Straflingskolonie Australien

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Karte der ersten Straflingskolonie Australiens am Port Jackson, dem naturlichen Hafen des spateren Sydney, aus dem Jahre 1789, gezeichnet von einem Strafling. In dieser Karte sind auch sieben Schiffe der First Fleet eingezeichnet.

Der Begriff Straflingskolonie Australien ist als Bezeichnung des fruhen Australien ublich. In der ehemaligen Kolonie Australien gab es mehrere Straflingskolonien , zuerst in Sydney und dem daraus spater entstehenden New South Wales , eine ?Zweigstelle“ von Sydney auf Norfolk Island , ferner in Tasmanien , damals ?Van Diemen’s Land“, und gegen Ende der Straflingsverschiffung von 1851 bis 1868 in Western Australia . Die Deportation von Straflingen nach Australien, auf Englisch ?Transportation“ genannt, begann im Jahr 1787 mit dem Ablegen der elf Schiffe der First Fleet und endete am 26. Juni 1857 gesetzlich. [1] De facto endete sie allerdings erst am 9. Januar 1868 mit der Anlandung des Schiffs Hougoumont in Fremantle in Western Australia. [2]

Die australische Regierung geht in einer offiziellen Stellungnahme von insgesamt ca. 162.000 Straflingen aus, die auf 806 Schiffen transportiert wurden. [3]

Im englischen Strafrecht wurde bis zum Anfang des 18. Jahrhunderts die Todesstrafe fur Hochverrat, Mord, Totschlag, Korperverletzung, Raub, Notzucht und Diebstahl verhangt, darunter fielen auch Urkundenfalschung und Falschmunzerei. Die Verschickung in Strafkolonien wurde als Ersatz fur die Todesstrafe betrachtet. Sie blieb als Ersatz fur die Todesstrafe bis zum 26. Juni 1857 in Gesetzeskraft. [1]

Ein Gesetz aus dem Jahre 1718 erlaubte die Deportation bei Vergehen mit einer Strafe von sieben Jahren, also auch fur den kleinen Diebstahl. Dies bedeutete, dass nahezu alle Straftaten mit gleichem Strafmaß belegt werden konnten. [4]

1784 wurde Konig Georg III. durch eine Parlamentsakte ermachtigt, geeignete Verschickungsorte zu bestimmen. Er und der Staatsrat beschlossen am 6. Dezember 1786, an der Ostkuste Australiens einen Gefangnisort zu errichten. [5] Captain Arthur Phillip wurde zum ersten Fuhrer des Transports ernannt und zugleich zum ersten Gouverneur von New South Wales .

Soziale Verhaltnisse

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Britische Gefangnisschiffe in Portsmouth

Nicht erst mit dem Verlust der amerikanischen Kolonien im Unabhangigkeitskrieg von 1783 war die soziale Lage der englischen Bevolkerung schlecht, sondern infolge der Mechanisierung der Arbeit in Manufakturen mit niedrigen Lohnen, Kinderarbeit und langen Arbeitszeiten ohne Erholungsmoglichkeiten setzte eine Verelendung ein.

Mit dem Verlust der amerikanischen Kolonien verscharfte sich die soziale Lage weiter, und die Kriminalitatsrate stieg weiter an. Zuvor waren Verbrecher in die amerikanischen Kolonien zur Strafarbeit verbannt worden. Die Kapazitaten der Gefangnisse und die alternative Unterbringung in Gefangnisschiffen waren erschopft, um die zahlreichen Gefangenen aufzunehmen. Es bedurfte neuer Alternativen zur Unterbringung. Diese Faktoren fuhrten zu der Entscheidung der britischen Regierung im Jahre 1787, in Neu-Holland , so die damalige Bezeichnung Australiens, eine Straflingskolonie zu errichten.

Politische Verhaltnisse

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Als weiterer moglicher Grund zur Errichtung der australischen Kolonie gilt, dass England nach dem Verlust der nordamerikanischen Kolonien in eine politisch defensive Position gegenuber Frankreich geraten war und durch die Einrichtung einer befestigten Straflingskolonie seine militarische Prasenz im pazifischen Raum verstarken wollte. [6]

Erste Gefangenentransporte

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Ankunft von Straflingen in der Botany Bay

Am 9. Mai traf Captain Arthur Phillip , der erste Gouverneur von New South Wales , in Portsmouth ein, und am 13. Mai 1787 legte die aus elf Schiffen bestehende Flotte der First Fleet an der Mother Bank in der Nahe der Isle of Wight ab. Es waren zwei Kriegsschiffe, drei Schiffe mit Lebensmitteln, Geratschaften und Vorraten und sechs Schiffe fur den Transport der Straflinge. Die Kriegsschiffe, die Sirius und die Supply , standen unter dem Kommando von Captain John Hunter . Die Sirius war das Flaggschiff des Gouverneurs Phillip. Die Anzahl der Soldaten einschließlich der Offiziere der Royal Navy betrug 212 (davon durften 28 Offiziere ihre Ehefrauen und Kinder mitnehmen), und die Anzahl der Straflinge betrug 778; 13 Kinder der Straflinge wurden auf die Schiffe verteilt. [7] Als die Flotte bei Santa Cruz am 2. Juni vor Teneriffa ankerte, waren neun Seesoldaten und 72 Straflinge krank und 21 Straflinge tot, darunter drei Kinder der Straflinge. [8] Auf diesen Schiffen wurde auf den Ausbruch gefahrlicher Krankheiten geachtet, und deshalb starben auf dieser Fahrt nur insgesamt 45 Personen, 36 Manner, vier Frauen und funf Kinder. [9]

Am 18. Januar 1788 erreichte die HMS Supply als erstes der insgesamt elf Schiffe der First Fleet die australische Botany Bay . Da sich Botany Bay als ungeeignet fur eine Siedlung erwies, wurde schließlich Port Jackson dafur ausgewahlt und erhielt den Namen Sydney .

