Das
Theater an der Parkaue ? Junges Staatstheater Berlin
in
Berlin-Lichtenberg
ist eines der großten Staatstheater fur junges Publikum in
Deutschland
. Das Repertoire richtet sich an Kinder ab vier Jahren, Schulklassen aller Altersstufen, Jugendliche und junge Erwachsene, Familien sowie Individualbesucher jeden Alters.
Das Theater belegt eine Halfte eines im beginnenden 20. Jahrhundert erbauten Schulgebaudes und wurde 1948 auf Anordnung der
sowjetischen Militaradministration
gegrundet. Die andere Halfte des Schulgebaudes war das
Haus der Kinder
bzw. das
Zentralhaus der Jungen Pioniere
(auch ?
Pionierhaus
“). Das Gebaudeensemble steht unter
Denkmalschutz
.
[1]
Der U-formige Gebaudekomplex wurde 1910/1911 nach den Entwurfen des Stadtbaurates
Johannes Uhlig
und des Architekten
Wilhelm Grieme
als Hohere Knabenschule (
Realgymnasium
) errichtet. Architektonisch ist der viergeschossige Putzbau an die
Renaissance
angelehnt; ihm unmittelbar angeschlossen ist das ehemalige Rektorenwohnhaus auf der linken Seite mit einem kleinen Wandbrunnen.
Im Zuge der
nationalsozialistischen
Maßnahmen zur Instrumentalisierung von Bildung und Erziehung wurde die Schule am 27. Januar 1934 nach dem
Reichsminister fur Volksaufklarung und Propaganda
Joseph Goebbels
in
Goebbelsschule
umbenannt.
[2]
1941 fand dort die ?
1. Kunstausstellung des Kunstlerbundes Berlin-Ost und seiner Gaste aus der
Ateliergemeinschaft Klosterstraße
“ statt.
Das Gebaude uberstand den Krieg fast unbeschadigt.
Nach kleineren Reparaturen und Beginn des Schulbetriebs erließ am 30. Juni 1948 die
Sowjetische Militaradministration in Deutschland
(SMAD) den Befehl 65, eine Anordnung zur Umwidmung des Schulgebaudes fur kulturelle Zwecke. Nach
Faschismus
und
Krieg
sollten Kindern und Jugendlichen neue Kulturinhalte vermittelt und Freizeitmoglichkeiten angeboten werden.
Pionierhaus
1953;
mit Trauerflor und einem Bild Stalins, der gerade gestorben war
Jolka
-Fest am 11. Januar 1971
im zentralen Pionierhaus fur Kinder aus verschiedenen Landern
Der
Bauhausschuler
Waldemar Alder
und sein Partner
Waldemar Heinrichs
erarbeiteten die Um- und Ausbauplane. Die neue Raumausstattung wurde in den
Deutschen Werkstatten Hellerau
hergestellt. Nach der Fertigstellung wurde die ehemalige Schule 1949 zum
Haus der Kinder
als Filiale des
Hauses der Kultur der Sowjetunion
. Aufgrund des Befehls 65 wurden Raumlichkeiten fur Instrumentalunterricht,
Chorgesang
,
Volkstanz
,
Ballett
,
Schauspiel
, Sprachen, Geschichte, Naturkunde, Fotografie und
Kunstgewerbe
hergerichtet. Das Dachgeschoss wurde zu einer Miniatur
sternwarte
ausgebaut. Werkstatten fur Holz, Metall und
Elektrotechnik
, Ateliers fur
Malerei
,
Bildhauerei
und
Keramik
sowie eine Bibliothek, ein Lesesaal, ein Kino und ein Theater dienten fortan der Freizeitgestaltung der Kinder und Jugendlichen.
Am 25. Mai 1950 wurde das
Haus der Kinder
an die DDR ubergeben und erhielt den Namen
Zentralhaus der Jungen Pioniere
.
[3]
Nach dem Weltraumflug des zweiten sowjetischen Kosmonauten
German Titow
und dessen Besuch in Berlin erhielt das Haus 1961 den Namen
Zentralhaus der Jungen Pioniere ?German Titow“
.
