Seerepubliken
ist der Sammelname fur eine Anzahl von
Stadtstaaten
, die eine Blutezeit im
Mittelalter
in
Italien
und
Dalmatien
erlebten und eine Rolle als
Seemacht
(
Thalassokratie
) im
Mittelmeerraum
spielten. Ihr Wohlstand basierte vor allem auf dem Orienthandel. Ihre Bedeutung sank, als sich vom 15. Jahrhundert an infolge der europaischen
Entdeckungsreisen
die eintraglichsten Handelswege auf andere Kontinente verlagerten. Nicht alle Seerepubliken waren
Republiken
im Sinne einer nicht-monarchischen Staatsform.
Im Allgemeinen versteht man unter den Seerepubliken die
Republik Amalfi
, die
Republik Genua
, die
Republik Pisa
und die
Republik Venedig
. Die Flaggen dieser vier Seerepubliken erscheinen seit 1946 sowohl in der Flagge der
italienischen Kriegsmarine
als auch der
Handelsmarine
.
Weitere Seerepubliken waren
Ancona
,
[1]
Gaeta
,
[2]
Noli
[3]
und in
Dalmatien
die
Republik Ragusa
.
[4]
[5]
Die Seerepubliken waren in der Regel Stadtstaaten, die Territorien um die Grunderstadt herum und in weiteren Kustengegenden des Mittelmeers regierten und unabhangig von den damals in Europa dominierenden Machten waren. Die meisten gingen aus dem
Byzantinischen Reich
hervor, mit Ausnahme von Genua und Pisa, die sich aus dem Herrschaftsraum des
Heiligen Romischen Reiches
losten. Die meisten der Republiken unterhielten Stutzpunkte am Mittelmeer und
Schwarzen Meer
, vor allem auf
Sardinien
und
Korsika
, im Nahen Osten und Nordafrika, wahrend das westliche Mittelmeer meist unter dem Einfluss Spaniens und Nordafrikas stand.
Der Gewurzhandel, insbesondere mit Gewurzen aus
Asien
, war im
Mittelalter
ein eintragliches Geschaft, auf dem sich der Reichtum arabischer Staaten und der italienischen Seerepubliken grundete. Gewurze waren ein wertvolles Luxusgut, das nicht allein bei der Bereitung von Speisen, sondern auch als Grundlage von
Arzneimitteln
verwendet wurde.
Uber die Seerepubliken gelangten nicht nur seltene Waren nach Europa, sondern auch Nachrichten und Wissen aus fernen Landern, darunter auch neue kunstlerische Ideen. Zudem waren die Republiken fuhrend in der Innovation der Seefahrtstechnik und der
Kartographie
. Die meisten europaischen Landkarten, die aus dem 14. und 15. Jahrhundert uberliefert sind, stammen aus den kartographischen Schulen Genuas, Venedigs und Anconas (
Portolan
)
[6]
.
- Christoph Kolumbus
? war ein genuesischer Seefahrer in kastilischem Dienst, der 1492
Amerika entdeckte
.
- Leonardo Fibonacci
? ein Mathematiker und Reisender von Pisa, war mit den arabisch-indischen Zahlen inklusive der
Null
vertraut, fuhrte diese 1202 mit seinem Werk
Liber abaci
ein.
- Sebastiano Caboto
? war ein aus Venedig stammender Entdecker und Kartograph. Bekannt ist er heute vor allem fur die in seinem Auftrag gedruckte Weltkarte.
- Giovanni Caboto
? von Genua, Gaeta oder
Chioggia
. Er gilt, nach den
Wikingern
, als erster europaischer Entdecker, der das nordamerikanische Festland erreichte.
- Marco Polo
? venezianischer Handler, Reisender und Schriftsteller, ist beruhmt fur seine Reise nach China.
- Cyriacus von Ancona
? war ein Humanist und Reisender, der Vorlaufer der modernen
klassischen Archaologie
und als einer der ersten Epigraphiker.
- Lancelotto Malocello
? war ein aus der Republik Genua stammender Entdeckungsreisender; er richtete einen Handelsstutzpunkt auf der kanarischen Insel
Lanzarote
ein.
Vom 10. bis zum 13. Jahrhundert bauten diese Staaten Flotten auf, die einerseits ihrem eigenen Schutz dienten, andererseits eine herausragende Rolle im Mittelmeerhandel sowie als Transportflotten wahrend der
Kreuzzuge
spielten. Die Seerepubliken konkurrierten untereinander, schlossen wechselnde Koalitionen und fuhrten gegeneinander Kriege. Die Seerepubliken waren in besonderem Maße von dieser Konkurrenzsituation betroffen und gestalteten die Politik in Europa und im Nahen Osten aktiv mit.
