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Sojus 11

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Missionsdaten
Mission Sojus 11
NSSDCA ID 1971-053A
Raumfahrzeug Sojus 7K-T ( GRAU-Index  11F615A8)
Seriennummer 32
Rufzeichen Янтарь (Jantar;?;? Bernstein “)
Masse 6790 kg
Tragerrakete Sojus (GRAU-Index 11A511)
Besatzung 3
Start 6. Juni 1971, 04:55:09  UT
Startplatz Baikonur 1/5
Raumstation Saljut 1
Ankopplung 7. Juni 1971, 07:49 UT
Abkopplung 29. Juni 1971, 18:28 UT
Dauer auf Saljut 1 22d 10h 39m
Landung 29. Juni 1971, 23:16:52 UT
Landeplatz Kasachische SSR
47° 20′ N, 70° 24′ O
Flugdauer 23d 18h 21m 43s
Erdumkreisungen 384
Umlaufzeit 88,4 min
Apogaum 209 km
Perigaum 189 km
Mannschaftsfoto
Georgi Dobrowolski, Wladislaw Wolkow, Wiktor Pazajew
Georgi Dobrowolski, Wladislaw Wolkow, Wiktor Pazajew
?  Vorher / nachher  ?
Sojus 10
(bemannt)
Kosmos 496
(unbemannt)
Nachste bemannte Mission
Sojus 12

Sojus 11 ist die Missionsbezeichnung fur den am 6. Juni 1971 gestarteten Flug eines sowjetischen Sojus-Raumschiffs zur sowjetischen Raumstation Saljut 1 . Infolge einer technischen Fehlfunktion wahrend der Landephase kamen alle drei Kosmonauten ums Leben. Es war die erste erfolgreiche Kopplung eines Raumschiffs an eine Raumstation und der 19. Flug im sowjetischen Sojus-Programm.

Die drei Kosmonauten waren eigentlich als Ersatzmannschaft vorgesehen. Als ursprungliche Besatzung waren fur diese Langzeitmission Alexei Leonow , Pjotr Kolodin und Waleri Kubassow vorgesehen. Drei Tage vor dem Start wurden jedoch Tuberkulose -Anzeichen bei Kubassow festgestellt, worauf die komplette Mannschaft durch die Reservemannschaft ersetzt wurde. Der Verdacht, dass Kubassow an Tuberkulose litt, bestatigte sich allerdings nicht.

Die zweite Ersatzmannschaft bestand aus Alexei Gubarew , Witali Sewastjanow und Anatoli Woronow .

Die Raumstation Saljut

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Die erste Raumstation der Geschichte, Saljut 1, befand sich bereits seit dem 19. April 1971 in der Erdumlaufbahn. Zu ihrer Ausrustung gehorten unter anderem ein Teleskop, ein Spektrometer, ein Elektrophotometer und eine TV-Anlage. Außerdem war das geheime Radiometer Swinets an Bord sowie das UV-Instrument Orion, mit dem Raketenstarts auf der Erde beobachtet werden konnten. Das Solarteleskop war nicht einsatzbereit, weil eine Abdeckung an der Außenseite der Raumstation sich nicht wie vorgesehen entfernt hatte.

Die missgluckte Kopplung von Sojus 10

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Die erste Besatzung der neuen Raumstation sollte mit Sojus 10 erfolgen. Das Raumschiff naherte sich am 24. April 1971 zwar der Saljut an, die Kopplung wurde aber nicht im richtigen Winkel durchgefuhrt, weshalb der Mechanismus nicht vollstandig einrastete. Die Mission musste abgebrochen werden, ohne dass die Kosmonauten Schatalow , Jelissejew und Rukawischnikow die Raumstation betreten hatten.

Veranderungen am Raumschiff

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Zwar wurde beim Kopplungsversuch der Mechanismus von Sojus 10 verbogen, das Gegenstuck an Saljut 1 blieb jedoch unbeschadigt, so dass es ausreichte, bei Sojus 11 den Kopplungsmechanismus zu verstarken, um einen erneuten Versuch zu wagen. Außerdem sollte Sojus 11 im Gegensatz zu Sojus 10 nicht drei, sondern vier Tage autonom im All bleiben konnen. Zudem wurde das Annaherungs- und Kopplungssystem Igla uberarbeitet.

