Vaslav Nijinsky

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Vaslav Nijinsky in Paris, 1909

Vaslav Nijinsky ( franzosische Transkription , in ursprunglicher polnischer Schreibweise Wacław Ni?y?ski, russisch Вацлав Фомич Нижинский / Wazlaw Fomitsch Nischinski, auch Vaclav Nijinski oder Vatslav Nizhinskiy transkribiert; * 16. Dezember jul. / 28. Dezember   1889 greg. [1] , nach anderen Quellen 12. Marz 1888 oder 1889 oder 1890 in Kiew ; † 8. April 1950 in London ) war ein polnischstammiger russischer Balletttanzer und Choreograf .

Seine Zeitgenossen, die ihn tanzen sahen, waren von seiner Verwandlungsfahigkeit, seiner Virtuositat, seiner Grazie und Sprungtechnik beeindruckt. Als vollkommen galt seine Fahigkeit, einen Sprung scheinbar in der Luft anzuhalten (Ballon). Seine Sprunge gelten aus heutiger Sicht nicht als gewaltig in ihrem Raummaß, aber durch den Eindruck ihrer zeitlichen Arretierung beeindruckend. Fur den Zuschauer war die dafur notwendige Kraftanstrengung nicht sichtbar. Der Eindruck schwereloser Sprunge wurde noch durch seine Fahigkeit zu lautlosen und sanften Landungen verstarkt. Bis heute ist der Name Nijinsky daher ein Synonym fur perfekte Tanzkunst.

Nijinsky wurde als zweites Kind der Tanzer Tomasz Ni?y?ski und Eleonora Bereda in Kiev geboren. Ab 1900 besuchte er die kaiserliche Tanzakademie in Sankt Petersburg und wurde fur seine außerordentliche Virtuositat und Sprungkraft beruhmt, ab 1907 ist er Kunstler des Kaiserlichen Theaters St. Petersburg. Auch seine Schwester Bronislava Nijinska (1892?1972) erlangte als Balletttanzerin und Choreographin Weltruhm.

Einen Wendepunkt in Nijinskys Leben markierte 1908 das Zusammentreffen mit dem Impresario Sergei Djagilew , einem bekennenden Homosexuellen aus der Sankt Petersburger Oberschicht, dessen Liebhaber er bis zum Jahr 1913 war.

Nijinsky bei den Ballets Russes

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Anna Pawlowa und Nijinsky in Pavillon d’Armide

Da Sergei Djagilew 1909 auf die Tanzer des Mariinski-Theaters (des spateren Kirows) fur seine Gastspiele der Ballets Russes in Paris und London angewiesen war, kam Djagilew mit dem Direktorium des Mariinski Balletts in Konflikt, als er Nijinsky fur die Tour der Compagnie entbinden wollte. Nach einem wohl von Djagilew inszenierten Skandal, indem Nijinsky bei einer Galaauffuhrung als Albrecht mit Tamara Karsawina in Giselle vor den Romanows ohne die ublichen Oberhosen, nur in engen und den heute ublichen Balletthosen auftrat, wurde Nijinsky umgehend gekundigt und das ?Zugpferd“ der Compagnie. [2] Nijinsky, Tamara Karsawina, Ida Rubinstein und Anna Pawlowa ubernahmen die Rollen in den extra fur die jeweiligen Saisons bestellten Choreographien.

Die Ballets Russes wurden durch die damalige Lust der Pariser und Londoner Gesellschaft am Orientalischen zu einem kunstlerischen Großereignis. Das Talent Djagilews, moderne Musik und Choreographie mit ausgepragtem Design von Kostumen und aufwendig gestalteten Buhnenbildern ( Cocteau , Bakst , Benois und Picasso ) durch damals unbekannte, aber mit neuen frischen Ideen behaftete Kunstler zu Gesamtkunstwerken zu verbinden, beforderte die Compagnie schnell zur kunstlerischen Avantgarde per se und ließ die Ballets Russes zur einflussreichsten Ballettkompanie im 20. Jh. werden. Dabei wechselte Djagilew schnell von den klassischen Balletten zu bestellten Werken, die auf Musik von Debussy , Strawinski, Ravel, Richard Strauss und Manuel de Falla basierten.

