Die
Turksprachen
? auch
turkische Sprachen
oder
Turksprachen
genannt ? bilden eine in
Eurasien
weit verbreitete
Sprachfamilie
von rund 40 relativ nah verwandten Sprachen mit etwa 180 bis 200 Mio. Sprechern.
[1]
Sie gliedern sich in eine
sudwestliche
(oghusische),
sudostliche
(karlukische
oder
uigurische),
nordwestliche
(kiptschakische)
und
nordostliche
(sibirische)
Gruppe, außerdem in die Zweige
Arghu
und
Bolgar-Turkisch
.
Einige neuere Theorien gehen davon aus, dass die
Urheimat
der Turksprachen in der sudwestlichen
Mandschurei
liegt.
[2]
Mit den
mongolischen
,
tungusischen
und manchmal auch mit den
koreanischen
und
japanischen Sprachen
werden die Turksprachen zur Gruppe der
altaischen Sprachen
zusammengefasst
[3]
[4]
. Ob ?Altaisch“ eine
genetische
oder nur eine
areale
Einheit bildet, ist bis heute ungeklart. Die Mehrheit der Forscher geht von einem arealen
Sprachbund
aus.
[5]
Die Turksprachen haben viele
Lehnworter
aus den
iranischen Sprachen
, vor allem dem
Sogdischen
sowie dem
Persischen
, ubernommen. Das Sogdische war die weit verbreitete dominante Sprache in
Zentralasien
und entlang der
Seidenstraße
nach China, bevor sie durch spater eindringende Turksprachen ersetzt wurde.
[6]
[7]
[8]
Umgekehrt wurden auch die iranischen Sprachen, auch das Neupersische, von den Turksprachen beeinflusst.
[9]
Einige Lehnworter wurden auch aus den
chinesischen Sprachen
ubernommen. So zeigen die Turksprachen fruhen Sprachkontakt mit sinitischen (chinesischen) Sprachen auf, bevor die Westwanderung einsetzte.
[10]
Die Turksprachen werden auch als
Turksprachen
und
turkische Sprachen
bezeichnet, die Einzelsprachen, z. B. Usbekisch oder Aserbaidschanisch erscheinen auch mit Bezeichnungen wie
usbekisches
bzw.
aserbaidschanisches Turkisch
. Solche Bezeichnungen sind insbesondere in der turkischen Turkologie ublich, in der die Einzelsprachen als Dialekte bezeichnet werden.
[11]
Dies darf nicht dahin missverstanden werden, dass die Turksprachen mit der Einzelsprache
Turkisch
identisch waren, die nur eine ? allerdings die sprecherreichste ? von etwa 40 Sprachen dieser Sprachengruppe darstellt, oder dass es sich bei den Turksprachen um
Dialekte
des Turkischen handele. Tatsachlich wird bei einer solchen Benennungspraxis auch das Turkische regelmaßig mit einem besonderen Attribut wie
Turkei-Turkisch
oder
Osmanisch-Turkisch
versehen. Die Bezeichnung der Einzelsprachen als Dialekte ist historisch bedingt, weil bis zum Ende des 19. Jahrhunderts die Turksprachen (mit Ausnahme ferner stehender Idiome wie des Tschuwaschischen oder raumlich isolierter Idiome wie des Jakutischen) ein
Dialektkontinuum
bildeten, das an einigen Grenzlinien deutlichere Bruche, im Regelfall aber sanfte Ubergange aufwies. So ist die Sprache von Istanbul (stilbildend fur die turkische Sprache) deutlich verschieden von der Sprache von Baku (maßgeblich fur die aserbaidschanische Sprache), dazwischen findet sich aber keine ausgepragte Sprachgrenze
[12]
und auch diese Sprachen sind untereinander gerade noch verstandlich. Uber diesen gesprochenen Sprachen existierte in Zentralasien und im Wolgaraum mit dem
Tschagataiturkischen
eine einheitliche Literatursprache
[13]
, deren Eigenbezeichnung
turki
lautete. Die Entwicklung lokaler Standardsprachen aus den lokalen Dialekten war eine auch politisch beeinflusste Entwicklung des 20. Jahrhunderts. Dabei kam es auch zu systemwidrigen Entscheidungen. So sollte Zentralasien 1924 nach linguistisch-ethnischen Gesichtspunkten gegliedert werden. Bei der Befragung der Bevolkerung nach ihrer Selbstidentifizierung wurden die Antworten dann mitunter nach anderen, etwa wirtschaftgeographischen Kriterien gegeben und die Grenze entsprechend gezogen.
[14]
Mit insgesamt etwa 40 Sprachen, die von 180 Millionen Menschen als Muttersprache gesprochen werden (bis zu 200 Millionen mit Zweitsprechern), bildet die Familie der Turksprachen die mit Abstand großte und bedeutendste der drei Untergruppen des Altaischen.
[15]
Sie ist ? nach der Zahl ihrer Sprecher ? die siebtgroßte Sprachfamilie weltweit (nach
Indogermanisch
,
Sinotibetisch
,
Niger-Kongo
,
Afroasiatisch
,
Austronesisch
und
Drawidisch
).
Die meisten Turksprachen sind sich in der Phonologie, Morphologie und Syntax sehr ahnlich, allerdings weichen
Tschuwaschisch, Chaladsch
und die nordsibirischen Turksprachen
Jakutisch
und
Dolganisch
nicht unerheblich von den ubrigen ab. Zwischen den Sprechern der meisten Turksprachen ist eine partielle wechselseitige Verstandigung moglich, vor allem wenn sie zur gleichen Untergruppe gehoren (zur Klassifikation vgl. den nachsten Abschnitt). Diese relativ große Ahnlichkeit der Sprachen erschwert die klare Festlegung von
Sprachgrenzen
, zumal zwischen Nachbarsprachen meist Ubergangsdialekte bestehen. (Haufig werden diese Grenzen kunstlich durch politische Entscheidungen und Zugehorigkeiten gezogen.) Auch die innere genetische Gliederung der Turksprachen ist wegen ihrer Ahnlichkeit und intensiven wechselseitigen Beeinflussung problematisch, was zu unterschiedlichen Klassifikationsansatzen gefuhrt hat.
Die Turksprachen sind uber ein riesiges Gebiet in Ost- und Sudosteuropa sowie West-, Zentral- und Nordasien verbreitet (
siehe
Verbreitungskarte). Dieses Gebiet reicht vom Balkan bis nach China, von Zentralpersien bis zum Nordmeer. In rund dreißig Landern Eurasiens werden eine oder mehrere Turksprachen in nennenswertem Umfang gesprochen, bemerkenswert ist der hohe Anteil
Turkischsprechender in Deutschland
und im sonstigen Europa aufgrund der Migrationen der letzten Jahrzehnte.
Die drei mit Abstand großten Turksprachen sind:
- Turkisch
: 70 Mio. Sprecher, mit Zweitsprechern 80 Mio.: Turkei, Balkanstaaten; auch West- und Mitteleuropa (durch rezente Migration)
- Aserbaidschanisch
(Aserbaidschan-Turkisch
[16]
[17]
): 30 Mio. Sprecher: Aserbaidschan und Nordwestiran, auch in der Ostturkei und im Nordirak
- Usbekisch
: 24 Mio. Sprecher: Usbekistan, Nordafghanistan, Tadschikistan und Westchina (
Xinjiang
)
Weitere Turksprachen mit mehr als einer Million Sprecher:
- Kasachisch
: 11 Mio. Sprecher: Kasachstan, Usbekistan, China, Russland
- Uigurisch
: 8 Mio. Sprecher: hauptsachlich im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang der Volksrepublik China
- Turkmenisch
: 6,8 Mio. Sprecher: Turkmenistan, Nordiran
- Tatarisch
: 5,5 Mio.(2010) Sprecher: (ethnisch 6,6 Mio.) von Zentralrussland bis Westsibirien
[18]
- Kirgisisch
: 4,5 Mio. Sprecher: Kirgisistan, Usbekistan, Kasachstan, Tadschikistan, Westchina
- Tschuwaschisch
: 1,8 Mio. Sprecher: im europaischen Teil Russlands
- Baschkirisch
: 1,8 Mio. Sprecher: in der russischen autonomen Republik Baschkirien
- Kaschgaisch
: 1,5 Mio. Sprecher: in den iranischen Provinzen Fars und Chuzestan
Die Sprecherzahlen stammen vom Marz 2006 aus diversen gepruften Quellen. 5 % bis 10 % hohere Werte sind durch den zeitlichen Abstand zwischen Ermittlung und Veroffentlichung moglich.
