Eine
Staatsburgerschaft
baut auf der
Staatsangehorigkeit
auf und kennzeichnet
Rechte
und
Pflichten
einer
naturlichen Person
in dem
Staat
, dem sie angehort. In den meisten Fallen ist die Frage nach der Staatsangehorigkeit mit der Staatsburgerschaft zu beantworten, der rechtlichen Zugehorigkeit zur
Gemeinschaft
(Rechtsgemeinschaft)
von
Burgern
eines Staates, den
Staatsburgern
. Deren
Nationalitat
steht nicht zwangslaufig in unmittelbaren Bezug zu einem Staat, da Letztere als
ethnisch
-sozialer Begriff nach
Herkunft
und
Abstammung
fragt, andererseits lediglich die Staatsangehorigkeit meinen kann. So kann sich die Gemeinschaft der Burger eines Staates aus vielen unterschiedlichen Nationalitaten zusammensetzen mit nationalen Mehrheiten und
Minderheiten
.
Ein Staat regelt den Erwerb und Verlust seiner Staatsburgerschaft sowie die damit verbundenen Rechte und Pflichten in eigenen
Gesetzen
. So wird im
deutschen Rechtskreis
die Staatsburgerschaft in der Regel durch
Geburt
und in Abhangigkeit von der Staatsburgerschaft der Eltern erworben oder durch eine
Einburgerung
. Regeln, die an eine Staatsburgerschaft anknupfen, werden soweit moglich auf
juristische Personen
entsprechend angewandt.
Die Staatsburgerschaft begrundet besondere
Rechte
als Schutz- und Abwehrrechte gegen den Staat (
Reisefreiheit
,
Auslieferungsverbot
) sowie Einstandsanspruche im Verhaltnis zu Dritten (konsularischen Schutz, internationale Prozessfuhrung) und in
Demokratien
auch Teilhaberechte am Staatsleben im Sinne eines
status activus
(politische Mitgestaltung,
Souveranitatsteilhabe
). Staatsburgerliche Pflichten konnen im modernen Staatsverstandnis beispielsweise die
Wehrpflicht
, die
Wahlpflicht
oder die Pflicht sein, auch bei auslandischem
Wohnsitz
Steuern
zu zahlen.
Eine Staatsangehorigkeit kann grundsatzlich nur von einem
souveranen
Staat im Sinne des
Volkerrechts
vermittelt werden.
[1]
Die Staatsburgerschaft ist eine individuelle Auspragung des staatskonstitutiven Elements
Staatsvolk
, wonach ein Staat volkerrechtlich nur solange als solcher angesehen werden kann, als er neben
Staatsgebiet
und
Staatsgewalt
auch ein Staatsvolk hat (→
Drei-Elemente-Lehre
). Die durch die Staatsburgerschaft begrundeten Rechtsbeziehungen zwischen Staat und Burger wirken uber das
Hoheitsgebiet
hinaus und werden auch von anderen Staaten anerkannt.
Historisch betrachtet ist die Staatsangehorigkeit eine ?Institution des
Nationalstaates
“.
[1]
Gehoren die Staatsburger (ausschließlich oder uberwiegend) einer gemeinsamen Nationalitat an, so spricht man von einem (reinen) Nationalstaat; gehoren die Staatsburger (zumeist) unterschiedlichen Nationalitaten an, so spricht man von einem
Nationalitatenstaat
,
Vielvolkerstaat
, vereinzelt auch von
Plurinationalstaat
oder einem
multikulturellen Staat
.
Die Staatsburgerschaft wird in einem auf die Person ausgestellten Dokument, beispielsweise dem
Personalausweis
oder
Reisepass
,
vermutungsweise
dokumentiert. In einigen Staaten wird dabei zusatzlich auch die Nationalitat angegeben. Ein amtlicher Nachweis der Staatsburgerschaft in Deutschland kann mit dem
Staatsangehorigkeitsausweis
gefuhrt werden, der auf Antrag ausgestellt wird.
Im deutschen Sprachraum findet sich sowohl der Begriff ?Staatsangehorigkeit“ (englisch
nationality
) als auch ?Staatsburgerschaft“ (englisch
citizenship
).
In
Deutschland
, dem bevolkerungsreichsten Staat im deutschen Sprachraum, ist die Bezeichnung
deutsche Staatsangehorigkeit
gebrauchlich, weil er 1871 als einheitlicher deutscher Nationalstaat (
Deutsches Reich
) begrundet wurde, dessen Staatsburger (mit
Grundung der Bundesrepublik
1949 auch ?Bundesburger“ genannt) mehrheitlich deutscher
Nationalitat
(Herkunft) sind.
Allerdings galten im
deutschen Kaiserreich
zunachst ausschließlich die Staatsangehorigkeiten der jeweiligen
Gliedstaaten
, z. B. die von
Preußen
oder
Bayern
, fort. Reichsrechtliche Bestimmungen (wie zum Schluss das
Reichs- und Staatsangehorigkeitsgesetz
vom 22. Juli 1913) stellten spater sicher, dass die Regelung der Staatsangehorigkeit in allen Gliedstaaten nach den gleichen Prinzipien erfolgte. Bereits der Artikel 3 der
Bismarckschen Reichsverfassung
von 1871 unterwarf jeden Burger bzw. Untertan aller deutschen
Bundesstaaten
dem gemeinsamen
Indigenat
des Deutschen Reiches, das somit als Vorlaufer der einheitlichen deutschen Staatsburgerschaft gelten kann.
Erst nach dem
Neuaufbaugesetz
vom 30. Januar 1934, einer
Verfassungsanderung
der
Weimarer Verfassung
im Zuge der vom
NS-Regime
betriebenen
Gleichschaltung
, wurde schließlich eine einheitliche
deutsche Staatsangehorigkeit
eingefuhrt.
[2]
In der Folge wurde die
Souveranitat
der
Lander
des
Deutschen Reichs
aufgehoben.
Auch wahrend der
deutschen Teilung
gab es fur die
Bundesrepublik Deutschland
nur eine deutsche Staatsangehorigkeit ? womit folglich ebenso die
DDR
-Burger neben
ihrer eigenen Staatsburgerschaft
(1967?1990) politisch und juristisch inbegriffen waren (
Art. 16
und
Art. 116 Abs. 1
GG
) ?,
[3]
die seit 1913 im
Reichs- und Staatsangehorigkeitsgesetz
(RuStAG; 2000 umbenannt in StAG) definiert ist. Mit dem Untergang der DDR und der
Wiedervereinigung Deutschlands
gibt es wieder nur noch eine deutsche Staatsburgerschaft.
