grundgerust der Stadt Versailles, um das herum ein regelmaßiges Straßenraster mit reprasentativen Stadtplatzen angelegt wurde. Es entstanden in regelmaßiger Architektur Adelspalaste, Behausungen der Hofbediensteten, Kirchen und Markte.
Am 19. September 1783 fand vom Schloss Versailles aus der erste Flug eines
Heißluftballons
mit Passagieren statt. Ein Hammel, ein Hahn und eine Ente uberlebten die zwolf Minuten lange Fahrt auf der
Montgolfiere
.
In der Anfangsphase der
Franzosischen Revolution
kam Versailles eine wichtige Rolle zu. Der franzosische Konig
Ludwig XVI.
berief die
Generalstande
in die Stadt ein, um sich angesichts eines Staatsbankrotts neue Steuern bewilligen zu lassen. Die Versammlung trat am 5. Mai 1789 im
Hotel des Menus Plaisirs
zusammen. Dieses Gebaude war um die Mitte des 18. Jahrhunderts errichtet worden. Es diente normalerweise der Lagerung von Theaterkulissen, Mobiliar und sonstigen Utensilien, die fur hofische Festlichkeiten im Schloss benotigt wurden. Im Gegensatz zum Schloss verfugte das Hotel des Menus Plaisirs uber genugend große Raumlichkeiten fur die Aufnahme der 1200 Standevertreter. Zu diesen kamen noch Zuschauer hinzu.
[8]
In diesem Sitzungssaal erklarte sich am 17. Juni 1789 der dritte Stand zur Nationalversammlung. Nachdem der Konig der Nationalversammlung jedoch den Zutritt in das
Hotel des Menus Plaisirs
verweigert hatte, versammelte sich diese am 20. Juni 1789 im nahe gelegenen
Ballhaus
, einer Sporthalle. Dort verkundeten die Vertreter, nicht eher auseinanderzugehen, bis eine Verfassung ausgearbeitet worden sei.
[9]
Die Franzosische Revolution beendete noch im selben Jahr den Status von Versailles als Residenz- und Regierungssitz: Am 5. Oktober 1789 erreichte ein
Protestzug der Pariser Marktfrauen
das Schloss von Versailles. Die versammelte Menschenmenge wollte den Konig zur Annahme der Beschlusse der Nationalversammlung bewegen und ihrer Forderung nach einer besseren Brotversorgung Gehor verschaffen. Am Morgen des 6. Oktober sturmten die Demonstrierenden das Schloss und zwangen den Konig letztlich zum Umzug nach Paris. Am 12. Oktober 1789 verlegte auch die Nationalversammlung ihren Sitz von Versailles nach Paris.
[10]
Der Bedeutungsverlust von Versailles spiegelte sich in der Einwohnerzahl wider. Lebten 1789 noch etwa 60.000 Menschen in der Stadt, waren es 1791 nur noch 39.000 Einwohner.
[11]
1801 wurde Versailles Sitz des
gleichnamigen neuen Bistums
.
Am 1. Juli 1815 fand in Versailles ein Gefecht im Rahmen der
Befreiungskriege
zwischen
Preußen
und Franzosen statt.
Am 18. Januar 1871 ließ sich der preußische Konig
Wilhelm I.
in Versailles zum Deutschen Kaiser ausrufen. Nach dem
Ersten Weltkrieg
kam es dort zum
Friedensvertrag von Versailles
.
Das große Unwetter vom 26. Dezember 1999 verwustete den Park, worauf ein umfangreiches Programm gestartet wurde, das die ursprungliche Bepflanzung in ihrer Anordnung aus dem 17. Jahrhundert wiederherstellen sollte.
Blasonierung
: ?Unter silbernem Schildhaupt, darin ein wachsender doppelkopfiger
Hahn
in naturlichen Farben, in Blau drei goldene
Lilien
(2:1)“
Versailles hat im Laufe der Zeit enge Beziehungen zu den Stadten
Nara
(
Japan
),
Gießen
(
Deutschland
),
Puschkin
(
Russland
),
Canberra
(
Australien
) und
Taipeh
(
Taiwan
) entwickelt; mit
Potsdam
(Deutschland) pflegt Versailles eine
Stadtepartnerschaft
.