Nijinsky tanzte bei folgenden Erstauffuhrungen der Ballets Russes: Cleopatre (Fokine, 1909), Scheherazade (Fokine, 1910), Carnaval (Fokine, 1910), Petrouchka (Fokine, 1911), Le Spectre de la Rose (Fokine, 1911), Le Dieu Bleu [The Blue God] (Fokine, 1912), Daphnis et Chloe (Fokine, 1912), L’apres-midi d’un faune (1912), Jeux (1913) und Till Eulenspiegel (1917). Seine eigenen Choreographien sind dabei L’apres-midi d’un faune (1912), Jeux (1913), Le Sacre du Printemps (1913) und Till Eulenspiegel (1917).

Die orientalischen Stucke

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Nijinsky in Le Spectre de la Rose

Die erste Saison der Ballets Russes wurden durch die beim Pariser Publikum beliebten orientalischen Stucke getragen. Die lyrisch orientalistischen Ballette Scheherazade , Daphnis et Chloe , Le Dieu bleu waren unterhaltsame exotische Tagtraume, in denen schon das Androgyne und Katzenhafte Nijinskys (insbesondere als Sklave in Scheherazade), der die klassischen Prinzenrollen nie gut ausfullte, bestens zur Geltung kam. Mit Michel Fokine war ein Choreograph gefunden, der erstmals in Les Sylphides ein Ballett ohne tragende Handlung und somit als Ballet pour le Ballet choreographiert hat und als erster Neuerer im Genre gilt. Durch Fokines choreographische Ideen wurden andere Moglichkeiten der Darstellung des klassischen Tanzes ausgelotet, mit dem Sterbenden Schwan selbst Philosophie als Tanz umgesetzt.

Die orientalischen Stucke fanden in Scheherazade (1910) einen prachtvollen Glanzpunkt. Ida Rubinstein als Zobeide und Nijinsky als Sklave traten in dem mit allem szenischen Aufwand ausgestatteten Werk mehr pantomimenhaft auf. Von großerer und nachhaltigerer Wirkung als die choreographischen Ideen erwiesen sich in Scheherazade aber Buhneninszenierung und Kostumentwurfe von Leon Bakst . [3] Nachdem Le Dieu bleu beim Publikum durchgefallen war, trennte sich Diagilew vorlaufig von Fokine.

Durch das fokinsche Repertoire arbeitete sich auch erstmals ein Tanzer in den Mittelpunkt von Handlungs- und Ausdrucksballetten. Das Publikum wartete insbesondere auf die athletischen Sprunge Nijinskys und dessen lyrisches Schauspieltalent sowie die szenographische Inszenierung, fur die fuhrende Kunstler im Buhnenbild sowie Kostum engagiert wurden. Mit L’Oiseau de feu stellte Strawinski, der bald die bedeutendsten Beitrage der Ballettpartitur schreiben sollte, erstmals ein, noch seinem Lehrer Rimski-Korsakow verpflichtetes, Werk vor. Hier spielte Tamara Karsawina, Nijinskys Hauptpartnerin, die Rolle des Feuervogels. Durch die Kundigung von Fokine bei den Ballets Russes 1912 wurde dessen choreographischer Platz jetzt ganzlich durch Nijinsky ubernommen, der schon im Feuervogel sowie bei Scheherazade und Petruschka maßgeblich in die choreographische Gestaltung eingegriffen hatte.

Le Spectre de la Rose

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Mit Le Spectre de la Rose (1911) beginnt die Reform der choreographischen Arbeiten von Fokine fur das Ballett im Allgemeinen und die Ballets Russes im Speziellen. Die neuartige Paarchoreographie Fokines fur Karsawina und Nijinsky, die den mannlichen Part durch eine androgyne Rolle aus der klassischen geschlechtlichen Zuordnung befreit, leitet die Revolution im Paartanz ein, in der dem mannlichen Part eine Reetablierung gegenuber der Ballerina gelingt. Das Ballett als Innenschau eines weiblichen Traums eines erotischen Erlebnisses und die Uneindeutigkeit geschlechtlicher Zuordnung heben Le Spectre de la Rose als Gesamtkonzept uber die gewohnte klassische Balletttradition, bedient sich aber aus dem Kanon der romantischen Ballette und dessen Bewegungs- und Raumkonzepten. [4]