[4]
In
Osterreich
ist die offizielle Bezeichnung
osterreichische Staatsburgerschaft
, Burger des Staates Osterreich.
In der
Schweiz
, deren einheimische Bevolkerung aus deutsch-, franzosisch-, italienisch-, ratoromanisch- und mehrsprachigen Individuen besteht, bedeutet das
Schweizer Burgerrecht
, dass die fragliche Person Burger der Schweizerischen Eidgenossenschaft ist, wie der Staat amtlich genannt wird.
In
Liechtenstein
beruht das
Staatsburgerrecht
auf dem Prinzip des
ius sanguinis
(Abstammung).
In
Monarchien
wurden die Staatsburger fruher auch als
Untertanen
(des Monarchen) bezeichnet und die Staatsburgerschaft analog als
Untertanen(schaft)
.
Der Staatsangehorige unterliegt der
Personalhoheit des Staates
. Dabei spielt es keine Rolle, wo auf der Welt er sich gerade befindet.
[5]
Eine Burgerschaft als dauerhafte Verknupfung zwischen Staat und Person bestand bereits zur Zeit der
Polis
im antiken Griechenland. Ausdifferenziert wurde dies im Alten Rom, wo das
romische Burgerrecht
geradezu Voraussetzung fur die
Geschaftsfahigkeit
oder
Postulationsfahigkeit
war und ein in sich geschlossenes
Rechtssystem
abgrenzte,
[6]
das sich bis zum
Corpus Iuris Civilis
(das Burgerliche Recht) entwickelte, wahrend das
Ius gentium
(dt. ?Recht der
Volker
“) die Beziehungen Roms zu anderen Landern, Staaten, Volkern regelte und Vorlaufer des heutigen
internationalen Rechts
war. Romische Burger
(Romanus)
waren zur Zeit der Republik die freien Einwohner Roms, spater auch die Einwohner
Latiums
und nach dem
Bundesgenossenkrieg
die Bewohner eines großen Teils Italiens. Mit Erlass der
Constitutio Antoniniana
212 n. Chr. werden die freien Einwohner des Romischen Reiches zu Romischen Burgern.
Ließ sich ein romischer Burger in einer Stadt außerhalb Italiens nieder, so blieben er wie auch seine Nachkommen Burger Roms. Die Dauerhaftigkeit ist auch heute wieder das tragende Prinzip der Staatsburgerschaft.
Staatsburgerschaft im modernen Sinne ist erst seit der
Franzosischen Revolution
durch das Aufkommen
republikanischen
Denkens entstanden, wurde in der
Revolutionsverfassung
vom 3. September 1791 in Teil 2, § 2 geregelt
[7]
und spater in den
Code civil
ubernommen. Seitdem wurde der Staat nicht nur als
Territorialstaat
oder personelle Zuordnung zur
absolutistischen Monarchie
, sondern auch als Personenverband von Burgern verstanden. Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde daraufhin in den meisten Staaten die Staatsburgerschaft eingefuhrt, und es wurden Staatsburgerschaftsgesetze erlassen.
Die Wege, auf denen ein Mensch eine Staatsangehorigkeit erwerben bzw. ein Staat eine Staatsangehorigkeit verleihen kann, konnen nach dem Zeitpunkt des Erwerbs unterschieden werden: Erwerb bei Geburt und Erwerb im Laufe des Lebens. Letzterer erfolgt durch Einburgerung (im weiteren Sinne). Daruber hinaus kann rechtstechnisch zwischen einem Erwerb durch Gesetz (Geburt, Erklarung, Eintritt von Bedingungen usw.) und einem Erwerb durch Verwaltungsakt differenziert werden. Die Grunde fur den Erwerb einer Staatsangehorigkeit, vor allem fur die Einburgerung, sind global betrachtet sehr unterschiedlich.
[8]
Das Kind erwirbt die Staatsburgerschaft der Eltern mit der Geburt (
Realakt
), unabhangig vom Land, in dem es geboren ist. Dabei vermittelt oft jeder Elternteil gleich stark diesen Bezug. In manchen Rechtsordnungen werden Abstammungszweifel dadurch gelost, dass das Kind die Staatsburgerschaft der Mutter erwirbt. In anderen Staaten vermittelt bei miteinander verheirateten Eltern der Vater als Familienoberhaupt die Staatsburgerschaft.
Wo dieses Prinzip gilt, bekommt jeder im
Staatsgebiet
Geborene die Staatsburgerschaft. Dieses Prinzip wird neben dem Abstammungsprinzip nicht nur von sogenannten
Einwanderungslandern
angewandt. Solche Lander sehen darin zwar ein integrales Instrument ihrer Politik, die Anzahl ihrer Staatsburger zu erhohen, jedoch lasst sich umgekehrt aus der Anwendung des
ius soli
nicht der sichere Befund herleiten, es handele sich um ein Einwanderungsland, zumal es neben anderen Erwerbstatbestanden mehrheitlich praktiziert wird.
Die rechtliche Ausgestaltung kennt zahlreiche Abstufungen und Kombinationen mit weiteren Merkmalen wie legalem Aufenthalt der Eltern, Daueraufenthalt oder Generationenprinzip,
ethnischer Zugehorigkeit
, ex-kolonialem Bezug.
Beispiele:
- In
Frankreich
wird die Staatsangehorigkeit (
frz.
nationalite
) seit der Einfuhrung des
Code civil
1803 auf der Grundlage des
ius sanguinis
erworben. Seit 1889 wird zudem das
ius soli
nach dem so genannten ?doppelten ius soli“
(double droit du sol)
praktiziert, wonach ein Elternteil bereits im Land geboren sein muss. Der Erwerbstatbestand greift also bei der dritten Generation.
[9]
- Deutschland
verwendete das Geburtsortsprinzip bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Seit der Einfuhrung der ersten Staatsangehorigkeitsgesetze (Preußen: 1842) wurde das Abstammungsprinzip als herrschender Erwerbstatbestand eingefuhrt. Seit dem
Reichs- und Staatsangehorigkeitsgesetz
1913 galt im Deutschen Reich ein reines
ius sanguinis
. Mit der
Staatsangehorigkeitreform 2000
wurde mit dem sogenannten
Optionsmodell
ein erganzendes
ius soli
fur die zweite Einwanderergeneration eingefuhrt.