Am 7. Februar 1788 wurde an der Kuste die erste gesetzliche Regierung installiert, in deren feierlichem Rahmen 14 Straflinge heirateten. Allerdings wurden gegen Ende Februar sechs Straflinge wegen Diebstahls vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt. Der Radelsfuhrer wurde sofort hingerichtet, einer wurde begnadigt, und vier wurden auf einer Insel bei trocken Brot und Wasser ausgesetzt. [10]

Der zweite Gefangenentransport, die Second Fleet , wurde von einer Transportfirma durchgefuhrt, die fruher Sklaventransporte nach Amerika ausgefuhrt hatte. Es war ein fester Transportpreis fur jeden Strafling ausgehandelt worden, der unabhangig davon zu zahlen war, ob die Person ihr Ziel lebend oder tot erreichte. Die Flotte verließ England am 19. Januar 1790 mit 1006 Straflingen, davon 928 Manner und 78 Frauen, und kam im Juni in Sydney an. Die Todesrate war die hochste aller Transporte nach Australien, denn von den Straflingen starben 267 auf den Schiffen, davon 256 Manner und 11 Frauen. Weitere 150 starben nach der Landung im Hafen. [11] Jeder Vierte auf See erreichte Sydney nicht. [12] Die neu ankommenden Straflinge, von denen die meisten krank waren oder sich in einem schlechten Gesundheitszustand befanden, trafen auf die halb verhungerten Straflinge der First Fleet. Als erste Maßnahme verkauften die Verantwortlichen der Second Fleet uberzahlige Lebensmittel und Bekleidung. Der Gesundheitszustand der Menschen der Second Fleet war derart schlecht, dass sich beispielsweise von 499 Straflingen des Transportschiffs Neptune lediglich 72 in einem als normal zu bezeichnenden Gesundheitszustand befanden. [13]

Auf der Surprize , einem Schiff der Second Fleet, kamen Thomas Muir of Huntershill , Thomas Fyshe Palmer , William Skirving und Maurice Margarot an. Sie waren die ersten politischen Straflinge, die sich fur burgerliche Rechte eingesetzt und damit gegen die britische Obrigkeit gewendet hatten und zur Strafe nach Australien deportiert wurden.

Der dritte Schiffstransport, die Third Fleet , fand im Jahr 1791 mit elf Schiffen und 2.000 Passagieren statt, auf denen 194 mannliche und vier weibliche Straflinge starben. [14] Als die Nachricht von der hohen Todesrate in London ankam, war die Third Fleet bereits unterwegs. Der fur die Transportation zustandigen Reederei wurde kein weiterer Auftrag erteilt. [15]

Uberlebenskampf

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Bewachte Straflinge beim Gang zur Arbeit (vermutl. 1808)

Nachdem die First Fleet angekommen war, bestand die Verpflegung fur je eine Woche aus 4 engl. Pfund salzigem Rind- und 2 Pfund Schweinefleisch , 2 Pints getrockneten Erbsen , 3 Pints Weizenmehl , 7 Pfund Schiffszwieback , 12 Oz Hartkase , 6 Oz Butter und ½ Pint Essig . Die Ausgabe der Lebensmittel, die fur zwei Jahre reichen sollte, erfolgte wochentlich rationiert an die Seeleute, Offiziere, Marinesoldaten und Straflinge. Die mannlichen Straflinge erhielten lediglich 2/3 der vorgenannten Rationen und die weiblichen 2/3 der mannlichen Straflinge. Die Flotte brachte auch 2 Bullen und 5 Rinder, 29 Schafe, 19 Ziegen, 74 Hunde und Schweine, 5 Hasen, 18 Truthahne, 35 Enten, 35 Ganse und 209 Huhner mit nach Australien, doch die Weiterzucht misslang.

Straflinge, die vor einen Pflug eingespannt wurden

Um erfolgreich Landwirtschaft zu betreiben, fehlten 1788 alle Zugtiere. Erst im Jahr 1803 kam der erste Pflug in Australien an. Nur Offiziere durften einen Gemusegarten anlegen, den Straflinge bewirtschaften mussten. Der Ertrag blieb bescheiden und Eintonigkeit des Essens wie auch Hunger bestimmten in den ersten Jahren das Leben der neugegrundeten Straflingskolonie. [16] Die Kolonisten lebten in den ersten Jahren weitestgehend friedlich neben der indigenen Bevolkerung und konnten daher sicherlich erkennen, dass diese nicht unter schwerer Unterernahrung litt, da sie sich u. a. auch von lokalen Pflanzen ernahrte. Daher bleibt es unverstandlich, warum sie dieses Wissen nicht ubernahmen und anwendeten. Eine mogliche Erklarung hierfur ist, dass sie in ihrer kolonialen Uberheblichkeit lieber verhungerten als ?Blackfella-Essen“ zu sich zu nehmen. [17] Die Kolonisten ernteten wenig lokale Pflanzen wie smilax glycophylla , eine Stechwinde , genannt sweet tea ( sußer Tee ), und wild wachsenden Spinat.

Fisch war das einzig frische Protein , das fur die Europaer erhaltlich war. Wer Fisch wahlte, musste beim Erhalt von 10 Pound Fisch auf 2 ½ Pfund des halbverrotteten rationierten Rindfleischs verzichten. Auf das salzige Fleisch wollte kaum jemand verzichten. Inwieweit lokal vorkommende Tiere zur Nahrung verwendet wurden, ist nicht dokumentiert. Als im Jahr 1789 das erwartete Versorgungsschiff Guardian beladen mit Lebensmitteln aus England ausblieb, weil es auf seinem Weg Schiffbruch erlitten hatte, kurzte Gouverneur Arthur Phillip die Wochenrationen fur alle auf 4 engl. Pfund Weizen , 2 ½ Pfund gesalzenes Rindfleisch und 1 ½ Pfund Reis , weil eine Hungersnot drohte. Lebensmitteldiebstahl ließ er hart bestrafen und verhangte auch die Todesstrafe. Als weitere Maßnahme zur Linderung der Not sandte er ein Schiff zur Beschaffung von Lebensmitteln nach Kapstadt . Als es im Mai 1789 wieder in Sydney anlegte, hatte es 52 Tonnen Mehl und weiteres Getreide (Weizen und Gerste ) an Bord. Das Mehl reichte lediglich fur vier weitere Monate. Das Getreide wurde zur Aussaat auf Rose Hill verwendet, heute ein Vorort von Parramatta bei Sydney . Zur Reduzierung der Zahl der zu verpflegenden Menschen in der Kolonie schickte Arthur Phillip im Jahr 1790 281 Straflinge, ein Drittel der damaligen Straflinge, mit weiteren Militars als Wachpersonal auf der Sirius zur Insel Norfolk Island. Die Lage besserte sich, als im Juni 1790 die Justinian , ein Versorgungsschiff der Second Fleet, in Sydney landete und Straflingen erlaubt wurde Lebensmittel anzubauen. Der erste Strafling, der sich erfolgreich als Bauer auf dem australischen Kontinent betatigte, war James Ruse aus Cornwall . Ruse hatte Arthur Phillip Land bei Parramatta zum Anbau von Mais und Weizen ubergeben, und als er im Februar 1791 eine erfolgreiche Ernte einfuhr, nachdem er eine Dungemethode fur die vorhandenen mageren Boden entwickelt hatte, ubereignete er ihm als Dank 30 Acres Land. Vier Jahre nach der Ankunft der ersten europaischen Siedler war die Kolonie immer noch nicht in der Lage sich selbst zu ernahren. Bis Oktober 1792 hatte Phillip lediglich erst 66 Personen Land ubereignen konnen, das einer eigenen Ernahrung der Bevolkerung dienen konnte. Erst nach und nach stabilisierte sich die Lebensmittelversorgung.

