Verhaltensbiologie

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Die Verhaltensbiologie ist eine Teildisziplin der Biologie , die sich mit dem Verhalten von Tieren und Menschen beschaftigt. [1] Es wird erforscht wie angeborene Eigenschaften und Umwelt verschiedene Verhaltensweisen auslosen und steuern. Dabei wird die Entstehung von Verhaltensmustern im Verlauf der Stammesgeschichte untersucht und Vergleiche zwischen Individuen und Arten angestellt. Die Aussagen und Ergebnisse der Verhaltensforschung finden uber die Biologie hinaus auch in anderen wissenschaftlichen Disziplinen wie der Soziologie , Psychologie , Padagogik und Kognitionswissenschaft Beachtung.

Die genaue Beobachtung und die Analyse des Verhaltens der Tiere durch den Menschen reicht vermutlich bis in die fruheste Vorzeit zuruck, war dies doch lebensnotwendig, wenn man Tiere jagen wollte. Sicher belegt ist die Erforschung des Tierverhaltens seit dem klassischen Altertum. Schon Aristoteles (384?322 v. Chr.) hielt in seiner Historia animalium beispielsweise fest, dass es zu untersuchen gelte, ob das Verhalten durch innere Antriebe gesteuert werde und wie man dessen Ursachen erklaren konne. Jahrhundertelang wurde das Verhalten von Mensch und Tier allerdings haufig kurzerhand nach folgenden Punkten interpretiert:

  • Vitalistisch : Alle Lebewesen besitzen eine weder physikalisch noch chemisch fassbare ?Lebenskraft“, lat. vis vitalis , chin. Qi ;
  • Teleologisch : Die Natur handelt bewusst, also ziel- und zweckgerichtet;
  • Anthropozentrisch : Der Mensch hat eine Sonderstellung inne und ist allen anderen Lebewesen uberlegen;
  • Anthropomorph : Den Dingen der Außenwelt werden menschliche Eigenschaften wie Absicht, Einsicht, Tugend, Verstand, Gerechtigkeitsempfinden u. A. zugeschrieben.

Wohlhabende Naturbeobachter haben jedoch nicht nur im antiken Griechenland schon vor Jahrhunderten ihre Erkenntnisse uber das Verhalten von Tieren ? speziell von Vogeln ? aufgeschrieben. Ein fruhes Beispiel aus dem Hochmittelalter ist das in den 1240er-Jahren von Kaiser Friedrich II. verfasste Werk De arte venandi cum avibus , ein Lehrbuch Uber die Kunst, mit Vogeln zu jagen. Im 16. Jahrhundert veroffentlichte Conrad Gessner in lateinischer Sprache ein ?Vogelbuch“ ( Avium natura , 1555), und Ulisse Aldrovandi widmete sich wenig spater in seinem elfbandigen Werk Historia animalium ebenfalls ausfuhrlich den Vogeln. Im fruhen 18. Jahrhundert gab Ferdinand Adam von Pernau sogar einen Ratgeber fur Vogelfreunde unter dem Titel Angenehme Land-Lust / Deren man in Stadten und auf dem Lande, ohne sonderbare Kosten, unschuldig geniessen kan, Oder von Unterschied / Fang / Einstellung und Abrichtung der Vogel […]. heraus, und in den fruhen 1870er-Jahren publizierte Bernard Altum unter dem Gesichtspunkt der Nutzlichkeit oder Schadlichkeit drei forstzoologische Bande uber Saugetiere , Vogel und Insekten . Jean-Henri Fabre wiederum schrieb ab den spater 1870er-Jahren mehrere popularwissenschaftliche Abhandlungen uber Insekten.