Wie eng die Turksprachen miteinander verwandt sind ? wenn man von Tschuwaschisch, Chaladsch und den nordsibirischen Turksprachen absieht ? zeigt bereits ein Blick auf die folgende Tabelle, die einige
Wortgleichungen
des Grundwortschatzes fur die Sprachen Altturkisch (der ersten schriftlich uberlieferten Turksprache, die jedoch kein direkter Vorfahr des Turkei-Turkischen ist), Turkisch, Aserbaidschanisch, Turkmenisch, Tatarisch, Kasachisch, Usbekisch und Uigurisch enthalt.
Vergleich einiger
Grundworter
in wichtigen Turksprachen
Deutsch
|
Altturkisch
|
Turkisch
|
Aserbaid.
|
Turkmenisch
|
Tatarisch
|
Kasachisch
|
Usbekisch
|
Uigurisch
|
Kumykisch
|
Mutter
|
ana
|
anne/ana
|
ana
|
ene
|
ana
|
ana
|
ona
|
ana
|
|
Vater
|
ata
|
ata
|
ata
|
kaka
|
ata
|
ake
|
ota
|
ata
|
ata
|
Fleisch
|
et
|
et
|
?t
|
et
|
it
|
et
|
go?sht/e?t
|
et/gosh
|
et
|
Gras
|
ot
|
ot
|
ot
|
?l?n/ot
|
ot
|
ot/?op
|
o?t
|
ot/chop
|
od
|
Pferd
|
at
|
at
|
at
|
at
|
at
|
at/zhylqy
|
ot
|
??t,at
|
at
|
Feuer
|
ot
|
ate?/od
|
at??/od
|
ot
|
ut
|
ot
|
o?t/otash
|
ot
|
ot
|
Eis
|
buz
|
buz
|
buz
|
buz
|
boz
|
muz
|
muz
|
muz
|
muz
|
Nase
|
burun
|
burun
|
burun
|
burun
|
boryn
|
murın
|
burun
|
burun
|
murun
|
Arm
|
qol
|
kol
|
qol
|
qol
|
qul
|
qol
|
qo?l
|
kol
|
qol
|
Straße
|
yol
|
yol
|
yol
|
yol
|
jul
|
jol
|
yo?l
|
yol
|
yol
|
fett
|
semiz
|
semiz
|
semiz
|
simyz
|
semiz
|
semiz
|
semiz
|
semiz
|
semiz
|
Erde
|
a?u
|
toprak
|
torpaq
|
topraq
|
tufrak
|
topıraq
|
tuproq
|
tupraq
|
|
Blut
|
qan
|
kan
|
qan
|
gan
|
kan
|
qan
|
qon
|
qan
|
qan
|
Asche
|
kul
|
kul
|
kul
|
kol
|
kul
|
kul
|
kul
|
kul
|
kul
|
Wasser
|
su
|
su
|
su
|
suw
|
syw
|
suw
|
suv
|
su
|
suw
|
hell
|
yuruŋ
|
ak
|
a?
|
ak
|
ak
|
aq
|
oq
|
aq
|
aq
|
dunkel
|
qara
|
kara
|
qara
|
gara
|
kara
|
qara
|
qora
|
qara
|
qara
|
rot
|
kızıl
|
kızıl
|
qızıl
|
qyzyl
|
kyzyl
|
qızıl
|
qizil
|
qizil
|
qizil
|
blau/Himmel
|
kok
|
gok
|
goy
|
gok
|
kuk
|
kok
|
ko?k
|
kok
|
gok
|
Die Turksprachen Turkisch, Aserbaidschanisch, Turkmenisch, Kasachisch, Kirgisisch und Usbekisch sind
Nationalsprachen
in ihren jeweiligen Staaten. Einen besonderen Status als offizielle
Regionalsprachen
autonomer Republiken oder Provinzen haben daruber hinaus folgende Turksprachen: in Russland Tschuwaschisch, Kumykisch, Karatschai-Balkarisch, Tatarisch, Baschkirisch, Jakutisch, Chakassisch, Tuwa, Altaisch; in China Uigurisch und in Usbekistan Karakalpakisch.
Turksprachen werden in etwa 30 Staaten Europas und Asiens gesprochen. Die Tabelle zeigt ihre Verbreitung in den einzelnen Staaten. Die Sprachen sind nach Unterfamilien angeordnet (
siehe:
Klassifikation).
Sprache
|
Sprecherzahl
|
hauptsachlich verbreitet in folgenden Landern
(mit Sprecherzahlen)
|
OGHURISCH
|
|
|
Tschuwaschisch
|
1,8 Mio.
|
Russland
(
Tschuwaschien
u. a.) 1,8 Mio.,
Kasachstan
22.000
|
KIPTSCHAKISCH
|
|
|
Karaimisch
|
fast †
|
Litauen
ca. 300,
Ukraine
<10,
Polen
<10
|
Kumykisch
|
280.000
|
Russland
(
Dagestan
)
|
Karatschai-Balkarisch
|
250.000
|
Russland
(
Karatschai-Tscherkessien
,
Kabardino-Balkarien
)
|
Krimtatarisch
|
500.000
|
Ukraine
200.000,
Usbekistan
190.000,
Kirgisistan
40.000
|
Tatarisch
|
1,6 Mio.
|
Russland
480.000,
Usbekistan
470.000,
Kasachstan
330.000,
Kirgisistan
70.000,
Tadschikistan
80.000,
Turkmenistan
50.000,
Ukraine
90.000,
Aserbaidschan
30.000
ethnische
Tataren
: 6,6 Mio.
|
Baschkirisch
|
1,8 Mio.
|
Russland
1,7 Mio.,
Usbekistan
35.000,
Kasachstan
20.000
|
Nogaisch
|
70.000
|
Russland
(
Nordkaukasus
)
|
Karakalpakisch
|
400.000
|
Usbekistan
|
Kasachisch
|
11 Mio.
|
Kasachstan
8 Mio.,
China
1 Mio.,
Usbekistan
800.000,
Russland
650.000,
Mongolei
100.000
|
Kirgisisch
|
4,5 Mio.
|
Kirgisistan
3,8 Mio.,
Usbekistan
400.000,
China
200.000
|
OGHUSISCH
|
|
|
Turkisch
|
75 Mio.
|
Turkei
70 Mio. (S2 84 Mio.),
Balkan
2,5 Mio.,
Turkische Republik Nordzypern
300.000,
GUS
300.000,
Deutschland
2 Mio., sonstiges West- und Mitteleuropa 700.000
|
Gagausisch
|
500.000
|
Moldau
170.000,
Balkan
300.000 (inkl. europ. Turkei),
Ukraine
20.000,
Bulgarien
10.000
|
Aserbaidschanisch
|
30 Mio.
|
Iran
20 Mio.,
Aserbaidschan
8 Mio.,
Turkei
500.000,
Irak
500.000,
Russland
350.000,
Georgien
300.000,
Armenien
200.000
|
Turkmenisch
|
6,8 Mio.