[9]
Die Einburgerung ist Erwerb der Staatsburgerschaft durch einen Exekutivakt. Dieses Verfahren verbindet seitens des Burgers den Faktor Freiwilligkeit, also den Wunsch, Staatsburger zu sein (Konfirmationselement), und seitens des Staates die Moglichkeit, nach selbst definierten Merkmalen weitere Staatsburger auszuwahlen (Kontrollelement). Wie intensiv dieses Instrument von einem Land genutzt wird (gegebenenfalls im Kontext einer gezielten
Bevolkerungspolitik
, viele neue oder gezielt bestimmte Einwohner und Staatsburger anzuwerben), kann eventuell Teil seiner Selbstdefinition als
Einwanderungsland
sein. Ein Nachweis fur die kausale Lenkungswirkung einer bestimmten Naturalisations- oder Staatsburgerschaftsgesetzgebung ist jedoch nicht beigebracht worden.
Viele Rechtsordnungen setzen daruber hinaus die Naturalisation als Instrument großzugig ein, um auf komplexe und detaillierte gesetzliche Automatismen auf der Basis der
ius soli
- und
ius sanguinis
-Grundsatze zu verzichten und eine gewisse Flexibilitat zu wahren. Dies ist haufige Praxis bei Landern mit ethnischer Zersprenkelung, um geografisch und/oder historisch weit reichenden Verbindungen gerecht zu werden. Gleiches gilt bei
Sezessionen
und Zusammenschlussen von Landern oder Landesteilen.
Im Selbstverstandnis demokratischer Staaten hangen Staatsangehorigkeit,
Wahlrecht
und
Steuerpflicht
zusammen, so dass einerseits ein
Auslanderstimm- und -wahlrecht
auf nationaler Ebene in vielen Staaten verneint wird,
[10]
[11]
andererseits der Staat nur diejenigen an der Finanzierung des Gemeinwesens redlicherweise beteiligen darf, denen auch der Zugang zur Staatsburgerschaft offensteht. Das Beispiel der
Einburgerungen in der Schweiz
zeigt zudem Konflikte zwischen der
Demokratie
und dem
Rechtsstaat
auf.
Als
Citizenship by investment
oder
Goldener Pass
wird der Erwerb einer Staatsangehorigkeit gegen eine vorab festgelegte Zahlung bezeichnet, ohne dass bei der Einburgerung ein echter Bezug zu dem einburgernden Land besteht, z. B. durch einen vorherigen langfristigen Aufenthalt. In vielen Fallen wird dabei eine doppelte Staatsburgerschaft hingenommen. Wie das
Goldene Visum
dient auch die Einburgerung gegen vorherige Zahlung vor allem zur Umgehung der steuerlichen Meldepflichten nach dem
Common Reporting Standard
(CRS) der
Organisation fur wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
(OECD) und zur Reduzierung der personlichen Steuerlast durch
Steuerflucht
.
[12]
[13]
Die
Europaische Kommission
hat
Malta
aufgrund seiner Staatsburgerschaftsregelung fur Investoren im Marz 2023 vor dem
Gerichtshof der Europaischen Union
(EuGH) verklagt.
[14]
Die maltesische Staatsburgerschaft ? und damit auch die
EU-Staatsburgerschaft
? war systematisch im Austausch fur im Voraus festgelegte Zahlungen und Investitionen gewahrt worden, ohne dass ein wirklicher Bezug zu Malta bestand.
[15]
[16]
Auch in Landern außerhalb der EU gibt es den sog. Passhandel.
[17]
Dazu zahlen beispielsweise:
Eine Staatsburgerschaft kann auch im
offentlichen Interesse
verliehen werden. Die Verleihung einer Ehrenstaatsburgerschaft setzt nicht die Erfullung samtlicher gesetzlicher Kriterien fur eine Einburgerung voraus, sondern wird unter erleichterten Bedingungen an Personen verliehen, deren Einburgerung im besonderen staatlichen Interesse ist.
Ein Beispiel ist § 10 Abs. 6 des osterreichischen Staatsburgerschaftsgesetzes von 1985, wonach bestimmte Voraussetzungen fur die Verleihung der
osterreichischen Staatsburgerschaft
entfallen, ?wenn die Bundesregierung bestatigt, daß die Verleihung der Staatsburgerschaft wegen der vom Fremden bereits erbrachten und von ihm noch zu erwartenden außerordentlichen Leistungen im besonderen Interesse der Republik liegt.“ Dabei kommen insbesondere wissenschaftliche, wirtschaftliche, sportliche oder kunstlerische Leistungen in Betracht.
[18]
Mit der Anerkennung als
Gerechter unter den Volkern
kann die Gedenkstatte
Yad Vashem
den Geehrten ?als Zeichen der Anerkennung fur ihre Taten die Ehrenburgerschaft ? und, wenn sie verstorben sind, die israelische Staatsangehorigkeit im Gedenken ? verleihen.“
[19]
§ 8
Abs. 2 StAG ermoglicht in eng zu fassenden Ausnahmefallen, aus Grunden des offentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Harte von einzelnen Einburgerungsvoraussetzungen abzusehen. Eine
ermessenslenkende
Verwaltungsvorschrift
legt fest, unter welchen Voraussetzungen ein offentliches Interesse an der Verleihung der
deutschen Staatsangehorigkeit
anzunehmen ist.
[20]
Personliche Wunsche und wirtschaftliche Interessen des Einburgerungsbewerbers sind dabei nicht entscheidend. Belange der Entwicklungspolitik stehen einer Einburgerung nicht entgegen.
[20]
Die Rechtsprechung sieht ein offentliches Interesse im Sinne des § 8 Abs. 2 StAG nur gegeben, ?wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein sich vom Durchschnittsfall eines Einburgerungsbegehrens abhebendes spezifisch staatliches Interesse an der Einburgerung besteht, das es ausnahmsweise rechtfertigen konne, den Auslander trotz fehlender Unterhaltsfahigkeit - insoweit gegebenenfalls auch im Falle eines Vertretenmussens - einzuburgern. Nur bei Bestehen eines solchen durch staatliche Belange vorgegebenen offentlichen Interesses verlangt die Vorschrift der Einburgerungsbehorde die Betatigung ihres Einburgerungsermessens ab.“
[21]
Danach ist etwa im Interesse des Familienzusammenhalts und der Vermeidung von Rechtsunsicherheit sowie unterschiedlicher Loyalitatsanforderungen anzustreben, dass alle Familienangehorigen uber den gleichen staatsburgerlichen Status verfugen und gleichermaßen den Schutz des Staates genießen.
