Dieser Artikel behandelt den romischen Dichter Vergil. Zum italienischen Humanisten mit dem Namen Vergil siehe
Polydor Vergil
.
Publius Vergilius Maro
, deutsch gewohnlich
Vergil
, spatantik und mittellateinisch
Virgilius
und spater im Deutschen auch
Virgil
(*
15. Oktober
70 v. Chr.
bei
Mantua
; †
21. September
19 v. Chr.
in
Brindisi
) war ein
romischer
Dichter
und
Epiker
, der wahrend der Zeit der
Romischen Burgerkriege
und des
Prinzipats
des
Octavian
(ab 27 v. Chr.
Augustus
) lebte. Er gilt als wichtigster Autor der klassischen romischen Antike und ist ein Klassiker der
lateinischen
Schullekture. Neben
Horaz
und
Lucius Varius Rufus
, mit denen zusammen er zum Kreis des
Gaius Maecenas
gehorte, sowie den
Elegikern
Gaius Cornelius Gallus
,
Properz
und
Tibull
durfte Vergil bereits unter Zeitgenossen zu den bekanntesten Dichtern der ?
augusteischen Literatur
“ gezahlt haben. Seine Werke, die
Eclogae
(auch
Bucolica
), die
Georgica
und die
Aeneis
und deren Gedanken revolutionierten die lateinische Dichtung und sind kurz nach seinem Tode immer wieder abgeschrieben, herausgegeben, kommentiert und
intertextuell
verarbeitet worden.
Das Epos
Aeneis
liefert den
Grundungsmythos
bzw. die Vorgeschichte zur Grundung der Stadt Rom unter Verarbeitung der mythologischen Stoffe aus den
homerischen
Epen
Ilias
und
Odyssee
. Die
Aeneis
loste damit die
Annales
des
Quintus Ennius
quasi als romisches
Nationalepos
ab.
So vielfaltig und so spektakular die Legendenbildungen um die Vita des eher zuruckgezogen lebenden Dichters Vergil bereits zu seinen Lebzeiten waren (und dann besonders in den spatantiken Viten)
[1]
, so wenig Gesichertes ist von seinem Leben bekannt. Zahlreiche Ruckschlusse auf Vergils Leben stammen aus Andeutungen in seinen eigenen Werken. Diese losen Fakten jedoch im Lichte seiner Werke zu interpretieren ware ein Zirkelschluss. Aus der Spatantike sind eine Reihe von Vergilviten erhalten, darunter kleinere Passagen im Vergilkommentar des Grammatikers
Maurus Servius Honoratus
und die
Vita
Donati
, die in ihren Angaben auf die
Vita Vergili
des romischen Archivars
Gaius Suetonius Tranquillus
und einige weitere gemeinsame Quellen, die nicht mehr erhalten sind, zuruckgehen konnte. Das
Grabepigramm
an der Via Puteolana zwischen
Neapel
und
Puteoli
, ein
elegisches
Distichon
, das Vergils Leben und Werk gleichermaßen bedenkt, betont eindrucklich die gesamtitalischen Verdienste des Dichters:
- Mantua me genuit, Calabri rapuere, tenet nunc
- Parthenope; cecini pascua, rura, duces.
[2]
- Mantua brachte mich hervor, Kalabrien raffte mich hinweg, nun birgt mich
- Neapel. Ich besang Weiden, Felder, Herrscher.
Die Stationen seiner Werke, die er in mehr oder weniger gesicherter zeitlicher Abfolge schrieb, geben zugleich die Stationen seines Lebens wieder, die sich uber ganz Italien erstrecken. Wahrend er die Kindheit und Jugend im Norden (Mantua und Poebene) verbrachte und im Suden Italiens starb,
[3]
wirkte und wirkt er weiter im Herzen Italiens, in seinem Wohnsitz Neapel.
[4]
Vergil fuhrte die lateinische Sprache zu einer neuen Blute. Er schrieb wie sein Vorganger Quintus Ennius ein Epos mit uber 12.000 Versen, wobei er in den Gestaltungsprinzipien der Tradition der
alexandrinischen
und
neoterischen
Dichtung folgte. Als
poeta doctus
(?gelehrter Dichter“) arbeitete er
cum lima
(?mit der Feile“) an seinen Werken und ubersate sie mit Anspielungen auf seine Vorganger. Quintilian berichtet nach Aussagen des
Lucius Varius Rufus
, Vergil habe nur wenige Verse am Tag geschrieben, die er meist morgens verfasste, um sie am Nachmittag durchzusehen und am Abend wieder zusammenzustreichen.