|
Turkmenistan
3,8 Mio.,
Iran
2 Mio.,
Afghanistan
500.000,
Irak
250.000,
Usbekistan
250.000
|
Chorasan-Turkisch
|
400.000
|
Iran
(Provinz
Chorasan
)
|
Kaschgai
|
1,5 Mio
|
Iran
(Provinzen
Fars
,
Chuzestan
)
|
Aynallu
|
7000
|
Iran
(Provinzen
Markazi
,
Ardabil
,
Zandschan
)
|
Afscharisch
|
300.000
|
Afghanistan
(
Kabul
,
Herat
),
Nordost-Iran
|
Salarisch
|
55.000
|
China
(Provinzen
Qinghai
,
Gansu
)
|
UIGURISCH
|
|
|
Usbekisch
|
24 Mio.
|
Usbekistan
20 Mio.,
Afghanistan
1,5 Mio.,
Tadschikistan
1 Mio.,
Kirgisistan
750.000,
Kasachstan
400.000,
Turkmenistan
300.000
|
Uigurisch
|
8 Mio.
|
China
(Autonomes Gebiet
Xinjiang
) 7,2 Mio.,
Kirgisistan
500.000,
Kasachstan
300.000
|
Yugur
|
5000
|
China
(Provinz
Gansu
)
|
Aynu
|
7000
|
China
(Autonomes Gebiet
Xinjiang
)
|
Ili Turki
|
120
|
China
(Autonomer Bezirk
Ili
)
|
SIBIRISCH
|
|
|
Jakutisch
|
450.000
|
Russland
(
AR Jakutien
)
|
Dolganisch
|
5000
|
Russland
(
Autonomer Kreis Taimyr
)
|
Tuwinisch
|
265.000
|
Russland
(
Irkutsker Oblast
, AR
Tuwa
) 235.000,
Mongolei
30.000
|
Tofalarisch
|
fast †
|
Russland
(Sudlicher
Irkutsker Oblast
)
|
Chakassisch
|
65.000
|
Russland
(AR
Chakassien
)
|
Altaisch
|
50.000
|
Russland
(
AR Altai
,
Region Altai
)
|
Schorisch
|
10.000
|
Russland
(
AR Altai
)
|
Tschulymisch
|
2500
|
Russland
(
AR Altai
, Nordaltaigebiet)
|
ARGHU
|
|
|
Chaladsch
|
42.000
|
Iran
(Zentralprovinz, zwischen
Qom
und Arak)
|
Einige Turksprachen sind in ihrer Existenz stark gefahrdet, da sie nur noch von wenigen meist alteren Menschen gesprochen werden. Direkt vom Aussterben in den nachsten Jahren bedroht sind das sudsibirische
Tofa
oder
Karagassische,
das
Karaimische
in Litauen, das
Judao-Krim-Tatarische
(das Krimtschakische)
und das
Ili Turki
in Nordwestchina (Ili-Tal). Nur noch einige Tausend Sprecher verwenden das
Aynallu
im Iran, das
Yugur
(Gansu-Provinz) und
Ainu
(bei Kaschgar), beide China, das nordsibirische
Dolganisch
und das sudsibirische
Tschulymisch
am Tschulym-Fluss nordlich des Altai. Alle anderen Turksprachen sind relativ stabil, die Sprecherzahlen der großen Sprachen nehmen zu.
Die relativ große Ahnlichkeit und intensive wechselseitige Beeinflussung der Turksprachen sowie die hohe Mobilitat der
Turkvolker
erschwert die klare Festlegung von Sprachgrenzen und die innere genetische Klassifizierung, was zu unterschiedlichen Klassifikationsansatzen gefuhrt hat. Dennoch haben sich heute relativ stabile und gleichartige Einteilungen ergeben, die alle letztlich auf den russischen Linguisten
Alexander Samoilowitsch
(1922) zuruckgehen. Obwohl Klassifizierungen grundsatzlich genetisch sein sollten, spielt bei der Gliederung der Turksprachen die geographische Verteilung eine große Rolle. Zur Frage der Verwandtschaft der Turksprachen mit den mongolischen und tungusischen Sprachen
siehe
altaische Sprachen
.
Das
Tschuwaschische
bildet (zusammen mit dem ausgestorbenen
Bolgarischen
) einen eigenen oghurischen oder ?bolgarischen“ Zweig der Turksprachen, der dem Rest der Familie (Turksprachen i. e. S.) mit relativ weitem Abstand gegenubersteht.
[19]
Einige Forscher hielten das Tschuwaschische nicht einmal fur eine ?richtige“ Turksprache, da es so stark von allen anderen abweicht. Ob dieser große Unterschied auf eine fruhe Abspaltung des bolgarischen Zweigs von den anderen Turksprachen oder auf eine langere Phase der sprachlichen und kulturellen Isolierung zuruckzufuhren ist, konnte bisher nicht geklart werden. Ein Merkmal dieser Trennung ist der Wandel von gemeinturkischem /-z/ zu /-r/ (
Rhotazismus
), zum Beispiel bei den Finalkonsonanten in
- tschuw.
taχar,
aber nogaisch
toγiz
? ?neun“
- tschuw.
kor,
aber turk.
goz
? ?Auge“
Das Tschuwaschische wird vor allem im europaischen Teil Russlands ostlich von Moskau in der autonomen Republik
Tschuwaschien
im großen Wolgabogen von 1 Mio. Sprechern gesprochen. Weitere Tschuwaschen gibt es in Tatarstan und Baschkirien (insgesamt 1,8 Mio. Sprecher). Die
Tschuwaschen
sind uberwiegend russisch-orthodoxen Glaubens, verwenden in ihren eigenen Print- und Rundfunkmedien neben der kyrillischen Schrift auch ein angepasstes Lateinalphabet und sprechen uberwiegend Russisch als Zweitsprache. Sie betrachten sich kulturell und historisch als Nachfolger der Wolga-Bolgaren, was aber fraglich ist.
Von den restlichen Turksprachen weicht das
Chaladsch
am starksten ab. Es ist ? nach der heute weitgehend akzeptierten Auffassung Gerhard Doerfers ? der einzige noch existente Vertreter des Arghu-Zweiges der Turksprachen, der ebenfalls fruh isoliert wurde und dann im Laufe des 13. Jahrhunderts in der zentraliranischen Provinz auftritt ? umgeben von Sprechern des Persischen.
[20]
Heute wird Chaladsch von etwa 40.000 Menschen in der iranischen Zentralprovinz zwischen Qom und Akar gesprochen und ist nach linguistischen Gesichtspunkten eine der interessantesten Turksprachen im Iran. Die fruhe Isolation von anderen Turksprachen und die starke Beeinflussung durch das Persische haben einerseits archaische Merkmale erhalten (z. B. ein Vokalsystem mit drei Quantitaten kurz-mittellang-lang, Beibehaltung des anlautenden /h-/ und des altturkischen Dativsuffixes /-ka/: chaladsch
hav.ka
? turkisch
ev.e
? ?fur das Haus“ ? eigentlich: ?dem Hause“), andererseits zu verbreiteten Iranismen in Phonologie, Morphologie, Syntax und Lexikon (sogar bei einigen Zahlwortern) gefuhrt.
Die ubrigen vier Gruppen der Turksprachen sind vor allem geographisch gegliedert, wobei fur die Einteilung nicht die heutigen Siedlungsgebiete gelten, sondern die Fruhphase der turkischen Sprachen nach ihren ersten Wanderungen und Siedlungsprozessen. Somit unterscheidet man
Kiptschakisch
oder Westturkisch,
Oghusisch
oder Sudwestturkisch (die nach der Zahl ihrer Sprecher großte Gruppe mit den Sprachen Turkisch, Aserbaidschanisch, Turkmenisch, Kaschkai),
Karlukisch
oder Ostturkisch, Nordturkisch, Nordostturkisch und Bolgar-Turkisch. Kiptschakisch/Westturkisch gliedert sich in drei Untergruppen: Kiptschak-Bulgarisch oder Uralisch, Kiptschak-Oghusisch oder Pontisch-Kaspisch und Kiptschak-Nogaisch oder Aralisch-Kaspisch.
