Dieser Artikel behandelt den Begriff in der Sozialpolitik. Zum Transfer von Wissen siehe
Lerntransfer
.
Transferleistungen
sind staatliche
Leistungen
an
naturliche Personen
und
Unternehmen
, ohne dass eine
Gegenleistung
durch die begunstigten Transferempfanger erfolgt. Transferleistungen sind ein Instrument des Sozialstaates zur
Vermogensumverteilung
. Aus der Perspektive des zahlenden Staates spricht man von Transferleistungen, aus der Sicht des Empfangers von
Transfereinkommen
.
Klassische Transferleistungen sind Sozialleistungen, denen keine vorherige Zahlung von Beitragen vorangeht,
[1]
in Deutschland beispielsweise
Arbeitslosengeld II
,
Kindergeld
,
Elterngeld
,
Kurzarbeitergeld
, staatliche Rentenzuschusse fur ehemalige Geringverdiener und die staatliche Forderung von
Auffanggesellschaften.
Auch die
Transferzahlungen
innerstaatlicher Systeme des
Finanzausgleichs
werden als Transferleistungen betrachtet, weil sie ohne Gegenleistung erfolgen und letztlich naturlichen Personen und Unternehmen zugutekommen.
Versicherungsleistungen sind dagegen grundsatzlich keine Transferleistungen, weil sie bei
Vertragsfreiheit
auf aquivalenten Gegenleistungen basieren.
Pflichtversicherungen
wie
Renten
und
Pensionen
sind andererseits aber auch Instrumente der staatlichen Umverteilung und sind durch verpflichtende einkommensabhangige Abgaben steuerahnlich finanziert. Sie werden somit von einigen Okonomen ebenfalls den Transferleistungen zugerechnet.
[2]
An Unternehmen gezahlte
Subventionen
erfullen ebenfalls die obige Definition und werden somit volkswirtschaftlich teilweise ebenfalls zu den Transferleistungen gerechnet.
[2]
In der
Makrookonomie
und insbesondere in Konjunkturmodellen werden im Unterschied dazu sogenannte Transfers (oder Transferzahlungen) betrachtet. Dies sind Nettozahlungen ohne Gegenleistung zwischen den Sektoren der Volkswirtschaft. Im Sinne der Makrookonomie sind auch Steuerzahlungen des privaten Sektors an den Staat Transfers, die im Rahmen der betrachteten Modelle mit den gegenleistungsfreien Zahlungen des Staates an Burger und Unternehmen zu verrechnen sind.
[3]
Neben Geldzahlungen (
monetare Transfers
wie
Arbeitslosengeld
,
Arbeitslosenhilfe
) sind auch Guterleistungen, sogenannte
Realtransfers
, (Vergabe von
Sozialwohnungen
,
Bildungsangebote
,
Warengutscheinen
) moglich.
Direkte Transferleistungen
sind alle Leistungen, die die okonomische Situation des Transferempfangers unmittelbar verbessern (wie
Kindergeld
).
Indirekte Transfers
bestehen insbesondere in der Minderung der Steuerlast, wenn der Staat auf Steuereinnahmen verzichtet (wie bei der Abzugsfahigkeit von Spenden).
Zunachst erfolgt eine
primare
Einkommensverteilung
durch die Teilnahme der
Wirtschaftssektoren
am Wirtschaftsleben mit dem Ziel der Einkommenserzielung (
Lohn/Gehalt
,
Zinseinnahmen
,
Miet-/Pachteinnahmen
,
Gewinn
). Dies schafft jedoch soziale Ungerechtigkeiten, die durch eine
sekundare Einkommensverteilung
ausgeglichen werden sollen. Eine sekundare Einkommensverteilung findet durch Transferleistungen statt. Ob und inwieweit ein Staat Interesse an einer Umverteilungspolitik hat, gibt Aufschluss uber die herrschende Wirtschaftsordnung. Ein Staat mit geringer oder ohne jegliche Umverteilung ist
kapitalistisch
orientiert, wahrend
Sozialstaaten
einen hohen Anteil an sekundarer Einkommensverteilung aufweisen. Statistisch ergeben das
Volkseinkommen
und die Transferleistungen zusammen das private
Einkommen
. Sind die Transfereinkommen gleich Null, entspricht das private Einkommen dem Volkseinkommen.
Transferleistungen erfolgen nicht nur idealerweise ?von reich nach arm“ und werden auch nicht immer nach Bedurftigkeit verteilt. So konnen
Kindergeld
,
Elterngeld
oder
Eigenheimzulage
auch einkommens- und vermogensstarke Burger in Anspruch nehmen, was auch von den ?armeren“ Burgern mitfinanziert wird. Die einkommensstarken Burger sind nicht bedurftig, erhalten dennoch ohne echte Umverteilung staatliche Transferleistungen.
