Ungarische Hofkanzlei

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Ungarische Hofkanzlei in Wien, heute Sitz der ungarischen Botschaft

Die ungarische Hofkanzlei (lat. Cancellaria Aulica Hungarica ) war zwischen dem 16. beziehungsweise 17. Jahrhundert und 1848 die fur Ungarn zustandige Behorde in der Habsburgermonarchie beziehungsweise im Kaisertum Osterreich .

Geschichte [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Ungarische Hofkanzlei war vor 1526, in der Zeit der Jagellonen, das wichtigste Organ der spatmittelalterlichen ungarischen Verwaltung, die außer der Finanzverwaltung fast alle Gebiete der Verwaltung beeinflusste. Der Niedergang des mittelalterlichen ungarischen Konigreichs veranderte auch die Lage der Ungarischen Hofkanzlei. [1]

Mit dem Ausbau der Zentralverwaltung der Habsburger Monarchie bußte sie einen großen Teil ihres Einflusses ein und bekam mit der Hofkanzlei (1527?1558), spater mit der Reichshofkanzlei (ab 1558) bzw. mit der Osterreichischen Hofkanzlei (ab 1620) einen machtigen Konkurrenten. [1]

Trotz allem konnte die Ungarische Hofkanzlei aber nach den anfanglichen Schwierigkeiten ihre Stellung in der Zentralverwaltung festigen und ihre Selbstandigkeit bewahren. Die Finanzangelegenheiten bzw. die Kriegssachen, wurden durch eigene Behorden, durch die Hofkammer (1527) und durch den Hofkriegsrat (1556) erledigt, und der Großteil der außenpolitischen Angelegenheiten wurde auch durch die oben erwahnten Kanzleien erledigt (mit Ausnahme der Ausstellung von Prasentationsschreiben der ungarischen Bischofe, Vertretung der ungarischen Untertanen vor dem polnischen Konig bzw. die Erledigung des Schriftverkehrs mit dem Furstentum Siebenburgen ). [1]

Die Behorde war, seitdem Ferdinand I. Anspruch auf die ungarische Krone erhob, die Verwaltungsbehorde fur das zunachst nur teilweise von den Habsburgern beherrschte Ungarn . Mit der dem Zuruckdrangen der Osmanen wuchs auch der Zustandigkeitsbereich der Kanzlei.

So blieb in der Kompetenz der Ungarischen Hofkanzlei die Ausubung der koniglichen Majestatsrechte, der Schutz der koniglichen und staatlichen Interessen, die Ausstellung der Urkunden uber konigliche Donationen sowie die Bekraftigung der Donationsbriefe von Landeswurdentragern. [2]

Die Behorde war zunachst wie die Ungarische Kammer in Preßburg angesiedelt. Zur Zeit Rudolf II. befand sich die Kanzlei zwischen 1576 und 1612 in Prag , danach wieder in Pressburg. Seit 1690 war die Kanzlei in Wien angesiedelt. Im Jahr 1714 zog sie in die Bankgasse 4?6. Das Gebaude wurde 1692 von Johann Bernhard Fischer von Erlach erbaut und kam um 1747 in den Besitz von Leopold Graf Nadasdy, der Vorsteher der ungarischen Hofkanzlei war. Heute befindet sich dort die ungarische Botschaft. [3]

In der ersten Zeit war sie eng mit der osterreichischen Hofkanzlei verbunden. Etwa seit 1690 bekam sie zunehmend ein eigenes Gewicht als Organ der Regierung fur Ungarn. Sie war Bindeglied zwischen dem Herrscher und dessen ungarischen Machtbereich. Sie informierte den Konig uber die Verhaltnisse im Land und fuhrte umgekehrt dessen Anweisungen aus. Sie stand dabei in einem stetigen Kontakt mit den ubrigen Behorden des Hofes. Ihre Zustandigkeit beschrankte sich dabei im Wesentlichen auf die Innenpolitik. Fur Finanzfragen war dagegen die Hofkammer oder die ungarische Kammer zustandig. Die Außenpolitik und die Kriegssachen wurden von den zentralen Hofbehorden entschieden. Wahrend der Herrschaft von Maria Theresia war die Hofkanzlei dem Directorium in publicis et cameralibus untergeordnet. Zur Zeit Joseph II. wurde sie mit der Hofkanzlei fur Siebenburgen verschmolzen. Unter Leopold II. wurden die Zustandigkeitsbereiche wieder getrennt.