Weitere Planungen

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Die ursprunglich fur Sojus 11 vorgesehene Mannschaft hatte zuvor als Ersatzmannschaft von Sojus 10 fungiert. Kommandant war Alexei Leonow, der bei Woschod 2 den ersten Weltraumausstieg der Geschichte durchgefuhrt hatte. Er war Mitglied der ersten Kosmonautengruppe der Sowjetunion. Ein weiterer Veteran in dieser Mannschaft war Waleri Kubassow, der bereits mit Sojus 6 im All war. Zuvor war er Ersatzmann fur den Flug, der als Sojus 2 geplant gewesen, aber abgesagt worden war. Ware Kubassow zum Einsatz gekommen, hatte er von einem Raumschiff in ein anderes umsteigen mussen. Diese Rolle ubernahm er dann bei Sojus 5 . Pjotr Kolodin war ein Weltraumneuling, war aber zuvor bereits bei Sojus 7 , Sojus 8 und Sojus 10 in der Ersatzmannschaft gewesen.

Geplant war ein Flug von 25 bis 30 Tagen Dauer ab Juni 1971, wobei ein 30-Tage-Flug eine Nachtlandung erfordert hatte.

Es wurde auch erwogen, dass die Sojus-11-Mannschaft einen Weltraumausstieg durchfuhren sollte, um einerseits den Kopplungsstutzen der Saljut zu untersuchen, andererseits auch die Abdeckung der wissenschaftlichen Gerate an der Außenseite der Raumstation zu entfernen. Zu diesem Zweck hatten allerdings nur zwei Kosmonauten starten konnen, fur drei Personen in Raumanzugen war das Raumschiff zu eng. Dieser Plan wurde aus Zeitgrunden abgewiesen. Bis Raumanzuge angefertigt und die Kosmonauten trainiert waren, ware die Saljut bereits am Ende ihrer Nutzungsdauer angelangt.

Die Ersatzmannschaft von Sojus 11 war fur einen weiteren Flug mit Sojus 12 vorgesehen. Kommandant war der Weltraumneuling Georgi Dobrowolski . Ebenfalls ohne Weltraumerfahrung war Wiktor Pazajew , der wie Dobrowolski vor Sojus 11 noch in keiner Ersatzmannschaft war. Lediglich Wladislaw Wolkow war mit Sojus 7 zuvor schon im All. Es war das erste Mal, dass ein erfahrener Kosmonaut einem unerfahrenen Kommandanten zugeordnet wurde.

Auch fur Sojus 12 war ein 30-Tage-Flug vorgesehen, geplant war ein Start zwischen dem 15. und dem 20. Juli. Allerdings war die Raumstation nur fur einen Betrieb von 90 Tagen ausgelegt, die am 18. Juli abliefen, so dass nicht klar war, ob und mit welcher Dauer dieser Flug stattfinden wurde.

Austausch der Mannschaften

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Die beiden Mannschaften (Leonow, Kubassow und Kolodin als Hauptmannschaft, Dobrowolski, Wolkow und Pazajew als Ersatzmannschaft) trafen am 28. Mai in Baikonur ein. Am 3. Juni, drei Tage vor dem vorgesehenen Start, wurde die vorgesehene Mannschaft noch einmal medizinisch untersucht, wobei auf einem Rontgenbild ein Schatten in Kubassows Lunge entdeckt wurde. Die Arzte diagnostizierten dies als beginnende Tuberkulose und sprachen ihm die Flugfahigkeit ab. [1]

Nach den Vorschriften musste damit die ganze Mannschaft ausgetauscht werden. Statt Leonow, Kubassow und Kolodin sollten nun Dobrowolski, Wolkow und Pazajew zur Saljut starten. Der Leiter der Kosmonautenausbildung, Nikolai Kamanin , befurwortete zwar, nur Kubassow durch Wolkow zu ersetzen, konnte sich aber nicht durchsetzen. Am Folgetag ? die Diagnose wurde inzwischen von aus Moskau angereisten Arzten bestatigt ? wurde Dobrowolskis Mannschaft offiziell als Besatzung von Sojus 11 vorgestellt. [1]

Start, Docking und Wechsel zu Saljut 1

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Sojus 11 startete am 6. Juni 1971 um 04:55 UTC und erreichte problemlos die Erdumlaufbahn. Die Flugleitung wechselte vom Startort Baikonur zur Bodenstation in Jewpatorija .

