Das
somatische Nervensystem
(
SNS
; von
altgriechisch
σ?μα
soma
, deutsch
‚Korper‘
; auch
animales
oder
animalisches Nervensystem
(von
lateinisch
anima
‚das Beseelte‘
, ?Lufthauch‘, ?Wind‘) bzw.
cerebrospinale Nervensystem
oder auch
willkurliches Nervensystem
) ist neben dem
vegetativen Nervensystem
eine der beiden Hauptabteilungen des
Nervensystems
der
Wirbeltiere
(einschließlich des Menschen). Im Gegensatz zu letzterem ermoglicht das somatische Nervensystem beim Menschen eine
bewusste
Wahrnehmung
der Umwelt und des
eigenen Korpers
uber die
Sinnesorgane
und willentliche Aktionen uber die
Muskeln
(
Willkurmotorik
).
Die Unterscheidung zwischen somatischem und vegetativem Nervensystem erfolgt aufgrund anatomischer, physiologischer und pharmakologischer Kriterien.
Ahnlich wie das vegetative Nervensystem ist auch das somatische Nervensystem in
Afferenzen
und
Efferenzen
gegliedert.
Die afferenten
Neuronen
des somatischen Nervensystems bilden die aufsteigenden
Projektionsbahnen
. Sie fuhren zu den
Projektions-
und mittelbar auch zu den
Assoziationszentren
. Afferenzen sind allgemein die zu den cerebralen Projektionszentren verlaufenden Nervenbahnen der
Sinnesorgane
wie der
Riechbahn
(Tractus olfactorius) N.I, der
Sehbahn
(Tractus opticus) N.II, der
Horbahn
N.VIII, der Gleichgewichtsbahn N.VIII und den Geschmacksbahnen verschiedener Hirnnerven (
Tractus solitarii
) N.VII und N.IX. Diese Bahnen bestehen aus unterschiedlich gestaffelten
Neuronenketten
, die Sehbahn z. B. aus einer Kette von insgesamt 4 Neuronen, die dorsale Horbahn aus einer Kette von 3 Neuronen.
[1]
Efferente motorische Nervenfasern des somatischen Nervensystems versorgen stets
quergestreifte Muskulatur
(meist Skelettmuskulatur). Unter den motorischen Bahnen des somatischen Nervensystems sind die motorischen Anteile der
Hirnnerven
zu nennen, die quergestreifte Muskulatur versorgen, und die
Pyramidenbahn
(PS), welche die ubrige Skelettmuskulatur versorgt. Auch das
extrapyramidalmotorische System
(EPS) versorgt quergestreifte Muskulatur. Die entsprechenden motorischen Ablaufe sind jedoch weitgehend automatisiert, weil das EPS die vom PS bereits ?eingefahrenen“ willkurlichen Bewegungen ubernimmt.
[1]
Folgende Hirnnerven besitzen somatomotorische Anteile: Nn. III, IV, VI, XI und XII. Die motorischen Hirnnervenfasern der Nn. V, VII, IX und X werden als
Kiemenbogennerven
bezeichnet. Ihre Tatigkeit ist teilweise branchiomotorisch (d. h. die Muskeln versorgend, die sich aus dem Kiemenbogen entwickelt haben) und teilweise viszeromotorisch (Efferenzen der vegetativen Nervensysteme). Die Nervenfasern der durch die Pyramidenbahn versorgten Muskulatur besteht aus zwei in Serie geschalteten Motoneuronen, die Fasern der von den Hirnnerven versorgten Muskulatur aus einem Motoneuron.
[2]
Wahrend efferente motorische Nervenfasern des somatischen Nervensystems stets quergestreifte Muskulatur (meist Skelettmuskulatur) versorgen, innervieren efferente motorische Nervenfasern des vegetativen Nervensystems in der Regel
glatte Muskulatur
(z. B. Gefaße oder Darm).