Die im heutigen Sinn wissenschaftliche Analyse des Verhaltens von Tieren begann mit der Frage nach der Ontogenese der Verhaltensweisen und der Herkunft ihrer Angepasstheit ? eine Folge von Charles Darwins Hauptwerk Uber die Entstehung der Arten ; Darwin hatte jahrelang die kunstliche Selektion an Haustauben erprobt und so auch den Weg dafur geebnet, Verhalten als in gleicher Weise vererbbar wie korperliche Merkmale zu betrachten. Untersucht wurde zunachst vor allem der sogenannte Instinkt , ?ein uberkommenes hypothetisches Konstrukt, mit dem man planvolles Handeln der Tiere von dem des Menschen unterscheiden wollte.“ [2] So beschrieb bereits Douglas Alexander Spalding (1840?1877) das spater von Oskar Heinroth als Pragung benannte Phanomen. [3] Zudem wurde mit Hilfe der Zuchtung von Tieren verhaltensgenetisch experimentiert.

Ihren Eingang in den akademischen Lehrbetrieb der Hochschulen fand die Verhaltensbiologie erst im 20. Jahrhundert, nachdem William Morton Wheeler (der als erster bedeutender Ethologe Nordamerikas gilt) von der Embryologie im Rahmen seiner Professur zum Studium des Verhaltens gewechselt war, John B. Watson ? ebenfalls in den USA ? ab 1908 dank seiner Professur fur experimentelle und vergleichende Psychologie die Grundlagen des Behaviorismus formulierte, Johan Bierens de Haan 1924 in den Niederlanden als Privatdozent fur experimentelle Zoologie berufen worden war und im Jahr 1940 Nikolaas Tinbergen in den Niederlanden sowie Konrad Lorenz in Deutschland eine Professur zugesprochen bekommen hatten. Wissenschaftshistorisch betrachtet, ist die Verhaltensbiologie folglich eine gemeinsame ?Tochterdisziplin“ von Zoologie und Psychologie [4] und eine Nachbardisziplin der Verhaltensgenetik . Ihre heutigen, außerst vielgestaltigen Zweige wurzeln in der vorwissenschaftlichen Naturbeobachtung, der Tierpsychologie des 19. Jahrhunderts, dem Behaviorismus und der ?klassischen“ vergleichenden Verhaltensforschung ( Ethologie ) des fruhen 20. Jahrhunderts. [2] Im anglo-amerikanischen Sprachraum blieb die vergleichende Verhaltensforschung enger an das Fach Psychologie angebunden und wird als Comparative psychology bezeichnet.

Noch die klassische vergleichende Verhaltensforschung beschaftigte sich vorwiegend mit der Frage, wie etwas passiert, also mit den auslosenden Reizen und den korperlichen Mechanismen der Verhaltenssteuerung, das heißt, mit den unmittelbaren (proximaten) Ursachen des Verhaltens; dies traf in besonderem Maße auch auf den Behaviorismus und dessen Reiz-Reaktions-Modell zu. Die neueren Zweige der Verhaltensbiologie ? insbesondere die Verhaltensokologie und die Soziobiologie ? beschaftigen sich hingegen vorwiegend mit der Frage, warum etwas passiert, also mit der evolutionaren Angepasstheit eines Verhaltensmerkmals (mit den ultimaten Ursachen). Die Betonung der Unterscheidung proximate / ultimate Ursachen von Verhalten geht zuruck auf den niederlandisch-britischen Ethologen Nikolaas Tinbergen. [5]

Die wichtigsten Zweige der Verhaltensbiologie

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Die Verhaltensbiologie ist eine synthetische Wissenschaft, deren Arbeitsmethoden und Fragestellungen in erheblichem Maße Uberlappungen mit anderen Fachgebieten aufweisen.

Vergleichende Verhaltensforschung

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Die anfangs Tierpsychologie und spater Ethologie genannte, ?klassische“ vergleichende Verhaltensforschung wurde in den 1930er-Jahren von Oskar Heinroth , Konrad Lorenz und Nikolaas Tinbergen begrundet. Diese Forscher gingen von dem damals grundlegend neuen Ansatz aus, dass die außerst vielfaltig und komplex erscheinenden Verhaltensablaufe der Tiere aus bestimmten Grundbausteinen des Verhaltens aufgebaut sind, den sogenannten Erbkoordinationen oder Instinktbewegungen . Daher bemuhten sie sich vor allem um eine genaue Beschreibung der Verhaltensweisen einzelner Tierarten mit Hilfe von Ethogrammen , wozu auch experimentell gearbeitet wurde (u. a. zum Phanomen der Pragung ). Ferner gingen sie, in krassem Gegensatz zum Behaviorismus , von inneren, spontanen Antrieben fur das Verhalten aus.