Die russischen Stucke

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Strawinski und Nijinsky (im Kostum von Petruschka)

Mit Strawinski war seit Tschaikowski erstmals wieder ein herausragender Komponist fur das Ballett gefunden. Die Auftragsarbeit fur Petruschka sollte dabei einen Stilbruch vorbereiten, der sowohl musikalisch die erkennbare Handschrift Strawinskis trug als auch choreographisch ein ernsthafteres choreographisches Eingreifen Nijinskys einleitete. Die Dreiecksbeziehung von Petruschka, Ballerina und Zauberer gehort nach wie vor zu den Werken der Moderne. Bei der Urauffuhrung von Petruschka 1911 wurde Nijinskys dramaturgische Interpretation als Wunder aufgefasst. Sarah Bernhardt urteilte uber Nijinskys Darbietung: ?Ich furchte mich, ich furchte mich, denn ich sehe den großten Darsteller der Welt.“ (?J’ai peur, j’ai peur, car je vois l’acteur le plus grand du monde.“) [5] Nijinsky selbst schrieb zu Petruschka: ?Er (Petruschka) ist der mythische Ausgestoßene, in dem sich Leid und Schmerz des Lebens konzentrieren, der mit den Fausten gegen die Wand schlagt, der immer betrogen, verachtet und von der Welt verstoßen sein wird.“ Diese Beschreibung bringt auch Nijinskys eigene tief verwurzelten Selbstzweifel und emotional gefuhlte Minderwertigkeit zum Ausdruck. [6]

Tamara Karsawina war auch in Petruschka Nijinskys Partnerin, den Magier spielte Nijinskys Ballettmeister Enrico Cecchetti .

Choreographisch-Musikalische Revolution

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Erstmals ubergab Djagilew die Arbeit an einer Choreografie Nijinsky selbst, den er in kunstlerischen Belangen vollkommen unterstutzte. Nijinskys Unerfahrenheit als Choreograph kam insbesondere in der Schwierigkeit, dem Ensemble neue Ideen zu vermitteln, insbesondere die neuartigen Bewegungen im L’Apres-midi d’un faune , wo abgehackte, eindimensionale und im Profil verlaufende Bewegungen erheblichen Widerstand hervorriefen. Bei der Premiere von L’Apres-midi d’un faune kam es wegen Nijinskys revolutionarer Bewegungsablaufe, aber insbesondere in den von Djagilew kalkulierten Reaktionen auf die sexuellen Anspielungen zu heftigen Disputen. Der Kritiker Gaston Calmette war entsetzt und schrieb: ?Ein plumper Faun mit vulgaren Bewegungen von animalischer Erotik und schwerfalligen Gesten!“ [7] Diesem widersprach Auguste Rodin in einem offenen Artikel und bald war der "Faun" Gesprachsthema aller Feuilletons Europas. [8] Nijinsky wurde danach selbst beim empfindlichen Londoner Publikum gefeiert, bei dem uberraschenderweise der Schock uber die Masturbationsbewegungen am Ende des Stuckes ausblieb. Der Faun blieb in seiner Radikalitat ein einzigartiger avantgardistischer Entwurf, der durch folgende Faktoren bestimmt wird: ?Erotisches Skandalon wegen Fetisch (Schleier) und angedeuteter Onanie auf der Buhne, Einsatz von Bewegung als Material, divergierendes Raum- und Korperkonzept, die in der Rezeption oszillieren, dynamisiertes Verhaltnis von Bild und Bewegung…“ (Nicole Haitzinger). [9]