[22]
Ein besonderes offentliches Interesse an der Einburgerung kann auch vorliegen, wenn die Einburgerungsbewerberin oder der Einburgerungsbewerber durch die Einburgerung fur eine Tatigkeit im deutschen Interesse, insbesondere im Bereich der Wissenschaft, Forschung, Wirtschaft, Kunst, Kultur, Medien, des Sports
[23]
oder des offentlichen Dienstes gewonnen oder erhalten werden soll.
[24]
[25]
[26]
Wenn ein herausragendes offentliches Interesse an der Einburgerung ? also ein Erwunschtsein der Einburgerung des Einburgerungsbewerbers aufgrund allgemeiner politischer, wirtschaftlicher oder kultureller Gesichtspunkte
[27]
besteht, wird auch Mehrstaatigkeit hingenommen.
[28]
In Deutschland konnen Stadte und Gemeinden aufgrund der
Gemeindeordnungen
der einzelnen Bundeslander wegen besonderer Verdienste um die ortliche Gemeinschaft eine
Ehrenburgerschaft
verleihen, welche die Staatsangehorigkeit aber unberuhrt lasst.
[29]
Eine Person kann durch Erklarung gegenuber den Behorden eines Landes die Staatsburgerschaft erwerben, sofern das nationale Recht dies vorsieht. Dies ist meist an einige wenige Voraussetzungen und Merkmale geknupft und ist eine minimalistische Form der Einburgerung.
Ab 1. September 2020 konnen auch Kinder von Opfern des NS-Regimes die osterreichische Staatsburgerschaft per ?Anzeige“ anfordern.
[30]
Mehrstaatigkeit (auch
multiple
oder
Mehrfachstaatsburgerschaft
genannt) bezeichnet den Fall, dass eine Person mehr als eine Staatsburgerschaft besitzt.
Doppelstaater
, auch ?Doppelstaatler“ (v. a. Deutschland) bzw. ?Doppelstaatsburger“ (v. a. Osterreich) bzw. ?Doppelburger“ (v. a. Schweiz) sind dafur gebrauchliche Bezeichnungen.
Zu den grundlegenden staatsangehorigkeitsrechtlichen Prinzipien gehort jedoch die Vermeidung von Mehrstaatigkeit. Dieses Prinzip wird aber vielfach durchbrochen.
[31]
[32]
Mehrstaatigkeit kann deshalb entweder originar durch den gleichzeitigen und automatischen Erwerb von zwei oder mehr Staatsburgerschaften bei Geburt entstehen oder derivativ durch den Erwerb einer weiteren Staatsburgerschaft auf Antrag zuerkannt werden (sogenannte
Einburgerung
oder
Naturalisation
). Die Mehrstaatigkeit bei Geburt entsteht entweder durch das Zusammenwirken der Staatsburgerschaftsregime mehrerer Staaten mit unterschiedlichen Erwerbstatbestanden ? vgl. auch
Abstammungsprinzip
(
lat.
ius sanguinis
) (z. B. Deutschland, Schweiz) und Geburtsortsprinzip (lat.
ius soli
) (z. B. Frankreich, USA) ? oder bei Kindern bi- oder multinationaler Eltern, die gleichberechtigt alle ihre Staatsburgerschaften auf das Kind vererben (vgl. auch
internationaler Kontext der Rechtslage in Deutschland
). In bestimmten Fallen kann ein Kind auch erst nach der Geburt durch
Adoption
automatisch Doppelstaater werden, sofern die ursprungliche Staatsburgerschaft durch die Annahme nicht verloren geht (etwa im Fall der Adoption eines auslandischen Stiefkindes).
In
Australien
durfen nach Kapitel 44 der
Verfassung von 1900
Parlamentarier
keine zweite Staatsburgerschaft neben der australischen besitzen, was 2017 zu mehreren Rucktritten gefuhrt hat, aber auch zu Kritik an der Rechtsbestimmung.
[33]
Mehrere Staatsangehorigkeiten zu haben, bedeutet zwar mehr Moglichkeiten fur den Aufenthalt, die Studienforderung, die Berufstatigkeit und die Teilhabe in den betreffenden Staaten, kann aber auch Nachteile, etwa bezuglich Wehrpflicht und Besteuerung oder bei der Einreise in Drittstaaten, mit sich bringen. So sind Doppelstaater, die auch die Staatsangehorigkeit von Iran,
Irak
,
Syrien
oder
Sudan
besitzen, vom
Visa-Waiver-Programm
der
USA
ausgeschlossen.
[34]
Im
internationalen Privatrecht
(IPR) ist fur viele Rechtsfragen die Staatsburgerschaft der am
Rechtsverkehr
beteiligten Personen ausschlaggebender Anknupfungspunkt fur das anzuwendende Recht. Bei Personen, die mehr als eine Staatsburgerschaft haben, gilt das Prinzip der
effektiven Staatsburgerschaft
.
Gehort eine Person mehreren Staaten an, so ist in Deutschland das Recht desjenigen dieser Staaten anzuwenden, mit dem die Person am engsten verbunden ist (effektive Staatsburgerschaft nach Art. 5 Abs. 1 S. 1
EGBGB
). Indizien fur eine solche Verbindung sind der gewohnliche Aufenthalt oder der Verlauf ihres Lebens. Ist die Person auch Deutscher, so geht diese Rechtsstellung vor.
In der politischen Diskussion ist meist von
doppelter Staatsangehorigkeit
,
[35]
doppelter Staatsburgerschaft
oder einem
Doppelpass
[36]
die Rede. Personen, die zwei Staatsburgerschaften erworben haben, werden als
Doppelstaater
,
Doppelstaatler
(
umgangssprachlich
) oder
Doppelstaatsburger
bezeichnet.
Deutschland erlaubt eine doppelte Staatsburgerschaft innerhalb der EU (seit 1999
[37]
[38]
) und der Schweiz, fur alle anderen Lander mussen besondere Voraussetzungen vorliegen und es muss teils eine Genehmigung eingeholt werden.