[3]
Ausnahme: Die Nerven des vegetativen Nervensystems versorgen zum Teil auch Skelettmuskelfasern.
[4]
Pharmakologisch ist auf unterschiedliche Ubertragerstoffe (
Neurotransmitter
) fur vegetatives und somatisches Nervensystem hinzuweisen. Sogenannte
adrenerge
und nikotinahnliche Neurotransmitter sind nur im vegetativen Nervensystem wirksam. Im somatischen Nervensystem ist lediglich
Acetylcholin
als physiologische Ubertragersubstanz zu erwahnen. Sie hat jedoch uberschneidend mit dem Vegetativum auch Wirkung auf die
parasympathischen
Nerven des vegetativen Nervensystems. Es gibt auch spezifische pharmakologische
Hemmstoffe
wie
Alphablocker
und
Betablocker
fur das
sympathische
Nervensystem,
Atropin
fur das parasympathische Nervensystem und z. B.
Curare
fur das somatische Nervensystem.
[5]
Die zum Teil bewusst steuerbare Tatigkeit der quergestreiften Muskulatur ist zur Leistungssteigerung auf Unterstutzung durch das Vegetativum (vegetatives Nervensystem) angewiesen. Zur Leistungssteigerung cerebrospinaler Funktionen sind sog.
ergotrope
Reaktionen wesentlich. Diese sind durch den
Sympathicus
gewahrleistet. Afferente vegetative Nerven innerer Organe haben teilweise bewusstseinsfahige Signalwirkung (z. B. Unwohlsein im Magen-Darm-Bereich). Geruchs- und Geschmacksnerven haben andererseits Kopplungen zum Verdauungssystem, das als großtes vegetatives Organsystem anzusehen ist. Dies sind einige wenige Beispiele fur das Zusammenspiel von cerebrospinalem und vegetativem Nervensystem.
[6]
Sowohl vegetatives als auch somatisches Nervensystem haben
periphere
und zentrale Anteile ? diese Einteilung spiegelt einen
topographischen
Ansatz wider. Daraus ergeben sich die Kombinationen: zentral-somatisch, zentral-vegetativ, peripher-somatisch, peripher-vegetativ.
Dasselbe gilt fur den dritten Ansatz einer Gliederung: die Richtung des Signals. Hier unterscheidet man zwischen
sensorisch
und
motorisch
bzw. zwischen
afferent
und
efferent
.
- ↑
a
b
Hermann Voss
,
Robert Herrlinger
:
Taschenbuch der Anatomie.
Band III:
Nervensystem, Sinnessystem, Hautsystem, Inkretsystem.
Fischer, Jena 1964; (a) zu Stw. ?Anzahl verknupfter Neurone“: S. 69ff.; (b) zu Stw. ?EPS“: S. 21f.
- ↑
Eduard M. W. Weber:
Schemata der Leitungsbahnen des Menschen.
Lehmanns, Munchen 1960; Tab. IV, Nervi craniales
- ↑
Max Watzka:
Kurzlehrbuch der Histologie und mikroskopischen Anatomie des Menschen
. 3. Auflage. Schattauer, Stuttgart 1964, S. 49ff.
- ↑
Alfred Benninghoff
u. a.:
Lehrbuch der Anatomie des Menschen. Dargestellt unter Bevorzugung funktioneller Zusammenhange.
3. Band:
Nervensystem Haut und Sinnesorgane.
Urban und Schwarzenberg, Munchen 1964, S. 356.
- ↑
G. Kuschinsky, H. Lullmann:
Pharmakologie.
3. Auflage. Thieme, Stuttgart 1967, S. 1ff. und 100ff.
- ↑
Hermann Rein
,
Max Schneider
:
Physiologie des Menschen.
15. Auflage. Springer, Berlin 1964; zu Stw. ?Ergotrope Reaktion“: S. 405, 543; zu Stw. ?Cerebrospinales Nervensystem“: S. 471ff.