Der Aufstieg des Herzogtums Amalfi begann bereits in der zweiten Halfte des 10. Jahrhunderts. Wahrend des
Ersten Kreuzzuges
im Jahr 1096 etablierte sich das Herzogtum zusammen mit den anderen Seestadten als wirtschaftliche Macht in
Agypten
, wohin sie Sklaven, Eisen und Holz gegen Gold tauschten, das sie dort sowie in der
Levante
und in
Konstantinopel
gegen Seide, Alaun, Purpur und Baumwolle eintauschten
[7]
.
Nach und nach konnte so ein großes Handelsnetz im Mittelmeerraum entstehen (siehe Karten).
Im Jahr 1073 verlor Amalfi seine Unabhangigkeit und fiel an die
Normannen
.
Robert Guiskard
nahm den Titel
dux Amalfitanorum
an. Zwei Aufstande zu Wiedererlangung der Unabhangigkeit (1096?1101) und (1130?1131) scheiterten. Mit der Plunderung der Stadt 1135 und 1137 durch Pisa endete die große Zeit Amalfis. In den folgenden Jahrhunderten konnte es Amalfi nicht mehr gelingen, zu altem Wohlstand zuruckzufinden.
Die Blutezeit der Republik Genua nahm ihren Anfang im 11. Jahrhundert mit der Vertreibung der Araber von
Sardinien
, die gemeinsam mit Pisa durchgefuhrt wurde. Durch die
Kreuzzuge
erlangte auch Genua wesentliche wirtschaftliche und politische Macht und sicherte sich durch Nachschublieferungen fur die Kreuzfahrer auf dem Seeweg nach
Antiochia
schon bald erste
Handelsprivilegien
in der Levante.
[8]
Den ehemaligen Bundnispartner und mittlerweile großen Konkurrenten Pisa konnte Genua in einem Krieg (1118?1133) besiegen und sich auf den Machtkampf mit dem letzten großen Konkurrenten Venedig konzentrieren. Mit dem
Abkommen von Nymphaion
1261
[9]
und dem Ende des
Lateinischen Kaiserreichs Konstantinopel
konnten die Genueser neben ihren Kolonien und Stutzpunkten in
Sale
,
Spanien
,
Zypern
und der
Levante
auch Stutzpunkte und Handelszentren im Schwarzen Meer ansteuern, was der Republik enorme Vorteile und Moglichkeiten einbrachte.
[10]
Mit Venedig verband Genua eine Jahrhunderte wahrende Konkurrenz, die schließlich nach vier Seekriegen im
Chioggia-Krieg
durch die endgultige Niederlage Genuas 1381 ihr Ende fand.
[11]
1796 besetzte
Napoleon Bonaparte
Genua und grundete ein Jahr spater die
Ligurische Republik
.
Auch die Republik Pisa zog großen Nutzen aus dem Ersten Kreuzzug und konnte Handelszentren an der Levantekuste errichten.
Nach der gemeinsam mit Genua gemeisterten Vertreibung der Araber von Sardinien
[8]
jedoch sah die Republik ihre Stellung durch die anderen Seestadte bedroht.
Pisa gelang es zwar letztendlich mit dem Jahre 1137, Amalfi niederzuringen, doch die Konkurrenz mit Genua blieb bedrohlich.
Nach der Niederlage gegen Genua im Jahre 1133 ging langsam auch Pisas Blutezeit zu Ende. Auch gegen Florenz fuhrte Pisa bis ins Jahr 1259 hinein Kriege, was die Republik zusatzlich schwachte. Den finalen Schlag versetzte Genua Pisa in der
Schlacht von Meloria
1284, nach der sich Pisa nicht mehr richtig erholen konnte.
1509 lagerte Florenz mit seinen Truppen auf drei Seiten der bedrangten Stadt, die schließlich aufgrund der Hungersnot am 8. Juni 1509 kapitulieren musste. Von da an blieben die Florentiner die Herren uber Pisa.
Der Aufstieg der Republik Venedig zur Großmacht begann, ahnlich wie bei den anderen Seerepubliken, um das Jahr 1000. Als eine der letzten am Ersten Kreuzzug teilnehmenden italienischen Seestadte bekam Venedig bereits fruh die Macht der konkurrierenden Seerepubliken zu spuren. Neben Konflikten mit Pisa wurde bald Genua zum Hauptgegner im Rennen um Kolonien und Handelsstutzpunkte im ostlichen Mittelmeer. Mit der Unterstutzung des
Vierten Kreuzzugs
und der Errichtung des
Lateinischen Kaiserreichs
1204 baute Venedig seine Vormachtstellung im Mittelmeerraum jedoch deutlich aus.