Das Jakutische und Dolganische weichen aufgrund ihrer langen Isolierung im Grundwortschatz stark von den restlichen Sprachen ab. Unterschiedlich sind auch Wortstellung und Satzbau. In dieser Hinsicht gleicht das Jakutische mehr den mongolischen und tungusischen Sprachen. Außerdem fehlen alle Fremdworter persisch-arabischen Ursprungs, die in anderen Turksprachen vorkommen.
Zur Ahnlichkeit der Sprachen tragt auch die lange arabisch-persische Pragung von Wortschatz und
Idiomatik
bei, die die meisten Turksprachen durch den Islam erfahren haben. Fur die Turksprachen auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion kommen viele gemeinsame russische Fremd- und Lehnworter hinzu.
Insgesamt ergibt sich fur die Turksprachen nach der aktuellen Literatur
[21]
folgendes Klassifikationsschema (mit Sprecherzahlen Stand 2006):
- Sudwestlicher Zweig (Oghus-Turksprachen)
- Westoghusische Gruppe: Turkisch (60 Mio., S2 70 Mio.), Aserbaidschanisch (30 Mio., S2 35 Mio.), Gagausisch (500.000)
- Ostoghusische Gruppe: Turkmenisch (6,8 Mio.), Chorasan-Turkisch (400.000?)
- Sudoghusische Gruppe: Kaschgai (1,5 Mio.), Afshar (300.000), Aynallu (7.000), Sonqori (?)
- Nordwestlicher Zweig (Kiptschak-Turksprachen)
- Westkiptschakische Gruppe: Krim-Tatarisch (500.000), Kumykisch (280.000), Karatschai-Balkarisch (250.000), Karaimisch (fast †)
- Nordkiptschakische oder Wolga-Ural-Gruppe: Tatarisch (Kasan-Tatarisch etc.; 1,6 Mio.), Baschkirisch (2,2 Mio.). Tatarisch in Westsibirien gehort zur sudkiptschakischen Gruppe.
- Sudkiptschakische oder aralo-kaspische Gruppe: Kasachisch (11 Mio.), Kirgisisch (4,5 Mio.), Karakalpakisch (400.000), Nogaisch (70.000)
- Sudostlicher Zweig (Uigur-Turksprachen)
- Westliche Gruppe: Usbekisch (24 Mio.)
- Ostliche Gruppe: Uigurisch (8 Mio.), Aynu (?Abdal“; 7.000), Ili Turki (100); Salarisch (60.000)
- Nordostlicher Zweig (sibirische Turksprachen)
- Nordsibirische Gruppe: Jakutisch (360.000), Dolganisch (5.000)
- Sudsibirische Gruppe (heterogen)
- Sayan-Turksprachen: Tuwinisch (200.000), Tofa (Karagassisch; fast †)
- Jenisei-Turksprachen: Chakassisch (65.000), Schorisch (10.000)
- Tschulym-Turksprachen: Tschulym (500)
- Altai-Turksprachen: Altaisch (50.000; Dialekte: Oirotisch; Tuba, Qumanda, Qu; Teleutisch, Telengitisch)
- Tschuwaschisch (1,8 Mio.) sowie Bolgarisch † und Chasarisch †
- Chaladsch (42.000)
Neben den geographischen gibt es einige traditionelle linguistische Kriterien fur die obige Klassifikation:
- Die tschuwaschisch-gemeinturkische Opposition /-r/ gegen /-z/ trennt das Oghurische von allen anderen Turksprachen.
- Der intervokalische Konsonant im Wort fur ?Fuß“ trennt die sibirischen Turksprachen von den anderen Gruppen: tuwa
adaq,
jakutisch
ataχ
gegenuber
ayaq
in den anderen Gruppen, allerdings chaladsch
hadaq
.
- Die oghusischen Sprachen sind von den anderen durch den Verlust des suffix-einleitenden G-Lautes getrennt:
qalan
gegenuber
qalγan
? ?zuruckgelassen“.
- Die Verstummung des suffix-finalen G-Lauts trennt die Sudost- von der Nordwest-Gruppe: uigurisch
taγliq
gegenuber tatarisch
tawlı
? ?gebirgig“.
Die folgende Tabelle gibt eine Ubersicht uber den Grundwortschatz in etwa 60
Wortgleichungen
, wie er sich in mehreren wichtigen Turksprachen realisiert. Als erste Spalte sind die erschlossenen Proto-Formen nach der etymologischen Datenbank von Starostin
[22]
aufgefuhrt. (In vielen Fallen erkennt man, wie protosprachliches finales und intervokalisches /r/ ? hier als /r?/ gekennzeichnet ? zu gemeinturkischem /z/ wurde, allerdings nicht im Tschuwaschischen. Statt des IPA-Codes /?/ wird das turkische /ı/ verwendet.)
Die Tabelle zeigt deutlich das abweichende Verhalten des Tschuwaschischen und Jakutischen und die große Ahnlichkeit der ubrigen Turksprachen.
Prototurkisch
bezeichnet hier die erschlossene Protoform aller Turksprachen,
Altturkisch
ist eine fruhe Form der Turksprachen, nicht speziell des Turkei-Turkischen. Lucken in der Tabelle bedeuten nicht, dass die entsprechende Sprache kein Wort fur den Begriff hatte, sondern nur, dass dieser Begriff von einer anderen Wurzel gebildet wird und somit fur den
etymologischen
Vergleich im Sinne einer Wortgleichung ausfallt.
Personen
|
Proto-Turk.
|
Altturk.
|
Turkisch
|
Aserbaid.
|
Turkmen.
|
Tatar.
|
Kasach.
|
Usbek.
|
Uigur.
|
Jakut.
|
Tschuw.
|
Kumyk.
|
Vater
|
*ata
|
ata
|
ata
|
ata
|
ata
|
ata
|
ata
|
ota
|
ata
|
ata
|
atte
|
ata
|
Mutter
|
*ana
|
ana
|
anne
|
ana
|
ene
|
ana
|
ana
|
ona
|
ana
|
|
anne
|
ana
|
Sohn
|
*ogul
|
o?ul
|
o?ul
|
o?ul
|
o?ul
|
(o'g)ul
|
ul
|
o'g'il
|
oghul
|
uol
|
yva'l
|
ul
|
Mann
|
*?r
|
er
|
er
|
?r
|
?r
|
ir
|
yerkek
|
erkak
|
ar
|
er
|
ar?yn
|
erkek
|
Madchen
|
*kır?
|
qız
|
kız
|
qız
|
gyz
|
kız
|
qız
|
qiz
|
qiz
|
ky:s
|
χe'r
|
qiz
|
Person
|
*kil?i
|
ki?i
|
ki?i
|
ki?i
|
ki?i
|
ke?e
|
kisi
|
kishi
|
ki?i
|
kihi
|
|
ki?i
|
Braut
|
*kalım
|
kelin
|
gelin
|
g?lin
|
geli:n
|
kilen
|
kelin
|
kelin
|
kelin
|
kylyn
|
kin
|
gelin
|
Korperteile
|
Proto-Turk.
|
Altturk.
|
Turkisch
|
Aserbaid.
|
Turkmen.
|
Tatar.
|
Kasach.
|
Usbek.
|
Uigur.
|
Jakut.
|
Tschuw.
|
Kumyk.
|
Herz
|
*jurek
|
jurek
|
yurek
|
ur?k
|
yurek
|
yorak
|
jurek
|
yurak
|
yurak
|
sureq
|
che're
|
yurek
|
Blut
|
*k(i)an
|
qan
|
kan
|
qan
|
ga:n
|
kan
|
qan
|
qon
|
qan
|
qa:n
|
jun
|
qan
|
Kopf
|
*ba(l)?
|
ba?
|
ba?
|
ba?
|
ba?
|
ba?
|
bas
|
bosh
|
ba?
|
bas
|
pu?
|
ba?