Zum 1. Januar 2000 fiel die
Inlandsklausel
weg, der zufolge bis zu diesem Zeitpunkt ein Deutscher, der durch auslandische Einburgerung eine andere Staatsangehorigkeit erwarb, die deutsche Staatsangehorigkeit nicht verlor, sofern er seinen Wohnsitz im Inland hatte. Im Jahr 2000 wurde das bisherige Staatsangehorigkeitsgesetz von 1913 zudem auf Initiative der
rot-grunen Bundesregierung
um das
Geburtsortsprinzip
erganzt: Wenn ein Elternteil seit mindestens acht Jahren in Deutschland lebt und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht hat, erwirbt das Kind bei der Geburt die deutsche Staatsangehorigkeit. Auch eine Einburgerung ist nun bereits nach acht statt bisher 15 Jahren moglich. Ursprunglich sah das Gesetz vor, dass die Kinder sich spatestens im Alter von 23 Jahren fur eine Staatsburgerschaft entscheiden mussten. Diese Regelung wurde 2014 gestrichen, so dass nun beide Staatsangehorigkeiten behalten werden konnen.
[39]
Im Zuge der
Erdo?an-Kundgebungen im Sommer 2016
wurde in den Medien mehrfach uber die Regelungen fur
turkischstammige Deutsche
berichtet.
[40]
[41]
[42]
Im Januar 2024 beschloss der Bundestag das Gesetz zur Modernisierung des Staatsangehorigkeitsrechts,
[43]
welches unter anderem Deutschlands bisher ablehnende Position zu mehrfachen Staatsburgerschaften reformiert. Ab Inkrafttreten des Gesetzes am 27. Juni 2024 wird das deutsche Recht doppelte und mehrfache Staatsburgerschaften generell immer zulassen.
[44]
Deutsche Staatsburger werden dann auch keine
Beibehaltungsgenehmigung
nach § 25
StAG
mehr benotigen, wenn sie eine weitere Staatsangehorigkeit annehmen mochten.
[45]
Die rechtliche Lage bei mehrfachen Staatsburgerschaften ist in Osterreich u. a. im Staatsburgerschaftsgesetz 1985 (StbG) geregelt (§§ 10 Abs. 6
[46]
, 28
[47]
). Grundsatzlich lasst die
Republik Osterreich
keine mehrfachen Staatsburgerschaften zu, jedoch gibt es Sonderfalle.
[48]
Wer freiwillig eine fremde Staatsburgerschaft erwirbt, verliert dadurch grundsatzlich die osterreichische Staatsburgerschaft. Um die osterreichische Staatsburgerschaft nicht zu verlieren, muss die Bewilligung der Beibehaltung vor dem Erwerb der fremden Staatsangehorigkeit schriftlich beantragt und mit schriftlichem Bescheid beim jeweiligen Amt der
Landesregierung
bewilligt werden.
[48]
Die osterreichische Staatsburgerschaft darf behalten werden, wenn eine der folgenden Situationen aufliegt:
- die Beibehaltung liegt im Sinne der Republik Osterreich;
- der Antragsteller/die Antragstellerin hat einen ?besonders berucksichtigungswurdigen“ Grund im Privat- und Familienleben und hat die osterreichische Staatsburgerschaft mit der Geburt erworben;
- die Beibehaltung entspricht dem Kindeswohl (bei
Minderjahrigen
).
Wenn die osterreichische Staatsburgerschaft beantragt wird, muss der Antragstellende binnen zweier Jahre seine fruhere Staatsburgerschaft zurucklegen.
[48]
Danach konnte die Person jedoch illegal wieder ihre ?alte“ Staatsburgerschaft in ihrem Heimatland beantragen. Die osterreichische Staatsburgerschaft verliert dann rein gesetzlich ihre Wirkung, aber de facto nur, wenn die Republik Osterreich davon erfahrt.
[49]
Die
Schweiz
erlaubt seit dem 1. Januar 1992 die mehrfache Staatsangehorigkeit gemaß Schweizer Recht ohne Einschrankungen. Die Bezeichnung
Doppelburger
ist dafur vor allem in der Schweiz gebrauchlich.
Auslandschweizer
, die eine andere Staatsburgerschaft erworben haben, mussen dies der Schweizer Vertretung mitteilen, bei der sie gemeldet sind.
Fur die jeweils andere Staatsburgerschaft gelten die Regeln des anderen betroffenen Staates. Auslandische Staatsangehorige konnen ihre ursprungliche Staatsburgerschaft verlieren, wenn das Recht des Herkunftslandes dies vorsieht. Bezuglich der doppelten Staatsburgerschaft Schweiz-Deutschland gilt: Der Verlust der deutschen Staatsangehorigkeit tritt nicht ein, wenn ein Deutscher die Staatsangehorigkeit eines anderen Mitgliedstaates der Europaischen Union, der Schweiz oder eines Staats erwirbt, mit dem die Bundesrepublik Deutschland einen
volkerrechtlichen Vertrag
nach § 12 Absatz 3 des deutschen Staatsangehorigkeitsgesetzes (StAG) abgeschlossen hat.
[50]
[51]
Diese Entscheidung ist nicht unumstritten: Auslandschweizer konnen in Wahlen uber politische Belange teilnehmen, von denen sie gar nicht betroffen sind, was ?demokratietheoretisch“ problematisch sein kann. Bei Doppelburgern in der Schweiz konnen Loyalitatskonflikte auftreten, wenn beide Nationen sich in politischen Fragen unterschiedlich positionieren.
[52]
[53]
[54]
Beim Erwerb der Staatsburgerschaft
Liechtensteins
verlangt man von allen Antragstellern den Verzicht auf ihre bisherige Staatsangehorigkeit. Demgegenuber durfen liechtensteinische Staatsangehorige ohne Einschrankungen weitere Staatsangehorigkeiten erwerben.
[55]
Eine Gesetzesanderung, die es den Staatsangehorigen eines EWR-Mitgliedstaates und der Schweiz erlaubt hatte, bei einer Einburgerung ihre bisherige Staatsangehorigkeit beizubehalten, wurde von den liechtensteinischen Stimmberechtigten in der Volksabstimmung vom 30. August 2020 mit 61,5 % Nein-Stimmen abgelehnt.
[56]
In
Danemark
trat zum 1. September 2015 eine Anderung des
lov om dansk indfødsret
in Kraft, die die mehrfache Staatsburgerschaft ermoglicht.