Nach zwei Kurskorrekturen hatte sich Sojus 11 der Raumstation bis auf sieben Kilometer angenahert, daraufhin wurde das automatische Annaherungs- und Kopplungssystem Igla aktiviert. Diesmal musste die Besatzung nicht in den automatischen Ablauf eingreifen. Die Kopplung selbst fand am 7. Juni um 07:49 UTC außerhalb der Reichweite der Bodenstationen statt, und als die Verbindung wieder aufgenommen werden konnte, meldete Dobrowolski die erfolgreiche Kopplung. Nach vier gemeinsamen Umlaufen waren alle Checks abgeschlossen und Viktor Pazajew wechselte als weltweit erster Raumfahrer zu einer Raumstation uber. Die Kosmonauten meldeten einen unangenehmen, verbrannten Geruch in der Luft. Da ein kompletter Luftaustausch der Station ca. 20 Stunden benotigte, musste die Mannschaft die erste Nacht an Bord der Sojus verbringen. Am nachsten Tag hatte sich der Brandgeruch aufgelost und die Besatzung begann mit ihrem Arbeitsprogramm an Bord der Station.

Die erste Raumstationsbesatzung

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Besatzung auf sowjetischer Briefmarke

Die Besatzung zog in die Saljut um und fuhr alle Systeme der Sojus herunter. Damit ging die erste Raumstation der Geschichte in Betrieb, zwei Jahre vor der amerikanischen Skylab . Die Kosmonauten fuhrten eine Kurskorrektur durch und richteten die Solarzellen zur Sonne aus, um ein Maximum an elektrischer Energie zu erhalten.

An den folgenden Tagen fuhrten die Kosmonauten verschiedene Erdbeobachtungen und wissenschaftliche Experimente durch. Es gab regelmaßige Bildfunk-Verbindungen mit der Bodenstation, bei denen auch mogliche Notlandegebiete besprochen wurden fur den Fall, dass die Besatzung die Raumstation plotzlich verlassen musste. Eine solche Notlandung hatte dann moglicherweise außerhalb der Sowjetunion stattgefunden.

Am 16. Juni bemerkten die Kosmonauten erneut einen starken, verbrannten Geruch, dessen Ursache sie nicht feststellen konnten. Zeitweise bereiteten sie das Sojus-Raumschiff zum Abkoppeln vor, blieben dann aber an Bord der Saljut. Zehn Stunden nach dem ersten Auftreten des Brandgeruchs war die Luft wieder normal und die Situation stabil. Kommandant Dobrowolski bat darum, die Mission fortzusetzen. Die Staatskommission entsprach dieser Bitte am nachsten Tag, einem Ruhetag fur die Besatzung, ordnete aber an, samtliche wissenschaftlichen Gerate abzuschalten. Sie sollten nach und nach wieder in Betrieb genommen werden, um die Ursache des Brandgeruchs feststellen zu konnen. Am Folgetag, dem 18. Juni, waren alle Systeme wieder in Betrieb, es trat aber kein Brandgeruch mehr auf.

Fur den 20. Juni war geplant, den Start einer sowjetischen N1-Rakete aus dem All zu beobachten; dieser musste jedoch aufgrund technischer Probleme verschoben werden, so dass eine Beobachtung nicht mehr moglich war. Am 24. und 25. Juni konnten Dobrowolski und Pazajew jedoch die Starts zweier anderer sowjetischer Raketen beobachten. [2] Die N1 startete dann am 26. Juni, geriet aber außer Kontrolle und musste nach 51 Sekunden gesprengt werden.

