St. Salvator
, auch
Salvatorkirche
genannt, ist die ehemalige katholische Friedhofskirche der
Frauenkirche
und wie diese eine gotische
Backsteinkirche
. Seit 1829 ist St. Salvator der griechisch-orthodoxen Gemeinde uberlassen, die zur
Griechisch-orthodoxen Metropolie von Deutschland
im
Okumenischen Patriarchat von Konstantinopel
. Sie wird von der Gemeinde ?Verklarung des Erlosers“ genannt (Ι.Ν. Μεταμορφ?σεω? του Σωτ?ρο?).
St. Salvator (Salvatorstraße 17) befindet sich im
Kreuzviertel
der historischen Altstadt Munchens, nahe der Stadtmauer am 1804 abgetragenen Jungfernturm, am nach der Kirche benannten
Salvatorplatz
.
Durch die Stadterweiterung
Ludwigs des Bayern
wuchs die Einwohnerzahl der Stadt so sehr, dass die Friedhofe um die beiden Stadtkirchen
?Alter Peter“
und
Frauenkirche
nicht mehr ausreichten. Deswegen wurden die Friedhofe an den damaligen Stadtrand verlegt, blieben aber noch innerhalb der Stadtmauern.
Nachdem 1478 bereits der Friedhof der Pfarrei St. Peter ins
Hackenviertel
verlegt und 1485 die
Allerheiligenkirche am Kreuz
als Friedhofskirche eingeweiht worden war, veranlasste
Herzog
Albrecht IV. der Weise
auch die Verlegung des Friedhofes um die Frauenkirche. Der Baumeister ist nicht urkundlich uberliefert, wahrscheinlich handelt es sich um Lukas Rottaler, Schuler
Jorg von Halsbachs
und dessen Nachfolger an der Baustelle der
Frauenkirche
. Im April 1493 wurde der Rohbau vermutlich fertig. Am 15. August 1494 wurde ? urkundlich belegt ? St. Salvator eingeweiht.
[1]
Im 17. Jahrhundert, wohl im ersten Viertel, erhielt die Kirche eine Empore. Am 24. Juli 1767 wurde die gotische Turmspitze durch
Blitzschlag
beschadigt; der beschadigte Teil wurde abgetragen und als Abschluss ein barocker Aufsatz in Form einer
Zwiebel
aufgebaut. 1774 wurde die Kirche renoviert, hier wurden, dem damaligen barocken Zeitgeist entsprechend, einzelne bunte Glasscheiben durch helle Scheiben ersetzt. Als Folge der Friedhofsauflassung im Jahre 1789 wurde wahrscheinlich das nordliche Seitenportal vermauert, das unmittelbar auf den Friedhof fuhrte.
Im Zuge der
Sakularisation
wurde am 20. April 1803 die Raumung und rund ein Jahr spater, am 25. Mai 1804 der Abbruch der Kirche beschlossen. Da die Kirche, die sich nun in Besitz der Krone befand, jedoch als Depot verwendet wurde, wofur kein Ersatz zu beschaffen war, wurde der Abbruch verhindert. Am 21. Dezember 1806 schenkte Konig
Max I. Joseph
St. Salvator der Evangelisch-Lutherischen Kirchengemeinde in Munchen. Doch da St. Salvator weiterhin als Abstellraum und Wagenremise und spater als Getreidespeicher gebraucht wurde, konnte die Evangelisch-Lutherische Gemeinde die Kirche nicht aktiv nutzen. Mit den Baubeginn fur St. Matthaus in der Nahe des
Stachus
wurde St. Salvator wieder Eigentum der Krone.
Ein wesentlicher Beitrag zur Uberlassung der Kirche an die griechische Gemeinde hatte
Friedrich Thiersch
.