[5]
Er war in den unterschiedlichen philosophischen Lehren ebenso versiert wie in der Mythologie und den literarischen Gattungen, in denen seine Vorganger geschrieben hatten.
Vergils Werke boten zahlreichen spateren Stromungen aus Kunst und Literatur Vorlagen und einen reichen Ideenfundus. Ein beruhmtes Beispiel ist der 69. Vers der zehnten Ekloge
Omnia vincit amor, et nos cedamus amori
, den Vergil zum Andenken an das Werk seines Freundes
Gaius Cornelius Gallus
schrieb und den sich
Minnesanger
des 13. und 14. Jahrhunderts zum
Wahlspruch
nahmen.
Vergil wurde als Sohn der Magia Polla und des Topfers Vergilius Maro auf einem Landgut bei
Mantua
in
Norditalien
geboren. Die Lokalisierung seines Geburtsorts ist umstritten. Sie liegt mit großer Wahrscheinlichkeit nicht im fruheren
Pietole
, wo keine Funde auf ein Landgut oder einen Besitz der Familie hindeuten.
[6]
Gewohnlich wird das Dorf
Andes
bei Mantua genannt.
[7]
Die nahe Verbindung zum Landleben und zur bauerlichen Welt wird spater immer wieder sein Werk beeinflussen.
Zeitgenossische Hinweise auf Vergils Jugendjahre und seine Ausbildung finden sich fast ausschließlich in seinen eigenen Werken. Die meisten Fakten stammen erst von Sueton. Nach diesem erhielt Vergil die
Toga virilis
zum Eintritt ins Mannesalter mit 15 Jahren. Er weilte zu dieser Zeit in Cremona in einer Rhetorenschule.
[8]
Eine umstrittene Frage ist, welche Rolle das
Catalepton
, ein ehemals Vergil zugeschriebenes Gedichtcorpus, das moglicherweise in die fruhe Kaiserzeit datiert, hierbei spielt. Die dortigen Epigramme V und VIII berichten von Vergils Abfahrt von
Cremona
(V) zum Landgut des Epikureers
Siro
(VIII) in der Nahe von
Neapel
. Den Epigrammen zufolge wendete er sich zu dieser Zeit von der Rhetorik ab und der Dichtung zu (den
Carmina
). Die Echtheit des gesamten Gedichtcorpus ist zwar umstritten, sie datieren jedoch fruher als die Aufzeichnungen Suetons. Diese erwahnen zusatzlich zu Vergils Ausbildung in Cremona einen Aufenthalt in
Mailand
und anschließend 53 v. Chr. die direkte Ubersiedlung nach Rom. Sueton zufolge hat Vergil erst in dieser Zeit das Catalepton verfasst und außerdem
Mathematik
und
Medizin
studiert.
[9]
Jenseits seiner fruhen Zuwendung zur Dichtung scheint Vergil rhetorisch unbegabt gewesen zu sein. Neben der Beschwerde uber den drogen Redestoff im
Catalepton
uberlieferte
Ovid
eine praefatio aus den
Controversiae
des Rhetoriklehrers
Seneca maior
, der Vergil als unbegabten Prosaiker und Redner darstellt.
[10]
Sueton zufolge ubte Vergil sich nach den Angaben eines Melissus einmal als Redner vor Gericht und sprach dort sehr langsam, fast wie ein Ungebildeter.
[11]
Zu Beginn der 40er Jahre des 1. Jahrhunderts v. Chr. weilte Vergil in Rom und Neapel, von wo aus er sein fruhestes Werk, die
Eklogen
verfasste. Es ist moglich, dass er zu dieser Zeit engere Verbindungen zu neoterischen Dichterkreisen aufbaute, fast sicher kann eine Freundschaft mit den elegischen Dichtern Sextus Propertius und Cornelius Gallus gelten.
[12]
Erst in den
Eklogen
tauchen weitere Bekanntschaften Vergils auf, die Genaueres uber seine Stellung als Dichter in Rom verraten. Die sechste Ekloge nennt Varius Rufus und
Gaius Helvius Cinna
als großartige Dichter und Vorbilder. Die dritte Ekloge nennt Vergils damaligen Gonner
Gaius Asinius Pollio
.