Zentrale Konzepte der klassischen Ethologie wurden 1990 von Wolfgang Wickler , einem Schuler von Konrad Lorenz, und 1992 von Hanna-Maria Zippelius , einer Schulerin von Karl von Frisch , kritisiert (vgl. hierzu u. a. Ubersprungbewegung und Leerlaufhandlung ). Im Zuge dieser Diskussion wurden auch die experimentellen Befunde von Tinbergen und Lorenz, die ursprunglich zu den zentralen Begriffsbildungen gefuhrt hatten, als nicht-reproduzierbar erkannt. [6] [7]

Die Bezeichnung ?Ethologie“ wird gelegentlich auch als Synonym fur die gesamte Verhaltensbiologie verwendet.

Die Humanethologie erforscht insbesondere jene Verhaltensweisen des Menschen, die als angeboren gelten und die daher als Anpassungen an die naturliche Umwelt verstanden werden. Solche Verhaltensweisen mussen sich im Verlauf der Stammesgeschichte entwickelt haben und sollten daher bei Menschen unterschiedlichster Kulturen in ahnlicher Auspragung nachweisbar sein. Tatsachlich haben sich im Kulturenvergleich zum Beispiel zahlreiche Gesten und viele Aspekte der Mimik als erstaunlich ahnlich herausgestellt. [8] Die Biolinguistik erforscht die Sprachfahigkeit des Menschen und versteht sich als ein interdisziplinares Forschungsgebiet, in dem die Verbindung zwischen Biologie und Linguistik im Mittelpunkt steht. [9]

Ein bekannter deutschsprachiger Forscher auf dem Gebiet der Humanethologie ist Irenaus Eibl-Eibesfeldt , die Biolinguistik geht zuruck auf Publikationen von Eric Heinz Lenneberg und Noam Chomsky .

Sowohl die im Bereich Zoologie angesiedelte Ethologie als auch diverse Ansatze der Psychologie wie zum Beispiel die Tiefenpsychologie richten den Blick primar auf innere Antriebe fur Verhalten. Die behavioristische Schule innerhalb der Psychologie, die in der ersten Halfte des 20. Jahrhunderts ?sehr einflussreich“ wurde, ließ hingegen ?nur beobachtbare Reize, Muskelbewegungen und Drusensekretionen als Erklarung fur das Entstehen von Verhalten zu.“ [10] Als Begrunder des Behaviorismus gilt John B. Watson (1913), der ? nach Vorarbeiten von Edward Lee Thorndike ? die von Iwan Petrowitsch Pawlow beschriebenen Grundsatze der Klassischen Konditionierung auf das Verhalten des Menschen anwandte. [11] Spater lenkte B. F. Skinner das Forschungsinteresse weg von den Reiz-Reaktions-Ketten und hin zur operanten Konditionierung , die in der biologischen Verhaltensforschung vor allem mit der sogenannten Skinner-Box in Verbindung gebracht wird.

Verhaltens-Neurologie (Neuroethologie)

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Die Neuroethologie ist in gewissem Sinne eine Fortsetzung der ?klassischen“ vergleichenden Verhaltensforschung mit den Methoden der Neurologie . Beispielsweise untersucht sie die neurophysiologischen Entsprechungen fur Phanomene wie spontanes Instinktverhalten und angeborene Auslosemechanismen (AAM), aber auch Rezeption (Aufnahme), Fortleitung und Verarbeitung von Lichtsinneseindrucken. Arbeitsmethoden sind hierfur u. a. die Ableitung von elektrischen Impulsen aus einzelnen Zellen, die Nutzung moderner bildgebender Verfahren , die elektrische Reizung bestimmter Hirnareale und das Untersuchen von Ausfallerscheinungen.