Nachdem Phillip die Kolonie verlassen hatte, griffen in der Zeit des anhaltenden Hungers und der Vorteilsnahme der Offiziere des New South Wales Corps bei der Landvergabe gegenuber allen anderen und gegenuber den hart arbeitenden Straflingen viele der Benachteiligten zum Rum . Das Monopol uber Rum befand sich in den Handen der Offiziere des New South Wales Corps, auch Rum Corps genannt, die ihn zu ihrem Vorteil ausnutzten (siehe weiter unten). Robert Hughes , der Autor des englischsprachigen Buches The Fatal Shore ( Das todliche Ufer ) kennzeichnet die ersten funf Jahre der Straflingskolonie als ?Kolonie der Hungernden“ und die Zeit danach bis zur Rum-Rebellion als ?Kolonie der Besoffenen“. [16]

Bekleidungsnotstand

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Nicht nur hinsichtlich der Verpflegung herrschte ein Notstand, sondern auch die Versorgung der Marinesoldaten und der Straflinge mit Kleidung war durch die Kolonialverwaltung in England vernachlassigt worden: Die Marinesoldaten trugen zerrissene Uniformen, Knopfe fehlten, teilweise waren sie barfuß oder mit zerrissenen Stiefeln unterwegs. Sie hielten sich weder an militarischen Drill noch an Marschordnungen, ihre Rangstellung war an ihren zerlumpten Uniformen großtenteils nicht mehr erkennbar. [18] Philip Gidley King , der offizielle Grunder der Straflingskolonie Norfolk Island, erinnerte sich an einen Bericht des Botanikers Joseph Banks , in dem dieser berichtete, dass die Maoris aus Neuseeland die Kunst des Leinenwebens beherrschen, wodurch dieses Problem fur die Neuankommlinge losbar erschien. King sandte ein Schiff nach Neuseeland, das zwei junge Maoris im Alter von 24 Jahren nach Norfolk Island brachte. Nach sechs Monaten wurden sie zuruckgebracht, weil man feststellen musste, dass auf Neuseeland lediglich Frauen Webtatigkeiten beherrschen. Das Problem wurde spater von weiblichen Straflingen gelost, als sie Moglichkeiten erhielten Flachs anzubauen. [19]

Am 10. Dezember 1792 verließ Gouverneur Phillip krankheitshalber mit den Aborigines Bennelong und Yemmerrawanne die Straflingskolonie. [20]

Die Abwesenheit von Phillip nutzten die Marinesoldaten des New South Wales Corps , angefuhrt von Major Francis Grose und William Paterson , zu ihrem privaten Vorteil. Die Straflinge unterstanden nun ihrer personlichen Verfugung. Als erste Maßnahme hob Grose die gleiche Verteilung der Essensrationen, die Phillip angeordnet hatte, auf und jedes Mitglied des New South Corps konnte 20 Acres Land erhalten, wenn dies gewunscht wurde. Alle ankommenden Guter im Hafen wurden von den Militars konfisziert und entsprechend ihren Interessen verteilt. Auf diesem Weg entstand erstmals in Australien eine hervorgehobene Gesellschaftsschicht. Eine besondere Rolle spielte damals Rum, der von den Offizieren wie eine Wahrung eingesetzt wurde und sie bereicherte. Als 1793 das amerikanische Handelsschiff Hope 7.300 Gallonen Rum nach Australien brachte, wurde diese Entwicklung weiter befordert. Dies fuhrte dazu, dass im Jahr 1799 die Offiziere uber 33 % der vorhandener Rinder, 40 % der Ziegen, 59 % der Pferde und 77 % der Schafe verfugten und sie Mittel zur Verfugung hatten, großes Landeigentum auf den fruchtbaren Ebenen des Hawkesbury Rivers im Nordwesten von Sydney zu erwerben. [21] Gouverneur John Hunter , der nach Phillip eingesetzt wurde, unternahm vergeblich mehrere Versuche, importierten Rum durch Truppen bewachen zu lassen und so die Offiziere daran zu hindern, diesen aufzukaufen, aber dies scheiterte. Versuche, die gesamte Einfuhr zu unterbinden, schlugen wegen der fehlenden Zusammenarbeit anderer Regierungen fehl und deshalb, dass die Offiziere ein danisches Schiff charterten und damit eigene Importe aus Indien organisierten. Diese Entwicklung in der Straflingskolonie fuhrte im Jahr 1808 zur Rum Rebellion , dem einzigen bewaffneten Aufstand Australiens, in dessen Folge der Gouverneur William Bligh abgesetzt wurde, nachdem er versucht hatte, die erfolgten Aneignungen von Land und Reichtum durch die Offiziere des New South Wales Corps wieder ruckgangig zu machen.