[12]
Versailles hat eine Ausfahrt an der
Autoroute A 13
. Die
Route nationale 10
zur spanischen Grenze durchquerte bis 2006 Versailles. Von dieser zweigten in Versailles die
Route nationale 184
,
185
und
186
ab. Es gibt mehrere Bahnhofe, darunter den Durchgangsbahnhof
Versailles-Chantiers
mit etwa 65.000 Fahrgasten am Tag,
[13]
den Bahnhof
Versailles-Rive Gauche
der
RER C
aus Paris nahe dem Schloss sowie
Versailles-Rive Droite
der
Transilien
L
. Zwischen 1876 und 1957 verkehrte in Versailles außerdem eine
Straßenbahn
.
Versailles ist Standort von Unternehmen wie
Nexter
,
Renault Trucks
(Militarfahrzeuge),
Citroen
und
Blizzard Entertainment
.
In Versailles befindet sich die
Universitat Versailles
mit uber 10.000 Studenten.
Besonders im sudlichen Ortsteil
Satory
befinden sich zahlreiche militarische Einheiten, wie das 5. Pionierregiment, eine Einheit der
Gendarmerie nationale
mit gepanzerten Fahrzeugen sowie die
Groupe d’intervention de la gendarmerie nationale
(GIGN).
- Le Patrimoine des Communes des Yvelines.
Band 2. Flohic Editions, Paris 2000,
ISBN 2-84234-070-1
, S. 966?1042.
- Sylvia Jurewitz-Freischmidt:
Galantes Versailles ? Die Matressen am Hofe der Bourbonen.
Casimir Katz Verlag, Gernsbach 2004,
ISBN 3-925825-86-X
.
- Olivier Bernier:
Ludwig XIV. Die Biographie.
Albatros-Verlag, Dusseldorf 2003,
ISBN 3-491-96085-1
.
- ↑
Klaus Malettke:
Ludwig XIV. 1643?1715
, in: Peter Claus Hartmann (Hg.),
Franzosische Konige und Kaiser der Neuzeit. Von Ludwig XII. bis Napoleon III. 1498?1870
. Beck, Munchen 2006, S. 203.
- ↑
Michael Erbe:
Versailles. Glanz und Elend am Hof des Sonnenkonigs.
Darmstadt 2012, S. 29?30.
- ↑
Michael Erbe: Versailles. Glanz und Elend am Hof des Sonnenkonigs. Darmstadt 2012, S. 67?68.
- ↑
Michael Erbe: Versailles. Glanz und Elend am Hof des Sonnenkonigs. Darmstadt 2012, S. 89.
- ↑
Michael Erbe: Versailles. Glanz und Elend am Hof des Sonnenkonigs. Darmstadt 2012, S. 24.
- ↑
William Ritchey Newton:
Hinter den Fassaden von Versailles. Matressen, Flohe und Intrigen am Hof des Sonnenkonigs
, Berlin 2010, S. 20.
- ↑
William Ritchey Newton:
Hinter den Fassaden von Versailles. Matressen, Flohe und Intrigen am Hof des Sonnenkonigs
, Berlin 2010, S. 15?16.
- ↑
Michael Erbe:
Versailles. Glanz und Elend am Hof des Sonnenkonigs.
Darmstadt 2012, S. 126.
- ↑
Hans-Ulrich Thamer: Die Franzosische Revolution. Beck, Munchen 2004, S. 32.
- ↑
Hans-Ulrich Thamer: Die Franzosische Revolution. Beck, Munchen 2004, S. 39?40.
- ↑
Michael Erbe:
Versailles. Glanz und Elend am Hof des Sonnenkonigs
. Darmstadt 2012, S. 129.
- ↑
Potsdam hat eine neue Liebe.
MAZ.online, archiviert vom
Original
(nicht mehr online verfugbar) am
28. April 2022
;
abgerufen am 12. Juni 2016
.
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- ↑
Daniel Larmet, Jean-Francois Candeille, Bernard Ciry:
Reamenagement du pole d’echanges de Versailles-Chantiers
. In:
Revue generale des chemins des fer
.
Nr.
207
, 2011,
ISSN
0035-3183
,
S.
46–52
.