Sicherheitspolizei (Weimarer Republik)

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Berlin-Wedding, Polizei-Razzia (Bundesarchiv)
Berlin, Rot-Front-Kampfer-Tag (Bundesarchiv)

Die Sicherheitspolizei ( SiPo oder Sipo ) war eine paramilitarische deutsche Polizeitruppe, die Ende 1919 in den meisten Landern der Weimarer Republik aufgestellt und großtenteils vom Reich finanziert wurde. Sie war die erste deutsche kasernierte Polizeitruppe und Vorlauferin der heutigen Bereitschaftspolizei .

Aufstellung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Sicherheitspolizeien der Lander wurden Ende 1919 in den meisten deutschen Landern aufgestellt und waren Mitte 1920 einsatzbereit.

Angesichts der instabilen innenpolitischen Lage mit burgerkriegsahnlichen Zustanden, vor allem in der Reichshauptstadt Berlin, hielt Hauptmann Waldemar Pabst vom Garde-Kavallerie-Schutzen-Korps eine kasernierte und militarisch bewaffnete und ausgebildete Polizeitruppe fur notwendig. Sie sollte bei der Aufstandsbekampfung ein brauchbareres Werkzeug sein als die vorhandenen, aus der Monarchie ubernommenen Polizeikrafte. Ein entsprechendes Konzept sandte Pabst noch wahrend der Berliner Marzkampfe am 10. Marz 1919 an den Reichswehrminister Gustav Noske , der den Plan guthieß und gemeinsam mit Wolfgang Heine seine Verwirklichung forderte. [1] Die so geschaffene Polizeitruppe sollte nach dem Willen Noskes zugleich den Kern der neuen Reichswehr bilden. [2]

Am 8. September 1919 demonstrierten 2500 Beamte der Schutzpolizei aus ganz Deutschland mit dem Reichsverband der deutschen Polizei gegen den Aufbau der Sipo. [3]

Jagerpatrouille. Gemalde von Richard Knotel um 1910

Im Gegensatz zur herkommlichen Polizei im Einzeldienst, die in der Regel blaue Uniformen trug, wurde die Sipo auch nach ihrer Uniformfarbe die ?grune Polizei“ genannt. Die graugrune Uniform entsprach weitgehend der Uniform der Jagertruppe der Armee . Besonderes außeres Merkmal war der ebenfalls von den Jagern ubernommene Tschako als Kopfbedeckung.

Umwandlung und Neuorganisation [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Bereits im Laufe des Jahres 1920 wurden die Sicherheitspolizeien aufgrund franzosischer Proteste aufgelost und je nach Land entweder in die Schutzpolizei (Schupo; im Freistaat Preußen , Sachsen und Wurttemberg), Landespolizei, so die Bayerische Landespolizei im Freistaat Bayern oder Ordnungspolizei (Orpo; in Hamburg , Oldenburgische Ordnungspolizei im Freistaat Oldenburg , Lubeck , Anhalt, Baden, Mecklenburg-Schwerin) uberfuhrt. In Hessen wurde der Begriff Sicherheitspolizei beibehalten, in Mecklenburg-Strelitz wurde die Sicherheitspolizei in Staatspolizei umbenannt, in Thuringen der Terminus Landespolizei benutzt (ab 1931 auch Schutzpolizei), in der Republik Baden der Begriff Gruppenpolizei.

Die Dienstverhaltnisse regelte zunachst das Reichsgesetz uber die Schutzpolizei der Lander vom 17. Juli 1922, [4] das mit Gesetz vom 10. Juli 1926 wieder aufgehoben wurde. [5]