Strafkolonien Australiens

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Sydney und New South Wales

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Billy Blue , ein Strafling aus Jamaika, der in Sydney ein Original war (1834)

In den folgenden Jahren fanden weitere Straflingstransporte nach Sydney statt, und die Siedlung breitete sich aus. Bedeutsam fur die weitere Entwicklung von Sydney war, dass 1793 die ersten freien Siedler ankamen, auch wenn deren Anzahl in der ersten Zeit gering blieb. Sie erhielten freie Uberfahrt, kostenlose Uberlassung von Land, Geratschaften und Lebensmitteln in der ersten Zeit sowie Uberlassung der Straflinge ohne Verpflichtung, fur deren Unterhalt zu sorgen ? denn ansonsten ? hatte sich vermutlich uberhaupt niemand bereit gefunden, dieses Land als freier Ansiedler zu betreten. [22] Ende 1789 ging in Sydney die Butter aus, und die Essensvorrate wurden durch Mause und Ratten dezimiert. Ende 1789 wurden die Rationen auf zwei Drittel herabgesetzt und Anfang 1790 noch weiter gekurzt. Im Fruhjahr wurde die Sirius mit Leuten nach Norfolk Isle geschickt, um Sydney zu entlasten. Das Schiff zerschellte auf Norfolk Isle. In der Not nahmen die Diebereien und Plundereien der Straflinge uberhand, und der Gouverneur setzte das Kriegsrecht ein, das zu Hinrichtungen und harten Bestrafungen fuhrte. Erst im Juni 1790 entspannte sich die Lage, als ein Schiff, die Justinian , beladen mit Lebensmitteln eintraf. [23]

Als am 21. September 1790 das Kriegsschiff Gorgon in Sydney landete, brachte es das Begnadigungsrecht mit, das der Gouverneur nur gewahren durfte, wenn sich der betreffende Strafling dazu verpflichtete, sich in der Kolonie anzusiedeln. Ansonsten wurden die Straflinge erst nach Ablauf ihrer Strafen freigelassen, kehrten jedoch haufig nicht mehr nach England zuruck, sondern siedelten sich in Sydney und spater in anderen Teilen von Australien an. Im Oktober 1790 war Sydney auf 4000 Menschen angewachsen, einschließlich der Soldaten und Beamten. [24]

Lebensgroße Bronzeplastiken zur Erinnerung an Straflinge als Straßenbauer ab 1815 durch die Blue Mountains: zwei Straflinge, engl. Soldat, zwei Aborigines (einer verdeckt), Ort: Katoomba , unweit von Echo-Point

Arthur Phillip fuhr wegen seines schlechten Gesundheitszustands im November 1794 nach England zuruck, ihm folgten Major Franz Grose und anschließend Captain William Paterson . Die Offiziere des New South Wales Corps , das sog. Rum Corps, besetzten freiwerdende zivile Stellen, eigneten sich Land an und nahmen Einfluss auf den Handelsverkehr und damit auch auf den Vertrieb von Branntwein. Verbrechen, Trink- und Spielsucht entwickelten sich dadurch. Als am 7. September 1795 John Hunter, der Nachfolger von Phillip, eintraf, war die Bevolkerungszahl in New South Wales auf etwa 4000 Personen angestiegen. Es gelang Hunter nicht, den Einfluss der Offiziere zuruckzudrangen, und er demissionierte im Jahre 1800. Ihm folgte Captain Philip Gidley King , der auf Weisung von Phillip auf der Norfolk Isle gewesen war. In seine Amtszeit fiel die Grundung einer neuen Strafkolonie in Tasmanien. Er legte 1806 sein Amt nieder, und danach kam William Bligh , der durch die Meuterei auf der Bounty bekannt war. Bligh ging sofort gegen die Offiziere und deren Machenschaften an, worauf diese nach einem Eklat vor Gericht sein Haus besetzten und ihn gefangen nahmen. Oberst Paterson hielt Bligh eine Weile gefangen, und dieser kehrte nach England zuruck. England setzte daraufhin Lachlan Macquarie ein, der am 28. Dezember 1809 die Stelle des Gouverneurs antrat und zwolf Jahre regierte. In seiner Zeit wuchs die weiße Bevolkerung von New South Wales auf 24.000 Personen an, die Straflinge wurden im offentlichen Straßenbau eingesetzt, und er unterstutzte entlassene Straflinge, wo er nur konnte. Das Land nahm einen Aufschwung und 1822 setzte die freie Einwanderung ein, die sich nach und nach verstarkte. Die Kolonie konnte sich erst dann weiter ins Inland ausbreiten, als die Durchquerung der Blue Mountains im Jahre 1813 durch die Europaer Gregory Blaxland , D’Arcy Wentworth und William Lawson gelungen war. Zwei Jahre spater wurde die erste Straße gebaut, etwa 40 Jahre spater eine Eisenbahnstrecke.

Zunachst waren es etwa 800 freie Einwanderer in der Mitte der 1830er Jahre, 1841 dagegen 12.000. Die Einwanderung war attraktiv geworden, der Boden war werthaltig und konnte erworben werden, Straflinge wurden gegen Lohn und Verpflegung an die Siedler abgegeben. Da es Beschwerden uber die Sicherheitslage von Australien gab und sich eine Antitransportationsliga gebildet hatte, wurde eine Untersuchung eingeleitet. Auf Basis ihres Ergebnisses wurde die Deportation am 22. Mai 1840 eingestellt. [25] Am 25. Juni 1851 wurde New South Wales aufgrund von Protesten der Bevolkerung aus der Liste der Strafkolonien gestrichen.

Das Militarlager auf Norfolk Island

Am 14. Februar 1788 wurden ein Offizier, sechs Seesoldaten, ein Seekadett, ein Wundarzt und zwei weitere Personen unter Fuhrung von Phillip Gidley King , dem zweiten Offizier der Sirius , auf der Sirius nach Norfolk Island gesandt, um eine weitere Kolonie zu grunden. Ihnen folgten im Oktober ein weiterer Offizier, acht Seesoldaten und 30 Straflinge, 20 Manner und zehn Frauen. Die Kolonie wuchs bis zum 24. Marz 1790 auf 498 Personen aus Sydney an, darunter 291 Straflinge, 191 Manner und 100 Frauen. Diese Besiedlung der Insel war die Folge des in Sydney entstandenen Mangels an Essen, das nur noch bis Juni 1790 auszureichen drohte, da keine Versorgungsschiffe angekommen waren. [26] Auf der Norfolkinsel wurden taglich Diebstahle verubt, deren Tater nur selten ausfindig gemacht werden konnten. Nur strenge Bestrafung und uberraschende Durchsuchungen der Hutten schreckten etwas ab. Die Arbeitsmoral der Straflinge war schlecht, weil nicht genugend Aufsichtspersonal vorhanden war. [27] Mit dem Zusammenbruch der Holz- und Flachsverarbeitung wurde die Straflingskolonie 1813 aufgegeben, alle Gebaude abgerissen und die Insel sich selbst uberlassen. 12 Jahre spater wurde die Norfolkinsel zum Gefangnis fur Schwerstkriminelle, und die Gefangenen mussten unter extremsten Bedingungen arbeiten; die Todesrate war hoch. Als die Berichte uber die Verhaltnisse an die Offentlichkeit in England drangen und die freie Bevolkerung der Norfolk Isle protestierte, wurde die Strafanstalt im Mai 1855 geschlossen.

