Das
Trojanische Pferd
war in der
griechischen Mythologie
ein holzernes Pferd vor den Toren
Trojas
, in dessen Bauch griechische Soldaten versteckt waren. Die Soldaten offneten nachts, nachdem das Pferd in die Stadt hinein gezogen worden war, die Stadttore Trojas von innen und ließen ihr Heer hinein. Durch diese Kriegslist gewannen die
Achaier
genannten Griechen des Mythos den
Trojanischen Krieg
.
In der altesten schriftlichen Tradierung der mythischen Erzahlung bei Homer wird das Pferd im
ionischen Dialekt
Homers
δουρ?τεο? ?ππο?
dourateos hippos
genannt, ?Holzernes Pferd“
[1]
beziehungsweise ?aus Schiffsplanken gefertigtes Pferd“
[2]
.
Metaphorisch
versteht man heute unter einem ?trojanischen Pferd“ ein harmlos aussehendes Objekt, das ein Angreifer zur
Tarnung
verwendet, um in einen sicheren, geschutzten Bereich eingelassen zu werden. So ist beispielsweise in der
EDV
das
Trojanische Pferd
ein Begriff fur ein derartiges
Schadprogramm
.
In
Homers
Odyssee
wird das Pferd erwahnt,
[3]
Ausschmuckung erhielt die Erzahlung aber erst spater. So rief laut
Vergil
[4]
und
Quintus von Smyrna
[5]
der Seher
Kalchas
, nachdem die Griechen im Trojanischen Krieg zehn Jahre lang erfolglos um die Mauern von Troja gekampft hatten, eine Versammlung der vornehmsten Helden zusammen und riet ihnen, Troja nicht mit Gewalt, sondern mit Hilfe einer List zu erobern. In anderen Quellen werden
Odysseus
oder dessen Gefangener
Helenos
als Urheber der List genannt. Die Griechen bauen daraufhin ein großes Holzpferd, in dessen Innerem sich griechische Soldaten verstecken konnten.
Das Pferd wird aus dem Holz eines
Hartriegels
[6]
vom griechischen Helden
Epeios
erschaffen,
[7]
dem im Traum die Gottin
Pallas Athene
erschienen war. Sie trug ihm auf, das machtige Ross aus Balken zu zimmern, und versprach ihren Beistand zur schnelleren Vollendung des Werkes. Spate Autoren schmuckten die Beschreibung des Pferdes weiter aus, nannten als Baumart fur den Leib das heute als
Abies equi-trojani
(?Tanne des trojanischen Pferdes“) bekannte Holz. Die Augen des Pferdes ließen sie aus Obsidian und Bernstein, die Zahne aus Elfenbein und die Mahne aus echtem Pferdehaar gefertigt sein, die Hufe hatten geglanzt wie polierter Marmor.
[8]
Mit Athenes Hilfe und der Unterstutzung der
Atriden
schaffte er es, sein Kunstwerk innerhalb von drei Tagen zu vollenden. Das Pferd trug die Inschrift ?Die Griechen dieses Dankopfer der Gottin Athene fur eine sichere Heimfahrt“.
[9]
Die Kampfer stiegen nun in das Pferd und die Armee tauschte den Abzug vor.
Sinon
, ein heldenhafter Grieche, der sich eigens zu diesem Zweck freiwillig gemeldet hatte, machte die Trojaner glauben, es handele sich um ein Weihgeschenk der Griechen an die Gottin Athene. Das Pferd bringe ihnen Unheil, sollten sie es zerstoren. Die Griechen hatten es so groß gebaut, damit es nicht durch die Stadttore passe. Falls die Trojaner es namlich in ihre Stadt brachten, stunden sie unter dem Schutz der Athene. Der Priester
Laokoon
warnte die Trojaner vor dem unheilvollen
Danaergeschenk
:
Timeo Danaos et dona ferentes
(?Ich furchte die Danaer, auch wenn sie Geschenke bringen“). Auch
Kassandra
, die Tochter des Konigs
Priamos
, warnte eindringlich, das Pferd bringe den Untergang Trojas.
In der Stadt blieben die Warnungen des Laokoon und der Kassandra unbeachtet. Das Pferd wurde in die Stadt gezogen und vor dem Tempel der Athene aufgestellt. In der Nacht krochen die Soldaten aus dem Bauch des Pferds und offneten die Stadttore. Die Griechen, die in der Nacht zuruckgekehrt waren, drangen in die Stadt ein und zerstorten sie. Dabei kam es zu zahlreichen
Freveltaten
: Anlass fur die Gotter, die Heimfahrt zahlreicher Griechen zu behindern, wie
Homers
Odyssee
oder die Mythen um
Ajax den Lokrer
berichten.