[13]
In der Folge der Politik des
zweiten Triumvirats
fuhrte Octavian, der spatere
princeps
, 40 v. Chr. Landenteignungen durch, die die Veteranen aus den Burgerkriegen gegen die Republikaner entschadigen sollten. Vergils Familie in Mantua war von diesen Enteignungen betroffen. Die erste Ekloge thematisiert die Betroffenheit von einer solchen Vertreibung. Wie problematisch jedoch der Bezug der
Eklogen
auf Vergils Erlebnisse um die Landenteignungen ist, zeigt die neunte Ekloge. Hier erhalt ein Dichter fur seine Verdienste sein enteignetes Land zuruck. Dafur, dass Octavian Vergils Familie das Land zuruckerstattet habe, fehlt jedoch jede weitere Quelle, zumal der Dichter in derselben Ekloge Mantua betrauert, wohin er danach nie wieder zuruckkehrte (
Mantua, vae miserae nimium vicina Cremonae
).
[14]
Die letzte Erwahnung Mantuas findet sich in den
Georgica
.
[15]
Vergil gehorte in den 30er Jahren zu einem Dichterkreis um den Kunstforderer
Gaius Maecenas
, einem Offizier Octavians. Horaz erwahnt ihn neben
Plotius Tucca
und Varius Rufus in seinen
Satiren
. Varius und Vergil hatten ihn bei Maecenas vorgeschlagen.
[16]
Die Dichter begleiteten Maecenas oft auf Reisen und zu politischen Anlassen. Zur Ubereinkunft der beiden Triumvirn
Marcus Antonius
und Octavian reisten sie zusammen mit Maecenas nach
Brundisium
, sie wurden zu Rezitationen in sein Haus am
Esquilin
geladen oder machten Ausfluge zu seiner Villa in
Capua
.
[17]
Vergil schrieb zu dieser Zeit an den
Georgica
, seiner Schrift uber den Landbau, die Maecenas gewidmet ist. In diese Zeit fallt auch Octavians Sieg in der
Schlacht bei Actium
31 v. Chr. Dieser empfing im ersten Buch der
Georgica
eine außerordentliche Ehrung von Vergil und einen Lobpreis auf seine Gottlichkeit. Im dritten Buch der
Georgica
erwahnt der Dichter, ein Epos fur die ruhmvollen Taten Octavians zu schreiben. Ob dies im direkten Zusammenhang mit der bald nach 35 v. Chr. begonnenen
Aeneis
steht, also die Absicht des Autors wiedergibt, ist durch fehlende Quellen nicht zu entscheiden.
Wann Vergil die Arbeit an der
Aeneis
begann, ist nicht bekannt. Die Problematik bei der Datierung seiner Arbeit besteht darin, dass nach den
Georgica
und den
Bucolica
bereits die Zeitgenossen hohe Erwartungen an das Werk stellten und den Dichter in diesem Sinne stilisierten.
[18]
Exemplarisch verdeutlicht das das dritte Gedicht des ersten Odenbuchs von Horaz. Hier spricht der Dichter ein Schiff, das seinen Freund Vergil sicher von dessen Fahrtziel aus attischen Gefilden zuruck nach Rom leiten solle, mit den Worten an:
navis, quae tibi creditum debes Vergilium: finibus Atticis reddas incolumem precor […]
.
[19]
Wenn sich der Dichter hier auf eine reale Reise Vergils nach Athen beruft, so ist von ihr nichts weiter bekannt als das, was die Ode selbst sagt. Wenn die Ode alter datiert, konnte das Schiff genauso eine Metapher fur die Irrfahrten in den ersten sechs Buchern der
Aeneis
sein und die Bitte um Vergils Ruckkehr eine Bitte darum sein, dass ihm die Fertigstellung dieser Bucher leicht von der Hand gehe. Die
Vita
Suetons, die das Datum 31 v. Chr. nennt (ein Buch fur jedes verbleibende Jahr seines Lebens = 12 Bucher Aeneis), gibt allenfalls den ungefahren Zeitraum fur Vergils Beschlussfassung an (Ende der 30er Jahre).