Das beruchtigte Straflingsgefangnis Port Arthur

Die erste Besiedlung Tasmaniens erfolgte ausgehend von Sydney unter der Leitung von Lieutenant John Bowen . Er traf im September 1803 ein und grundete an einem Seitenarm des Derwent River die erste Siedlung, Risdon Cove . In seiner Begleitung befanden sich 94 Strafgefangene und Soldaten. Im Februar 1804 kamen nochmals uber 200 Gefangene und Militars direkt von England. Sie errichteten am gegenuberliegenden Ufer des Derwent die Siedlung Sullivan’s Cove , das spatere Hobart , und einen weiteren Ort. Tasmanien wurde 1825 zur selbstandigen Kolonie ernannt und es wurden jahrlich 4000 Straflinge auf die Insel verbracht. Die Ansiedlungen und die Gefangnisanstalten waren uberfullt. Die Straflinge waren auf der Insel in der Uberzahl und trieben sich in Tasmanien herum, plunderten, brandschatzten und begingen am hellen Tage Verbrechen. Sicherheit und Ordnung waren außer Kraft gesetzt. England wollte daher mit dem Transport von Straflingen aus Tasmanien nach New South Wales beginnen. Als ein Schiff mit Straflingen in Sydney einlief, versuchte die Bevolkerung, die Ausladung zu verhindern, aber Siedler im Landesinnern nahmen die Straflinge auf. Aufgrund der Proteste wurden am 25. Juni 1851 in New South Wales die Transaktionen beendet und New South Wales aus der Liste der Strafkolonien gestrichen. Die Verschickung von Straflingen nach Tasmanien wurde 1854 ganzlich beendet. [28]

Western Australia

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Das heutige Western Australia wurde ab dem Jahr 1829 von Europaern am Swan River besiedelt. Die Kolonisierung erfolgte zunachst ohne Straflinge in der sogenannten Swan River Colony . Diese Form einer Kolonisierung drohte wegen Arbeitskraftemangel zu scheitern. Daraufhin wurden in der Zeit von 1850 und 1868 etwa 10.000 Straflinge dorthin verbracht. Aber auch hier wurde die Straflingsdeportation nach Protesten der Bevolkerung beendet.

Bill Tompson, ein Strafling auf Tasmanien, in Straflingsuniform und in Eisen gelegt
Darstellung von Offizieren, Marinesoldaten, freien Siedlern und Straflingen in der Strafkolonie (vermutl. 1825)

Politische Straflinge

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Neben den Straflingen, die kriminelle Straftaten verubt hatten, gab es auch politische Straflinge wie Iren, Schotten und Briten, die sich gegen die Obrigkeit gewendet und burgerliche, soziale und gewerkschaftliche Rechte eingefordert hatten.

Fruhe rebellische Iren, die sich fur ein geeintes Irland einsetzten, nannten sich United Irish und Defender . Ein Schiff namens Marquis Cornwallis [29] brachte 1796 168 dieser Manner und 73 Frauen von Irland nach Australien. Dies war der erste Transport politischer Straflinge irischer Nationalitat nach Australien. Eine großere Anzahl von ihnen (darunter waren Joseph Holt , Maurice Margarot , Richard Atkins und Samuel Marsden ) wurden transportiert, als die Irische Rebellion von 1798 niedergeschlagen worden war, in der sich die Iren mit Unterstutzung Frankreichs gegen die britische Herrschaft im Konigreich Irland gewendet hatten. In der Zeit von 1815 bis 1840, also einem Zeitraum, in dem in Irland zeitweise Burgerkrieg herrschte, wurden etwa 1200 politische Straflinge von dort nach Australien deportiert. Diese Iren, die sich Carravats und Carders, Whiteboys, Rightboys, Heart of Steel oder Ribbon Men nannten, qualten ihre Gegner oder brannten Hauser ab. Aus britischer Sicht waren die White Boys die Gefahrlichsten, weil sie gewerkschaftliche Interessen verfochten. [30]

Insgesamt sollen von 1793 bis 1840 etwa 30.000 Manner und 9.000 Frauen von Irland direkt in die Straflingskolonie deportiert worden sein, davon etwa 20 % wegen ihres politischen und sozialen Engagements. Wegen politisch motivierter Rebellion in Verbindung mit Korperverletzung und Sachbeschadigung sollen lediglich insgesamt etwa 1.500 Menschen deportiert worden sein. [31]

In den fruhen 1790er Jahren entstand im Konigreich Großbritannien unter dem Eindruck der Franzosischen Revolution eine Bewegung unter Intellektuellen, Rechtsanwalten und Pastoren auch in Schottland , die sich mit gleichgesinnten Arbeitern in politischen Diskussionsrunden trafen. Sie bezeichneten sich selbst ? in Anlehnung an die franzosischen Jakobiner ? als Jakubiner und warben fur die Abschaffung des Adels. Ihr Manifest Rights of man ( Die Rechte des Menschen ), das Tom Paine verfasst hatte, wurde in England eine Million Mal verkauft. Die ersten Jakubiner wurden in Edinburgh in Gefangnisse geworfen und kamen als Straflinge auf die ersten Flotten, die in der Botany Bay ankamen. Einer dieser politischen Straflinge war der Schotte Thomas Muir , der der Vizeprasident der Diskussionsrunde in Glasgow gewesen und zu 14 Jahren Deportation nach Australien verurteilt worden war. Der Schotte William Skirving hatte eine Reform der britischen Verfassung verfochten, dies wurde mit 7 Jahren Transportation bestraft. Die britische Regierung wollte diese Straflinge lediglich politisch neutralisieren, sie mussten daher in der Straflingskolonie nicht arbeiten, erhielten Land ubereignet und verdienten ihren Unterhalt anfanglich auch mit dem Verkauf von Rum, bis dies in der Rum Rebellion endete. [32]