Nijinsky als Windgott Vayu in Marius Petipas Ballett Der Talisman , um 1910

Nachdem Djagilew mit dem Faun einen uberragenden Erfolg gefeiert hatte, ubertrug er Strawinski, nachdem dieser schon die Musik zu Petruschka und L’Oiseau de feu beigesteuert hatte, den Auftrag, ein modernes Stuck zum prahistorischen Russland zu schreiben. Das Werk Le Sacre du Printemps zu der gleichnamigen Musik von Igor Strawinski wurde dabei in zweifacher Weise zu einem weit vorgreifenden Werk. Nijinskys Choreografie und Strawinskis Musik uberforderten das Pariser Publikum im Theatre des Champs-Elysees derart, dass noch wahrend der Auffuhrung ein heftiger und gewalttatiger Tumult ausbrach und das Stuck nur nach langer Unterbrechung und massivem Polizeieinsatz weitergefuhrt werden konnte. Die zwei Lager im Publikum brachen in solcher Art ubereinander her, dass es zu schweren Verstimmungen zwischen Strawinski, der seine Musik entwurdigt sah und dies auf Nijinskys Choreographie schob, sowie Nijinsky, der durch die Reaktion besonders heftig getroffen wurde und wahrend der Auffuhrung wie benommen war, kam.

Strawinski beschrieb die denkwurdige Veranstaltung in seiner Biographie: ?Was die aktuelle Auffuhrung anging, kann ich daruber nicht urteilen, da ich den Saal gleich bei den ersten Satzen der Prelude verließ, was sofort zu hohnischem Lachen fuhrte. Ich revoltierte. Diese Manifestation, zuerst isoliert, wurde bald zu einem allgemeinen Aufruhr und fuhrte zu Gegenmaßnahmen auf der anderen Seite, die sich sehr schnell in ein grauenvolles Getose verwandelten. Wahrend der ganzen Auffuhrung stand ich an Nijinskys Seite an den Eingangen. Er stand auf einem Stuhl und schrie ?Sechzehn, Siebzehn, Achtzehn‘, sie hatten ihre eigene Methode, die Zeit zu zahlen. Naturlich konnten die armen Tanzer durch Kampf im Auditorium und ihrer eigenen Schritte nichts horen. Ich musste Nijinsky an den Kleidern festhalten, er war vollig aufgebracht und jeder Zeit bereit, auf die Buhne zu sturmen und einen Skandal zu verursachen. Diagilew veranlasste die Elektriker in der Hoffnung, den Tumult zu stoppen, dazu, die Lichter auszuschalten. Das ist alles, an das ich mich uber diese erste Auffuhrung erinnere.“ [10] .

Allein Djagilew wusste sich im Triumph, da ein solches Ausmaß an Reaktion die Truppe auch weiterhin in den Zenit der Pariser Gesellschaft hob. Strawinski war erst Jahre spater mit dem Stuck und dem Publikum versohnt, als er nach einer konzertanten Auffuhrung nicht nur sprichwortlich, sondern auch tatsachlich vom Publikum im Triumph durch die Pariser Straßen getragen wurde.

Sexuelle Konnotation der drei Nijinsky-Choreografien

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Leon Bakst : Nijinsky in L’Apres-midi d’un faune , 1912

Nijinskys bahnbrechende Choreographie war aber mehrere Jahrzehnte vor seiner Zeit und der Sacre wurde erst mit der Sexuellen Revolution als zeitgemaß empfunden. Nijinskys dritte choreographische Arbeit fur die Ballets Russes war die Weiterentwicklung der Variationen der sexuellen Themen der vorangegangenen Stucke, die die sexuelle Evolution eines Menschen mit der ?animalisch“ kindlichen Neugier im Faun ( L’apres midi ), der seine Lust an dem einer Nymphe abgenommenen Gewand ausubt, einer erwahlten Jungfrau ( Sacre ), die in einem Initiationsritual die Dimension der eigenen Sexualitat im Umgang mit anderen und drohender Gewaltausubung wahrnimmt und schließlich in Jeux [11] , wo das spielerisch Sexuelle im partnerschaftlichen und geschlechtlichen Tausch, den ausprobierend-testenden Umgang von Bindung und Paarverhalten widerspiegelt und weit uber damals ubliche Sujets hinausfuhrte.

Ausschluss und Wiederkehr Nijinskys bei den Ballets Russes

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Auf einer Tournee nach Sudamerika 1913, an der Djagilew, da er auf Schiffsreisen schwer seekrank wurde, nicht teilnehmen konnte, verliebte sich Nijinsky in die ungarische Tanzerin Romola de Pulszky (1894?1978). Die beiden heirateten noch im selben Jahr. In einem Anfall von Eifersucht entließ Sergei Djagilew, der nach Eintreffen des Telegramms einen schweren Schock erlitt, beide fristlos.