Die Besatzung befand sich im Laufe der Zeit nicht mehr in bester korperlicher und geistiger Verfassung. Aufgrund des Brandgeruch-Zwischenfalls und ungeplanter Reparaturen hatten sie das regelmaßige Training vernachlassigt. Die Gummibander der Trainingsanzuge, die Schwerkrafteffekte simulieren sollten, wurden zunehmend uberdehnt. Die Nutzung des Ergometers , welches fur Bewegung sorgen sollte, wurde nach nur wenigen Tagen eingestellt, da sein Betrieb die ganze Station in Vibration sowie die Solarzellen und Kommunikationsantennen in starke Schwingungen versetzte. Es kam auch zu Spannungen zwischen Kommandant Dobrowolski und dem bereits raumflugerfahrenen Wolkow. Die Landung wurde fur den 30. Juni geplant, entweder bei Nacht oder kurz vor Sonnenaufgang. Der spatere Zeitpunkt war gunstiger, falls die Besatzung sofort medizinische Betreuung benotigte.

Am 26. Juni hatten die drei Raumfahrer alle wissenschaftlichen und technischen Experimente abgeschlossen. Die restlichen Tage dienten dem korperlichen Training und der Vorbereitung der Ruckkehr. Es war nicht moglich, alle Filme und Experimente in der Sojus-Landekapsel zur Erde zuruckzubringen, so dass die Bodenstation eine Auswahl treffen musste.

Punkt fur Punkt gingen die drei Kosmonauten zusammen mit der Flugleitung die Checklisten durch, um die Raumstation bis zur Ankunft der nachsten Besatzung einzumotten. Alle Systeme, die nicht unbedingt fur den automatischen Betrieb notwendig waren, wurden abgeschaltet.

Landung und Tod der Besatzung

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Die Landung war fur den 30. Juni im Morgengrauen vorgesehen (noch der 29. Juni nach UT ). Die Besatzung sollte wahrend der Landung Funkkontakt uber Kurzwelle und UKW halten und das Offnen des Fallschirms melden. Die Kosmonauten sollten in der Landekapsel bleiben und die Luke nicht selbst offnen, sondern das Eintreffen der Bergungsmannschaft und des medizinischen Personals abwarten, was hochstens 20 bis 30 Minuten dauern sollte.

Nach dem Umsteigen in das Ruckkehrmodul des Sojus-Raumschiffs zeigte eine Warnleuchte an, dass die Luke zwischen Ruckkehr- und Orbitalmodul nicht dicht geschlossen war. Erst nach mehreren Versuchen konnte die Besatzung die Luke verriegeln. Nach dem Abkoppeln wurden noch viele Bilder von Saljut 1 aus unterschiedlichen Entfernungen gemacht, um den Zustand der Raumstation zu dokumentieren.

Etwa zwolf Minuten nach dem Zunden der Bremsraketen wurden Ruckkehr-, Orbital- und Servicemodul planmaßig voneinander getrennt. Dabei offnete sich unerwartet ein Ausgleichsventil, und die Atemluft entwich aus der Landekapsel. Dobrowolski, Wolkow und Pazajew waren innerhalb kurzester Zeit tot. Die Landung erfolgte automatisch.

Die folgende Tabelle fuhrt die wichtigsten Ereignisse der Landung auf. Die Zeiten beziehen sich auf UTC am 29. Juni 1971 und differieren leicht je nach Quelle.

18:25 Sojus 11 koppelt uber Sibirien von Saljut 1 ab.
21:16 Die Besatzung bespricht mit der Bodenstation die Wetterdaten im Haupt- und Notlandegebiet.
22:35:24 Zundung der Bremsraketen
22:38:31 Ende des Bremsmanovers
22:47:28 Trennung von Orbitalmodul und Ruckkehrmodul. Dabei lost sich vorzeitig die Versiegelung eines Ventils. Dieses Ventil soll fur den Druckausgleich in geringer Hohe nach Entfaltung des Hauptschirmes sorgen.
22:49 Die Landekapsel kommt wieder in Funkreichweite . Die Besatzung hatte das Abtrennen des Orbitalmoduls melden sollen, aber die Bodenstation empfangt nichts.
22:50 Der Kabinendruck ist praktisch auf Null gesunken.
22:53 Wahrend des Wiedereintritts bricht die Funkverbindung planmaßig ab.
22:54 Die Landekapsel wird, noch 2200 km vom Landepunkt entfernt, vom Radar geortet.
23:05 Bergungsmannschaften an Bord von Il-14-Flugzeugen und Mi-8-Hubschraubern sichten die Landekapsel, die am Fallschirm herabsinkt. Die Besatzung von Sojus 11 meldet sich nicht.
23:16 Sojus 11 landet 200 km ostlich von Dschesgaskan, 200 km sudwestlich von Kustanai . Gleichzeitig landen vier Hubschrauber in der Nahe.
23:18 Die Bergungsmannschaft offnet die Luke und findet die Besatzung leblos in den Sitzen.