Frankreich befurchtete eine verdeckte Aufrustung und sah in der neuen Truppe eine Gefahrdung seiner nationalen Sicherheit. Die geplante Fliegerkomponente einiger Sicherheitspolizeien musste wieder aufgegeben werden, auch wurden Artillerie und Panzer untersagt. Ausdrucklich bestand Frankreich auf der Abschaffung der grunen Uniform, da diese durchaus zutreffend als Tarnbekleidung wahrgenommen wurde. Daraufhin wurde in den meisten Landern eine blaue Uniform (Preußen, Hamburg, Baden, Hessen, Thuringen, Oldenburg, Braunschweig, Lippe) eingefuhrt, nur Bayern, Wurttemberg, Mecklenburg und Bremen erhielten Rocke in dunkelgruner Farbe. Die Hosen waren meist schwarz oder schwarzblau. Besonders auffallig war die sachsische Variante mit einer recht hellen mittelblauen Farbung. Es dauerte allerdings teilweise Jahre, bis die Neu-Uniformierung abgeschlossen war, da erst die bereits angeschafften Uniformen fur die Sipo aufgebraucht werden mussten. Die Stahlhelme wurden in der Regel abgeschafft und erst um 1930 wieder ausgegeben. Die Begriffe ?Sipo“ und ?grune Polizei“ hielten sich im Volksmund, aber auch in Behorden noch bis zum Ende der kasernierten Polizeien der Lander 1935.

Starke, Ausbildung, Ausrustung und Bewaffnung [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Brandenburg an der Havel, Polizeischule (Bundesarchiv)
Schutzpolizei, Ubung (Bundesarchiv)

Personalstarke der Schutz- und Ordnungspolizeien 1929 (Die Gesamtzahlen ergeben sich aus der Einbeziehung der Starken der bundesstaatlichen Gendarmerien und der kommunalen Polizeien):

Land Schutz- oder Ordnungspolizei Anwarter Polizei insgesamt
Freistaat Preußen 52.905 2.016 91.177
Freistaat Bayern 9.131 Keine 13.549
Freistaat Sachsen 6.755 328 12.657
Volksstaat Wurttemberg 2.823 467 0 4.782
Republik Baden 3.327 124 0 4.988
Volksstaat Hessen 2.000 200 0 3.170
Hamburg 4.100 Keine 0 4.782
Bremen 2.086 100 0 2.345
Lubeck 431 16 518
Freistaat Oldenburg 375 20 555
Freistaat Mecklenburg-Schwerin 900 60 0 1.136
Freistaat Braunschweig 570 30 941
Freistaat Thuringen 1.094 175 0 2.804
Freistaat Anhalt 260 40 368
Freistaat Lippe 15 Keine 70

Die Ausbildung der Orpo/Schupo war paramilitarisch auf den so genannten Polizeikampf zugeschnitten, parallel wurden die Beamten jedoch auch auf eine Tatigkeit im Einzeldienst vorbereitet. In Hamburg und in der Stadt Oldenburg versahen die Beamten außerdem den großten Teil des Revierdienstes. Die Dienstzeit betrug, analog zur Reichswehr, 12 Jahre. Die Ubernahme in die Kommunalpolizei oder Gendarmerie war keineswegs garantiert, obwohl generell eine Ubernahme in den Verwaltungsdienst geplant war. Spatestens aber mit der Weltwirtschaftskrise von 1929 konnte dies nicht mehr realisiert werden, da alle Lander Personal einsparen mussten.

Polizei Sonderwagen Ehrhardt 21 um 1921

Die Ausrustung und Bewaffnung war vollig auf den Kampfeinsatz gegen schwer bewaffnete Aufstandische ausgelegt. Orpo/Schupo verfugten je nach Landergroße uber eine diverse Anzahl so genannter Sonderwagen , d. h. Polizeipanzer, mehrheitlich vom Modell Daimler DZVR 21 oder Ehrhardt/21 , die in der Regel mit zwei Turmen mit je einem Maschinengewehr ausgerustet waren. Maschinengewehre, Karabiner und Maschinenpistolen gehorten ebenso wie Handgranaten zur Ausrustung. Die gesamte Ausbildung, Ausrustung und Bewaffnung zielte auf eine burgerkriegsahnliche Verwendung sowohl in Großstadten als auch auf dem freien Land ab.

Einsatze [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Marzkampfe in Mitteldeutschland, Eisleben (Bundesarchiv)

Die wichtigsten Einsatze der Sicherheitspolizei bzw. ihrer Nachfolgeformationen waren der im Anschluss an den Kapp-Putsch ausgebrochene Ruhraufstand im Marz/April 1920, der mitteldeutsche Aufstand im Marz/April 1921 und der Hamburger Aufstand im Oktober 1923, die zum Teil von der KPD initiiert waren. Ab 1929 bis zur so genannten ?Machtergreifung“ der Nationalsozialisten waren die kasernierten Polizeien nahezu ununterbrochen im Einsatz zum Schutz oder der Auflosung von Demonstrationen und der Sicherung politischer Veranstaltungen.