[57]
Wer dauerhaft im
Ausland
lebt, kann grundsatzlich die dortige lokale Staatsburgerschaft (z. B. australische Staatsburgerschaft) annehmen. Ob dann der Verlust der bisherigen Staatsangehorigkeit eintritt, hangt von den gesetzlichen Rahmenbedingungen ab.
- Deutschland
: Die Beibehaltung der deutschen Staatsangehorigkeit ist nur moglich, wenn der Deutsche vor der Einburgerung eine
Beibehaltungsgenehmigung
erhalten hat. Dies setzt einen Antrag bei der zustandigen Behorde voraus.
[58]
Davon ausgenommen sind Deutsche, die die Staatsangehorigkeit eines anderen
EU-Mitgliedstaates
oder der
Schweiz
annehmen,
[59]
sofern dies nach dem 28. August 2007 erfolgt ist.
[60]
Mit Inkrafttreten des
Gesetzes zur Modernisierung des Staatsangehorigkeitsrechts
im Juni 2024 wird die gesetzliche Anforderung entfallen, eine Beibehaltungsgenehmigung beantragen zu mussen. Die generelle Mehrstaatigkeit wird somit auch fur deutsche Staatsburger erlaubt.
[61]
Wenn ein Auslander, der in Deutschland einen Einburgerungsantrag gestellt hat, aufgrund der Rechtslage im Herkunftsstaat durch die Einburgerung seine bisherige Staatsangehorigkeit nicht automatisch verliert, erteilt die Einburgerungsbehorde zunachst nur eine Einburgerungszusicherung. Der Auslander muss dann die Entlassung aus seiner bisherigen Staatsburgerschaft veranlassen. Eine Mehrstaatigkeit ist nur zulassig, wenn der Auslander seine bisherige Staatsangehorigkeit nicht oder nur unter besonders schwierigen Bedingungen aufgeben kann. EU-Auslander sind unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit einzuburgern, sofern die ubrigen Voraussetzungen fur eine Einburgerung gegeben sind.
[62]
- Osterreich
: Osterreicher verlieren im Allgemeinen die osterreichische Staatsburgerschaft, wenn sie eine andere Staatsburgerschaft annehmen. Jedoch kann auch hier eine Beibehaltungsgenehmigung erteilt werden, wenn dies im Interesse der Republik Osterreich liegt oder in ihrem Privat- und Familienleben ?berucksichtigungswurdige Grunde“ vorliegen.
[63]
- Schweiz
: Das Burgerrecht der Schweiz ist von der Annahme einer anderen Staatsangehorigkeit nicht betroffen.
- Luxemburg
: Seit 2008 erlaubt Luxemburg die mehrfache Staatsangehorigkeit. Auch der Erwerb einer anderen Staatsangehorigkeit bei Beibehaltung der bestehenden ist erlaubt.
[64]
- Belgien
: Seit dem 28. April 2008 erlaubt Belgien die Annahme anderer Staatsangehorigkeiten ohne Verlust der belgischen.
[65]
- Liechtenstein
: Das Furstentum Liechtenstein erlaubt seinen Staatsangehorigen den Erwerb weiterer Staatsangehorigkeiten. Wer sich in Liechtenstein einburgern lassen will, muss hingegen auf seine bisherige Staatsangehorigkeit verzichten.
[64]
- Finnland
: Die finnische Staatsburgerschaft wird seit 1. Juni 2003 bei einem Erwerb einer anderen Staatsangehorigkeit nicht aberkannt. Auch der Erwerb der finnischen Staatsangehorigkeit bei Beibehaltung der bestehenden ist moglich. Finnische Staatsburger, die eine weitere Staatsangehorigkeit haben, im Ausland geboren wurden und bis zum 22. Lebensjahr nicht mindestens sieben Jahre in einem nordischen Land gelebt haben oder anderweitig eine Anbindung an Finnland haben, konnen ihre finnische Staatsangehorigkeit an ihrem 22. Geburtstag verlieren.
[66]
[67]
- Schweden
: Die schwedische Staatsburgerschaft wird seit 2001 bei einem Erwerb einer anderen Staatsangehorigkeit nicht aberkannt. Auch der Erwerb der schwedischen Staatsangehorigkeit bei Beibehaltung der bestehenden ist moglich. Schwedische Staatsburger, die eine weitere Staatsangehorigkeit haben, im Ausland geboren wurden und nie in Schweden gelebt oder anderweitig eine Verbundenheit zu dem Land haben, verlieren ihre schwedische Staatsangehorigkeit. Dies schließt auch deren Kinder mit ein, sofern diese nicht durch den anderen Elternteil Anspruch auf die schwedische Staatsangehorigkeit haben.
[68]
- Danemark
: Die danische Staatsburgerschaft wird seit 2015 beim Erwerb einer anderen Staatsangehorigkeit nicht aberkannt. Auch der
Erwerb der danischen Staatsangehorigkeit
bei Beibehaltung der bestehenden Staatsburgerschaft ist moglich.
[69]
Ein spezieller Fall sind von
Israel
registrierte
Palastinenser
(mit
Identitatsausweis
), die eine andere Staatsburgerschaft annehmen. Sie besitzen in der Regel einen
palastinensischen Reisepass
, gelten aber als staatenlos ? daher muss die palastinensische Staatsangehorigkeit vorher nicht abgelegt werden. Nachdem Israel solche Personen auch weiterhin als Palastinenser behandelt, ist ihnen auch weiterhin nur die Einreise mit einem palastinensischen Pass moglich. Sie sind daher gezwungen, zwei Passe zu fuhren, wenn sie in ihre alte Heimat reisen wollen.
[70]
Nach dem
Brexit
-Votum vom 23. Juni 2016 stellten zahlreiche Briten einen Antrag auf die
irische Staatsangehorigkeit
.
[71]
Interesse an einer doppelten Staatsburgerschaft zeigten auch im EU-Ausland lebende Briten sowie in Großbritannien lebende EU-Burger.
[72]
[73]
Der Verlust der Staatsburgerschaft kann wie der Erwerb durch gesetzlichen Automatismus
(de lege)
oder per
Verwaltungsakt
erfolgen, in liberalen Staatsordnungen auch durch einseitiges Handeln des Staatsburgers. Es gibt auch Staaten, die den Verlust ihrer Staatsburgerschaft gar nicht (z. B.
Iran
) oder nur in sehr begrenzten Ausnahmefallen zulassen.