[2]
Dieser hatte den lange unterschatzten Beitrag des Christentums (und spater der Orthodoxie) auf die Kultur und Wissenschaft Ostroms erforscht und daruber auch in der in Wien erscheinenden griechischen Gelehrtenzeitung
Hermes ho logios
veroffentlicht. Hatte er zuvor 30 griechische Studenten an die Kadettenschule in Munchen holen lassen, so sah er nun auch die Religion als notwendigen Bestandteil der Bildung an. Er hoffte, dass sich dank der Kirche auch eine großere griechische Gemeinde in Munchen bilden wurde, wie das zu jener Zeit bereits in
Wien
und
Leipzig
der Fall war, wo Griechen einen wesentlichen Beitrag zur Wirtschaft und zum Außenhandel leisteten. Ein Gegner der Idee einer Kirche war anfangs der russische Diplomat
Alexandru Sturdza
, der ganz im Sinne der Aufklarung die Verknupfung zur Religion vermeiden wollte, letztendlich von
Wilhelm Traugott Krug
umgestimmt wurde.
[3]
1828 uberließ
Konig Ludwig I.
mit Majestatsbeschluss vom 22. und 30. September 1828 das Gebaude zur Nutzung. Die Kirche selbst blieb im Besitz der Krone und ist bis heute Eigentum des
Freistaates Bayern
, der die Rechtsnachfolge auch des wittelsbachischen Besitzes angetreten hat. Nachdem
Leo von Klenze
die Kirche fur Gottesdienste nach dem orthodoxen Ritus umgebaut hatte, wurde am 18. Dezember 1829 St. Salvator nach griechisch-orthodoxem Ritus eingeweiht.
[4]
Im Sommer 1869 wurde der Turm restauriert und regotisiert. Seitdem ist die barocke Turmspitze abgetragen und der Helm dem ursprunglichen gotischen Zustand angeglichen. Gleichzeitig wurden die zwolf den Wandvorlagen eingefugten Apostelfiguren durch Ikonen ersetzt. 1903 wurden die Glasfenster ausgebessert und gesichert. Diese wurden 1916 ausgelagert und 1928 wieder eingesetzt. 1934 wurde die Kirche nochmals renoviert. Die spatgotischen Glasmalereien wurden 1941 ausgelagert. Wahrend des Nationalsozialismus war der bekannte Mathematiker
Constantin Caratheodory
Kirchenvorstand.
Die Bombardierung Munchens im Zweiten Weltkrieg hat der Kirchenbau großtenteils unbeschadet uberstanden. Die zum Schutz vor den Luftangriffen ausgelagerten Glasmalereien gingen jedoch durch Fliegerbomben zunachst fast vollstandig verloren. Nach dem Krieg wurden noch erhaltene Reste in den Chorfenstern der Frauenkirche eingebaut. 1970 wurde die
Ikonostase
zuruckversetzt und dadurch der Altarraum verkleinert. Sakristei und Turm wurden 1982 neu eingedeckt, der Außenbau 1992/93 instand gesetzt. In den neunziger Jahren wurde eine Kiste mit einer großen Menge von Scherben der spatgotischen Glasfenster auf der Kirchenempore entdeckt und von den Werkstatten der
Mayer’schen Hofkunstanstalt
neu zusammengesetzt. Vier restaurierte Glasfenster wurden 2000 wieder in der Salvatorkirche eingesetzt. Im Jahr 2008 wurde der Turm renoviert. Im Jahr 2009 erhielt die Kirche ein neues Portal.
[5]
Mitte der 1970er Jahre behauptete die
Griechische Kirchengemeinde Munchen und Bayern e.V.
, Konig Ludwig I. habe St. Salvator allein diesem Verein zur Nutzung uberlassen. Daraus leitete der Verein eine besondere Autonomie ab, die sie von der orthodox-kirchlichen
Jurisdiktion
befreie. Das bedeutet vor allem, dass der Verein allein das Recht habe, Bischofe und Pfarrer frei zu wahlen. Damit verließ die Griechische Kirchengemeinde Munchen faktisch die Griechisch-Orthodoxe Metropolie.