|
Haar
|
*kıl(k)
|
qıl
|
kıl
|
qıl
|
qyl
|
kyl
|
kyl
|
kyl
|
kyl
|
kyl
|
χe'le'r
|
|
Auge
|
*gor?
|
koz
|
goz
|
goz
|
goz
|
kuz
|
koz
|
ko'z
|
koz
|
kos
|
ku?
|
goz
|
Wimper
|
*kirpik
|
kirpik
|
kirpik
|
kirpik
|
kirpik
|
kerfek
|
kirpik
|
kiprik
|
kirpik
|
kirbi:
|
χurbuk
|
kirpik
|
Ohr
|
*kulkak
|
qulqaq
|
kulak
|
qulaq
|
gulak
|
kolak
|
qulaq
|
quloq
|
qulaq
|
gulka:k
|
χa'lχa
|
qulaq
|
Nase
|
*burun
|
burun
|
burun
|
burun
|
burun
|
boryn
|
murın
|
burun
|
burun
|
murun
|
|
burun
|
Arm
|
*kol
|
qol
|
kol
|
qol
|
gol
|
kul
|
qol
|
qo'l
|
kol
|
qol
|
χol
|
qol
|
Hand
|
*el(ig)
|
el(ig)
|
el
|
?l
|
el
|
il
|
el
|
|
al
|
ili:
|
ala'
|
el
|
Finger
|
*biarŋak
|
barmak
|
parmak
|
barmaq
|
barmak
|
barmak
|
barmak
|
barmoq
|
barmaq
|
|
purne
|
barmaq
|
Fingernagel
|
*dırŋak
|
tırnaq
|
tırnak
|
dırnaq
|
dyrnaq
|
tyrnak
|
tırnaq
|
tirnoq
|
tirnaq
|
tynyraq
|
che'rne
|
tirnaq
|
Knie
|
*dir?
|
tiz
|
diz
|
diz
|
dy:z
|
tez
|
tize
|
tizza
|
tiz
|
tusaχ
|
|
Wade
|
*baltır
|
baltır
|
baldır
|
baldır
|
baldyr
|
baltyr
|
baldyr
|
boldyr
|
baldir
|
ballyr
|
|
|
Fuß
|
*adak
|
adaq
|
ayak
|
ayaq
|
ayaq
|
ajak
|
ayaq
|
oyoq
|
ayak
|
ata?
|
ura
|
ayaq
|
Bauch
|
*karın
|
qarın
|
karın
|
qarın
|
garyn
|
qaryn
|
qarın
|
qorin
|
qor(saq)
|
qaryn
|
χyra'm
|
qarin
|
Tiere
|
Proto-Turk.
|
Altturk.
|
Turkisch
|
Aserbaid.
|
Turkmen.
|
Tatar.
|
Kasach.
|
Usbek.
|
Uigur.
|
Jakut.
|
Tschuw.
|
Kumyk.
|
Pferd
|
*a:t
|
at
|
at
|
at
|
at
|
at
|
at
|
ot
|
at
|
at
|
ut
|
at
|
Rind
|
*sıgır
|
siyir
|
sı?ır
|
sı?ır
|
sygyr
|
sıyer
|
siyır
|
sigir
|
siyir
|
|
|
siyir
|
Hund
|
*ıt/*it
|
ıt
|
it
|
it
|
it
|
et
|
iyt
|
it
|
it
|
yt
|
jyta'
|
it
|
Fisch
|
*balık
|
balıq
|
balık
|
balıq
|
balyk
|
balyq
|
balıq
|
baliq
|
beliq
|
balyk
|
pula'
|
baliq
|
Laus
|
*bıt
|
bit
|
bit
|
bit
|
bit
|
bet
|
biyt
|
bit
|
pit
|
byt
|
pyjta'
|
bit
|
Sonstiges
|
Proto-Turk.
|
Altturk.
|
Turkisch
|
Aserbaid.
|
Turkmen.
|
Tatar.
|
Kasach.
|
Usbek.
|
Uigur.
|
Jakut.
|
Tschuw.
|
Kumyk.
|
Haus
|
*eb
|
ev
|
ev
|
ev
|
oy
|
oy
|
uy
|
uy
|
oy
|
|
uy
|
Zelt
|
*otag
|
otag
|
ota?
|
|
otaq
|
|
otaq
|
otoq
|
|
otu:
|
|
|
Straße
|
*jol
|
yol
|
yol
|
yol
|
yo:l
|
yul
|
jol
|
yo'l
|
yol
|
suol
|
?ul
|
yol
|
Brucke
|
*kopur(g)
|
kopruq
|
kopru
|
korpu
|
kopri
|
kupar
|
kopir
|
ko'prik
|
kovruk
|
kurpe
|
ke'per
|
|
Pfeil
|
*ok
|
oq
|
ok
|
ox
|
ok
|
uk
|
ok
|
o'q
|
oq
|
oχ
|
ugu
|
|
Feuer
|
*o:t
|
ot
|
od
|
od
|
ot
|
ut
|
ot
|
o't
|
ot
|
uot
|
vuta'
|
ot
|
Asche
|
*ku:l
|
kul
|
kul
|
kul
|
kul
|
kol
|
kul
|
kul
|
kul
|
kul
|
ke'l
|
|
Wasser
|
*sıb
|
suv
|
su
|
su
|
suw
|
syw
|
suw
|
suv
|
su
|
ui
|
shyv
|
suw
|
Schiff
|
*gemi
|
kemi
|
gemi
|
g?mi
|
gami
|
kima
|
keme
|
kema
|
kema
|
|
kim
|
See
|
*kol
|
kol
|
gol
|
gol
|
kol
|
kul
|
kol
|
ko'l
|
kol
|
kuol
|
kule'
|
|
Sonne/Tag
|
*gun(el?)
|
kune?
|
gune?
|
gun??/gun
|
gun
|
koja?
|
kun
|
quyosh
|
kun
|
kun
|
kun
|
gun
|
Wolke
|
*bulut
|
bulut
|
bulut
|
bulud
|
bulut
|
bolyt
|
bult
|
bulut
|
bulut
|
bylyt
|
pe'le't
|
bulut
|
Stern
|
*juldur?
|
yulduz
|
yıldız
|
ulduz
|
yyldyz
|
yoldyz
|
juldız
|
yulduz
|
yultuz
|
sulus
|
?a'lta'r
|
yulduz
|
Erde
|
*toprak
|
topraq
|
toprak
|
torpaq
|
toprak
|
tufrak
|
topıraq
|
tuproq
|
tupraq
|
toburaχ
|
ta'pra
|
|
Hugel
|
*tepo
|
topu
|
tepe
|
t?p?
|
depe
|
tuba
|
tobe
|
tepa
|
topa
|
tobo
|
tup
|
Baum
|
*ınga?
|
ya?ac
|
a?ac
|
a?ac
|
agac
|
agac
|
a?a?
|
|
ya?ac
|
|
jyva'?
|
a?ac
|
Gott
|
*teŋri
|
taŋri
|
tanrı
|
tanrı
|
ta?ry
|
tanri
|
ta?ri
|
tangre
|
tangri
|
tanara
|
tura'
|
|
Adjektive
|
Proto-Turk.
|
Altturk.
|
Turkisch
|
Aserbaid.
|
Turkmen.
|
Tatar.
|
Kasach.
|
Usbek.
|
Uigur.
|
Jakut.
|
Tschuw.
|
Kumyk.
|
lang
|
*ur?ın
|
uzun
|
uzun
|
uzun
|
uzyn
|
ozyn
|
uzın
|
uzun
|
uzun
|
uhun
|
va'ra'm
|
uzun
|
neu
|
*jaŋı
|
yaŋı
|
yeni
|
yeni
|
yany
|
yana
|
janga
|
yangi
|
yengi
|
sana
|
?e'ne'
|
yangi
|
fett
|
*semir?