Die Untersuchung

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Schon wenige Minuten nach der Landung offneten Bergungsmannschaften die Luke. Sie fanden die Besatzung leblos in ihren Sitzen angeschnallt, wobei Dobrowolskis Korper noch warm war. Sofort eingeleitete Wiederbelebungsversuche außerhalb der Landekapsel blieben erfolglos.

Drei Stunden nach der Landung waren Spezialisten aus Moskau am Unfallort und untersuchten die Kabine, die Sitze sowie die technischen Systeme. Alle Schalter waren in der richtigen Stellung. Jedoch waren die Funkgerate abgeschaltet. Die Landekapsel hatte keine besonders harte Landung gemacht und war intakt. Beide Ausgleichsventile waren wie vorgesehen geoffnet, eines wies jedoch einen geringeren Ventilhub auf. Wahrend die Arzte den Tod durch Erstickung feststellten, standen die Ingenieure vor einem Ratsel, wann und warum die Kabinenluft entwichen sein konnte, denn die Landekapsel erwies sich als dicht. Eine Antwort darauf konnte nur die Auswertung der automatischen Datenaufzeichnung geben. Nach Abtrennen des Orbitalmoduls konnten keine Telemetriedaten mehr zur Erde gefunkt werden, sie wurden jedoch an Bord mit einem Gerat namens Mir aufgezeichnet.

Die Leichen der drei Kosmonauten wurden noch am selben Tag nach Moskau gebracht und waren dort im Haus der Gewerkschaften aufgebahrt. Sie wurden im Anschluss daran eingeaschert und am 3. Juli wurden die Urnen an der Kremlmauer beigesetzt.

Die Untersuchung ergab, dass etwa zwolf Minuten nach der Bremszundung das Orbitalmodul wie vorgesehen von der Ruckkehrkapsel getrennt wurde, wozu Sprengbolzen gezundet wurden. Die Untersuchungskommission folgerte, dass durch die Erschutterung ein Siegel an einem von zwei Druckausgleichsventilen verletzt wurde. Dieses Siegel hatte eigentlich erst viel spater durch eine andere Sprengladung entfernt werden sollen, damit ab einer Hohe von wenigen Kilometern Frischluft mit Außendruck in die Kabine gelangen konnte. Dadurch, dass das Ventil bereits in 168 km Hohe geoffnet wurde, entwich die Kabinenluft, was innerhalb von 30 bis 50 Sekunden zur Bewusstlosigkeit fuhrte. Zwei Minuten nach dem Abtrennen des Orbitalmoduls war die Landekapsel praktisch luftleer. Das zweite Ventil offnete wie vorgesehen durch die Zundung der zugehorigen Pyroladung in geringer Hohe.

Das zugehorige Handrad zum Sperren des Ventils in Notfallen war schwierig zu erreichen. Nur im Fall einer Notwasserung hatten die Besatzung oder Bergungsmannschaften es von Hand schließen mussen, um das Eindringen von Wasser in die Kapsel uber das Ausgleichsventil und ein Fluten der Kapsel zu verhindern.

Durch die ausstromende Luft wurde die Ruckkehrkapsel im All in eine leichte Rotation versetzt, die durch automatisches Zunden der Lageregelungsdusen ausgeglichen wurde. Die Aufzeichnungen der Triebwerkszundungen fuhrten die Experten auf die richtige Spur. Der Beweis waren Treibstoffreste aus den Lageregelungstriebwerken im Innern des fehlerhaften Ventils, welche nur im All dort eindringen konnten, da zum Zeitpunkt der planmaßigen Offnung des Ventils die Triebwerke fur die Lagekontrolle im All nicht mehr aktiviert gewesen waren.