Ungefahr 1.800 Briten wurden in der Zeit von 1800 bis 1850 wegen Teilnahme an Auseinandersetzungen mit der Obrigkeit oder ihrer politischen Haltung deportiert. [33] Es waren dies vor allem Personen, die zur ersten Arbeiterbewegung in der Zeit der fruhen Industrialisierung in England gezahlt werden konnen und ihre schlechten Lebensverhaltnisse andern wollten. Deportiert wurden Personen, die an Hungerstreiks (1816) oder an Essens- (1812?1813 und 1816) und Weberaufstanden (1821 in Yorkshire, auch 1820 in Schottland), an den Aufstanden von Bristol (1831) und Wales (1835) oder an den Maschinensturmen in den fruhen 1830er Jahren beteiligt gewesen waren. Ferner wurden von 1828 bis 1838 jahrlich 30 bis 40 Schwarzafrikaner transportiert, die vor den Gerichten als Angehorige der excitable classes ( aufgeregten Klassen ) eingeordnet worden waren. Das Gleiche geschah zwischen 1839 und 1848 mit etwa 100 Chartisten . [34]

Man geht davon aus, dass ungefahr zwei Millionen Burger in Großbritannien und vier Millionen Burger Australiens Nachkommen von Straflingen sind. [35]

Straflingszahlen

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Die australische Regierung gibt die Verschiffung von insgesamt ca. 162.000 Straflingen mannlichen und weiblichen Geschlechts an, die auf 806 Schiffen transportiert wurden. Darunter waren 70 % Englander und Waliser , 24 % Iren und 5 % Schotten. Das restliche 1 % bestand aus Indern und Kanadiern, Maoris , Chinesen aus Hongkong und Sklaven aus der Karibik . [3] Etwa ein Funftel der Deportierten waren Frauen. [35] 83 % der mannlichen Straflinge standen im Alter zwischen 15 und 30 Jahren, der alteste war beinahe 70 und der jungste 13 Jahre alt. 75 Prozent waren unausgebildete Arbeiter. Lediglich 2 % waren Morder oder Schwerverbrecher, 87 % der Manner und 91 % der Frauen wurden als Straflinge wegen kleiner Delikte nach Australien transportiert. [36]

Von 1787 bis 1838 sind insgesamt 79.000 Straflinge nach Australien verschickt worden, 43.506 Manner und 6.791 Frauen nach New South Wales, 24.785 Manner und 2.974 Frauen nach Tasmanien. [37] Die Straflingsdeportation von Großbritannien nach Australien wurde am 26. Juni 1857, als England das ?Transportation Law“ aufhob, rechtlich beendet. [38]

Der jungste mannliche Strafling war John Hudson , der im Alter von 13 Jahren mit der First Fleet auf der Friendship die Straflingskolonie erreichte. Der jungste weibliche Strafling war Elizabeth Haywood mit 14 Jahren. Sie kam mit der Lady Penrhyn . Der alteste Strafling war Joseph Owen , der, soweit es bekannt ist, 68 Jahre alt war. Dorothy Handland war der alteste weibliche Strafling, denn ihr Alter wurde auf 82 Jahre geschatzt; das lange genannte Alter von 61 Jahren bei ihrer Ankunft wird neuerdings fur falsch gehalten. [39]

Straflingsschiffe

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Lady Penrhyn , ursprunglich ein Sklaventransporter, das spater in der First Fleet eingesetzt wurde

Alle Straflingsschiffe waren nicht speziell fur den Personentransport gebaut worden. [40] In der ersten Zeit waren die meisten alt und kaum seetuchtig. Die britische Kolonialverwaltung vergab die Auftrage an private britische Reedereien und damit unterstanden die Schiffe keiner ubergeordneten staatlichen Aufsicht. Die ersten drei Flotten stachen aufgrund von Vertragen zwischen der Reederei Camden, Calvert & King und der britischen Kolonialverwaltung in See. Diese Reederei war fruher ein Sklaventransportunternehmen, das nun die Schiffe der First Fleet mit Ketten ausrustete, mit denen zuvor afrikanische Sklaven in Eisen gelegt worden waren. [15] Nachdem die hohe Todesrate der Second Fleet in der Offentlichkeit Londons fur Aufsehen gesorgt hatte, wurde dieser Reederei nach der Ruckkehr der Third Fleet kein neuer Transportationsauftrag mehr erteilt. Die britische Regierung wies die Schuld ?barbarischen Schiffsfuhrern“ zu.

Als sich spater herausstellte, dass sich unter den auf See verstorbenen Straflingen zahlreiche Iren befanden, wurde dies so erklart, dass die Schiffsfuhrer von ihnen ausgehende Meutereien befurchtet hatten. Als Beleg hierfur wurde angefuhrt, dass auf dem Transportschiff Britannia , das 1796 144 mannliche und 44 weibliche Iren an Bord transportierte, der angebliche Radelsfuhrer William Trimball nach seiner Auspeitschung 31 Namen von Straflingen genannt hatte, die eine Meuterei planten. Als daraufhin das Schiff nach Waffen untersucht wurde, fand man ein halbes Dutzend selbstgefertigter Gegenstande wie Handsagen, Messer, Bugeleisen und Scheren, die als Beleg fur eine vorbereitete Meuterei gewertet wurden. Der Schiffsfuhrer Thomas Dennott verurteilte die Verdachtigen zu insgesamt 7.900 Peitschenhieben, die sechs Straflinge nicht uberlebten. Dem Schiffsarzt Augustus Beyer untersagte Dennott eine Wundbehandlung der Ausgepeitschten. Die Regierung untersuchte den Vorfall zwar, verurteilte aber weder den Schiffsfuhrer noch den Schiffsarzt. Allerdings untersagte es beiden jegliche weitere Betatigung auf Schiffen. [41]

1801 kam es wegen der schlechten Zustande auf dem Transportschaff Herkules zu einer Meuterei der Straflinge, in deren Verlauf 14 Straflinge erschossen wurden. Weitere 30 Straflinge starben auf der weiteren Schiffsfahrt aufgrund von Erschopfung und Entkraftung. [42] Meutereiversuche gab es haufig und sie wurden meist durch Auspeitschen bestraft. Erfolgreich verlief lediglich eine einzige Meuterei, und zwar auf einem Transportschiff mit weiblichen Straflingen, der Lady Shore . Diese unblutige Meuterei verubten Marinesoldaten des New South Wales Corps, die das Schiff nach Montevideo entfuhrten und dort die Straflinge ?im Namen der Franzosischen Republik“ als politische Fluchtlinge ubergaben. [43]