Die Idee der Transferleistung basiert auf dem Gedanken der
Solidaritat
, wonach Bedurftige von wirtschaftlich Starkeren unterstutzt werden sollen. Bei Transferleistungen ist das jedoch nicht immer der Fall. Neben Geldzahlungen (
monetare Transfers
) kann die staatliche Leistung aus einer
Steuersubvention
herruhren, auch Guterleistungen sind als sogenannte
Realtransfers
(Vergabe von
Sozialwohnungen
) moglich.
Eine okonomische Gegenleistung des Transferempfangers (etwa durch
Arbeit
bei der
Arbeitslosenhilfe
) erfolgt allenfalls spater, indirekt oder gar nicht. Bei Kindergeld oder
BAfoG
gibt es zwar Gegenleistungen, diese sind jedoch nicht direkt okonomisch relevant (
Kindererziehung
und
Studium
). Nur der Anteil des Kindergeldes, welches nicht zur steuerlichen Freistellung des
Kinderfreibetrags
benotigt wird, ist eine direkte Transferleistung. Kinderfreibetrage wiederum gehoren nicht zu den indirekten Transfers. Da Kinderfreibetrage gesetzlich vorgegeben sind, stellt deren Nicht-Belastung mit Steuern keinen staatlichen Verzicht dar.
Transferleistungen fuhren in den
staatlichen Haushalten
zu Mehrausgaben oder Mindereinnahmen, belasten also die Haushalte und konnen
Haushaltsdefizite
herbeifuhren oder vergroßern. Haushaltstechnisch fuhren Transferleistungen zu unproduktiven
Ausgaben
, denen (zunachst oder dauerhaft) keine unmittelbaren
Einnahmen
gegenuberstehen oder sogar zu Mindereinnahmen (bei Steuersubventionen), die (zunachst oder dauerhaft) keine anderen Einnahmen generieren.
[4]
Zu den staatlichen Transferleistungen in Deutschland zahlen unter anderem
Arbeitslosengeld II
(umgangssprachlich
Hartz IV
),
Sozialhilfe
, Ausbildungshilfen (umgangssprachlich
BAfoG
),
Elterngeld
,
Kindergeld
,
Wohngeld
und fruher die
Eigenheimzulage
.
Die (staatlichen) Versicherungen wie
Arbeitslosen-
,
Renten-
,
Kranken-
und
Pflegeversicherung
sind keine Transferleistungen, da hier in der Regel finanzielle Gegenleistungen in Form von
Versicherungspramien
erbracht werden mussen. Dennoch gibt es auch innerhalb der Versicherungen einzelne Elemente der Umverteilung. So erhalt in der gesetzlichen Krankenversicherung jeder Versicherte dieselbe Gesundheitsleistung unabhangig von der Hohe seiner Einzahlung, dies entspricht einer Transferleistung zu Gunsten von Personen mit kleinen Einkommen. Auch werden Personen ohne eigenes Einkommen beitragslos mitversichert (z. B.
Familienversicherung
). Die Krankenversicherungsbeitrage fur Empfanger von Arbeitslosengeld II ubernimmt die
Agentur fur Arbeit
. Anders sieht dies in der Arbeitslosen- und gesetzlichen Rentenversicherung aus, wo die Beitrage ebenso wie die ausgezahlten Leistungen proportional zum Einkommen (unterhalb der
Beitragsbemessungsgrenze
) liegen.
Es gibt eine Reihe von Transferleistungen, die nicht staatlich zentral organisiert sind. Dazu gehoren beispielsweise ermaßigte Beforderungskosten in offentlichen Verkehrsmitteln oder ermaßigte Eintrittspreise in Museen, Schwimmbadern oder bei kulturellen Veranstaltungen. Sachspenden (z. B. bei der
Tafel
,
Kleiderspenden
) sind nichtstaatliche Realtransfers. Dazu kommen privat geleistete Transferzahlungen aufgrund gesetzlicher Vorschriften wie die
Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall
oder der
Bildungsurlaub
.