Eine historische Beschreibung einer Eroberung Trojas am Ende der
Bronzezeit
ist nicht bekannt, ein realer Hintergrund des Mythos ist aber denkbar. Der heute bekannte Mythos ist auf verschiedenen Wegen uberliefert worden: zunachst wohl nur mundlich, insbesondere durch
Rhapsoden
, dann vor allem durch
Homer
, aber auch durch spatere schriftliche Bearbeitungen und Zitate in anderen Werken. Zu den schriftlichen Quellen zahlen Teile des
Epischen Zyklus
(
?λ?ου π?ρσι?
Iliou persis
, ?Fall von Ilion“) und die
Odyssee
Homers sowie mehrere Neubearbeitungen wie die
Aeneis
des
Vergil
(2. Gesang), die
Posthomerica
von
Quintus von Smyrna
oder die
Iliou hal?sis
(
?λ?ου ?λωσι?
) von
Triphiodoros
. Die Details variieren in den verschiedenen Bearbeitungen.
Erwahnung der Begebenheiten in der Odyssee (Ubersetzung von
Johann Heinrich Voß
):
- ?Also bestand er auch jene Gefahr, mit Kuhnheit und Gleichmut, In dem gezimmerten Rosse, worin wir Fursten der Griechen Alle saßen, und Tod und Verderben gen Ilion brachten“ (4. Gesang, Vers 271 ff.
[10]
)
- ?Fahre nun fort, und singe des holzernen Rosses Erfindung, Welches Epeios baute mit Hilfe der Pallas Athene, Und zum Betrug in die Burg einfuhrte der edle Odysseus“ (8. Gesang, Vers 493 ff.
[11]
)
Es sind nur drei erhaltene klassische Darstellungen des Trojanischen Pferdes bekannt. Die alteste ist das gut erhaltene Relief auf der ?Mykonos-Vase“, einem
Reliefpithos
(siehe Bild ganz oben). Sie wird in das 7. Jahrhundert v. Chr. datiert, also einige Jahrhunderte nach der angeblichen Zeit des Krieges, ungefahr zur Zeit der schriftlichen Uberlieferung durch Homer.
In der modernen Wissenschaft gibt es verschiedene Spekulationen, was das Trojanische Pferd noch hatte sein konnen. So gibt es die These eines
Rammbocks
, der zu einem gewissen Grad einem Pferd ahnelte, und dass die Beschreibung der Verwendung dieses Gerates dann im Mythos durch spatere mundliche Uberlieferung ? sich der Bedeutung des Namens nicht bewusst ? umgewandelt wurde. Zu dieser Zeit benutzten die
Assyrer
Belagerungsmaschinen mit Tiernamen.
[12]
Auch die Moglichkeit eines
Belagerungsturmes
wurde in Betracht gezogen. Aufgrund der ausgeklugelten Verteidigungsanlagen Trojas wird der erfolgreiche Einsatz solcher Kriegsgerate jedoch als unwahrscheinlich erachtet.
[13]
Es wurde auch die Moglichkeit vorgeschlagen, dass tatsachlich ein Erdbeben wahrend des Krieges die Mauern beschadigt hat.
Poseidon
hatte eine dreifache Funktion als Gott des Meeres, der Pferde und des Erdbebens.
[14]
Eine subtilere Interpretation ist, dass eine sehr fruhe Bezeichnung fur Schiff ?Holzernes Pferd“ gewesen ist. Die antike Zivilisation der griechischen Marine verwendete das Boot wie ein Pferd.
[15]
[16]
Somit ist das Pferd das Tier von Poseidon und Homer beschrieb die Schiffe wie die Pferde des Meeres.
[17]
Zudem gleichen die Begriffe, mit denen die Manner in das Pferd gesetzt sind, denjenigen bei der Beschreibung der Einschiffung der Manner auf einem Schiff.
[18]
Die im Pferd versteckten Helden sind als eine Elitegruppe der Griechen zu sehen. Sie bestand aus den besten freiwilligen Kampfern, vor allem aus Anfuhrern. Ihre Anzahl schwankt in den verschiedenen Bearbeitungen:
[19]
Laut der
Bibliotheke des Apollodor
waren es 50 Mann,
[20]
nach Triphiodoros
[21]
und ? ihm mit gleicher Namensliste folgend ?
Tzetzes
[22]
waren es 23.
Quintus von Smyrna
gibt 30 Namen an, aber er sagt, es waren mehr Kampfer.
[23]
Die folgende Liste enthalt die 40 Namen, die bei Vergil,
[24]
Hyginus
,
[25]
in der
Bibliotheke des Apollodor,
bei Quintus von Smyrna und Triphiodoros in unterschiedlichen Zusammensetzungen genannt werden:
Antiklos soll schon im Pferd gestorben sein. Von Helena betort, war er im Begriff zu antworten; Odysseus wollte ihn zum Schweigen bringen und erstickte ihn.