Auswirkungen der Dekompression auf die Besatzung

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Die medizinischen Daten der Besatzung wurden standig aufgezeichnet, jedoch nicht kontinuierlich zur Erde gesendet. Aus den aufgezeichneten Daten wurde durch die Untersuchungskommission der Ablauf nach dem Offnen des Ausgleichsventils rekonstruiert. Zum Zeitpunkt der Separation des Orbitalmoduls zeigte Wolkow mit 120 Schlagen pro Minute den hochsten Puls der drei Kosmonauten. Pazajew hatte eine Pulsfrequenz von 92 bis 106, Dobrowolski nur 78 bis 85. Der Durchschnittswert bei fruheren Flugen lag in dieser Phase bei 120, die Kosmonautin Walentina Tereschkowa hatte 160 Schlage. Einige Sekunden nach dem Abtrennen bemerkte die Mannschaft offensichtlich das Leck. Dobrowolskis Puls stieg auf 114 und Wolkows auf 180. Die Besatzung schaltete die Funkgerate ab, wahrscheinlich um das Leck akustisch orten zu konnen. Pazajews Atemfrequenz erreichte 50 Sekunden nach dem Abtrennen 42 Atemzuge pro Minute, ein typisches Zeichen fur akuten Sauerstoffmangel. Spatestens 50 bis 60 Sekunden nach der Separation waren bei allen drei Kosmonauten tiefe Bewusstlosigkeit, flache Atmung und irreversible letale Veranderungen in den Gefaßen und im Gehirn eingetreten. Nach ca. 110 Sekunden kam es zu Herz- und Atemstillstand bei allen drei Kosmonauten. Der Milchsauregehalt in ihrem Blut hatte sich gegenuber dem Normalwert auf das Zehnfache erhoht, ein Zeichen extremen Stresses und des akuten Sauerstoffmangels. [3]

Anderthalb bis zwei Minuten nach der Landung begannen die Bergungskrafte mit den erfolglosen Wiederbelebungsmaßnahmen; die Besatzung war zu diesem Zeitpunkt seit mehr als 25 Minuten tot.

Warum waren keine Raumanzuge an Bord?

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?Ich will keine Feiglinge an Bord meines Raumschiffes“ war die Antwort von Konstrukteur Wassili Mischin , wenn die Rede auf Raumanzuge kam. Wahrend die Kosmonauten an Bord der Wostok-Raumschiffe noch selbstverstandlich Raumanzuge trugen, war das bereits bei Woschod 1 nicht mehr der Fall. Da ein Kosmonaut mit Raumanzug wesentlich mehr Platz benotigt als ohne, konnten in dem kleinen Woschod-Raumschiff drei Raumfahrer nur dann untergebracht werden, wenn auf Raumanzuge verzichtet wurde. Wahrend der Leiter des Konstruktionsburos, Sergei Koroljow , diese Entscheidung befurwortete, wurde sie vom Leiter der Kosmonautenausbildung, Nikolai Kamanin , aber auch von Kosmonauten kritisiert.

Ilja Lawrow, der Konstrukteur des Lebenserhaltungssystems der Sojus, hatte Koroljow schon Jahre zuvor zu uberzeugen versucht, dass zumindest Sauerstoffmasken an Bord notwendig seien. Dies hatte der Besatzung noch zwei oder drei Minuten Reaktionszeit gegeben.

Nach außen hin wurde der Verzicht auf Raumanzuge auch mit der großeren Sicherheit der sowjetischen Raumschiffe gegenuber den amerikanischen begrundet.

Hatten die Kosmonauten den Unfall verhindern konnen?

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Einige Offizielle sahen die Schuld bei der ungenugenden Ausbildung der Kosmonauten. Mischin wies darauf hin, dass das Verschließen dieses Ventiles sogar trainiert worden sei. Man hatte zudem das Leck einfach mit einem Finger verschließen konnen, lautete einer der Vorwurfe. Das Schließen dieses Ventils gehorte tatsachlich zu einer der trainierten Notprozeduren ? allerdings fur den Fall einer Wasserung, wobei die Kosmonauten dafur mehrere Minuten Zeit gehabt hatten.