Nach der Niederwerfung der Ungarische Revolution 1848/1849 wurde das Gebaude der Hofkanzlei vom k. k. Militar besetzt und sodann zur Unterbringung verschiedener osterreichischer Behorden (unter anderem des Justizministeriums) verwendet. Erst 1860?1867 bestand wieder eine Ungarische und Siebenburgische Hofkanzlei. Vom Osterreichisch-Ungarischen Ausgleich 1867 an bis zum Zerfall der Monarchie 1918 residierte in dem Gebaude der Hofkanzlei der k.u. Minister am kaiserlichen Hoflager .

Personal [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Ungarische Hofkanzlei hatte im 16. und 17. Jahrhundert ein relativ geringes Personal. Die Kanzlei wurde von dem Hofkanzler gefuhrt, der in dieser Zeit (bis 1732) meistens ein Bischof, oft ein Diozesanbischof war. Ein standiger Vizekanzler wurde nur selten ernannt. Der Hofkanzler wurde nur gelegentlich durch den sogenannten Cancellarius substitutus (Stellvertretenden Kanzler) ersetzt. [4] Mit den Klerikern konnten die Habsburger meistens besser umgehen als mit den stolzen ungarischen Magnaten . [5]

Die Schlusselperson der Institution war der Sekretar (im 16. Jh. waren teilweise zwei Sekretare angestellt). Der Sekretar verrichtete den großten Teil der schriftlichen Arbeit, er verfasste die wichtigsten Konzepte, kontrollierte die nicht von ihm geschriebenen Dokumente und organisierte die Arbeit der Notare (Schreiber). Die Notare waren Privatangestellte der Sekretare bzw. der Hofkanzler. Sie bekamen kein regelmaßiges Gehalt und wurden von ihren Herren versorgt und bezahlt. Deshalb nahmen viele von ihnen Privatauftrage an. [4] Die Schlusselbeamten der Hofkanzlei waren somit die Sekretare, die den Hauptteil der schriftlichen Arbeit erledigten. Sie bereiteten die eingelaufenen Stucke fur die Audienz vor, verfertigten die Konzepte aufgrund der Entscheidungen, und beaufsichtigten die Expeditionen. [6]

Der dritte standige Angestellte der Hofkanzlei war der Registrator, der auch als Siegelsaufbewahrer ( Conservator Sigilli ) fungierte. DieTaxgebuhren bildeten die materielle Grundlage der Hofkanzlei. Die Gebuhren wurden nach einem bestimmten Schlussel zwischen dem Kanzler, Sekretar, und Registrator aufgeteilt. Im Laufe des 17. Jahrhunderts festigte sich die Stelle des Registrators und er fungierte als ?Vizesekretar“, der in der Erledigung der nicht politischen Angelegenheiten eine immer großere Rolle spielte. [4]

Liste der ungarischen Hofkanzler [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

(Quellen: [7] [8] )

1860?1867 bestand wieder eine Ungarische und Siebenburgische Hofkanzlei mit folgenden k.u. Hofkanzlern:

Gebaude (Ungarische und Siebenburgische Hofkanzlei) [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Auf der Parzelle Bankgasse 6, Schenkenstraße standen ursprunglich ein adeliges Freihaus (ab Anfang 17. Jahrhundert den Althan gehorig) und zwei Burgerhauser, die 1689 beziehungsweise 1692 vom osterreichischen Hofkanzler (1683?1693) Theodor Althet Graf Strattmann gekauft wurden. An ihrer Stelle entstand 1692/1693 nach Planen von Johann Bernhard Fischer von Erlach ein prachtvolles Palais, das 1728 von den Strattmannschen Erben an Leopold Graf Windisch-Graetz veraußert wurde. Von dessen Erben kam es 1747 durch Kauf an den ungarischen Hofkanzler Leopold Graf Nadasdy (der Kaufpreis war durch Spenden der ungarischen Komitate und Freistadte aufgebracht worden) und diente nach Adaptierung 1747?1749 der Ungarischen Hofkanzlei, die vorher in Mietobjekten untergebracht gewesen war, als Amtsgebaude. 1766/1767 erfolgte eine Umgestaltung nach einem Entwurf von Nikolaus Pacassi ; 1768 wurde das Deckengemalde ?Stiftung des Stephansordens durch Maria Theresia“ ( k.u. Sankt Stephans-Orden ) von Franz Anton Maulbertsch angebracht. [9] [10]

