Seerepubliken

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Bugflagge der italienischen Marine mit den Wappen der vier Seerepubliken,
von links oben im Uhrzeigersinn:
Venedig , Genua , Pisa , Amalfi
Karte mit den Namen der Grunderstadte der Seerepubliken und ihren Wappen
Italien um 1494. Die Seerepubliken Genua und Venedig hatten sich uber die Grunderstadt hinaus zu Territorialstaaten entwickelt, die im italienischen Staatensystem eine mit dem Kirchenstaat, Mailand, Neapel etc. vergleichbare Rolle spielten

Seerepubliken ist der Sammelname fur eine Anzahl von Stadtstaaten , die eine Blutezeit im Mittelalter in Italien und Dalmatien erlebten und eine Rolle als Seemacht ( Thalassokratie ) im Mittelmeerraum spielten. Ihr Wohlstand basierte vor allem auf dem Orienthandel. Ihre Bedeutung sank, als sich vom 15. Jahrhundert an infolge der europaischen Entdeckungsreisen die eintraglichsten Handelswege auf andere Kontinente verlagerten. Nicht alle Seerepubliken waren Republiken im Sinne einer nicht-monarchischen Staatsform.

Seekarte von Grazioso Benincasa aus der Kartographischen Schule von Ancona
Bedeutende Handelswege in Asien im Mittelalter

Im Allgemeinen versteht man unter den Seerepubliken die Republik Amalfi , die Republik Genua , die Republik Pisa und die Republik Venedig . Die Flaggen dieser vier Seerepubliken erscheinen seit 1946 sowohl in der Flagge der italienischen Kriegsmarine als auch der Handelsmarine .

Weitere Seerepubliken waren Ancona , [1] Gaeta , [2] Noli [3] und in Dalmatien die Republik Ragusa . [4] [5]

Die Seerepubliken waren in der Regel Stadtstaaten, die Territorien um die Grunderstadt herum und in weiteren Kustengegenden des Mittelmeers regierten und unabhangig von den damals in Europa dominierenden Machten waren. Die meisten gingen aus dem Byzantinischen Reich hervor, mit Ausnahme von Genua und Pisa, die sich aus dem Herrschaftsraum des Heiligen Romischen Reiches losten. Die meisten der Republiken unterhielten Stutzpunkte am Mittelmeer und Schwarzen Meer , vor allem auf Sardinien und Korsika , im Nahen Osten und Nordafrika, wahrend das westliche Mittelmeer meist unter dem Einfluss Spaniens und Nordafrikas stand.

Der Gewurzhandel, insbesondere mit Gewurzen aus Asien , war im Mittelalter ein eintragliches Geschaft, auf dem sich der Reichtum arabischer Staaten und der italienischen Seerepubliken grundete. Gewurze waren ein wertvolles Luxusgut, das nicht allein bei der Bereitung von Speisen, sondern auch als Grundlage von Arzneimitteln verwendet wurde.

Uber die Seerepubliken gelangten nicht nur seltene Waren nach Europa, sondern auch Nachrichten und Wissen aus fernen Landern, darunter auch neue kunstlerische Ideen. Zudem waren die Republiken fuhrend in der Innovation der Seefahrtstechnik und der Kartographie . Die meisten europaischen Landkarten, die aus dem 14. und 15. Jahrhundert uberliefert sind, stammen aus den kartographischen Schulen Genuas, Venedigs und Anconas ( Portolan ) [6] .

Bedeutende Navigatoren und Reisende der Seerepubliken

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Geschichte der Seerepubliken

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Miniatur aus dem Buch ? Il Milione “ von Marco Polo

Vom 10. bis zum 13. Jahrhundert bauten diese Staaten Flotten auf, die einerseits ihrem eigenen Schutz dienten, andererseits eine herausragende Rolle im Mittelmeerhandel sowie als Transportflotten wahrend der Kreuzzuge spielten. Die Seerepubliken konkurrierten untereinander, schlossen wechselnde Koalitionen und fuhrten gegeneinander Kriege. Die Seerepubliken waren in besonderem Maße von dieser Konkurrenzsituation betroffen und gestalteten die Politik in Europa und im Nahen Osten aktiv mit.

Republik VenedigRepublik RagusaRepublik PisaRepublik GenuaGaetaRepublik AnconaRepublik Amalfi
Flagge
Kathedrale von Amalfi

Der Aufstieg des Herzogtums Amalfi begann bereits in der zweiten Halfte des 10. Jahrhunderts. Wahrend des Ersten Kreuzzuges im Jahr 1096 etablierte sich das Herzogtum zusammen mit den anderen Seestadten als wirtschaftliche Macht in Agypten , wohin sie Sklaven, Eisen und Holz gegen Gold tauschten, das sie dort sowie in der Levante und in Konstantinopel gegen Seide, Alaun, Purpur und Baumwolle eintauschten [7] .

Nach und nach konnte so ein großes Handelsnetz im Mittelmeerraum entstehen (siehe Karten).

Im Jahr 1073 verlor Amalfi seine Unabhangigkeit und fiel an die Normannen . Robert Guiskard nahm den Titel dux Amalfitanorum an. Zwei Aufstande zu Wiedererlangung der Unabhangigkeit (1096?1101) und (1130?1131) scheiterten. Mit der Plunderung der Stadt 1135 und 1137 durch Pisa endete die große Zeit Amalfis. In den folgenden Jahrhunderten konnte es Amalfi nicht mehr gelingen, zu altem Wohlstand zuruckzufinden.