Verhaltens-Endokrinologie (Ethoendokrinologie)

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Die Ethoendokrinologie ist ein Teilgebiet der Endokrinologie . In ihm werden die Wechselwirkungen von Hormonsystem und Verhalten, untersucht, also beispielsweise der Einfluss der Hormone Adrenalin und Serotonin sowie der Endorphine auf das Verhalten und ? umgekehrt ? der Einfluss des Verhaltens auf die Ausschuttung von Hormonen. Bekannt (aber nicht verstanden) sind solche Wechselwirkungen beispielsweise schon lange aus dem Gebiet des Sexualverhaltens und der Erforschung von Stressoren . Wahrend im Fachgebiet Neuroethologie das neuronale System, das vor allem fur schnelle und kurzfristige Effekte sorgt, erforscht wird, richtet sich der Blick im Fach Verhaltens-Endokrinologie auf die Steuerung langerfristiger Effekte infolge der Ausschuttungen von endokrinen Drusen und deren Zusammenspiel mit Hormonrezeptoren .

Verhaltensokologie (Ethookologie)

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Die Verhaltensokologie (auch: Verhaltensokobiologie) beschreibt und analysiert das Verhalten der Lebewesen in einer spezifischen Umwelt und untersucht die evolutionare Angepasstheit des Verhaltens an spezifische Umweltbedingungen. Grundlage fur diese Forschungsrichtung ist die Evolutionstheorie , was besagt, dass die Angepasstheit eines Merkmals an die Umwelt des Merkmalstragers (des Individuums) letztlich das Ergebnis einer Selektion ist, die zur Erhohung der Uberlebenswahrscheinlichkeit (zur Fitnessmaximierung ) fuhrt. Unter anderem versucht man in mathematischen Modellen zu beschreiben, wie sich optimal angepasste Individuen verhalten sollten.

Die Soziobiologie kann als Teilbereich der Verhaltensokologie aufgefasst werden; sie beschaftigt sich mit dem Sozialverhalten der Tiere und des Menschen: untersucht werden zum Beispiel die Bedingungen, unter denen soziale Gruppen (Sozialverbande, Insektenstaaten ) und Hierarchien entstehen; das Phanomen der Territorialitat und des Altruismus (siehe hierzu auch: Eintrageverhalten ); Fortpflanzungsstrategien ( Monogamie, Polygamie , Polygynie ).

Evolutionare Psychologie

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Die Evolutionare Psychologie versteht sich als biologische Grundlage fur viele Disziplinen innerhalb der Psychologie und versucht, menschliche Handlungsweisen aus der Perspektive der evolutionaren Entwicklung zu verstehen. Ein Teilgebiet ist beispielsweise das Erforschen der Fahigkeit zum Unterscheiden von Mengen bei Tieren , da das sprachliche Zahlvermogen beim Menschen im Verlauf seiner Stammesgeschichte nicht plotzlich neu ( de novo ) aufgetreten sein kann, sondern aus biologischen Vorlaufern entstanden sein muss.

Weitere Teilgebiete

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Weitere Zweige der Biologie, die der Verhaltensforschung nahestehen, sind insbesondere die Psychobiologie , die Verhaltensgenetik , die Verhaltenskybernetik , die Chronobiologie , und ? sehr allgemein formuliert ? die Biologie der Individualentwicklung , des Lernens und der Kommunikation .