Die Entwicklung ab 1933 [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Berlin, Absicherung einer Reichstagssitzung (Bundesarchiv)

Das nationalsozialistische Konzept des Volksstaats sah ursprunglich nur eine sehr schwache Polizei vor. Wie die Kommunisten sahen die Nationalsozialisten in den kasernierten Polizeien eine Art Pratorianergarde der demokratischen Parteien, vor allem der SPD in Preußen, die dort von 1919 bis 1932 ununterbrochen an der Regierung beteiligt war. [6] Außerdem war der Hitlerputsch am 9. November 1923 in Munchen durch das Eingreifen der bayerischen Landespolizei niedergeschlagen worden.

Mit der nationalsozialistischen Machtergreifung 1933 anderte sich diese Sicht. Im Zuge der von ihnen betriebenen Aufrustung der Wehrmacht erkannten die neuen Machthaber in den kasernierten, straff organisierten Polizeiverbanden einen willkommenes Reservoir an Ausrustung und erfahrenem Personal. Die entsprechenden Einheiten benannte man meist noch im Jahr 1933 in Landespolizei zuruck- oder um. Die deutschen Landespolizeien wurden ab Januar 1934 dem Reichsministerium des Inneren unterstellt und nun moglichst einheitlich organisiert. Im August 1934 wurde die Einfuhrung einer grunmelierten Uniform verfugt, die alten blauen konnten aber aufgetragen werden. Gleichzeitig sollten am Stahlhelm die Landeswappen entfallen und stattdessen auf der linken Seite ein Wappenschild in den Reichsfarben Schwarz-Weiß-Rot angebracht werden, auf der rechten Helmseite aber ein weißes, schwarz eingefasstes Hakenkreuz. [7]

Dem zum 1. Juni 1935 neu eingefuhrten Posten des Oberbefehlshaber des Heeres (bis dahin Chef der Heeresleitung ) wurde ein Kommando Landespolizei angegliedert. Mit Schreiben des OB Heer vom 20. Juni 1935 erhielten die Landespolizeibeamten unterhalb der Offiziersebene neue Dienstgradabzeichen nach dem Muster des Heeres (die Unterfuhrer Kragen und Schulterklappen mit Tressenbesatz und Rangsternen, die Mannschaften Armelwinkel). [8] Im Zuge der deutschen Aufrustung wurden die deutschen Landespolizeien zwischen 1934 und 1936 nach und nach in die Wehrmacht uberfuhrt. In Bayern geschah dieser Schritt am 15. Oktober 1935, mit der geschlossenen Ubernahme der Bayerischen Landespolizei in das Heer.