Qua Gesetz erfolgt der Verlust in vielen Staaten, wenn ein Burger freiwillig eine andere Staatsburgerschaft erwirbt oder in fremde
Streitkrafte
eintritt. Auch wenn ein Kind von
Auslandern
adoptiert wird und seine verwandtschaftlichen Bindungen im Heimatland verliert, geht nach den Rechtsordnungen vieler Staaten seine ursprungliche Staatsburgerschaft verloren. Bis vor einiger Zeit war es vielfach ublich, dass auch eine Frau, die einen auslandischen Mann heiratete, ihre Staatsburgerschaft automatisch verlor (und meist ebenfalls automatisch die des Ehemannes annahm). Dies ist nach den weltweiten Bestrebungen zur Gleichstellung von Mann und Frau heute nur noch in wenigen Landern der Fall. In Deutschland wurde es 2000 formal abgeschafft, galt aber bereits ab 1953 als grundgesetzwidrig.
[74]
In manchen Staaten kann ein Staatsburger auf seine Staatsburgerschaft verzichten oder ihre Aufgabe erklaren. Meist ist dies nur in bestimmten Situationen zulassig, und es gelten hierfur enge Voraussetzungen, insbesondere um
Staatenlosigkeit
zu vermeiden. Oft ist ein solcher Verzicht auch an weitere Voraussetzungen oder Vorleistungen gebunden: Ableistung von
Wehrdienst
, Ruckerstattung von Ausbildungskosten, Begleichen von Steuerschulden.
Die Befreiung oder Entlassung aus der Staatsburgerschaft beziehungsweise die Genehmigung des Verzichts sind in der Regel als Verwaltungsakte ausgestaltet, um eine administrative Kontrolle sicherzustellen und das Vorliegen der Voraussetzungen effektiv kontrollieren zu konnen. Totalitare Regime bedienen sich der
Ausburgerung
(erzwungene Aberkennung der Staatsburgerschaft) auch als Druckmittel, um politisch unliebsame Staatsburger zu entrechten oder sich ihrer zu entledigen.
Sonderfalle ergeben sich bei Gebietsanderungen nach kriegerischen Auseinandersetzungen oder im Fall des Zusammenbruchs bzw. der
Auflosung eines Staates
(etwa eines
Vielvolkerstaates
). Normalerweise wird hier automatisch die Staatsburgerschaft eines
Nachfolgestaates
angenommen, oder es wird an bestimmte Kriterien wie die Volkszugehorigkeit, den Wohnort, den Dienst in einer Armee usw. angeknupft. Manchmal sind entsprechende Regelungen auch bereits vorher festgelegt. Dass durch den Wegfall eines Staates ehemalige Staatsburger staatenlos werden, ist die Ausnahme.
[75]
Siehe auch: Verlust der
deutschen
, der
osterreichischen
oder der
Schweizer
Staatsangehorigkeit
Staatenlos sind Personen, die keine Staatsburgerschaft eines Staates besitzen. Staatenlosigkeit soll nach Volkerrecht vermieden werden, da Staatenlose bezug- und schutzlos sind. Daher ist jeder Staat volkerrechtlich verpflichtet, in seinem Hoheitsgebiet befindliche Staatenlose nicht in einen anderen Staat
auszuweisen
, vielmehr muss er ihnen Schutz gewahren.
Internationale Regelungen der Staatenlosigkeit sind:
Nicht zu verwechseln mit der Staatenlosigkeit ist der Status der ungeklarten Staatsburgerschaft. Dieser wird in der Bundesrepublik Deutschland dadurch erlangt, dass die Herkunft der betreffenden Person unbekannt ist (aufgrund des geringen
Lebensalters
des Betreffenden) und dadurch ihre Staatsburgerschaft nicht abschließend geklart werden kann. Die Rechtslage in vielen europaischen Staaten lasst es nicht zu, dass eine Person mit ungeklarter Staatsburgerschaft eingeburgert wird, da davon ausgegangen wird, dass eine Staatsburgerschaft bereits besteht.
Seit der Auflosung
[76]
des
Ubereinkommens des
Europarats
uber die Verringerung der Mehrstaatigkeit und uber die Wehrpflicht von
Mehrstaatern
vom 6. Mai 1963 hat die Mehrstaatigkeit als Rechtsproblem an Bedeutung verloren. Dies ging mit der Entwicklung der Unionsburgerschaft parallel einher.
Ahnlich einer Staatsburgerschaft entwickelt die
Europaische Union
fur die Burger der
Mitgliedstaaten
die Unionsburgerschaft als Komponente des Einigungs- und Integrationsprozesses. Diese ist gegenwartig keine Staatsburgerschaft im Sinne des
Volkerrechts
. Dies liegt vor allem daran, dass die EU ein
Staatenverbund
ist, der auf politische, rechtliche und wirtschaftliche Harmonisierung nach innen gerichtet ist.
Die Unionsburgerschaft ist in
Art. 20
ff.
AEUV
geregelt und erganzt die nationale Staatsburgerschaft um eine europarechtliche Dimension. Sie betrifft vor allem
Neben dem
Territorialitatsprinzip
, demzufolge Staaten
Hoheitsgewalt
uber ihr Staatsgebiet ausuben, ist im
Volkerrecht
das
Personalitatsprinzip
anerkannt, das die Ausubung von Hoheitsgewalt uber eigene Staatsangehorige erlaubt. Außerdem sind die Heimatstaaten berechtigt, Rechtspositionen ihrer eigenen Staatsangehorigen im Wege des diplomatischen Schutzes gegenuber anderen Staaten geltend zu machen.
[77]
Voraussetzung fur die Wahrnehmung dieses Rechts ist aber nach der Entscheidung des
Internationalen Gerichtshofs
(IGH) vom 6. April 1955, dass eine hinreichend enge Verbindung (
genuine connection
) zwischen dem Heimatstaat und seinem Staatsangehorigen besteht.
[78]
[77]
Eine solche Nahebeziehung begrundet etwa das
Abstammungsprinzip
,
[79]
aber auch der Geburtsort, Heirat, Wohnsitz und Aufenthalt im Inland oder Sprachkenntnisse.
[80]
Die Verleihung seiner eigenen Staatsangehorigkeit ist grundsatzlich eine autonome Entscheidung jedes einzelnen Staates und erfolgt nach innerstaatlichem Recht.