  • Reflexologie (1905): Der russische Physiologe Iwan Pawlow (1849?1936) fuhrte an Hunden seine Versuche zum Speichelreflex durch und entwickelte die Reflexkettentheorie : Auch komplexes Verhalten sei nichts anderes als eine einfache Kette von Reizen und reflexartigen Reaktionen.
  • Karl von Frisch fuhrte vor allem die experimentelle Verhaltensphysiologie zur Vervollkommnung (Methode der konditionierten Diskriminierung).
  • Gruppenselektion : Vero Wynne-Edwards (1906?1997) vertrat 1962 die These der Gruppenselektion, mit der zum Beispiel erklart werden soll, dass altruistisches Verhalten letztlich der Erhaltung der Art diene.
  • Auch William D. Hamilton (1936?2000) ging 1964 davon aus, dass Verhalten eine genetische Grundlage aufweist, richtete den Blick aber auf die Fitness des Individuums: Verhalten diene der moglichst erfolgreichen Weitergabe der eigenen Gene. Mit dem Prinzip der Verwandtenselektion ( kin selection ) konnte er auch altruistisches Verhalten erklaren. Ebenso legten John Maynard Smith , George C. Williams und Robert L. Trivers die theoretischen Grundlagen fur ein neues Teilgebiet der Verhaltensforschung, fur die Edward O. Wilson 1975 mit seinem Buch Sociobiology ? the new synthesis den Begriff ? Soziobiologie “ pragte.
  • Richard Dawkins spitzte 1976 in seinem Buch Das egoistische Gen die Thesen der Soziobiologie zu und trug durch seine provozierenden Formulierungen viel zu ihrer Verbreitung bei.
  • Einen weiteren Ansatz zur Erklarung von Verhalten legten die israelischen Forscher Amotz und Avishag Zahavi vor, unter dem Schlagwort Das Handicap-Prinzip : Da bei der Partnerwahl stets die Fitness des potentiellen Sexualpartners beachtet wird, entstehen im Prozess der Evolution unmissverstandliche Signale, anhand derer das Ausmaß an Fitness ablesbar ist. Solche Signale sind aber nur dann zuverlassig, wenn sie fur den Signalgeber ein echtes Handicap darstellen: ein sperriges Geweih, ein farbenfrohes Gefieder, eine laute Stimme.

Methoden der Verhaltensbiologie

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Beobachtung und Beschreibung

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Am Beginn vieler verhaltensbiologischer Studien steht die Beobachtung der Tiere, vorzugsweise unter naturlichen Bedingungen und ohne Einflussnahme durch den Beobachter. Das beobachtbare Verhalten wird so genau wie irgend moglich beschrieben und quantifiziert , in der Regel mit Hilfe von Verhaltensprotokollen .

Schwierig ist haufig

  • die eindeutige Zuordnung von Verhalten zu bestimmten Verhaltensweisen bei stationaren (bewegungsarmen) Zustanden;
(Beispiel: Soll die Putzbewegung einer offensichtlich schlafenden Maus als Korperpflege bewertet werden?)
  • die Zuordnung von Reiz und Reaktion, wenn innere (endogene) Reize die unmittelbaren Ausloser waren und außere (exogene) Reize ? wenn uberhaupt ? nur eine Nebenrolle spielen;
(Beispiel: Die Tageslange beeinflusst den Hormon ­spiegel, der das Zugverhalten bei Zugvogeln steuert: Was ist hier die ?wirkliche“ Ursache des Zugverhaltens?)
  • die Interpretation von Verhaltensweisen, die man als Reaktion auf Reize auffassen kann, die schon vor Beobachtungsbeginn auftraten und deren Folgen wahrend der Beobachtungszeit registriert werden;
(Beispiel: Ist ein bestimmtes beobachtetes Verhalten angeboren oder erlernt?)
  • die Interpretation von Verhaltensweisen, deren physiologische Ursachen noch vollig unerklarlich sind.
(Beispiel: Das Verhalten von Zugvogeln, die ? aus Deutschland kommend ? uber Frankreich und Spanien Richtung Westen fliegen und in der Hohe von Gibraltar plotzlich nach ?links“ (nach Suden) abbiegen.)

Von Verhaltensbiologen werden sowohl Freihandversuche als auch Laborexperimente durchgefuhrt. Letztere dienen haufig dem Erforschen der physiologischen Grundlagen des Verhaltens, also zum Beispiel der Feststellung von Hormonkonzentrationen im Blut und von Aktivitatsmustern der Nervenzellen sowie zur Klarung von Verwandtschaftsbeziehungen. Verhaltensexperimente werden in der Regel an lebenden Tieren durchgefuhrt (zum Beispiel der Open-Field-Test , das Cross-fostering und der Einsatz einer Skinner-Box ); zur Klarung von beispielsweisen neuronalen und hormonellen Detailfragen werden aber auch isolierte Gewebe oder einzelne Zellen untersucht.

Eine noch immer wichtige Vorgehensweise der Verhaltensbiologen kann als physiologische Variante der Black Box-Methode bezeichnet werden, da trotz der stetig wachsenden Erkenntnisse von Neurophysiologie und Hirnforschung die spezifischen, das Verhalten steuernden inneren Strukturen noch immer unbekannt sind: Man erforscht den Zusammenhang bestimmter Reize mit bestimmten Reaktionen, blendet aber viele Details der inneren Regelungsprozesse aus der Analyse aus.

Schlussfolgerungen und Modellbildung

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Wie in jeder experimentell arbeitenden naturwissenschaftlichen Disziplin werden auch die Einzelbefunde einer verhaltensbiologischen Studie zuletzt zu einem Modell des Verhaltens zusammengefasst, aus dem neue Schlussfolgerungen abgeleitet werden konnen. Diese Schlussfolgerungen sind haufig Ausgangsbasis fur weitergehende Experimente. Da kein Experiment ohne gewisse Voruberlegungen begonnen wird, basieren Experimente stets auf bestimmten (bewussten oder unbewussten) Grundannahmen, den Arbeitshypothesen .

Wiktionary: Verhaltensbiologie  ? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen
  1. Peter M. Kappeler: Verhaltensbiologie. 4., uberarb. u. korr. Aufl., Springer, 2017, S. 3, ISBN 978-3-662-53144-0 , Online , zuletzt abgerufen am 23. Mai 2022.
  2. a b Uta Seibt und Wolfgang Wickler : Geschichte der Verhaltensforschung. In: Lexikon der Biologie. Band 10, 1992, S. 354.
  3. Douglas Alexander Spalding : Instinct, with original observations on young animals. In: Macmillan's Magazine. Band 27, 1873, ZDB -ID 339417-7 , S. 282?293.
  4. Selbst der Ethologe Konrad Lorenz wurde noch 1940 Professor fur vergleichende Psychologie in der Philosophischen Fakultat der Universitat Konigsberg . Siehe: Leopoldina: Curriculum Vitae Prof. Dr. Konrad Zacharias Lorenz. Auf: leopoldina.org , zuletzt abgerufen am 23. Mai 2022.
  5. Nikolaas Tinbergen : On aims and methods of ethology. In: Zeitschrift fur Tierpsychologie . Band 20, Nr. 4, 1963, S. 410?433, doi:10.1111/j.1439-0310.1963.tb01161.x .
  6. Wolfgang Wickler : Von der Ethologie zur Soziobiologie. In: Jost Herbig, Rainer Hohlfeld (Hrsg.): Die zweite Schopfung. Munchen 1990, S. 176.
  7. Hanna-Maria Zippelius : Die vermessene Theorie. Eine kritische Auseinandersetzung mit der Instinkttheorie von Konrad Lorenz und verhaltenskundlicher Forschungspraxis. Vieweg, Braunschweig 1992, ISBN 3-528-06458-7 .
  8. Irenaus Eibl-Eibesfeldt : Die Biologie des menschlichen Verhaltens. Grundriß der Humanethologie. Piper, Munchen 1984, ISBN 3-492-02687-7 .
  9. Cedric Boeckx und Kleanthes K. Grohmann: The Biolinguistics Manifesto. In: biolinguistics. Band 1, 2007, S. 1?8, Volltext.
  10. David McFarland: Biologie des Verhaltens. Evolution, Physiologie, Psychobiologie. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 1999 (2. uberarb. Auflage), S. 281, ISBN 978-3-8274-0925-6 .
  11. John B. Watson : Psychology as the behaviorist views it. In: Psychological Review. Band 20, Nr. 2, 1913, S. 158?177, doi:10.1037/h0074428 .