|
semiz
|
semiz
|
|
semiz
|
simyz
|
semiz
|
semiz
|
semiz
|
emis
|
samar
|
semiz
|
voll
|
*do:lu
|
tolu
|
dolu
|
dolu
|
do:ly
|
tuly
|
tolı
|
to'la
|
toluq
|
toloru
|
tulli
|
ta'li
|
weiß
|
*a:k
|
aq
|
ak
|
a?
|
ak
|
ak
|
aq
|
oq
|
aq
|
|
|
aq
|
schwarz
|
*kara
|
qara
|
kara
|
qara
|
gara
|
kara
|
qara
|
qora
|
qara
|
χara
|
χura
|
qara
|
rot
|
*kır?ıl
|
qızıl
|
kızıl
|
qızıl
|
gyzyl
|
kyzyl
|
qızıl
|
qizil
|
qizil
|
kyhyl
|
χe'rle'
|
qizil
|
himmelblau/Himmel
|
*gok
|
kok
|
gok
|
goy
|
gok
|
kuk
|
kok
|
ko'k
|
kok
|
kuoq
|
ka'vak
|
gok
|
Zahlen
|
Proto-Turk.
|
Altturk.
|
Turkisch
|
Aserbaid.
|
Turkmen.
|
Tatar.
|
Kasach.
|
Usbek.
|
Uigur.
|
Jakut.
|
Tschuw.
|
Kumuk.
|
1
|
*bir
|
bir
|
bir
|
bir
|
bir
|
ber
|
bir
|
bir
|
bir
|
bi:r
|
pe'r(re)
|
bir
|
2
|
*ek(k)i
|
eki
|
iki
|
iki
|
iki
|
ike
|
yeki
|
ikki
|
ikki
|
ikki
|
ik(k)e'
|
eki
|
4
|
*do:rt
|
tort
|
dort
|
dord
|
dort
|
durt
|
tort
|
to'rt
|
tot
|
tuort
|
ta'vat(t)a'
|
dort
|
7
|
*jeti
|
yeti
|
yedi
|
yeddi
|
yedi
|
yide
|
jeti
|
yetti
|
yatta
|
sette
|
?ich(ch)e'
|
jeti
|
10
|
*o:n
|
on
|
on
|
on
|
on
|
un
|
on
|
o'n
|
on
|
uon
|
vun(n)a'
|
on
|
100
|
*ju:r?
|
yuz
|
yuz
|
yuz
|
yuz
|
yuz
|
juz
|
yuz
|
yuz
|
su:s
|
?e'r
|
yuz
|
Typologisch
weisen die Turksprachen große Ahnlichkeit mit den beiden anderen Gruppen der altaischen Sprachen (Mongolisch und Tungusisch) auf, diese Merkmale sind also weitgehend gemeinaltaisch und finden sich zum Teil auch bei uralischen und palaosibirischen Sprachen.
Die wichtigsten typologischen Charakteristika der Turksprachen sind:
- Es gibt mittelgroße
Phoneminventare
(20 bis 30 Konsonanten, 8 Vokale) und einfache Silbenstruktur, kaum Konsonantencluster. (Beispiel siehe
Phoneminventar des Turkischen
)
- Einige Turksprachen (Turkmenisch, Jakutisch, Chaladsch) haben eine Quantitatsdifferenzierung bei den Vokalen, die wahrscheinlich alt ist, sonst aber verloren ging. Spuren bzw. Wirkungen der alten Quantitat sind auch in anderen Turksprachen zu beobachten.
- Es gibt eine Lautharmonie, insbesondere
Vokalharmonie
, die auf verschiedenen Lautoppositionen beruht: vorne-hinten, gerundet-ungerundet, hoch-tief.
- Ein Beispiel aus dem Turkischen soll dies aufzeigen:
baba-lar
?Vater“, aber
ders-ler
?Lektionen“. Der Pluralmarker heißt /lar/ oder /ler/, je nachdem, welche Art von Vokal ihm vorausgeht. (Vertiefung und weitere Beispiele im Abschnitt ?Lautharmonie“.)
- Die Lautharmonie ist in unterschiedlichem Ausmaß in nahezu allen Turksprachen erhalten, teilweise allerdings nur in den gesprochenen Varianten, wahrend sie nicht mehr im Schriftbild deutlich wird (z. B. im Usbekischen).
- Eine durchgehend
agglutinative
Wortbildung und Flexion, und zwar nahezu ausschließlich durch Suffixe (Prafixe kommen allenfalls in der Wortbildung vor). Dies kann zu sehr langen und komplexen Bildungen fuhren (allerdings werden im Normalfall selten mehr als drei bis vier Suffixe verwendet). Jedes Morphem hat eine spezifische Bedeutung und grammatische Funktion und ist ? abgesehen von den Erfordernissen der Vokalharmonie ? unveranderlich.
- Adjektive werden nicht flektiert, sie zeigen keine
Konkordanz
mit ihrem Bestimmungswort, dem sie vorausgehen.
- Bei der Verwendung von Quantifizierern (Zahlwortern, Mengenangaben) entfallt die Pluralmarkierung.
- Es gibt kein
grammatisches Geschlecht
, nicht einmal bei den Pronomina. (Selbst die altesten Formen der Turksprachen lassen keinerlei Reste eines grammatischen Geschlechts erkennen, so dass man davon ausgehen kann, dass auch das Proto-Turkische diese Kategorie nicht besaß.)
- Relativsatze
werden durch
Partizipialkonstruktionen
ersetzt. Generell werden statt Nebensatzen nominalisierte und adverbialisierte komplexe Verbalformen verwendet. Die nominalisierten Formen entsprechen in etwa Infinitivkonstruktionen, die adverbialen Formen bezeichnet man als
Gerundien
oder
Konverbien
.
- Das Verbum steht am Satzende, die normale Satzgliedfolge ist SOV (Subjekt-Objekt-Verb).
Das Turkische zeigt ein fur die Turksprachen typisches Phoneminventar von acht Vokalen und 20 Konsonanten.
Vokale
Die Vokale konnen nach ihrer Artikulationsstelle (vorn ? hinten), Rundung (gerundet ? ungerundet) und Hohe (hoch ? tief) eingeteilt werden. Diese Klassifikation ist fur die Vokalharmonie von entscheidender Bedeutung.
Artikulationsort
|
vorn
|
hinten
|
Rundung
|
ungerundet
|
gerundet
|
ungerundet
|
gerundet
|
hoch
|
i
|
u
|
ı
|
u
|
tief
|
e
|
o
|
a
|
o
|
Konsonanten
Artikulation
|
labial
|
apikal
|
palatal
|
velar
|
glottal
|
Plosiv stimmlos
|
p
|
t
|
c
[
t?
]
|
k
|
|
Plosiv stimmhaft
|
b
|
d
|
c
[
d?
]
|
g
|
|
Frikativ stimmlos
|
f
|
s
|
?
[
?
]
|
|
|
Frikativ stimmhaft
|
v
|
z
|
j
[
?
]
|
|
|
Nasal
|
m
|
n
|
|
|
|
Lateral
|
|
l
|
|
|
|
Vibrant
|
|
r
|
|
|
|
Gleitlaut
|
|
|
y
|
|
h
|
Hier werden die Buchstaben des turkischen Alphabets verwendet, in eckigen Klammern [ ] stehen die Lautwerte.
Die bei den Turksprachen weitverbreitete Lautharmonie betrifft sowohl die Vokale als auch einige Konsonanten. Im Turkischen sind dies k, g, ? und l.