Wahrend des Ersten Weltkrieges war Nijinsky als russischer Staatsburger in ungarischer Gefangenschaft. Erst 1916 bemuhte sich Djagilew, Nijinski wieder eine Rolle anzubieten. Auf der Tournee der Ballets Russes durch Nordamerika im Jahr 1916 bekam Nijinsky abermals eine Moglichkeit, die Partitur von Richard Strauss , Till Eulenspiegel , choreographisch umzusetzen. Wahrend der Tournee wurden die Anzeichen einer psychischen Erkrankung Nijinskys aber immer deutlicher. Er litt teilweise unter Wahnvorstellungen und verfiel auch deutlich in religios bedingte Konflikte. In Djagilew, den er in gesundem Zustand nicht mehr sehen sollte, sah er seinen ubelsten Feind. Trotzdem konnte Nijinsky Till Eulenspiegel fertigstellen und brachte das Stuck erstmals in New York auf die Buhne. Auf der Tournee erreichte die Compagnie auch Los Angeles, ein Treffen Nijinskys und Charlie Chaplins , der alle Auffuhrungen besuchte, beeinflusste den Schauspieler nachhaltig, dessen Rollen teilweise von tanzerischem und mimischem Slapstick uberbordeten.

Zusammenbruch und geistige Umnachtung

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Nijinskys Grab auf dem Cimetiere Montmartre in Paris
Skulptur von Vaslav und Bronislava Nijinska von Giennadij Jerszow , dem Großen Theater, Warschau

Nach seinem Ruckzug lebte Nijinsky in der Schweiz und erlitt 1919 wahrend einer privaten Auffuhrung in St. Moritz einen schweren Nervenzusammenbruch . [12] Nachfolgend wurde bei ihm eine schwere Schizophrenie diagnostiziert. Damit war seine Karriere beendet. Er verbrachte den Großteil seines restlichen Lebens in verschiedenen psychiatrischen Kliniken und Pflegeheimen [13] (u. a. im Sanatorium Bellevue in Kreuzlingen , Kanton Thurgau ).

Als Ursache aller Neurosen und Psychosen vermutete der mit Nijinski bekannte Individualpsychologe Alfred Adler sich seit der Kindheit manifestierende Minderwertigkeitskomplexe; auch Nijinskis Krankheit soll so entstanden sein. Ab 1938 bekam er ein Jahr lang eine Insulin-Therapie (vgl. Krampfbehandlung ).

Erst eine Begegnung mit russischen Soldaten im Jahr 1945 im Hause seiner Frau in Ungarn befreite Nijinsky aus seinen psychischen Blockaden, und erstmals seit 1919 konnte er wieder frei sprechen. Nach 1945 zog das Paar nach London, wo Nijinsky ein normales Leben fuhren konnte und wieder in Kontakt mit der Außenwelt trat. [6]

Nijinsky starb 1950 in London, wo er auch beerdigt wurde. Drei Jahre spater wurde er auf den Cimetiere de Montmartre in Paris umgebettet.

1970 begann der britische Regisseur Tony Richardson mit der Produktion des Films Nijinsky . Das Drehbuch schrieb der Dramatiker Edward Albee . Fur die Hauptrollen waren Rudolf Nurejew (als Vaclav), Claude Jade (als Romola) und Paul Scofield (als Diaghilev) engagiert. Doch dann legten die Produzenten Albert R. Broccoli und Harry Saltzman das Projekt auf Eis.

1980 entstand Nijinsky , eine filmische Biographie von Herbert Ross mit Alan Bates (Diaghilev), Leslie Browne (Romola) und George De La Pena (Nijinsky). [14]

In Form einer Fernsehproduktion entstand im Jahr 2002 mit dem ORB und dem WDR die Tanzchoreographie ?Clown Gottes“ ? Verloren im Wahnsinn mit dem Kammertanzer Gregor Seyffert als Vaslav Nijinsky. Dessen Vater Dietmar Seyffert zeichnete fur Libretto und Choreographie verantwortlich, wahrend Frank Schleinstein Regie fuhrte.