Die Kolonialregierung anderte nach den Vorkommnissen auf der Second Fleet ihre Vertrage. Die Straflingstransportschiffe durften keine Waren mehr nach Australien transportieren, die sie dort mit hohem Gewinnen verkaufen konnten. Jedem Schiff wurde ein Marinearzt zugewiesen, der dem Schiffsfuhrer und der Reederei nicht mehr rechenschaftspflichtig war. Die Arzte konnten nunmehr eigenstandige Entscheidungen in Gesundheitsfragen fallen. Der erste Marinearzt verrichtete seinen Dienst ab dem Mai 1792 auf der Royal Admiral . Weitere drei Schiffe hatten im Jahr 1793 einen Arzt an Bord und von insgesamt 670 britischen und irischen Straflingen verstarben lediglich 14 im Verlauf der Schiffsreise. Nachdem Großbritannien im Jahr 1795 in die Napoleonische Kriege eingetreten war, erfolgten die Straflingstransporte wiederum ohne Arzte, weil diese fur den Kriegseinsatz benotigt wurden. Lediglich auf einem der 18 Schiffe, die in den 20 Jahren nach Kriegsbeginn Straflinge transportierten, befand sich ein Arzt. Die Schiffe wurden stattdessen nun von einem sogenannten ?Marinesupervisor“ mit der Folge begleitet, dass die Todesrate auf Einzelfalle reduziert wurde. Weiterhin gab es allerdings menschenverachtende, vertragliche Vereinbarungen, wie beispielsweise aus dem Jahr 1798, in dem der Eigentumer des Transportschiff Hillsborough einen Bonus von 4 brit. Pfund, 10 Shilling und 6 Pence fur jeden Strafling zugesichert bekam, der tot oder lebendig in Australien anlanden wurde. [44] Nach Berichten von Straflingen mussten sie als Folge dieser Vertragsgestaltung oft tagelang neben Verstorbenen leben und schlafen. Es gibt aber auch Hinweise darauf, dass die Behandlung der Straflinge auf den Schiffen unterschiedlich und nicht in jedem Fall menschenunwurdig war. [45] Gegen Meutereiversuche wurde zwar eingeschritten, aber das Auspeitschen wie auf der Britannia wiederholte sich so nicht, da das Strafmaß auf vier Dutzend Schlage begrenzt wurde und sowohl die Mannschaft als auch die Straflinge bei der Strafausfuhrung anwesend sein mussten. [46]

Bis zum Ende der Straflingstransporte im Jahr 1868 wurden laut Robert Hughes Straflinge mit 825 Schiffen transportiert, durchschnittlich 200 Straflingen pro Schiff. Bis 1800 legten 42 Schiffe und von 1801 bis 1813 jahrlich nicht mehr als 5 Straflingstransportschiffe in Sydney an. Damit erreichten in diesem Zeitraum nicht mehr als 1.000 Straflinge pro Jahr Australien. Ab 1815 stiegen die Transportationszahlen an, was auf das Ende der Napoleonische Kriege zuruckzufuhren ist, an denen die Briten beteiligt waren. Von 1831 bis 1835 deportierten 133 Schiffe 26.731 Straflinge nach Australien, dabei bildete das Jahr 1831 mit 36 Schiffen mit 6.779 Straflingen den Spitzenwert. Davon wurden 4.000 in Sydney und der Rest ins Van Diemen’s Land transportiert. [47]

Nach 1810 wurden die Schiffe schneller. Wahrend die First Fleet bis zur Botany Bay 252 Reisetage benotigte und dabei fast zehn Wochen in Hafen verbrachte, um Lebensmittel und Wasser zu bunkern, war dies nun nicht mehr in diesem Ausmaß erforderlich. Teilweise wurden die Schiffe von der britischen Marine begleitet, mussten nicht mehr Proviant fur weitere Jahre zum Uberleben in Australien mittransportieren und wahlten andere Routen. Ab 1820 segelten die Schiffskapitane uber Rio de Janeiro und anschließend direkt zur Sudkuste von Australien, setzten die Straflinge nordlich in Sydney ab oder segelten weiter nach Hobart . In den 1830er Jahren erreichten die Straflingstransporte Australien normalerweise in weniger als 110 Tagen. Mehrere Schiffe benotigten sogar weniger als 95 Tage. [40]

Das letzte Straflingsschiff war die Hougoumont , ein 875-Tonnen-Schiff, das England am 12. Oktober 1867 verließ und Fremantle am 9. Januar 1868 mit 108 Passagieren und 279 Straflingen erreichte, darunter war der irische Poet und Fenian John Boyle O’Reilly . Auf der Reise starb ein Strafling. [2]