Etwa um 1980 hatte der
Magistrat von Berlin
dem
Pionierhaus
ein ausgedientes sowjetisches Flugzeug zur Verfugung gestellt, das auf einer Freiflache neben dem Gebaude aufgestellt wurde und unter anderem ein
Kosmonautenstudio
beherbergte.
[4]
Alter figurlicher Schmuck uber dem Eingang der heutigen Hochschule fur Schauspielkunst
Bis zur
politischen Wende in der DDR
diente das Pionierhaus vielen
Arbeitsgemeinschaften
als Heimstatt. Im Jahr 1982 besuchten mehr als 2.000 Kinder regelmaßig und kostenlos die 130 Arbeitsgemeinschaften, zu denen Elektrotechnik, Chemotechnik, Schiffsmodellbau, Pionierfahrschule, Klub der Kosmonauten, Klub Internationale Freundschaft, Arbeitsgemeinschaft Kunsterziehung, Sinfonieorchester, Volksinstrumentenorchester, Tanz, Ballett, Chor, Pioniertheater, Kabarett, Puppentheater, Schattenspiel, Naturwissenschaft, Schach, Philatelie, Junge Historiker, Tierzucht, verschiedene Sportgruppen gehorten. 38 hauptamtliche und 90 ehrenamtliche Padagogen leiteten die Interessengruppen. Im Jahresdurchschnitt zahlte das Pionierhaus 360.000 junge Besucher, aber auch auslandische Gaste, die sich uber diese Freizeitangebote informieren konnten.
Als das Pionierhaus 1990 aufgelost wurde, gab es kurzzeitig unterschiedliche Nutzungen, so siedelte sich in einigen Raumen die Musikschule Lichtenberg an, Jugendklubs mieteten Raume, jedoch standen viele Raume leer. Das Kosmonautenstudio-Flugzeug entschwand.
Der Studiengang Puppenspielkunst der
Hochschule fur Schauspielkunst ?Ernst Busch“ Berlin
sowie der Verein
Das Weite Theater
fur Puppen und Menschen
e. V. (seit 2003) fanden nun in den Raumen eine neue Unterkunft.
Theater der Freundschaft
, 1950
Zuschauerraum des
Theaters der Freundschaft
1950
Der rechte (sudliche) Flugel des Gebaudes, mit der ehemaligen Aula, wurde durch die Umwidmung ein
Kinder-
und Jugendtheater, das den Namen
Theater der Freundschaft
erhielt.
Zur Eroffnung des neuen Theaters war die Auffuhrung von
Du bist der Richtige
durch den ersten
Intendanten
Hans Rodenberg
geplant, sie musste jedoch auf Grund von Problemen bei der Materialbeschaffung verschoben werden. (Das Stuck wurde im
Theater des Hauses der Sowjetischen Kultur
(ab 1952 dann
Maxim-Gorki-Theater
) gespielt). Das neue
Theater der Freundschaft
wurde am 16. November 1950 eingeweiht.
Im Jahr 1980 erhielt der Platz vor dem Theater den Namen
Hans-Rodenberg-Platz
zu Ehren des ersten Theaterintendanten. Er wurde 1995 umbenannt.
[5]
Unter der Intendanz von
Manuel Schobel
und Chefregisseur (1992?1997)
Peter Schroth
erweiterte das Theater sein Repertoire auf bis zu 30 Inszenierungen fur alle Altersgruppen auf drei Buhnen, das Haus offnete sich bisher ungespielter westeuropaischer Dramatik. Ein Abendspielplan wurde etabliert und Spektakel-Formen erprobt (
Schulhofgeschichten
: Die sieben Autoren wurden dafur mit dem
Bruder-Grimm-Preis des Landes Berlin
geehrt,
Schwarze Nachte
,
Grimm Total
). Die
Theaterpadagogik
, bereits im
Theater der Freundschaft
unter
Kristin Wardetzky
im Zentrum der Arbeit, wurde zu einer spielpadagogischen Abteilung umgebaut. Unter dem neuen Namen
carrousel Theater an der Parkaue
(1991) wurde das Theater zum Hauptveranstaltungsort des Deutschen Kinder- und Jugendtheater-Treffens ?Augenblick mal!“, das durch das Kinder- und Jugendtheaterzentrum der Bundesrepublik Deutschland alle zwei Jahre durchgefuhrt wird.
Gemeinsam mit der Chefdramaturgin
Odette Bereska
und dem Marketing-Direktor
Dirk Neldner
machte Schobel das Theater zu einem Zentrum Internationaler Kulturprojekte (
European Schoolyard Stories
1999/2000,
Kinderspiel-Out of Bounds
: Koproduktion mit dem Australischen ATYP fur das Sydney Festival 2002,
Magic Net
2001?2005).
[6]
[7]
2004 riefen die Plane des Berliner Senats, die Zuschusse fur das Kinder- und Jugendtheater des Landes Berlin um die Halfte zu kurzen, heftige Gegenwehr hervor. Nachdem Demonstranten unter dem Stichwort ?Ganze Menschen brauchen ganzes Theater“ protestiert hatten, nahm der Senat seine Plane zuruck.
[8]
Gebaude mit vorherigem Schriftzug und Flugzeug-Symbol im Mai 2007
Mit der Berufung
Kay Wuscheks
zum Intendanten und von
Sascha Bunge
zum Oberspielleiter erhielt das Theater entsprechend seiner Postadresse im August 2005 den Namen
Theater an der Parkaue
. Hier sind etwa 90 Mitarbeiter, darunter 17 Ensembleschauspieler, tatig (Stand Ende 2015).
Zu den Angeboten des Theaters gehoren Projekte wie das
House of Many
, in dem Kinder und Jugendliche die Gelegenheit haben, kunstlerisch zu arbeiten sowie vier Theaterclubs und Workshops, die sich mit Tanz, Text, Spiel,
Performance
und Theatermitteln beschaftigen.
Das
Theater an der Parkaue
gehort zu den vier
subventionierten
, als Regiebetriebe gefuhrten Sprechbuhnen Berlins (zusammen mit
Maxim-Gorki-Theater
,
Volksbuhne
,
Deutsches Theater
). Sie werden von Staatstheaterintendanten geleitet. Andere Sprechbuhnen wie die Schaubuhne, das
Berliner Ensemble
und das
Grips-Theater
sind zwar Privatbuhnen, erhalten aber auch Zuschusse aus dem Berliner Kulturfonds.
Die Sanierung und Grundinstandsetzung des Gebaudes erfolgt in drei Bauabschnitten bei laufendem Betrieb. Der erste wurde im September 2017 abgeschlossen, im zweiten ist bis zum Sommer 2024 eine bauliche, sicherheitstechnische und energetische Sanierung des Hauses 1, des Buhnenturms und des Ballettsaals vorgesehen. Der daran anschließende dritte Bauabschnitt bis Ende 2025 umfasst den Abriss und Neubau des Hauses 5 sowie einen Anbau an Haus 4.
[9]
Das
Theater der Freundschaft
hatte im Lauf seiner Geschichte folgende Intendanten:
Hans Rodenberg
(1950?1952),
Paul Lewitt
(1952?1953) und
Josef Stauder
(1953?1959).
Ilse Rodenberg
ubernahm 1959 fur fast 15 Jahre die Intendanz des ersten reinen Kinder- und Jugendtheaters in Ost-Berlin. Ab 1973 folgten Klaus Urban, Siegfried Wein und Siegfried Nurnberger als Intendanten sowie
Horst Hawemann
,
Wolfgang Engel
, Mirjana Erceg, Carl-Herrmann Risse und
Konrad Zschiedrich
als Regisseure an dieser Buhne. Generationen von Kindern und Jugendlichen besuchten die vielfaltigen Vorstellungen, die haufig von Nachwuchsschauspielern gestaltet wurden.
Ab 1991 ubernahm
Manuel Schobel
das Amt des Theaterintendanten,
Peter Schroth
war funf Jahre lang (1992?1997) Chefregisseur.
Nach der Namensanderung von
Carrousel
in
Theater an der Parkaue
im August 2005 berief die
Senatsverwaltung
fur Kultur
Kay Wuschek
zum Intendanten,
Sascha Bunge
zum Oberspielleiter und Karola Marsch zur Leiterin Dramaturgie und Theaterpadagogik. Bunge verließ das Haus im Sommer 2014, seine Nachfolger waren Katrin Hentschel (bis 2017) und Volker Metzler (bis 2019). Wuschek ubte seine Funktion bis 2019 und Marsch bis 2020 aus. Nach dem Bekanntwerden
[10]
von Vorfallen
rassistischer
Diskriminierung in der Inszenierung
Die Reise um die Erde in 80 Tagen
unter der Regie von Volker Metzler trat
Wuschek Monate spater aus gesundheitlichen Grunden zuruck.
[11]
Zur Weiterfuhrung des Theaters und seines Ensembles wurde
Florian Stiehler
im Sommer 2019 als
Interimsleiter
eingesetzt. Er fuhrte unter anderem Workshops fur die Belegschaft ein, die das Thema Rassismus und Antidiskriminierung zum Inhalt hatten sowie die Anti-Diskriminierungsklausel.
[12]
Ab Oktober 2020 wurde eine
Doppelleitung
eingesetzt, eine Intendantin und ein Oberspielleiter, die vertragsmaßig gleichberechtigte Leiter des Hauses sind. Die neuen Verantwortlichen sind
Christina Schulz
, die ab 2009 Leiterin der Bundeswettbewerbe bei den
Berliner Festspielen
war und
Alexander Riemenschneider
, der zuvor als Regisseur am
Deutschen Theater
tatig war.
[13]
- ↑
Eintrag 09040260 in der Berliner Landesdenkmalliste
- ↑
Verw.-Bez. Lichtenberg. Goebbelsschule
.
In:
Berliner Adreßbuch
, 1935, III, S. 60.
- ↑
Zentralhaus der Jungen Pioniere. Feierliche Ubergabe des Hauses der Kinder in Berlin-Lichtenberg an den Zentralrat der FDJ.
In:
Neues Deutschland
vom 26. Mai 1950, S. 2.
- ↑
(Beschreibung: Das Foto zeigt funf Jungen im sogenannten Kosmonautenkabinett. Etwa um 1980 hatte der Magistrat von Berlin dem Pionierhaus ein ausgedientes russisches Flugzeug zur Verfugung gestellt, das auf einer Freiflache neben dem Pionierhaus aufgestellt wurde und unter anderem ein Kosmonautenstudio beinhaltete.).
Institut fur Zeitgeschichte, Fotosammlung,
abgerufen am 7. Oktober 2019
.
- ↑
Hans-Rodenberg-Platz
.
In:
Straßennamenlexikon des
Luisenstadtischen Bildungsvereins
- ↑
Leonardo-da-Vinci-Gymnasium:
Das Fach Darstellendes Spiel.
(PDF; 673 kB) 2008, archiviert vom
Original
(nicht mehr online verfugbar) am
12. Juni 2015
;
abgerufen am 1. Januar 2019
.
- ↑
@1
@2
Vorlage:Toter Link/www.youthcamps.com.au
Sydney Morning Herald
(
Seite nicht mehr abrufbar
, festgestellt im Januar 2019.
Suche in Webarchiven
)
- ↑
Martin Linzer:
Drei verschiedene Namen.
In:
Berliner Morgenpost.
15. November 2010,
abgerufen am 12. November 2023
.
- ↑
In einem Jahr wird wieder im Haupthaus gespielt.
In:
Berliner Woche
. Ausgabe Lichtenberg, Fennpfuhl und Rummelsburg.
8. Juli 2023,
S. 3
,
abgerufen am 9. Juli 2023
.
- ↑
Katharina Schmidt:
Rassismus am Theater: Keine Buhne fur Rassismus
. In:
Die Tageszeitung: taz
. 30. Juni 2019,
ISSN
0931-9085
(
taz.de
[abgerufen am 26. Marz 2021]).
- ↑
Kay Wuschek verlasst das Theater an der Parkaue.
Abgerufen am 26. Marz 2021
.
- ↑
Mitarbeiter des Theaters:
Antidiskriminierungsklausel.
In:
Webliste Theater an der Parkaue.
Theater an der Parkaue, 1. Januar 2020,
abgerufen am 26. Marz 2020
.
- ↑
Ulrich Seidler:
Das Theater an der Parkaue bekommt eine neue Leitung
. In:
Berliner Zeitung
, 17. September 2020, S. 15 (Printausgabe).