[12]
Erst mit dem Zusammenbruch des Kaiserreichs 1261 wurde Venedig wieder zugunsten Genuas aus dem Bereich des Schwarzen Meeres verdrangt. Es folgten vier Seekriege, in denen sich Venedig und Genua gegenseitig stark schwachten. Mit dem Sieg Venedigs uber Genua im
Chioggia-Krieg
1381 konnte Venedig sich endgultig durchsetzen. Die Bedeutung der Serenissima als Handelsgroßmacht ging in der Fruhen Neuzeit jedoch, angesichts der Erschließung neuer Handelsrouten nach Westen und des Bedeutungsverlusts der venezianischen Kolonien und Stutzpunkte im Mittelmeerraum und der Levante, immer mehr zuruck.
Im Vertrag von
Campoformio
vom 17. Oktober 1797 fielen dann
Venetien
,
Dalmatien
und
Istrien
als
Herzogtum Venedig
an
Osterreich
, die
Republik der Ionischen Inseln
an Frankreich. Am 18. Januar 1798 begann mit dem Einzug seiner Truppen die Besatzung der Stadt durch die
Habsburgermonarchie
.
Gegen Ende des 11. Jh. war Ancona ein freier Stadtstaat und wetteiferte mit den ubrigen Seerepubliken. Die Republik Ancona war mit der
Republik Ragusa
und dem
Byzantinischen Reich
verbundet. Die Stadt konkurrierte mit der Republik von Venedig, die freie Hafen in der
Adria
nicht akzeptierte.
Ancona hatte Einlagen und Konsulate in
Konstantinopel
,
Alexandria
,
Kleinasien
,
Zypern
,
Tripolis
,
Spanien
und in den
Agaischen Inseln
.
Im Jahr 1173 wurde Ancona von
Christian I. von Buch
belagert,
Erzbischof
von
Mainz
und
Erzkanzler
des
Heiligen Romischen Reiches
. Die kaiserliche Armee war mit der
Republik Venedig
verbundet. Ancona uberstand die Belagerung erfolgreich nach Monaten des Widerstandes. Nach der Belagerung setzte eine wirtschaftliche und kulturelle Blutezeit ein. Grundlage war der Seehandel mit dem ostlichen
Mittelmeer
und dem
Schwarzen Meer
. In dieser Zeit wurden offentliche Gebaude und Kirchen erbaut.
Im Jahr 1532 ging die Stadt an den
Kirchenstaat
uber: Papst
Clemens VII.
nutzte die neu errichtete Zitadelle zur Sicherung seiner Macht.
Mit dem Abstieg von
Byzanz
betrachtete die
Republik Venedig
den Stadtstaat zunehmend als Rivalen und versuchte, die Stadt im Jahr 948 zu erobern. Dieser Versuch scheiterte jedoch. Die Bewohner der Stadt glaubten, dass die Stadt vom heiligen
Blasius
gerettet worden sei, der seither als Schutzheiliger der Stadt verehrt wird.
Als die
Ungarn
1347 einen Versuch unternahmen, Venedig aus
Dalmatien
zu verdrangen und das Heer Konig
Ludwigs des Großen
dabei weit in die
Herzegowina
hinein vorstieß, unterstellte sich Ragusa der
Stephanskrone
. Im Jahr 1358 erkannte die Stadtrepublik die Oberhoheit des ungarisch-kroatischen Konigs an, behauptete aber eine weitgehende Selbstandigkeit.
1433 und 1458 schloss die Republik mit dem
Osmanischen Reich
ein Friedensabkommen und verpflichtete sich zu Tributzahlungen.
[13]
Daruber hinaus verpflichtete sie sich, Botschafter an den Hof des
Sultans
zu entsenden. Im Jahr 1481 kam die Stadt unter den Schutz des Osmanischen Reiches und verpflichtete sich im Gegenzug zu einer Tributzahlung von 12.500
Dukaten
. Dafur erhielten ihre Handelsschiffe die Erlaubnis, in das
Schwarze Meer
zu segeln, was anderen nichtosmanischen Schiffen verboten war. Der Stadtstaat wurde vom Osmanischen Reich gegenuber der Republik Venedig diplomatisch gestutzt. Im Gegenzug wurde Ragusa fur die Osmanen zu einem bedeutenden Handelshafen. Florentinische Waren wurden uber die Hafen von
Ancona
auf dem Seeweg nach Ragusa transportiert.
1806 endete die Republik von Ragusa; es trat in die
Illyrischen Provinzen
Frankreichs ein.
-
Karte venezianischer Handelsbeziehungen im Mittelalter
-
Venezianische Kolonien
-
Handelswege und Lagerhauser der Seerepublik Ragusa
-
Handelswege und Lagerhauser der Seerepublik Ancona
-
Handelsrouten der Republik Genua
-
Handelswege und Lagerhauser der Seerepublik Amalfi
-
Handelswege und Lagerhauser der Seerepublik Genua
-
Pfefferernte (
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ISBN 978-3-17-018474-9
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