Die Vokalharmonie, also die Angleichung der Suffixvokale an die Vokale des Stammes oder der vorhergehenden Silbe, soll am Beispiel des Turkischen gezeigt werden. Dort beruht die Vokalharmonie sowohl auf einer Angleichung der Artikulationsstelle (vorne-hinten) als auch einer Assimilation im Rundungstyp (gerundet-ungerundet) der betreffenden Vokale. Einige Suffixe werden gemaß der sogenannten
kleinen Vokalharmonie
, andere gemaß der
großen Vokalharmonie
gebildet. Wahrend die kleine Vokalharmonie im Suffix ein /e/ nach den vorderen Vokalen (e, i, o, u) in der vorherigen Silbe und ein /a/ nach den hinteren Vokalen (a, ı, o, u) vorschreibt, wird bei den Suffixen, die gemaß der großen Vokalharmonie gebildet werden, ein /i/ nach den vorderen ungerundeten Vokalen (e, i), ein /u/ nach den vorderen gerundeten Vokalen (o, u), ein /ı/ nach den hinteren ungerundeten Vokalen (a, ı) und ein /u/ nach den hinteren gerundeten Vokalen (o, u) verwendet.
- (1)
elma-lar
?Apfel“ aber
ders-ler
?Lektionen“
- (2)
ev-de
?im Haus“, aber
orman-da
?im Wald“
- In (1) und (2) gleichen sich das Pluralsuffix /-ler/ oder /-lar/ und das Lokativsuffix /-de/ oder /-da/ dem Stammvokal in der Artikulationsstelle (vorne-hinten) an.
- (3a)
isci-lik
?Kunstfertigkeit“
- (3b)
pazar-lık
?Feilschen“
- (3c)
co?un-luk
?Mehrheit“
- (3d)
olumsuz-luk
?Unsterblichkeit“
- Das Suffix /-lik/ ?-keit“ besitzt vier Varianten, die sich sowohl nach der Artikulationsstelle des Stammvokals (hinten-vorn) als auch seiner Rundung anpassen.
- Troddel ? POSS.1pl ? GEN
- ?unserer Troddel (oder Quaste)“
- (5)
puskul ? ler ? imiz ? in
- Troddel ? PL ? POSS.1pl ? GEN
- ?unserer Troddeln“
- In (4) bewirkt der letzte Vokal von
puskul
(/u/: vorn, gerundet) entsprechende Vokalisierung im Possessivsuffix /imiz/ (hier /umuz/) und Kasusmarker /in/ (hier /un/). (Zu Possessivsuffix und Kasusmarker
siehe:
Morphologie
)
- In (5) bewirkt das /u/ von
puskul
die vordere Variante des Pluralmarkers /ler/, dessen ungerundetes vorderes /e/ wiederum die ungerundete vordere Varianten /imiz/ und /in/ der folgenden Marker auslost. Analog sind die nachsten Beispiele zu erklaren.
- Enkel ? POSS.1pl ? GEN
- ?unseres Enkels“
- (7)
torun ? lar ? ımız ? ın
- Enkel ? PL ? POSS.1pl ? GEN
- ?unserer Enkel“
Die Unterscheidung zwischen gerundeten und ungerundeten Vokalen ist zwar im Turkischen allgemein gultig, nicht aber in allen Turksprachen. Auch im Turkischen gibt es Ausnahmen.
Das Turkische kennt fur die hellen und dunklen Formen der Konsonanten k, g, ? und l keine unterschiedliche Schreibweise, wohl verwenden einige Turksprachen fur das dunkle k den Buchstaben q. Das dunkle ? ? der Buchstabe steht nur nach und zwischen Vokalen ? wird im Ubrigen nicht mehr gesprochen, die helle Variante ist ein fluchtiger j-Laut, das dunkle l lautet wie im englischen Wort ?well“. Sollen vor den Vokalen a oder u k, g oder l hell gesprochen werden, erhalt der Vokal einen Zirkumflex, z. B. ?kar“ ?Gewinn“, aber ?kar“ ?Schnee“ oder ?klavye“ ?Tastatur“.
Turksprachen haben in der Regel sechs
Kasus
:
Nominativ
(unmarkiert),
Genitiv
,
Dativ
-
Terminativ
,
Akkusativ
,
Ablativ
(woher?) und
Lokativ
(wo?). Die Kennzeichnung dieser Falle erfolgt durch angehangte Kasusmarker, die innerhalb der einzelnen Sprachen sehr unterschiedlich ausfallen konnen. Dennoch gibt es eine erkennbare generelle Struktur, die auf die gemeinsame Protosprache zuruckgeht und die in der
Markerformel
angegeben ist. (V bezeichnet einen Vokal, der sich nach der Vokalharmonie richtet, K einen beliebigen Konsonanten). Diese Struktur lasst aber fur die konkrete Realisierung der Kasus in den einzelnen Sprachen einen relativ großen Spielraum. Die folgende Tabelle zeigt die Kasusmarkerformeln und ihre Realisierungen in drei Beispielsprachen Kirgisisch, Baschkirisch und Turkisch, die einige ? aber nicht alle ? Varianten der Formel umsetzen.
Die Kasusmarkerformeln und ihre Realisierung in einigen Turksprachen
Kasus
|
Markerformel
|
Kirgisisch
|
Baschkirisch
|
Turkisch
|
Nominativ
|
-Ø
|
koz ?Auge“
|
bala ?Kind“
|
ev ?Haus“
|
Genitiv
|
-(d/t/n) V n
|
koz-dun
|
bala-nın
|
ev-in
|
Dativ
|
-(k/g) V
|
koz-go
|
bala-ga
|
ev-e
|
Akkusativ
|
-(d/n) V
|
koz-du
|
bala-nı
|
ev-i
|
Ablativ
|
-d/t/n V n
|
koz-don
|
bala-nan
|
ev-den
|
Lokativ
|
-d/t/l V
|
koz-do
|
bala-la
|
ev-de
|
Die Personalpronomina sind in allen Turksprachen sehr ahnlich. Im Turkischen lauten sie:
Person
|
Singular
|
Plural
|
1
|
ben
|
biz
|
2
|
sen
|
siz
|
3
|
o
|
onlar
|
Besonders wichtig sind die Possessivsuffixe, die in den Turksprachen das Possessivpronomen ersetzen, in ahnlichen Formen aber auch in der Verbalmorphologie verwendet werden:
Person
|
Singular
|
Plural
|
1
|
-(i)m
|
-(i)miz
|
2
|
-(i)n
|
-(i)niz
|
3
|
-(s)i
|
-leri/ları
|
Am Beispiel des Turkischen wird die Konstruktion von Nominalphrasen gezeigt. Die Reihenfolge der Konstituenten ist dabei festgelegt. Es ergeben sich im Wesentlichen folgende Positionen:
1 Attribut ? 2 Nomen ? 3 Ableitungssuffix ? 4 Pluralmarker ? 5 Nominalisierung ? 6 Possessivsuffixe ? 7 Kasusmarker
Beispiele:
- araba-lar-ımız-a
>> 2 Auto ? 4 PL ? 6 POSS.1pl ? 7 DAT
- ?zu unseren Autos“
- cocuk-lar-ınız-ı
>> 2 Kind ? 4 PL ? 6 POSS.2pl ? 7 AKK
- ?eure (pl.) Kinder“ (Akk.)
- gul-u?-ler-iniz-i
>> 2 lachen ? 3 NOMINAL ? 4 PL ? 6 POSS.2pl ? 7 AKK
- ?eure Gelachter“ (Akk. Pl.)