2009 entstand der Dokumentarfilm Nijinsky & Neumeier. Eine Seelenverwandtschaft im Tanz von Annette von Wangenheim. Eine ARTE-/WDR-Produktion, 90 Minuten. [15]

Kurzfilm: Final (1989 Irene Jouanne)

Tanzer Nijinsky von Georg Kolbe , Berliner Sonderbriefmarke von 1981

18. Januar 1990: Premiere von Nijinsky ? Divine Dancer an der Finnischen Nationaloper in Helsinki. [16] Das Ballett wurde anlasslich des 100. Geburtstages von Wazlav Nijinsky bei dem in Paris lebenden deutschen Komponisten Joseph Holderle und dem finnischen Choreographen Juha Vanhakartano in Auftrag gegeben. Das Libretto (Juha Vanhakartano) basiert auf dem Tagebuch von Nijinsky und teilt das Werk analog der Form des Tagebuches in ?Leben“ (1st Act) und ?Tod“ (2nd Act) ein. Die Rolle des Nijinsky ist in einen Schauspieler und einen Tanzer aufgespalten. Der Tanzer verkorpert und tanzt die erfolgreichsten Rollen Nijinskys in Anlehnung an die originalen historischen Choreografien. Der Schauspieler zeichnet den geistigen Verfall des Stars nach, sein tragisches menschliches Scheitern. Um diese beiden parallel verlaufenden, gegenlaufig synchronisierten dramaturgischen Linien aus außerer Erfolgsstory und innerer Abwartsspirale ranken sich Ensembleszenen, die mit mythologischen und zeitgeschichtlichen Bezugen aufgeladen sind und (im Spiegel der Umbruchszeit vor dem Ersten Weltkrieg ) in einen finalen Kollaps fuhren. Das Ballet war eine der erfolgreichsten Produktionen der Nationaloper und in allen Vorstellungen ausverkauft.

2000 brachte John Neumeier in Hamburg sein Ballett Nijinski auf die Buhne. Musik u. a. von Nikolai Rimski-Korsakow und Dmitri Schostakowitsch , besonders dessen 11. Sinfonie, die den gesamten zweiten Teil umfasst. Die Handlung beginnt mit Nijinskis letztem Auftritt bei einer Privatveranstaltung und uberlagert in Ruckblenden biographische Episoden mit Szenen aus seinen Balletten (teilweise in alteren Choreografien Neumeiers, wobei die Nijinski-Rollen jeweils von anderen Tanzern getanzt werden), um schließlich im zweiten Teil zur Schostakowitsch-Sinfonie in einem zunehmenden Wahnsinnstanz zu munden. Das Ballett war ein herausragender Erfolg und uber Jahre hinweg ausverkauft.

Im April 2008 fand am Theater Aachen die Urauffuhrung der Oper Nijinskys Tagebuch von Detlev Glanert statt. [17] Diese behandelt die letzten 60 Tage des Tanzers, von der Diagnose Schizophrenie bis zum vollstandigen Zusammenbruch und der Einweisung in eine geschlossene Anstalt .

Nijinskys Leben, Tagebuch und Werk inspirierten die Filmemacherin, Kamerafrau und Regisseurin Elfi Mikesch zu einem Theaterstuck mit dem Titel Brennendes Pferd , das sie 2008 mit dem Theater Thikwa herausbrachte [18] .

Ebenfalls auf den sogenannten Tagebuchern (?Ich bin ein Philosoph, der fuhlt“) beruht das Tanztheaterstuck Feuer im Kopf ? Solo fur Waslaw Nijinski des Schweizer Tanzers und Choreographen Patrick Erni (Mannheim und Frankfurt, 2002) in der Inszenierung von Christian Golusda . Auch Oliver Reese verfasste auf der Grundlage der Tagebucher sein Solostuck Ich bin Nijinsky. Ich bin der Tod. , das er selbst 2013 am Schauspiel Frankfurt in der Alten Oper urauffuhrte. In Polen seit 2006 bis heute, sehr ahnlich lauteten die Spiegelung der Mitglieder einer anderen Gruppe, der Gesellschaft-Wierszalin von ihrem Theaterstuck Bog Ni?y?ski (dt. Gott-Nijinsky ) unter der Regie von Piotr Tomaszuk auf der Grundlage dem personlichen Tagebuch von Vaslav Nijinskys.