[26]
[27]
Echion starb, als er aus dem Pferd sprang.
[28]
Die Kriegslist des Trojanischen Pferdes wurde 1590 bei der Eroberung der Stadt
Breda
im Rahmen des
Achtzigjahrigen Krieges
variiert, indem es dem niederlandischen Feldherrn
Moritz von Oranien
gelang, ein
Torfschiff
, in dem Soldaten versteckt waren, in die von ihm belagerte Stadt segeln zu lassen. Der Mythos wirkt durch die gesamte Geistesgeschichte bis heute fort und wurde immer wieder in den verschiedensten Kunsten aufgegriffen, zum Beispiel in:
- Paul Nizan
:
Le Cheval de Troie
Roman, 1935; deutsch 1979
- Im parodistischen Film
Die Ritter der Kokosnuß
von
Monty Python
(1975) wollen Artus und seine Ritter eine franzosische Burg durch einen holzernen ?Hasen“ einnehmen, sie vergessen aber, sich im Hasen zu verstecken.
- Konigssturz
, 2008 (
Fall of Kings
, 2007), das letzte Buch der Troja-Trilogie von
David Gemmell
. Hier wird der Begriff allerdings nicht fur ein holzernes Pferd verwendet. Gemmell nennt die Kavallerie Trojas ?Trojanisches Pferd“. Die List des Odysseus besteht bei ihm darin, eigene Reiter in der Verkleidung dieser Kavallerie nach Troja reiten zu lassen, worauf die Trojaner ihnen die Tore offnen.
- Troja (Film)
(2004)
- ↑
Homer,
Odyssee
8,493. 512.
- ↑
Dr. Francesco Tiboni in zdfinfo. ZDF 2021. Das trojanische Pferd. Auf den Spuren des Mythos. Eine Produktion der Gruppe 5 im Auftrag des ZDF. In Zusammenarbeit mit arte und zdf enterprises.
- ↑
Homer,
Odyssee
8,493. 512.
- ↑
Vergil,
Aeneis
2,185.
- ↑
Quintus von Smyrna,
Posthomerica
12,3 ff.
- ↑
Pausanias
3,13,5.
- ↑
Homer,
Odyssee
8,492?495;
Bibliotheke des Apollodor
Epitome 5,14.
- ↑
Barry Strauss:
Der Trojanische Krieg. Mythos und Wahrheit.
Theiss, Stuttgart 2008, S. 157.
- ↑
Bibliotheke des Apollodor
Epitome 5,15
.
- ↑
4. Gesang, Vers 271 ff.
- ↑
8. Gesang, Vers 493 ff.
- ↑
Michael Wood
in seinem Buch ?In search of the Trojan war“
ISBN 978-0-520-21599-3
(lief auf BBC-TV als Serie).
- ↑
Prof. Mark Schwartz in ZDFinfo. Deutsche Synchronfassung ZDF 2020. Ein Film von Tom Fowlie. Eine Produktion von Blink Films 2014. In Zusammenarbeit mit WNET, SBS und France 5. Deutsche Bearbeitung ZDF Digital.
- ↑
Earthquakes toppled ancient cities: 11/12/97
(
Memento
vom 24. Januar 2009 im
Internet Archive
)
- ↑
Griechische Mythologie II ? Heroen. Teil C: Heldendichtung ? Der trojanische Cyclus
. ?
Ludwig Preller
- ↑
Siehe Nic Fields, Donato Spedaliere, Sarah S. Spedalier:
Troy C. 1700?1250 BC.
Osprey Publishing, Oxford 2004, S. 51?52.
- ↑
Homer,
Odyssee
4, 708.
- ↑
Michael John Anderson:
The Fall of Troy in Early Greek Poetry and Art.
Oxford University Press, Oxford 1997, S. 22?23.
- ↑
http://www.maicar.com/GML/WOODENHORSE.html
- ↑
Bibliotheke des Apollodor
Epitome 5, 14 ff.
- ↑
Triphiodoros,
Iliou Halosis
152?183.
- ↑
Tzetzes,
Posthomerica
641?650.
- ↑
Quintus von Smyrna,
Posthomerica
12, 314?335.
- ↑
Vergil,
Aeneis
2, 259?264.
- ↑
Hyginus,
Fabulae
108.
- ↑
Homer,
Odyssee
4, 265?289.
- ↑
Von
Bibliotheke des Apollodor
Epitome 5, 19 ff. ubernommen; Triphiodoros,
Iliou Halosis
476-483 (nur hier wird ausdrucklich gesagt, dass Antiklos, weil ihm Odysseus den Mund zudruckte, erstickt ist);
Ovid
,
Ibis
569 f.
- ↑
Bibliotheke des Apollodor
Epitome 5, 20.