- ya?lı adam-lar-a
>> 1 alt ? 2 Mann ? 4 PL ? 7 DAT
- ?den alten Mannern“ (Attribut vor dem Bestimmungswort, ohne Konkordanz in Numerus und Kasus)
- bircok cocuk
>> 1 viel 2 Kind
- ?viele Kinder“ (wegen des Quantifizierers ?viele“ steht kein Pluralmarker)
Eine typische Verbalform weist folgende Positionen auf:
1 Stamm ? 2 Tempus-/Modus-Marker ? 3 Personalendung
Die folgende Tabelle zeigt die Tempora und Modi des Verbs in den Turksprachen mit genereller Formel und Realisierung im Aserbaidschanischen und Turkischen (1. Sg. der Wurzel
al-
?nehmen, bekommen, kaufen“)
Tempus/Modus
|
Formel
|
Aserbaidschanisch
|
Turkisch
|
Bedeutung
|
Infinitiv
|
m+V+k/g
|
al-maq
|
al-mak
|
nehmen
|
Imperativ
|
Ø; -ın
|
al; al-ın
|
al; al-ın
|
nimm! nehmt!
|
Prasens
|
V+r
|
al-ır-am
|
al-ıyor-um
|
ich nehme
|
Futur
|
acak
|
al-aca?-am
|
al-aca?-ım
|
ich werde nehmen
|
Prateritum
|
d/t+V
|
al-dı-m
|
al-dı-m
|
ich nahm
|
Konditional
|
sa
|
al-sa-m
|
al-sa-m
|
(wenn) ich nehme
|
Optativ
|
(j)V
|
al-maq is-t?-yi-r?m
|
al-mak is-ti-yo-rum
|
ich mochte nehmen
|
Necessitiv
|
malı
|
al-malı-y-am
|
al-malı-y-ım
|
ich soll nehmen
|
Part. Prasens
|
Vn
|
al-an
|
al-an
|
nehmend
|
Part. Perfekt
|
d V k/g
|
al-dı?-ım
|
al-dı-?ım
|
genommen (habend)
|
Gerundium
|
ip
|
al-ıb
|
al-ıp
|
das Nehmen
|
Passiv
|
i l/n
|
al-ın-maq
|
al-ın-mak
|
genommen werden
|
Kausativ
|
d/t + i + r(t)
|
al ? dırt ? mag
|
al-dırt-mak
|
veranlasst, zu nehmen
|
Beispiele komplexerer turkischer Verbalformen, die auch ganze Nebensatze ersetzen konnen:
- ben milyoner ol-mak isti-yor-um
>> ich [Millionar ? werden-INF] will-PRAS-1sg
- ?ich will Millionar werden“
- ben biz-im haps-e at-ıl-aca?-ımız-ı duy-du-m
- >> ich [wir-GEN Gefangnis-DAT werfen-PASS-FUT-1pl-]-AKK horen-PRAT-1sg
- ?ich horte, dass wir ins Gefangnis geworfen werden sollen“
- (wortlicher:
ich horte Unser-ins-Gefangnis-geworfen-werden
)
- op-u?-tur-ul-du-ler
>> kussen-REZIP-KAUS-PASS-PRAT-3pl
- ?sie wurden veranlasst, sich gegenseitig zu kussen“
- yıka-n-ma-malı-yım
>> waschen-REFL-NEG-NECESS-1sg
- ?es ist notwendig, dass ich mich nicht wasche“ d. h. ?ich darf mich nicht waschen“
- yıka-n-aca?-ım
>> waschen-REFL-FUT-1sg
- ?ich werde mich selbst waschen“
(Einige Beispiele nach IEL, Artikel
Turkish,
und G.L.Campbell,
Concise Compendium of the World’s Languages.
)
Manche Wissenschaftler vertreten die Ansicht, dass sich bereits in den Verbanden der
Hunnen
, die seit dem 1. Jahrhundert nach Westen migrierten, Stamme befanden, die fruhe Formen einer Turksprache sprachen.
[23]
Massive Wanderungen von Turkvolkern lassen sich zweifelsfrei seit dem 8. Jahrhundert nachweisen. Der Gipfel der Migration turkischer Bevolkerungsgruppen nach Westen war die
Landnahme Anatoliens
im 11. Jahrhundert. Die letzte Migration turkischer Bevolkerungsgruppen war die der
Jakuten
, die im 12. Jahrhundert einsetzte.
[24]
Die Sprache der
Turken
Sudsibiriens (die Sprache, in der die altesten turksprachigen Texte ? die
Orchon-Inschriften
? aufgezeichnet wurden, also
Altturkisch
) ist die einzige Sprachform, die vor den großen Wanderungen der turkischen Volker Eigenprofil gewonnen hat.
[25]
- Die altesten turkischen Schriftzeugnisse sind die Runeninschriften des Orchon-Jenissei-Gebietes sowie die Turaninschriften. Diese stammen uberwiegend aus dem 8. Jahrhundert. Die Schrift, in der die Orchon-Texte uberliefert sind, weist außere Ahnlichkeiten mit den
germanischen Runen
auf (ohne jedoch mit diesen verwandt zu sein), so dass auch sie als
Runenschrift
bezeichnet wird.
- Die eigentliche Schrifttradition der sudostlichen Turksprachen beginnt im 11. Jahrhundert unter den
Karachaniden
. Dort entstanden 1069 oder 1070 das aus 6645 Einzelversen entstehende Werk
Kutadgu Bilig
(?Beseligende Weisheit“) des Dichters Yusuf und im Jahre 1074 das monumentale turkisch-arabische Worterbuch
Diwan Lughat at-Turk
von
Mahmud al-K?schghar?
.
- Das
Choresm-Turkische
des 13. und 14. Jahrhunderts gehorte ebenfalls zu den sudostlichen Turksprachen, zeigt aber einige sudwestliche Einflusse. Es bildete die Grundlage des Tschagataischen, einer wichtigen Literatursprache vieler muslimischer Turkvolker bis zum ausgehenden 19. Jahrhundert.
- Die fruhesten Zeugnisse der nordwestlichen Turksprachen stammen aus dem 14. Jahrhundert, als in der kumanischen Sprache der
Codex Cumanicus
verfasst wurde. Nachfolgesprachen sind das
Tatarische
und
Baschkirische
.
- Inschriften des Wolgabolgarischen sind erst aus dem 13./14. Jahrhundert uberliefert, daraus ? oder aus einem verwandten Dialekt ? entwickelte sich spater das stark abweichende
Tschuwaschische
.
- Seit dem 15. Jahrhundert ist das zur Sudostgruppe gehorende
Tschagataisch
belegt, das die Basis fur die heutigen Sprachen
Usbekisch
und
Uigurisch
darstellt.
- In der Zeit von 1924 bis 1930
wurden weitere
Turksprachen verschriftet, zuerst auf Basis eines lateinischen Alphabets, das seit 1922 fur das
Aserbaidschanische
verwendet wurde.
- Ab 1936 bis 1940 begann im sowjetischen Machtbereich der Ubergang zu einer den Bedurfnissen der Turksprachen angepassten
kyrillischen
Schriftform. Waren die arabischen und lateinischen Verschriftlichungen noch auf gegenseitige Verstandlichkeit verschiedener Turksprachen angelegt, so galt bei den kyrillisch verschriftlichten Sprachen das Gegenteil ? dort wurden aus verschiedenen Dialekten kunstlich separate Sprachen erzeugt. Linientreue Linguisten wurden von
Stalin
beauftragt, die regionalen oder stammestypischen Dialekte in lehrbare Hochsprachen umzuwandeln und so alte Zusammenhange zu zerschlagen. Vor allem die Turksprachen in der UdSSR mussten so weit wie moglich auseinandergeruckt werden, um die alten panturkischen Bestrebungen zu zerstoren.
[26]
- Im Oktober 1990, kurz vor der Auflosung der Sowjetunion, wurde von den Staaten
Aserbaidschan
,
Kasachstan
,
Kirgisistan
,
Turkmenistan
und
Usbekistan
auf einem Turkgipfel in Ankara beschlossen, innerhalb von 15 Jahren fur ihr Staatsgebiet lateinische Alphabete einzufuhren. Dieses sollte eng an das in der Turkei verwendete Alphabet angelehnt werden. Ziel dieses Schrittes sollte die Bewahrung des gemeinsamen Kulturerbes der Turkvolker sein.
- Aserbaidschan
- Gagausien
- Kasachstan (inoffiziell fur die Website der staatlichen Nachrichtenagentur; offiziell wird weiterhin das kyrillische verwendet)
- Krim
(zusammen mit dem kyrillischen)
- Tatarstan
(zusammen mit dem kyrillischen)
- Turkmenistan
- Turkei (seit 1928)
- Usbekistan
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