Hatte die Besatzung auf den Abfall des Kabinendrucks rechtzeitig reagieren konnen, so waren ihr trotzdem nur etwa 25 bis 30 Sekunden Zeit vor Eintritt der Bewusstlosigkeit geblieben, das geoffnete Ventil zu finden und zu schließen. Das Ausstromen der Luft war nur in der Nahe von Dobrowolskis Sitz zu horen. Bei Pazajew und Wolkow waren die Schultergurte geoffnet. Dobrowolskis Gurte waren bei der Landung nicht geschlossen und ineinander verdreht. Moglicherweise hat er tatsachlich einen Versuch der Abdichtung uber das Handrad am betroffenen Ventil unternommen. Dafur spricht auch, dass eines der Luftungsventile nicht in voll geoffneter Position, sondern mit 10 mm geringerem Offnungshub vorgefunden wurde.

Dobrowolski, Wolkow und Pazajew wurden am 3. Juli mit einem Staatsbegrabnis geehrt. Einer der Sargtrager war der amerikanische Astronaut Tom Stafford . Die Urnen der drei Besatzungsmitglieder von Sojus 11 wurden spater an der Nekropole an der Kremlmauer in Moskau beigesetzt.

Die bemannte sowjetische Raumfahrt kam zu einem kompletten Stillstand. Nur wenige Tage zuvor hatte die N1-Rakete , die ursprunglich fur das sowjetische Mondprogramm entwickelt worden war, auch beim dritten Testflug versagt. Das konnte zwar geheim gehalten werden, aber vor der Weltoffentlichkeit musste man zugeben, dass ein Konstruktions- oder Bedienungsfehler zum Tod der Sojus-11-Mannschaft gefuhrt hatte.

Verlust von Experimentaldaten

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Sojus 11 konnte nicht alle Filme und Experimentaldaten zur Erde zurucktransportieren. Die Raumstation Saljut 1 blieb unbemannt und vergluhte am 11. Oktober 1971. Damit gingen auch viele wissenschaftliche Ergebnisse verloren.

Neuer Raumanzug, neues Raumschiff

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Nachfolgende Sojus-Besatzungen trugen bei Start und Landung Raumanzuge . Dazu wurde von NPP Swesda unter der Leitung von Gai Sewerin der neue Raumanzug Sokol entwickelt. Das zugehorige Lebenserhaltungssystem sollte bei Druckabfall die Kabine wieder mit Luft fullen. Dem erhohten Raumbedarf fur Raumanzuge und Lebenserhaltungssystem fiel der dritte Sitz zum Opfer. Das Sojus-Raumschiff konnte bis zur Einfuhrung der Modifikation Sojus-T nur noch zwei Raumfahrer aufnehmen. [4]

Das modifizierte Raumschiff startete am 26. Juni 1972 als Kosmos 496 zu einem unbemannten Testflug, ein weiterer folgte am 15. Juni 1973 als Kosmos 573 . Der erste bemannte Start erfolgte mit Sojus 12 am 27. September 1973. [4] Somit hatte die bemannte sowjetische Raumfahrt eine zweijahrige Zwangspause verbracht.

Erweiterungen an den nachsten Raumstationen

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Der 20-tagige Aufenthalt der Kosmonauten an Bord der Saljut zeigte, welche Einrichtungen dem taglichen Gebrauch gewachsen waren und wo in Zukunft Erweiterungen notwendig waren. Die nachsten Raumstationen sollten demnach auch eine Einrichtung haben, mit der Flussigkeiten in den Weltraum abgestoßen werden konnten, sowie Solarzellen und wissenschaftliche Instrumente, die sich automatisch zur Sonne oder zu einem anderen Ziel ausrichten. Außerdem waren eine bessere Steuerungseinheit und bessere Ruhemoglichkeiten fur die Besatzung notwendig.

Die nachsten drei Starts von Raumstationen erfolgten am 29. Juli 1972, am 3. April 1973 und am 11. Mai 1973, waren aber allesamt erfolglos.