  • Arthur Phillip , Rudolf Plischke (Bearbeitung): Australien. Die Grundung der Strafkolonie. (= Lamuv-Taschenbuch. Band 293). Lamuv , Gottingen 2001, ISBN 3-88977-593-4 .
  • Australien: von Aborigines und Traumpfaden, von Straflingen und Kolonisten, die Geschichte des Funften Kontinents (= Geo Epoche . Nr. 36). Gruner + Jahr , Hamburg 2009, ISBN 978-3-570-19889-6 . (mit DVD: ?Long Walk Home“ )
  • David Collins: Geschichte der brittischen Volkspflanzung in Neuholland oder Neusudwales vom 13ten May 1788 bis zum September 1796. 1799, (Digitalisat)
Commons : Gefangene in Australien  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b Arthur Phillip, Rudolf Plischke (Bearbeitung): Australien. Die Grundung der Strafkolonie. S. 24.
  2. a b Convicts to Australia . Abgerufen am 2. Juli 2010.
  3. a b Convicts and the British colonies in Australia ( Memento vom 1. Januar 2016 im Internet Archive ) In: Australian Government. abgerufen am 7. Marz 2015. (englisch)
  4. Arthur Phillip, Rudolf Plischke (Bearbeitung): Australien. Die Grundung der Strafkolonie. S. 28.
  5. Arthur Phillip, Rudolf Plischke (Bearbeitung): Australien. Die Grundung der Strafkolonie . Lamuv, Gottingen 2001, ISBN 3-88977-593-4 , S. 33.
  6. Albrecht Hagemann: Kleine Geschichte Australiens. C. H. Beck Verlag, Munchen 2004, ISBN 3-406-51101-5 (online in Teilen auf Google Books)
  7. Arthur Phillip, Rudolf Plischke (Bearbeitung): Australien. Die Grundung der Strafkolonie. S. 37 f.
  8. Arthur Phillip, Rudolf Plischke (Bearbeitung): Australien. Die Grundung der Strafkolonie. S. 44.
  9. Arthur Phillip, Rudolf Plischke (Bearbeitung): Australien. Die Grundung der Strafkolonie. S. 101.
  10. Arthur Phillip, Rudolf Plischke (Bearbeitung): Australien. Die Grundung der Strafkolonie. S. 63 u. 73
  11. Robert Hughes: The Fatal Shore. The epic of Australia's founding . Knopf, New York 1987, ISBN 0-394-50668-5 , S. 145.
  12. Archivierte Kopie ( Memento des Originals vom 30. August 2007 im Internet Archive )   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. @1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/www.historyaustralia.org.au Informationen auf www.historyaustralia.org.au
  13. Robert Hughes: The Fatal Shore. The epic of Australia's founding . Knopf, New York 1987, ISBN 0-394-50668-5 , S. 96?108.
  14. Liste der Straflinge ( Memento des Originals vom 9. Februar 2020 im Internet Archive )   Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. @1 @2 Vorlage:Webachiv/IABot/members.iinet.net.au
  15. a b Robert Hughes: The Fatal Shore. The epic of Australia's founding . Knopf, New York 1987, ISBN 0-394-50668-5 , S. 145.
  16. a b Robert Hughes: The Fatal Shore. The epic of Australia's founding . Knopf, New York 1987, ISBN 0-394-50668-5 , S. 96?108.
  17. The final gastronomic frontier. In: The Age . 16. Juli 2002.
  18. Robert Hughes: The Fatal Shore. The epic of Australia's founding . Knopf, New York 1987, ISBN 0-394-50668-5 , S. 103.
  19. Robert Hughes: The Fatal Shore. The epic of Australia's founding . Knopf, New York 1987, ISBN 0-394-50668-5 , S. 100?101.
  20. Robert Hughes: The Fatal Shore. The epic of Australia's founding . Knopf, New York 1987, ISBN 0-394-50668-5 , S. 108.
  21. Robert Hughes: The Fatal Shore. The epic of Australia's founding . Knopf, New York 1987, ISBN 0-394-50668-5 , S. 109?111.
  22. Arthur Phillip, Rudolf Plischke (Bearbeitung): Australien. Die Grundung der Strafkolonie. S. 176.
  23. Arthur Phillip, Rudolf Plischke (Bearbeitung): Australien. Die Grundung der Strafkolonie. S. 161 f.
  24. Arthur Phillip, Rudolf Plischke (Bearbeitung): Australien. Die Grundung der Strafkolonie. S. 167.
  25. Arthur Phillip, Rudolf Plischke (Bearbeitung): Australien. Die Grundung der Strafkolonie. S. 174 ff.
  26. Arthur Phillip, Rudolf Plischke (Bearbeitung): Australien. Die Grundung der Strafkolonie. S. 147.
  27. Arthur Phillip, Rudolf Plischke (Bearbeitung): Australien. Die Grundung der Strafkolonie. S. 82 ff.
  28. Arthur Phillip, Rudolf Plischke (Bearbeitung): Australien. Die Grundung der Strafkolonie. S. 189.
  29. siehe auch englische Wikipedia
  30. Robert Hughes: The Fatal Shore. The epic of Australia's founding . Knopf, New York 1987, ISBN 0-394-50668-5 , S. 181?183.
  31. Robert Hughes: The Fatal Shore. The epic of Australia's founding . Knopf, New York 1987, ISBN 0-394-50668-5 , S. 195.
  32. Robert Hughes: The Fatal Shore. The epic of Australia's founding . Knopf, New York 1987, ISBN 0-394-50668-5 , S. 175?180.
  33. Robert Hughes: The Fatal Shore. The epic of Australia's founding . Knopf, New York 1987, ISBN 0-394-50668-5 , S. 195.
  34. Robert Hughes: The Fatal Shore. The epic of Australia's founding . Knopf, New York 1987, ISBN 0-394-50668-5 , S. 195/196.
  35. a b Tom Lawrie: On this day: Australia's last convict ship docks ( Memento vom 25. Juni 2016 im Internet Archive ), auf australiangeographic.com.au, vom 11. Dezember 2011. Abgerufen am 25. Juni 2016.
  36. Online records highlight Australia's convict past , auf abc.net.au. Abgerufen am 6. August 2016.
  37. Arthur Phillip, Rudolf Plischke (Bearbeitung): Australien. Die Grundung der Strafkolonie. S. 188.
  38. Arthur Phillip, Rudolf Plischke (Bearbeitung): Australien. Die Grundung der Strafkolonie. S. 190.
  39. Scott & Fiona Brown: First Fleet oldest. 1. August 2000, auf archiver.rootsweb.ancestry.ocm. Abgerufen am 14. September 2016.
  40. a b Robert Hughes: The Fatal Shore. The epic of Australia's founding . Knopf, New York 1987, ISBN 0-394-50668-5 , S. 151.
  41. Robert Hughes: The Fatal Shore. The epic of Australia's founding . Knopf, New York 1987, ISBN 0-394-50668-5 , S. 147?149.
  42. Robert Hughes: The Fatal Shore. The epic of Australia's founding . Knopf, New York 1987, ISBN 0-394-50668-5 , S. 150.
  43. Robert Hughes: The Fatal Shore. The epic of Australia's founding . Knopf, New York 1987, ISBN 0-394-50668-5 , S. 155/156.
  44. Robert Hughes: The Fatal Shore. The epic of Australia's founding . Knopf, New York 1987, ISBN 0-394-50668-5 , S. 148/149.
  45. Robert Hughes: The Fatal Shore. The epic of Australia's founding . Knopf, New York 1987, ISBN 0-394-50668-5 , S. 152?155.
  46. Robert Hughes: The Fatal Shore. The epic of Australia's founding . Knopf, New York 1987, ISBN 0-394-50668-5 , S. 155.
  47. Robert Hughes: The Fatal Shore. The epic of Australia's founding . Knopf, New York 1987, ISBN 0-394-50668-5 , S. 143?144.