Ernesto de Fiori: Jungling (Nijinski) , 1914

Am 11. Juni 2011 wurde Polens erste Skulptur des polnisch-russischen Tanzers Vaslav Nijinsky und seiner Schwester Bronislava Nijinska im Foyer des Teatr Wielki enthullt. Es zeigt sie in ihren Rollen als Faun und Nymphe aus dem Ballett L’apres-midi d’un faune . Die Skulptur wurde im Auftrag des Polnischen Nationalballetts von dem bekannten polnisch-ukrainischen Bildhauer Giennadij Jerszow in Bronze gefertigt. Nijinsky wurde auch von Auguste Rodin portratiert. Es wurde 1912 posthum gegossen. Ernesto de Fiori stellte seine Skulptur Jungling (Nijinski) im Jahr 1914 her.

  • Petra van Cronenburg: Faszination Nijinsky . Verl.-Haus Monsenstein und Vannerdat , Munster 2011, ISBN 978-3-86991-362-9
  • Richard Buckle: Nijinsky. Ubersetzt von Jurgen Abel . Busse Seewald, Herford 1987, ISBN 3-512-00788-0 (Originalausgabe: Weidenfeld & Nicolson, London 1971)
  • Romola Nijinsky: Nijinsky. Der Gott des Tanzes . Ubersetzt von Hans Butow. Insel Verlag, Frankfurt am Main 1974 (Taschenbuchausgabe: Insel Verlag, Frankfurt am Main 1981, ISBN 3-458-32266-3 )
  • Peter Ostwald: Ich bin Gott. Waslaw Nijinski, Leben und Wahnsinn . Ubersetzt von Christian Golusda. Vorwort von John Neumeier. Europaische Verlagsanstalt, Hamburg 1997, ISBN 3-434-50066-9

Einzelnachweise

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  1. siehe das Geburtsdatum auf dem Grab des Kunstlers
  2. Вацлав Фомич Нижинский / Vatslav Fomich Nizhinskiy ( Memento vom 18. April 2010 im Internet Archive ) (russ.)
  3. Ida Rubinstein, Scheherazade
  4. Nicole Haitzinger: Reform, Revolution, Spektakel. Zu avantgardistischen Tanz- und Gesellschaftsentwurfen bei den Ballets Russes
  5. Guardian, From the archives: An obituary of Vaslav Nijinsky
  6. a b Der Spiegel : Ich bin Gott , 26. Juli 1982
  7. Dorion Weickmann im Artikel Hundert Jahre Ballets Russes ? Nijinskys Revolution des Tanzes wirkt bis heute nach , Suddeutsche Zeitung vom 22./23. August 2009
  8. New York Times, ARTS ABROAD; At the Altar of Nijinsky, Elusive Firebird and Faun, 9. Nov. 2000 At the Altar of Nijinsky, Elusive Firebird and Faun
  9. Nicole Haitzinger
  10. Igor Stawinsky: Chroniques de ma vie (reedition de 1962), S. 77
  11. Jeux ( Memento vom 12. Oktober 2009 im Internet Archive ), auf cmi.univ-mrs.fr
  12. Vaslav Nijinsky, Auszug aus den Aufzeichnungen uber den Auftritt in St. Moritz, NYT The Diary of Vaslav Nijinsky
  13. Linde, Otfried K. : Pharmakopsychiatrie im Wandel der Zeit. Erlebnisse und Ergebnisse . Tilia-Verlag Klingenmunster 1988; Seite 100 ? Textauszug: ?Der Patient konnte nicht geheilt werden.“
  14. Daten zum Film Nijinsky auf The Internet Movie Database
  15. http://www.annettevonwangenheim.de/film16.htm
  16. Database Finnish National Opera performances
  17. WDR 5 : Sendung Scala @1 @2 Vorlage:Toter Link/www.wdr5.de ( Seite nicht mehr abrufbar , festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven )     Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prufe den Link gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. vom 7. April 2008
  18. Brennendes Pferd von Elfi Mikesch im Theater Thikwa
Commons : Vaslav Nijinsky  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien