Liedtexter
oder
Textdichter
nennt man die
Verfasser
von Texten zu bestehenden oder geplanten
Kompositionen
der
Vokalmusik
. Sie besitzen an ihren Werken
geistiges Eigentum
.
Der
Liedtext
ist einer der beiden Bestandteile eines
Werkes
der Vokalmusik. Er wird vom Textdichter in einer bestimmten Sprache verfasst und muss
rhythmisch
und von der
Phrasierung
zur Musik passen. Er ist meist in einem durchgangigen
Versmaß
gehalten und gibt dem Lied oft seine rhythmische Struktur. Deshalb arbeiten Liedtexter und Musik
komponist
meist eng zusammen, um Text und Musik zu einer harmonischen Einheit zu verschmelzen. Dabei kann es sich sowohl um die Vertextung einer vorhandenen
Melodie
als auch um die Vertonung eines bestehenden Textes in einer bewussten Abstimmungssituation handeln. Die Verknupfung eines gedanklichen Inhalts mit einer Melodie sowie die Phrasierung des Textes sind das Resultat eines kreativen Abstimmungsprozesses.
Die
GEMA
, der
Verband Deutscher Musikschaffender
und die Rechtsprechung verwenden den Begriff ?Textdichter“, wahrend im englischen Sprachraum der Begriff ?author“ ublich ist (
englisch
fur ?Autor“; siehe die US-amerikanische
ASCAP
-Verwertungsgesellschaft American Society of Composers, Authors and Publishers).
Miturheberschaft vs. Werkverbindung.
In urheberrechtlicher Hinsicht sind Text und Musik jeweils eigenstandige, gesondert verwertbare
Werke
.
[1]
Deswegen liegt zwischen Komponist und Liedtexter auch keine
Miturheberschaft
(
§ 8
UrhG) vor. Regelmaßig werden die beiden Werke ? das Werk der Musik und das Sprachwerk ? aber durch Vertrag von ihren jeweiligen Urhebern (mitunter auch
stillschweigend
) zur gemeinsamen Verwertung verbunden. Fur derartige Werkverbindungen gelten die Rechtsfolgen des
§ 9
UrhG.
[2]
Danach hat jeder der Urheber im Rahmen von
Treu und Glauben
einen Anspruch gegen den jeweils anderen auf Einwilligung (gegen Vergutung) in die Nutzung in der Werkverbindung.
Hiermit wird der Gefahr begegnet, dass einer der Urheber die Auswertung der Verbindung durch den jeweils anderen behindern konnte. Mit der Werkverbindung entsteht zwischen Texter und Komponist eine Verwertungsgemeinschaft in der Form einer
Gesellschaft burgerlichen Rechts
.
[3]
Gegen die Verwertung eines der Werke außerhalb der Werkverbindung kann der Urheber des anderen Werkes grundsatzlich nicht vorgehen.
[4]
Dem Liedtexter steht es also etwa grundsatzlich frei, seinen Text in einer Zeitung abzudrucken oder mit einem anderen Komponisten zusammenzuarbeiten und den Text dort einzubringen. Allerdings bestehen auch hier gewisse Treuepflichten; zudem wird die Einzelverwertung in der Praxis haufig vertraglich eingeschrankt.
[5]
Ahnliches gilt auch in Osterreich, wo die Verbindung von Musik und Text gleichfalls keine Miturheberschaft, sondern eine Werkverbindung begrundet, fur die zwar anders als im deutschen Recht keine eigene Regelung besteht, die jedoch regelmaßig ebenso zu einer Gesellschaft burgerlichen Rechts (§§ 1175 ff. ABGB) zwischen den beteiligten Urhebern fuhrt.
[6]
Bearbeiterurheberrecht.
Orientiert sich ein Liedtexter an einem vorbestehenden Text bzw. Ausgangswerk, so kann er durch sein Schaffen ein
Bearbeiterurheberrecht
erlangen (
§ 3
UrhG). Voraussetzung ist allerdings, dass es sich bei seiner Leistung um eine personliche geistige Schopfung handelt bzw. eine hinreichende
Schopfungshohe
vorhanden ist. Zur Erlangung des Bearbeiterurheberrechts ist es unerheblich, ob das Ausgangswerk noch urheberrechtlich geschutzt ist oder nicht. Ist das Ausgangswerk bereits
gemeinfrei
geworden, so kann durch Bearbeitung dieses Textes nicht nur ein Bearbeiterurheberrecht, sondern sogar
originares Schaffen
(
§ 2
UrhG) entstehen.
[7]
Falls des bearbeitete Werk hingegen noch urheberrechtlich geschutzt ist, kann das Ergebnis der Bearbeitung immer nur mit Zustimmung des Urhebers des Originalwerkes verwertet werden (
§ 23
Satz 1 UrhG).
Nicht jede Schopfung, die sich an ein vorbestehendes Werk anlehnt, fuhrt allerdings zu einer Bearbeitung. Schafft der Liedtexter unter Benutzung eines vorbestehenden Werkes ein neues Werk und besteht zwischen dem neuen und dem alten Werk ein solcher Abstand, dass die dem geschutzten alteren Werk entnommenen individuellen Zuge gegenuber der Eigenart des neugeschaffenen Werks verblassen, so liegt eine freie Benutzung vor (
§ 24
UrhG).
[8]
In diesem Fall ist der Urheber des Ausgangswerks anspruchslos gestellt.
[9]
Urheberschaftsvermutung.
Nach
§ 10
UrhG wird zugunsten desjenigen, der auf einem Vervielfaltigungsstuck in der ublichen Weise als Urheber bezeichnet ist, vermutet, dass er auch tatsachlich Urheber ist. Diese Beweiserleichterung ist wichtig fur die Durchsetzung urheberrechtlicher Anspruche. Werden Liedtexter und Komponist nebeneinander auf einem Notenblatt oder einem Datentrager als Urheber benannt, ohne dass ersichtlich ist, welcher von beiden fur den Text und welcher fur die Komposition verantwortlich zeichnet, so greift diese Beweiserleichterung ebenfalls. Vermutet wird dann, dass die Genannten gleichberechtigte Miturheber des Textes
und
der Melodie sind.
[10]
Die
GEMA
nimmt sowohl die Anspruche der Komponisten als auch der Textdichter wahr. In ihrem Verteilungsplan ist festgelegt, dass der Textdichter auch dann beteiligt wird, wenn das Musikwerk, zu dem der Text gehort, ohne den Text genutzt wird.
[11]
Die GEMA fuhrt in ihrem Verteilungsplan außerdem die Kategorie des ?Spezialtextdichters“. Hierbei handelt es sich um einen Bearbeiter des Originaltexts.
[12]
Er wird an der Ausschuttung beteiligt, wenn seine Textbearbeitung bei der GEMA angemeldet ist, in den Nutzungsmeldungen identifizierbar ist und die Textbearbeitung sowie seine Beteiligung von den am geschutzten Werk beteiligten Berechtigten genehmigt wurde.
[13]
Bei der offentlichen Wiedergabe eines textierten Werkes erhalt der Textdichter in den meisten Fallen 4/12 des pro Werk ermittelten Ausschuttungsbetrags.
[14]
Bei diesem Anteil bleibt es auch, wenn ein Bearbeiter hinzutritt; muss neben dem Komponisten und dem Textdichter zusatzlich noch ein Verleger oder ein Verleger und ein Bearbeiter vergutet werden, verringert sich der Anteil des Textdichters demgegenuber jeweils auf 3/12. Der Spezialtextdichter erhalt die Halfte des Textdichteranteils.
[15]
Bei Werken der ernsten Musik, bei denen in geringem Umfang Text aufgefuhrt wird, wird der Anteil des Textdichters in Abweichung zum Vorstehenden entsprechend dem Verhaltnis des verwendeten Textes zum Gesamtumfang des Werkes angesetzt.
[16]
Fur einzelne Sparten gelten abweichende Regelungen.
Librettisten
nennt man Textdichter von
Opern
,
Operetten
oder
Musicals
. Hier gehoren neben den musikalischen auch die gesprochenen Texte zum Werk. Viele Textdichter sind auf das Verfassen von Liedern und
Schlagern
der leichten
Tanz-
und
Unterhaltungsmusik
spezialisiert.
Liedermacher
und
Singer-Songwriter
vereinen Textdichtung, Komposition und Interpretation bzw. Auffuhrung in einer Person. Beide Begriffe entstanden in den 1960er-Jahren und werden unterschieden, etwa nach dem Schwerpunkt des Werks, der beim deutschen Begriff ?Liedermacher“ eher auf dem Text und einer Botschaft an das Publikum liegt, der sich die Musik mit vorwiegend akustischen Instrumenten unterordnet. Der englische Begriff ist hingegen offener und wird auch verwendet, wenn die Kunstler in Begleitung einer Pop- oder Rockband auftreten. Er hat auch im deutschen Sprachraum Eingang gefunden.
Nach 1945 setzten Textdichter und Komponisten in ganz Deutschland ihre Arbeit zunachst gemeinsam fort. So grundete und leitete
Michael Jary
1945 das
Radio Berlin Tanzorchester
und 1946 das Rundfunkorchester
Radio Saarbruckens
.
Durch die
deutsche Teilung
nahmen Zusammenarbeit und gemeinsame Produktionen ab. Ende der 1950er Jahre suchte der Rundfunk im Osten Deutschlands verstarkt nach ?eigenen“ Autoren. Staatliche Regelungen forderten diese Entwicklung.
[17]
1961 stammten die fur
Amiga
arbeitenden 45 Komponisten und 18 Textdichter vornehmlich aus dem Osten.