[20]
Die letzten Jahre Vergils sind nur in Suetons
Vita
dargelegt. Der
Vita
zufolge hatte sich Vergil Ende der 20er Jahre vorgenommen, die Arbeit an der
Aeneis
mit einer dreijahrigen Reise in den Osten des Romischen Reiches abzuschließen, wahrend derer er die Schauplatze der Handlung besichtigen und das Werk darauf basierend verbessern wollte. Anschließend wollte er sich zur Ruhe setzen und sein restliches Leben der Philosophie widmen. Auf dem Weg in den Osten traf er Augustus, der von seinem Sieg uber das
Partherreich
zuruckkehrte, und schloss sich ihm an. In Megara soll ihn ein heftiges Fieber ereilt haben und als er mit Augustus in Brundisium an der italischen Sudspitze ankam, sei er dort bald nach der Ankunft verstorben.
[21]
Er sei verbrannt und seine Asche nach Neapel gebracht worden, wo sie in einem Grabhugel beigesetzt wurde. Ob die Asche tatsachlich in dem heutigen Grabhugel am Fuße des
Posillipo
im
Parco Virgiliano a Piedigrotta
bei Neapel liegt, ist nicht sicher.
Uber Vergils Aussehen und seinen Charakter wird erst bei den Literaturhistorikern des 2. Jahrhunderts spekuliert. Zeitgenossische Angaben sind jedoch mit ebenso großer Vorsicht zu betrachten. Horaz erwahnt im dritten Stuck seines ersten Satirenbuchs einen Freund, der haufig an seiner Seite anzutreffen war und einen lacherlichen Anblick bot. So soll er einen bauerlichen Haarschnitt, eine ungebugelte Toga und lose Stiefel getragen haben, aber ein guter Mensch und ein aufrichtiger Freund gewesen sein.
[22]
Diese philosophischen Ausfuhrungen stehen im Dienst von Horaz’ Satire und hatten nicht den Zweck, den realen Zustand des Dichters detailgetreu abzubilden. Die Formulierung uber das bauerliche Auftreten Vergils hat zumindest Parallelen bei Sueton, der den Dichter ebenfalls als
rusticanus
, hager und braungebrannt beschrieb. Dem Biographen zufolge war er zudem fur Krankheiten leicht anfallig und hatte Magen- und Lungenprobleme.
[23]
Sueton beschreibt Vergil als sehr zuruckhaltenden, fast scheuen Menschen, der sich gerne vor den Geschaften aus der Stadt fluchtete.
Uber Vergils Privatleben ist wenig bekannt. Er soll zwei Guter im kalabrischen
Tarent
(georg. 2, 197ff.) und in
Kampanien
bei Neapel besessen haben. Sueton erwahnt zusatzlich ein von Maecenas geschenktes Stadthaus in Rom bei den
horti Maecenati
.
[24]
Bereits unter Zeitgenossen war Vergils eventuelle Homosexualitat und Vorliebe fur Knaben ein Thema. Properz widmete dem Hirtenjungen Alexis aus der zweiten Ekloge einige Verse in seiner zweiten Elegie, in denen er das Gluck eines Grundbesitzers besingt, der nur seinen Alexis lieben muss und nicht den Dienst der Liebe (
servitium amoris
) an einer Frau zu erfullen hat. Ahnliche Erwahnungen finden sich bei
Martial
und Sueton wieder.
[25]
Das
Catalepton
(griech.
kata lepton
: in feiner, zarter Manier verfasste Gedichte) sind achtzehn kurze Gedichte (14 Epigramme, drei
Priapea
, eine
Sphragis
), die zusammen mit einigen
Epyllien
immer wieder mit Vergils Werken uberliefert wurden (in der
Appendix Vergiliana
). Der Großteil dieser Werke gilt nach Meinung vieler moderner Forscher als nicht von Vergil verfasst.