Das Gebaude Bankgasse 4, Schenkenstraße 1 war 1673 in den Besitz der Grafen Trautson gekommen und wurde 1783 vom Erben des letzten Trautson, Karl Joseph Furst Auersperg, an den ungarischen Hofkanzler Franz Graf Esterhazy veraußert. Es war zur Unterbringung der Siebenburgischen Hofkanzlei bestimmt. Durch Vorziehen einer Fassade in der Bankgasse (Entwurf Franz Anton Hillebrand ) wurde es 1783/1784 mit dem Nachbarhaus außerlich vereint, doch bleiben die beiden Parzellen grundbucherlich bis heute getrennt. [9]

Nach der Niederwerfung der Ungarische Revolution 1848/1849 wurde der Komplex vom k. k. Militar besetzt, sodann zur Unterbringung verschiedener osterreichischer Behorden (unter anderem des Justizministeriums) verwendet. 1851?1860 befand sich hier der Sitz des Reichsrats, 1860?1867 wieder der Sitz der Ungarischen und Siebenburgischen Hofkanzlei. Vom Ausgleich 1867 an bis zum Zerfall der Monarchie 1918 residierte hier der ungarische Minister am kaiserlichen Hoflager; auch die ungarischen Delegationen, die periodisch im Sinne des Ausgleichs mit den Delegierten der osterreichischen Reichshalfte zu verhandeln hatten, traten hier zusammen. 1918?1938 war der Komplex Amtsgebaude der ungarischen Gesandtschaft, dann 1938?1945 Sitz des ungarischen Generalkonsulats fur das Territorium des vormaligen Osterreich. Seit 1945 amtiert hier wieder die diplomatische Vertretung der Republik Ungarn (zunachst Geschaftstrager, ab 1955 Gesandtschaft, seit 1964 Botschaft; siehe Ungarische Botschaft). 1969?1974 wurde das Dachgeschoß ausgebaut; Restaurierungen fanden 1978?1980, 1986?1989 und 1992/1993 statt. [9]

Siehe auch [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Commons : Palais Strattmann  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. a b c Istvan Fazekas Ungarische Hofkanzlei S. 104
  2. Istvan Fazekas Ungarische Hofkanzlei S. 105
  3. Palais Strattmann auf planet-vienna
  4. a b c Istvan Fazekas Ungarische Hofkanzlei S. 106
  5. Istvan Fazekas Ungarische Hofkanzlei S. 108
  6. Istvan Fazekas Ungarische Hofkanzlei S. 116
  7. Zoltan. Fallenbuchl: Magyarorszag f?meltosagai . Maecenas, Budapest 1988, ISBN 963-02-5536-7 , S.   98?100 .
  8. Istvan Fazekas: Vorstande der Ungarischen Hofkanzlei (Hofkanzler, Vizekanzler, Erzkanzler) In: Hochedlinger, Ma?a, Thomas Winkelbauer (Hrsg.): Verwaltungsgeschichte der Habsburgermonarchie in der Fruhen Neuzeit Wien 2019 S. 502
  9. a b c Ungarische Hofkanzlei im Wien Geschichte Wiki der Stadt Wien
  10. Dimitri Schelest: Die Verleihung des Stephans-Ordens - ? Maulbertschs Lemberger Olskizze fur das Deckenbild im Ratssaal der Ungarischen Hofkanzlei In: Barockberichte Nr. 7 (1992) S. 230?235.