Die Geschichte der ostdeutschen Textdichtung geriet nach der Wiedervereinigung aus dem Blick. So enthalten die nach 1990 erschienenen Zusammenstellungen
Deutsche Schlager
und
120 % Schlager
keine ostdeutschen Liedtexter. Allein eine Sammlung von Schlager-Textheften beinhaltet fur die Zeit nach 1945 neben westdeutschen auch die ostdeutschen Hefte vom
Harth Musik Verlag
Leipzig-Berlin und dem
Lied der Zeit
Musikverlag Berlin.
[18]
- ↑
BGH, Urteil vom 16. April 2015,
I ZR 225/12
= GRUR 2015, 1189, Rn. 15 ?
Goldrapper
; Loewenheim/Peifer in Schricker/Loewenheim,
Urheberrecht
, 5. Aufl. 2017, § 9 Rn. 5, mit weiteren Nachweisen; ebenso auch schon die
amtliche Begrundung
,
BT-Drs. 4/270
, S. 42.
- ↑
Loewenheim/Peifer in Schricker/Loewenheim,
Urheberrecht
, 5. Aufl. 2017, § 9 Rn. 5, 7.
- ↑
BGH, Urteil vom 2. Oktober 1981,
I ZR 81/79
= GRUR 1982, 41, 42 ?
Musikverleger III
; Dreyer in
Heidelberger Kommentar Urheberrecht
, 4. Aufl. 2018, § 9 Rn. 18.
- ↑
Dreyer in
Heidelberger Kommentar Urheberrecht
, 4. Aufl. 2018, § 9 Rn. 38; Loewenheim/Peifer in Schricker/Loewenheim,
Urheberrecht
, 5. Aufl. 2017, § 9 Rn. 16.
- ↑
Loewenheim/Peifer in Schricker/Loewenheim,
Urheberrecht
, 5. Aufl. 2017, § 9 Rn. 16.
- ↑
Ciresa in Ciresa,
Osterreichisches Urheberrecht
, Stand: 19. Lfg. 2017, § 11 Rn. 3; Walter,
Osterreichisches Urheberrecht
, 2008, Rn. 372. Zum Nichtvorliegen von Miturheberschaft siehe auch OGH 11. August 2015,
4 Ob 50/15d
= MR 2015, 260, 262 ?
Die gelbe Jacke
.
- ↑
Schricker/Loewenheim,
Urheberrecht
, 6. Aufl. 2020, § 3 Rn. 10.
- ↑
Standige Rechtsprechung, vgl. nur BGH, Urteil vom 28. Juli 2016,
I ZR 9/15
= BGHZ 211, 309, Rn. 19 ?
auf fett getrimmt
, mit weiteren Nachweisen.
- ↑
Siehe illustrativ BGH, Urteil vom 24. Januar 1991, I ZR 78/89 = GRUR 1991, 531 ?
Brown Girl I
(zum Titel ?Brown Girl in the Ring“ der Gruppe
Boney M.
).
- ↑
Schulze in Dreier/Schulze,
Urheberrechtsgesetz
, 6. Aufl. 2018, § 10 Rn. 24; Dreyer in
Heidelberger Kommentar Urheberrecht
, 4. Aufl. 2018, § 10 Rn. 31; A. Nordemann in Fromm/Nordemann,
Urheberrecht
, 12. Aufl. 2018, § 10 Rn. 20a; jeweils unter Verweis auf BGH, Urteil vom 10. Juli 1986,
I ZR 128/84
= GRUR 1986, 887, 888 ?
BORA BORA
(zu Art. 15 Abs. 1 RBU). Anderer Ansicht Karl Riesenhuber,
Die Vermutungstatbestande des § 10 UrhG
, in:
Gewerblicher Rechtsschutz und Urheberrecht
, Bd. 105, Nr. 3, 2003, S. 187?196, hier S. 190.
- ↑
§ 5 Abs. 2 Satz 1 GEMA-Verteilungsplan in der Fassung der Beschlusse vom 23./24. Mai 2017.
- ↑
§ 5 Abs. 3 Satz 1 GEMA-Verteilungsplan in der Fassung der Beschlusse vom 23./24. Mai 2017.
- ↑
§ 5 Abs. 3 Satze 2?3 GEMA-Verteilungsplan in der Fassung der Beschlusse vom 23./24. Mai 2017.
- ↑
§ 195 GEMA-Verteilungsplan in der Fassung der Beschlusse vom 23./24. Mai 2017.
- ↑
§ 199 GEMA-Verteilungsplan in der Fassung der Beschlusse vom 23./24. Mai 2017.
- ↑
§ 196 GEMA-Verteilungsplan in der Fassung der Beschlusse vom 23./24. Mai 2017.
- ↑
AWA
-Regelung 60:40
- ↑
schlagertexthefte.eu