[26]
Ob einzelne Gedichte des Corpus (namlich die Epigramme V und VIII) nicht doch vom Jugenddichter Vergil geschrieben sein konnten, ist indes im Urteil umstritten. Diese zwei Gedichte geben anscheinend biographische Auskunft uber Vergils Neigungen, sich von der
Rhetorik
abzuwenden und auf das Landgut des Epikureers
Siro
zu ziehen. Ein spaterer
Epikureismus
Vergils, ahnliche dem seines Dichterkollegen Horaz, ist jedoch aus Vergils Werken nicht ersichtlich. Die Echtheit des achten Epigramms ist umstritten, weil der Verfasser dort beklagt, dass
Cremona
, wo Siro angeblich sein Gutchen hatte, und Mantua von den Landenteignungen der Burgerkriege stark betroffen seien. Bereits in den 1970er Jahren wies der deutsche Altphilologe Heinrich Naumann entgegen der Meinung Buchners u. a. darauf hin, dass Vergil durch seine Lebensumstande keinen Grund gehabt habe, um Cremona zu trauern, und dies spater (zum Beispiel in den
Bucolica
) auch nicht mehr getan hat.
[27]
Die
Epyllien
und Lehrgedichte der Appendix Vergiliana gelten in der heutigen Forschung durchweg als unecht. Es sind dies:
- die
Lehrgedichte
Moretum
(?Das Krauterkasgedicht“, bauerliches Handkaserezept) und
Aetna
(uber Vulkanismus) [spates 1. Jahrhundert v. Chr. bzw. Mitte des 1. Jahrhunderts n. Chr.],
- die Kurzepen
Culex
(?Die Mucke“) und
Ciris
(?Der Reiher“) [14?37 n. Chr.],
- die
Dirae
(?Verwunschungen“ eines Bauern, der von seinem Gut vertriebenen wurde) [fruher Prinzipat],
- die zwei
Elegiae ad Maecenatem
[unsichere Datierung],
- die
Copa
(?Wirtin“) (uber eine tanzende syrische Wirtin).
Siehe auch:
Appendix Vergiliana
.
Die
Eklogen
oder
Bucolica
sind eine Sammlung von zehn Hirtengedichten Vergils, die etwa zwischen 43 und 39 v. Chr. entstanden sind.
[28]
Als historischer Hintergrund erscheinen vor allem in der ersten und neunten Ekloge die Landverteilungen der Jahre 42/41 nach der Niederlage von
Brutus
und
Cassius
, den Mordern
Caesars
, bei denen die entlassenen Soldaten der Sieger auf enteignetem Land in Italien angesiedelt wurden. Dass auch das Landgut Vergils bei Mantua beschlagnahmt worden sei, er jedoch seinen Grundbesitz von
Octavian
zuruckerstattet bekommen habe, hat man bereits in der Spatantike aus dem ersten Gedicht (entstanden wohl 40 v. Chr.
[29]
, nach Meinung Clausens erst 35 v. Chr.
[30]
) entnehmen wollen.
Bald gehorte Vergil zum Kreis um
Gaius Maecenas
, einer von Octavians fruhen Verbundeten, der spater Dichter wie Vergil und
Horaz
forderte und ihnen zu Bekanntheit in Roms einflussreichen Kreisen verhalf.
[31]
Nachdem die
Eclogae
vollendet waren, arbeitete Vergil von 37 bis 29 v. Chr. an den
Georgica
(?Uber den Landbau“), die Maecenas gewidmet sind.
Octavian, der Antonius in der
Schlacht bei Actium
31 v. Chr. geschlagen hatte und vier Jahre spater vom romischen
Senat
den Titel ?
Augustus
“ verliehen bekam, soll Vergil gedrangt haben, ein Epos zum Ruhm seiner Herrschaft zu schreiben. Vergils Antwort war die
Aeneis
, die die letzten zehn Jahre seines Lebens in Anspruch nahm.
Vergil starb, ohne die
Aeneis
vollenden zu konnen. Augustus befahl Vergils Nachlassverwaltern
Varius
und
Tucca
, die
Aeneis
so wenig bearbeitet wie moglich zu veroffentlichen.
In der
Spatantike
verfasste
Gorippus
ein an Vergils
Aeneis
angelehntes Epos namens
Johannis
; es stellt einen letzten bedeutenden Beitrag zur antiken lateinischen Literatur dar. Ungefahr zur selben Zeit ? im 6. Jahrhundert ? verfasste
Fulgentius
eine allegorische Deutung der
Aeneis
aus christlicher Sicht. Vergil gehort zu den wenigen Autoren, deren Schriften in relativ vielen
Handschriften aus der Antike
erhalten sind.
[32]
Dazu gehoren zwei
reich illustrierte
Codices
, der
Vergilius Vaticanus
, und der
Vergilius Romanus
.