Internationale Transferleistungen sind etwa
Reparationen
,
Wiedergutmachung
,
Außenhilfen
, kostenlose Warenlieferungen oder
Militarhilfe
. In der
Europaischen Union
wird durch Transferleistungen versucht, das Wirtschaftsgefalle zwischen schwacheren
Staaten
,
Regionen
und
Wirtschaftszweigen
starker zu nivellieren, so dass diese in die Lage versetzt werden, am
Wettbewerb
teilzunehmen. Auch die
Weltbank
, der
Internationale Wahrungsfonds
und die
Vereinten Nationen
verteilen aus den Beitragen der
Nettozahler
Transferleistungen. Die Zahlungen von IWF oder Weltbank bei einer Rettungsaktion von armen oder
hochverschuldeten Entwicklungslandern
(siehe
Schuldenerlass
) sind nur dann Transferleistungen, soweit es sich nicht um Kredite handelt. Der Schuldenerlass stellt sich aus Sicht des
Glaubigerstaates
oder des nichtstaatlichen
Anleiheglaubigers
als nachtragliche, unfreiwillige Transferleistung heraus.
Eine
Kennzahl
zur Messung eines Teilbereichs staatlicher Transferleistungen ist die Sozialleistungsquote. Sie wird ermittelt, indem die Transferleistungen (Sozialleistungen) dem
Bruttoinlandsprodukt
(BIP) gegenubergestellt werden.
Eine niedrige Sozialleistungsquote weisen Staaten mit einem niedrigen Niveau bedurftiger Burger auf, bei einer hohen Quote muss der Staat mit einer massiven Umverteilungspolitik Fehlentwicklungen entgegensteuern. Allerdings kann eine niedrige Quote auch bedeuten, dass ein Staat trotz Bedurftigkeit von Teilen der Bevolkerung nicht fur eine entsprechende Umverteilung sorgt und umgekehrt.
Die Transferquote ist eine Kennzahl, die die Belastungen einer Kommune aus Transferzahlungen ausweist.
[5]
An der Transferquote lasst sich ablesen, wie hoch der Anteil ?unproduktiver“ Ausgaben einer Gemeinde an den Gesamtausgaben ist. Im Regelfall sind mit offentlichen Ausgaben auch positive wirtschaftliche Effekte verbunden. Kommunale Investitionsausgaben (etwa fur Messehallen) fuhren beispielsweise spater zu Einnahmen (durch Aussteller und Messebesucher). Transferausgaben indes bewirken nur geringe oder gar keine positiven wirtschaftlichen Effekte.
Transferentzugsrate
ist die Rate, mit denen Transferleistungen gekurzt werden, wenn das
Einkommen
steigt.
Transferleistungen werden aus verschiedenen Grunden kritisiert. Dazu gehort die Annahme, dass Transferleistungen die
Leistungsbereitschaft
des Transferempfangers senken und zu einer
Mitnahmementalitat
verleiten konnen. Je geringer der Einkommensabstand zwischen dem Arbeitseinkommen und den sozialen Transferleistungen ist, desto niedriger ist die Bereitschaft, sich auf dem
ersten Arbeitsmarkt
eine Tatigkeit zu suchen.
[6]
Zudem sind viele Transferleistungen nicht ausreichend an Bedurftigkeit gebunden, so dass zu weite Teile der Bevolkerung zu Leistungsempfangern werden konnen.
Auch Zahlungen von Staaten oder
supranationaler Organisationen
zum Ausgleich unterschiedlicher Finanzkraft (Finanzausgleich) zwischen Staaten und deren Untergliederungen (wie an
Bundesstaaten
,
Kantone
,
Lander
,
Provinzen
oder
Regionen
) sind eine Transferleistung oder Transferzahlung, weil diese Untergliederungen keine Gegenleistung erbringen mussen.
[7]
- Hans-Georg Petersen:
Finanzwissenschaft. Grundlegung, Haushalt, Aufgaben und Ausgaben, Allgemeine Steuerlehre
. 3. uberarbeitete und erweiterte Auflage.
Band
1
. Kohlhammer, Stuttgart / Berlin / Koln 1993,
ISBN 3-17-012638-5
.
- ↑
Dirk Piekenbrock:
Gabler Kompaktlexikon Volkswirtschaftslehre
, 2013,
S. 410.
- ↑
a
b
Transfereinkommen.
Abgerufen am 3. Oktober 2021
.
- ↑
Transfers.
Abgerufen am 3. Oktober 2021
.
- ↑
Rentenversicherung vor dem Bankrott
. In:
Der Spiegel
.
Nr.
8
, 1983,
S.
80
ff
. (
online
).
- ↑
Alfred Bezler:
Kommunale Kostenrechnung
. 2014,
S. 154.
- ↑
Michael Opielka:
Grundeinkommen und Werteorientierungen: eine empirische Analyse
. 2009,
S. 66.
- ↑
Volker Beeck:
Grundlagen der Steuerlehre
. 2007,
S. 4