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Dienstvorschriften fur die badische Polizei . Teil V: Der polizeiliche Einsatz (Polizeitaktik) . Karlsruhe 1928.
  • Erwin B. Boldt: Die verschenkte Reform. Der Neuaufbau der Hamburger Polizei zwischen Weimarer Tradition und den Vorgaben der britischen Besatzungsmacht 1945?1955 . Lit, Munster u. a. 2002, ISBN 3-8258-5945-2 .
  • Lothar Danner : Ordnungspolizei Hamburg. Betrachtungen zu ihrer Geschichte 1919?1933 . Hamburg 1958.
  • Klaus Gietinger : ?Der Konterrevolutionar“ . Hamburg 2009, S. 167?170.
  • Heinrich Lankenau : Denkschrift aus Anlaß des 10-jahrigen Bestehens der Oldenburger Ordnungspolizei . Oldenburg 1929.
  • Peter Leßmann-Faust: Die preußische Schutzpolizei in der Weimarer Republik: Streifendienst und Straßenkampf . Verlag fur Polizeiwissenschaft, Frankfurt am Main 2012, ISBN 978-3-86676-196-4 .
  • Wilhelm Hartenstein : Der Kampfeinsatz der Schutzpolizei bei inneren Unruhen . Charlottenburg 1926.
  • Christian Knatz: ?Ein Heer im grunen Rock“? Der mitteldeutsche Aufstand 1921, die preußische Schutzpolizei und die Frage der inneren Sicherheit in der Weimarer Republik . Duncker & Humblot, Berlin 2000, ISBN 3-428-09898-6 .
  • Ingo Lohken: Polizei-Uniformen der Suddeutschen Staaten 1872?1932. Baden, Bayern, Hessen, Wurttemberg, Reichslande . Podzun-Pallas, Friedberg/H. 1988, ISBN 3-7909-0328-0
  • Ingo Lohken: Die Polizeiuniformen in Preußen 1866?1945. Monarchie. Weimarer Republik. Drittes Reich . Podzun-Pallas, Friedberg/H. 1988, ISBN 3-7909-0267-5
  • Hans-Joachim Neufeldt, Jurgen Huck , Georg Tessin: Zur Geschichte der Ordnungspolizei 1936?1945 . Bundesarchiv , Koblenz 1957 (als Manuskript gedruckt).
  • Erich Radecke: Polizei-Abzeichen. Helme ? Heraldik ? Historie . Teil 2: Zeitraum von 1918 bis 1945 . Soldi-Verlag, Hamburg 1993, ISBN 3-928028-50-2
  • Erich Radecke: Ordnungshuter 1919 bis 1939 in Deutschland. Bilder aus ihren privaten Fotoalben . Schardt, Oldenburg 1999, ISBN 3-933584-17-5
  • Ludwig Renn : Nachkrieg . Wien / Berlin 1930.
  • Helmut Rettinghaus: Erbe und Auftrag. Polizeireiterstaffeln Deutschland einst und heute. Geschichtliche Entwicklung der berittenen Polizei-Einheiten in Deutschland von 1600 bis zum heutigen Zeitpunkt . Rettinghaus, Langen (Hessen) 2010, ISBN 978-3-00-028355-0 .
  • Daniel Schmidt: Keine Kommissare. Preußische Polizeioffiziere zwischen soldatischem Selbstverstandnis und polizeilicher Professionalitat 1919 bis 1935 In: Militargeschichtliche Zeitschrift , Band 69, 2010, Nr. 1, S. 37?58.
  • Bernhard Schreiber: Die Sicherheitskrafte in der Republik Baden 1918?1933. Von der Volkswehr zur Einheitspolizei . Glottertal 2002, ISBN 978-3-00-009614-3 .
  • Johannes Schwarze: Die bayerische Polizei und ihre historische Funktion bei der Aufrechterhaltung der offentlichen Sicherheit in Bayern von 1919?1933 . Wolfle, Munchen 1977, ISBN 3-87913-081-7 .
  • Georg Tessin : Deutsche Verbande und Truppen 1918?1939. Altes Heer. Freiwilligenverbande. Reichswehr. Heer. Luftwaffe. Landespolizei. Osnabruck 1974.
  • Hellmuth Witt: Erganzungen Lothar Danner: Ordnungspolizei Hamburg . Hamburg 1985.
  • Siegfried Zaika : Polizeigeschichte: Die Exekutive im Lichte der bisherigen Konfliktforschung: Untersuchungen uber die Theorie und Praxis der preußischen Schutzpolizei in der Weimarer Republik zur Verhinderung und Bekampfung innerer Unruhen . Lubeck 1979.

Weblinks [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Klaus Gietinger: Der Konterrevolutionar . Hamburg 2009, S. 167?169.
  2. Klaus Gietinger: Der Konterrevolutionar . Hamburg 2009, S. 168.
  3. Klaus Gietinger: Der Konterrevolutionar . Hamburg 2009, S. 169.
  4. ONB-ALEX - Deutsches Reichsgesetzblatt Teil I 1867-1945. In: alex.onb.ac.at. Abgerufen am 13. August 2022 .
  5. ONB-ALEX - Deutsches Reichsgesetzblatt Teil I 1867-1945. In: alex.onb.ac.at. Abgerufen am 13. August 2022 .
  6. Zum Begriff Pratorianergarde vgl. Leßmann-Faust: Die preußische Schutzpolizei . S. 70.
  7. Lohken (1988), S. 108?109
  8. Lohken (1988), S. 109