[81]
[82]
So statuiert z. B. Art. 3 des
Europaischen Ubereinkommens uber die Staatsangehorigkeit
(EuStAU): ?Jeder Staat bestimmt nach seinem eigenen Recht, wer seine Staatsangehorigen sind. Dieses Recht ist von den anderen Staaten anzuerkennen, soweit es mit anwendbaren internationalen Ubereinkommen, dem Volkergewohnheitsrecht und den mit Bezug auf die Staatsangehorigkeit allgemein anerkannten Rechtsgrundsatzen in Einklang steht.“
[83]
Fur die
Europaische Menschenrechtskonvention
(EMRK) hat der
Europaische Gerichtshof fur Menschenrechte
(EGMR) jedoch entschieden, dass die Konvention zwar keinen Anspruch auf den Erwerb einer bestimmten Staatsangehorigkeit beinhalte. Das willkurliche Vorenthalten konne wegen des Einflusses der Staatsangehorigkeit auf die Personlichkeitsentwicklung und die sozialen Beziehungen einer Person zu ihrer Umwelt aber u. U. einen Verstoß gegen das
Recht auf Achtung des Privatlebens
begrunden.
[84]
[85]
Art. 15 der
Allgemeinen Erklarung der Menschenrechte
setzt der
Ausburgerung
menschenrechtliche Grenzen. Danach hat jeder das Recht auf eine Staatsangehorigkeit. Niemandem darf seine Staatsangehorigkeit willkurlich entzogen noch das Recht versagt werden, seine Staatsangehorigkeit zu wechseln. ?Willkurlich“ bedeutet, nicht auf vernunftigen, sondern sachfremden Grunden beruhend und im konkreten Fall unverhaltnismaßig.
[86]
[87]
Art. 5 d) des
Ubereinkommens zur Beseitigung jeder Form der Rassendiskriminierung
vom 7. Marz 1966 sowie Art. 9 des
Ubereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit
vom 30. August 1961 enthalten ein generelles Verbot des Entzugs der Staatsangehorigkeit aus rassischen, ethnischen, religiosen und politischen Grunden. Ahnliche Regelungen auf europaischer Ebene ergeben sich aus Art. 4 und Art. 5 des EuStAU.
[80]
Wie beim Erwerb einer Staatsangehorigkeit muss auch zwischen dem Verlustgrund und der Funktion der Staatsangehorigkeit als konstituierendem Merkmal des Staatsvolkes ein Sachzusammenhang bestehen.
[80]
Als zulassige Anknupfungspunkte fur den Verlust der Staatsburgerschaft ist volkergewohnheitsrechtlich die (freiwillige) Abwendung vom Heimatstaat anerkannt, etwa durch
- einen Antrag auf Entlassung oder Verzichtserklarung
- den Erwerb einer fremden Staatsangehorigkeit
- den Eintritt in fremden Staats- oder Wehrdienst
- die Eheschließung einer Frau mit einem Auslander
- die Nichtregistrierung bei langerem Auslandsaufenthalt.
[80]
Nach Art. 7 d) EuStAU darf ein Vertragsstaat in seinem innerstaatlichen Recht den Verlust der Staatsangehorigkeit außerdem vorsehen fur ein ?Verhalten, das den wesentlichen Interessen des Vertragsstaats in schwerwiegender Weise abtraglich ist“. Die Formulierung des ?abtragliche Verhaltens“ in Art. 7 d) EuStAU ist dem Art. 8 Abs. 3 a) des Ubereinkommens zur Verminderung der Staatenlosigkeit entlehnt, dort jedoch nicht als Verlust-, sondern als Entziehungstatbestand konzipiert, der nach dem Willen des Ubereinkommens moglichst restriktiv praktiziert werden soll. Um eine Ausburgerung aufgrund ?abtraglichen Verhaltens“ vornehmen zu durfen, mussen die Vertragsstaaten bei der Ratifikation des Vertrages eine entsprechende Erklarung gem. Art. 8 Nr. 3 abgeben haben.
[88]
Uberdies ermoglicht das Ubereinkommen zur Verringerung der Staatenlosigkeit die Ausburgerung aufgrund ?abtraglichen Fehlverhaltens“ nur unter der Maßgabe einer nationalen gesetzlichen Regelung, die dem Betreffenden das Recht auf gerichtlichen Rechtsschutz einraumt.
[80]
Siehe
Kategorie:Staatsburgerschaft
.
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- Walter Fr. Schleser
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ISBN 3-8019-5603-2
(im Anhang 5 ?Das auslandische Staatsangehorigkeitsrecht“, S. 359?368:
Ubersicht uber geltende Staatsangehorigkeitsgesetze des Auslandes und uber bestimmte Fragen des auslandischen Staatsangehorigkeitsrechts
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Fremdenrecht fur Studium und Praxis. Grundrecht, Fremdenpolizeigesetz, Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, Staatsburgerschaftsgesetz; samt Fremdenrechtsnovelle 2011.
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in der Google-Buchsuche).
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Ingo von Munch,
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eingeschrankte Online-Version
in der Google-Buchsuche).
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- ↑
vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Juli 1985 - 1 B 78.85 -, NJW 1985, 2908; Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehorigkeitsrecht, 5. Aufl. § 10, Rn. 70 f.; § 8, Rn. 98 ff.
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vgl. VG Stuttgart, Beschluss vom 2. Juli 2013 - 11 K 1279/13
- ↑
8.1.2.6.3.6 der vorlaufigen Anwendungshinweise des Bundesinnenministeriums zum StAG vom 1. Juni 2015.
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Einburgern und Ausschließen: die Nationalisierung der Staatsangehorigkeit vom Deutschen Bund bis zur Bundesrepublik Deutschland.
Gottingen, 2001.
Digitalisat.
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vgl. auch Sukru Uslucan:
Zur Weiterentwicklungsfahigkeit des Menschenrechts auf Staatsangehorigkeit. Deutet sich in Europa ein migrationsbedingtes Recht auf Staatsangehorigkeit an ? auch unter Hinnahme der Mehrstaatigkeit?
Duncker & Humblot, 2012.
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Kalin/Kunzli,
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vgl. auch
BVerwG, Urteil vom 26. Februar 2009 ? 10 C 50.07
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UNHCR:
Ubereinkommen zur Verminderung der Staatenlosigkeit vom 30. August 1961 (In Kraft getreten am 13. Dezember 1975).