Erst der Start von Saljut 3 ? einer Raumstation vom Typ Almaz ? am 24. Juni 1974 gluckte. Die Besatzung von Sojus 14 war die erste, die die Erweiterungen verwenden konnte.

Kamanin setzt sich zur Ruhe

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Der Leiter der Kosmonautenausbildung, Nikolai Kamanin , hatte schon vor dem Flug von Sojus 11 einen schweren Stand. Am 8. Juli trat er von seinem Amt zuruck. Sein Nachfolger wurde Wladimir Schatalow, der Kommandant der Missionen Sojus 4, 8 und 10.

Die anderen Kosmonauten

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Wahrend der Sojus-11-Mission hatte sich bereits die nachste Mannschaft darauf vorbereitet, mit Sojus 12 einen zweiten Aufenthalt auf Saljut 1 durchzufuhren. Diese Mannschaft bestand aus Alexei Leonow, Pjotr Kolodin und Nikolai Rukawischnikow . Sie entsprach bis auf Rukawischnikow, der Kubassow ersetzte, der ursprunglichen Mannschaft von Sojus 11. Rukawischnikow hatte zuvor als Spezialist des ZKBEM zur Besatzung von Sojus 10 gehort, die vergeblich versucht hatte, an Saljut anzukoppeln.

Als Mannschaft von Sojus 13 , dem Zubringerflug fur die dritte Besatzung von Saljut 1, waren Alexei Gubarew , Witali Sewastjanow und Anatoli Woronow vorgesehen. Es war allerdings unsicher, ob diese Mannschaft noch wahrend der Lebensdauer von Saljut 1 ins All hatte fliegen konnen.

Mit dem Tod der Besatzung von Sojus 11 wurden samtliche Planungen vorerst auf Eis gelegt.

Nach Wiederaufnahme der Raumfluge im September 1973 gab es bis zum Start von Sojus T-3 nur noch Besatzungen mit zwei statt drei Raumfahrern. Rukawischnikow kam erst im Dezember 1974 mit Sojus 16 zu seinem nachsten Raumflug, Gubarew flog im Januar 1975 mit Sojus 17 zu Saljut 4 , Sewastjanow im Mai 1975 mit Sojus 18 zum selben Ziel.

Der Verdacht auf Tuberkulose bei Kubassow bestatigte sich nicht. Er wurde wieder seinem Kommandanten Leonow zugeteilt. Sie nahmen im Juli 1975 mit Sojus 19 am Apollo-Sojus-Test-Projekt , dem ersten internationalen Raumflug, teil. Kolodin und Woronow kamen zu keinem Raumflug.

Commons : Soyuz 11  ? Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

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  1. a b Asif A. Siddiqi: Challenge to Apollo: The Soviet Union and the Space Race, 1945-1974 (=  The NASA history series . SP-4408). NASA, Washington 2000, ISBN 1-78039-301-6 , S.   776?777 (englisch, nasa.gov [PDF; 362,9   MB ; abgerufen am 6. Februar 2021]).
  2. Asif A. Siddiqi: Challenge to Apollo: The Soviet Union and the Space Race, 1945-1974 (=  The NASA history series . SP-4408). NASA, Washington 2000, ISBN 1-78039-301-6 , S.   780 (englisch, nasa.gov [PDF; 362,9   MB ; abgerufen am 6. Februar 2021]).
  3. Boris E. Chertok : The Moon Race . In: Asif Siddiqi (Hrsg.): Rockets and People (=  The NASA History Series . SP-4110). NASA, Washington 2011, ISBN 978-0-16-089559-3 , Kap.   16 , S.   400?401 (englisch, nasa.gov [PDF; 6,3   MB ; abgerufen am 6. Februar 2021] russisch: Лунная гонка . 1999.).
  4. a b Boris E. Chertok : The Moon Race . In: Asif Siddiqi (Hrsg.): Rockets and People (=  The NASA History Series . SP-4110). NASA, Washington 2011, ISBN 978-0-16-089559-3 , Kap.   16 , S.   403?404 (englisch, nasa.gov [PDF; 6,3   MB ; abgerufen am 6. Februar 2021] russisch: Лунная гонка . 1999.).