Im
Mittelalter
galt Vergil als der Dichter schlechthin und zugleich als Vorbote des
Christentums
? in der
4. Ekloge
wird die Geburt eines Knaben in Worten vorausgesagt, die stark an Christi Geburt erinnern.
[33]
Dante
machte Vergil, der in seinem Werk ja den hollischen Ort der Abgeschiedenen beschrieben hatte, zum Fuhrer in seiner
Gottlichen Komodie
. Im spaten Mittelalter kursierten um seine Person eine Reihe von sagenhaften Geschichten, in denen er als machtiger Zauberer auftritt, der sich um Neapel und Rom verdient macht, aber auch Misserfolge erleidet (siehe
Vergilsagen des Mittelalters
).
In der
Weimarer Klassik
wurde seiner unter anderem durch die Anlegung der
Vergilgrotte Tiefurt
gedacht. Die
Reale Accademia di Scienze e Belle Lettere
in
Mantua
ubernahm auf Anordnung von
Napoleon Bonaparte
Vergils Namen und heißt heute
Accademia Nazionale Virgiliana
.
[34]
Die Person des Dichters steht im Zentrum von
Hermann Brochs
Roman
Der Tod des Vergil
.
1990 wurde der
Asteroid
(2798) Vergilius
nach ihm benannt.
[35]
Die Pflanzengattung
Virgilia
L’Her.
aus der Familie der
Korbblutler
(Asteraceae) wurde 1788 nach ihm benannt.
[36]
Die
spatantike
Volksetymologie
brachte den Namen des Dichters als
Virgilius
mit dem
lateinischen
virga
, ?Rute“ in Zusammenhang. (Ein goldener Zweig, der an einer Stelle auch
virga
genannt wird (
Aeneis
VI, 144), ermoglicht Aeneas im sechsten Buch der
Aeneis
den Zugang zur
Unterwelt
.) Die Form
Virgilius
ist in den
romanischen Sprachen
bis heute ausschließlich in Gebrauch, vgl.
franzos.
Virgile
,
italien.
und
span.
Virgilio
,
portug.
Virgilio
. Im
Deutschen
und
Englischen
stehen alteres
Virgil
und neueres, an die klassische Antike angenahertes
Vergil
nebeneinander. Einige wenige Linguisten brachten seinen Namen jedoch auch mit dem lateinischen
vergalilius
in Verbindung, was so viel heißt wie ?Der Gesegnete“.
- ↑
Vgl.
Vita Donati
3.: Seine Mutter soll vor seiner Geburt getraumt haben, sie gebare einen Lorbeerzweig.
- ↑
Vgl. Suet. vita Verg. 46f.
- ↑
Seinerzeit wurde mit ?calabria“ das
Salento
bezeichnet.
- ↑
Vgl. Albrecht, Vergil, 2007, S. 10.
- ↑
Vgl. Quint. inst. 10,3,8.
- ↑
Vgl. Verg. ecl. IX 7 ? 9, von Servius als Beschreibung des vergilischen Gutes bei Mantua gedeutet.
- ↑
Vgl. v. Albrecht, Vergil, 2007, S. 7 (Anm. 3).
- ↑
Vgl. Suet. Vit. Verg. 6.
- ↑
Vgl. Suet. Vit. Verg. 7, 15.
- ↑
Vgl. Sen. contr. 3, praef. 8.,
Vergilium felicitas ingenii in oratione soluta reliquit
- ↑
Vgl. Suet. Vit Verg. 16:
[…] nam et in sermone tardissimum eum ac paene indocto similem fuisse Melissus tradidit
.
- ↑
Vgl. Verg. ecl. 10, 35.
- ↑
Vgl. Verg. ecl. 3, 84ff.
- ↑
Vgl. Verg. ecl. 9, 27.
- ↑
Vgl. Verg. georg. III, 12f.
- ↑
Vgl. Hor. sat. 1, 6, 54f.
- ↑
Vgl. Hor. sat. 1, 5.
- ↑
Vgl. Prop 2, 34:
Cedite, Romani scriptores, cedite Grai: Nescio quid maius nascitur Iliade
.
- ↑
Vgl. Hor. carm. 1, 3, 5ff.
- ↑
Vgl. Suet. Vit. Verg. 25f.
- ↑
Vgl. Suet. Vit. Verg. 35f.