Der Freistaat Bayern, der die Rechtsnachfolge des Stifters angetreten hatte, teilte diese Auffassung nicht und verlangte die Herausgabe der Kirche, was von der Griechischen Kirchengemeinde Munchen verweigert wurde. Damit begann ein Ringen um die Salvatorkirche, in den sich zusatzlich Griechenland, vor allem das griechische Parlament und die
Griechisch-Orthodoxe Kirche
, einbrachte. Durch den folgenden Rechtsstreit war die Kirche fur keine Seite zuganglich. Am 13. Oktober 1998 wies der Zweite Senat des
Bundesverfassungsgerichts
die
Verfassungsbeschwerde
der Griechischen Kirchengemeinde Munchen zuruck (2 BvR 1275/96). Am 27. Juni 1999 wurde St. Salvator der
Griechisch-Orthodoxen Metropolie von Deutschland
ubergeben.
Auf dem 1789 aufgelassenen Salvatorfriedhof wurden u. a. bestattet (vgl. Gedachtnistafel an der Ostwand):
- Klaus Gallas
:
Munchen. Von der welfischen Grundung Heinrichs des Lowen bis zur Gegenwart: Kunst, Kultur, Geschichte
. DuMont, Koln 1979,
ISBN 3-7701-1094-3
(DuMont-Dokumente: DuMont-Kunst-Reisefuhrer).
- Peter Weismann:
Apostolos Malamoussis
, MunchenPortrait 3, MunchenVerlag, Munchen 2010,
ISBN 978-3-937090-48-1
, mit Kapitel ?Die Rettung der Salvatorkirche“
- Karin Hosch:
Griechisch-orthodoxe Kirchen Munchen: Salvatorkirche, Allerheiligenkirche,
Kunstverlag Peda, Passau 2000,
ISBN 3-89643-528-0
- Konstantin Kotsowilis:
Die Griechische Kirche zum Erloser, Ehemals Friedhofskirche St. Salvator ? Munchen
. Schnell und Steiner, Regensburg 1990,
ISBN 978-3-7954-5056-4
(Reihe: Kleine Kunstfuhrer/Kirchen und Kloster).
- Jurgen Kielisch:
Die Geschichte der griechisch-orthodoxen Kirchengemeinde zum Erloser in Munchen 1828?1944
(=
Studien zur Orientalischen Kirchengeschichte
Bd. 8). LIT Verlag, Hamburg 1999,
ISBN 3-8258-3905-2
.
- ↑
Anna Hoben:
Munchen: Rundgang mit Gruselgeschichten.
In:
sueddeutsche.de
.
4. Januar 2021,
abgerufen am 28. Januar 2024
.
- ↑
Jurgen Kielisch:
Die Geschichte der griechisch-orthodoxen Kirchengemeinde zum Erloser in Munchen 1828?1944
(=
Studien zur Orientalischen Kirchengeschichte
Bd. 8). LIT Verlag, Hamburg 1999,
ISBN 3-8258-3905-2
, S. 33?36.
- ↑
Religiose Momente im Euro-Amerikanischen Philhellenentum, S. 33. In:
Friedrich Heyer
:
Die Orientalische Frage im kirchlichen Lebenskreis: Das Einwirken der Kirchen des Auslands auf die Emanzipation der orthodoxen Nationen Sudosteuropas 1804?1912.
Harrassowitz, Wiesbaden 1991.
- ↑
Jurgen Kielisch:
Die Geschichte der griechisch-orthodoxen Kirchengemeinde zum Erloser in Munchen 1828?1944
(=
Studien zur Orientalischen Kirchengeschichte
Bd. 8). LIT Verlag, Hamburg 1999,
ISBN 3-8258-3905-2
, S. 48?50 (weitere Literatur dort, Fußnote 124).
- ↑
Holzkollektiv
48.141666666667
11.574722222222
Koordinaten:
48° 8′ 30″
N
,
11° 34′ 29″
O