- ↑
Vgl. Hor. serm. 1, 3, 29ff.:
iracundior est paullo, minus aptus acutis naribus horum hominum; rideri possit eo, quod rusticius tonso toga defluit et male laxus in pede calcaeus haeret: at est bonus, ut melior vir non alius quisquam, at tibi amicus, at ingenium ingens inculto latet sub hoc corpore
.
- ↑
Vgl. Suet. Vit. Verg. 8f.
- ↑
Vgl. Suet. Vit. Verg. 13.
- ↑
Vgl. Prop 2, 67., vgl. Mart. 7, 56., vgl. Suet. Vit. Verg. 9.
- ↑
Vgl. Buchner, Vergilius, in: RE, Bd. VIII, Sp. 1070?1087.
- ↑
Vgl. Naumann, Ist Vergil der Verfasser von Catalepton V und VIII, in: Rhm, Bd. 121 (1978), S. 83ff.
- ↑
Albrecht, M. v., Vergil, Bucolica, Georgica, Aeneis. Eine Einfuhrung. Heidelberg 2007, 11, 31.
- ↑
Schmidt, E. A., Zur Chronologie der Eklogen Vergils, Heidelberg 1974, 28.
- ↑
Clausen, W., On the Date of the First Eclogue. In: Harvard Studies in Classical Philology, Vol. 76, Harvard 1972, 201-205.
- ↑
The Oxford Classical Dictionary
. 1. Januar 2012,
doi
:
10.1093/acref/9780199545568.001.0001
.
- ↑
Zu den acht antiken Handschriften vgl. Artikel
Vergilhandschriften der Spatantike
.
- ↑
Die Verse 6?10 konnten auf die Schwangerschaft von Octavians Frau
Scribonia
anspielen, die allerdings ein Madchen gebar:
Jam redit et Virgo, redeunt Saturna regna,
jam nova progenies cœlo demittitur alto.
Tu modo nascenti Puero, quo ferrea primum
desinet, ac toto surget gens aurea mundo,
casta fave Lucina: tuus jam regnat Apollo.
Zu Deutsch:
?Jetzt kehrt die Jungfrau zuruck, die Herrschaft des Saturns kehrt zuruck; jetzt steigt eine neue Generation vom Himmel herab. Nur du, reine Lucina, lachle uber die Geburt des Kindes, unter dem die eiserne Brut endlich aufhoren und ein goldenes Volk in der ganzen Welt entstehen wird: dein eigener Apollo regiert jetzt als Konig.“
- ↑
http://www.accademianazionalevirgiliana.org/
(italienisch, abgerufen am 20. Februar 2013).
- ↑
Minor Planet Circ. 16590
- ↑
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ISBN 978-3-946292-26-5
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- Vitae Vergilianae Antiqvae. Vita Donati. Vita Servii. Vita Probiana. Vita Focae. S. Hieronymi Excerpta
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Ubersichtsdarstellung
- Michael von Albrecht
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Geschichte der romischen Literatur von Andronicus bis Boethius und ihr Fortwirken
. Band 1. 3., verbesserte und erweiterte Auflage. De Gruyter, Berlin 2012,
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, S. 560?598.
Einfuhrungen und Gesamtdarstellungen
- Michael von Albrecht:
Vergil. Bucolica, Georgica, Aeneis. Eine Einfuhrung.
2. unveranderte Auflage, Heidelberg: Winter 2007,
ISBN 978-3-8253-5338-4
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- Karl Buchner
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P. Vergilius Maro, der Dichter der Romer
(RE, Bd. VII, A 2), Sonderdruck: Druckenmuller, Stuttgart 1956, Sp. 42?160.
- Marion Giebel
:
Vergil. Mit Selbstzeugnissen und Bilddokumenten
, 4. Auflage, Rowohlt, Reinbek 1999,
ISBN 3-499-50353-0
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- Pierre Grimal
:
Vergil. Biographie.
Artemis & Winkler, Dusseldorf und Zurich 2000,
ISBN 3-7608-1226-0
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Vergil. Der Dichter und sein Werk.
C. H. Beck, Munchen 2006,
ISBN 3-406-53588-7
.
- Brooks Otis
:
Virgil: A Study in Civilized Poetry.
Clarendon Press, Oxford 1964.
Rezeption
Zeitschrift