Flagge
Kathedrale von Genua

Die Blutezeit der Republik Genua nahm ihren Anfang im 11. Jahrhundert mit der Vertreibung der Araber von Sardinien , die gemeinsam mit Pisa durchgefuhrt wurde. Durch die Kreuzzuge erlangte auch Genua wesentliche wirtschaftliche und politische Macht und sicherte sich durch Nachschublieferungen fur die Kreuzfahrer auf dem Seeweg nach Antiochia schon bald erste Handelsprivilegien in der Levante. [8] Den ehemaligen Bundnispartner und mittlerweile großen Konkurrenten Pisa konnte Genua in einem Krieg (1118?1133) besiegen und sich auf den Machtkampf mit dem letzten großen Konkurrenten Venedig konzentrieren. Mit dem Abkommen von Nymphaion 1261 [9] und dem Ende des Lateinischen Kaiserreichs Konstantinopel konnten die Genueser neben ihren Kolonien und Stutzpunkten in Sale , Spanien , Zypern und der Levante auch Stutzpunkte und Handelszentren im Schwarzen Meer ansteuern, was der Republik enorme Vorteile und Moglichkeiten einbrachte. [10]

Mit Venedig verband Genua eine Jahrhunderte wahrende Konkurrenz, die schließlich nach vier Seekriegen im Chioggia-Krieg durch die endgultige Niederlage Genuas 1381 ihr Ende fand. [11]

1796 besetzte Napoleon Bonaparte Genua und grundete ein Jahr spater die Ligurische Republik .

Flagge
Dom und Schiefer Turm von Pisa

Auch die Republik Pisa zog großen Nutzen aus dem Ersten Kreuzzug und konnte Handelszentren an der Levantekuste errichten.

Nach der gemeinsam mit Genua gemeisterten Vertreibung der Araber von Sardinien [8] jedoch sah die Republik ihre Stellung durch die anderen Seestadte bedroht.

Pisa gelang es zwar letztendlich mit dem Jahre 1137, Amalfi niederzuringen, doch die Konkurrenz mit Genua blieb bedrohlich.

Nach der Niederlage gegen Genua im Jahre 1133 ging langsam auch Pisas Blutezeit zu Ende. Auch gegen Florenz fuhrte Pisa bis ins Jahr 1259 hinein Kriege, was die Republik zusatzlich schwachte. Den finalen Schlag versetzte Genua Pisa in der Schlacht von Meloria 1284, nach der sich Pisa nicht mehr richtig erholen konnte.

1509 lagerte Florenz mit seinen Truppen auf drei Seiten der bedrangten Stadt, die schließlich aufgrund der Hungersnot am 8. Juni 1509 kapitulieren musste. Von da an blieben die Florentiner die Herren uber Pisa.

Flagge
Markusdom

Der Aufstieg der Republik Venedig zur Großmacht begann, ahnlich wie bei den anderen Seerepubliken, um das Jahr 1000. Als eine der letzten am Ersten Kreuzzug teilnehmenden italienischen Seestadte bekam Venedig bereits fruh die Macht der konkurrierenden Seerepubliken zu spuren. Neben Konflikten mit Pisa wurde bald Genua zum Hauptgegner im Rennen um Kolonien und Handelsstutzpunkte im ostlichen Mittelmeer. Mit der Unterstutzung des Vierten Kreuzzugs und der Errichtung des Lateinischen Kaiserreichs 1204 baute Venedig seine Vormachtstellung im Mittelmeerraum jedoch deutlich aus. [12] Erst mit dem Zusammenbruch des Kaiserreichs 1261 wurde Venedig wieder zugunsten Genuas aus dem Bereich des Schwarzen Meeres verdrangt. Es folgten vier Seekriege, in denen sich Venedig und Genua gegenseitig stark schwachten. Mit dem Sieg Venedigs uber Genua im Chioggia-Krieg 1381 konnte Venedig sich endgultig durchsetzen. Die Bedeutung der Serenissima als Handelsgroßmacht ging in der Fruhen Neuzeit jedoch, angesichts der Erschließung neuer Handelsrouten nach Westen und des Bedeutungsverlusts der venezianischen Kolonien und Stutzpunkte im Mittelmeerraum und der Levante, immer mehr zuruck.

Im Vertrag von Campoformio vom 17. Oktober 1797 fielen dann Venetien , Dalmatien und Istrien als Herzogtum Venedig an Osterreich , die Republik der Ionischen Inseln an Frankreich. Am 18. Januar 1798 begann mit dem Einzug seiner Truppen die Besatzung der Stadt durch die Habsburgermonarchie .

Flagge
Dom von Ancona

Gegen Ende des 11. Jh. war Ancona ein freier Stadtstaat und wetteiferte mit den ubrigen Seerepubliken. Die Republik Ancona war mit der Republik Ragusa und dem Byzantinischen Reich verbundet. Die Stadt konkurrierte mit der Republik von Venedig, die freie Hafen in der Adria nicht akzeptierte.

Ancona hatte Einlagen und Konsulate in Konstantinopel , Alexandria , Kleinasien , Zypern , Tripolis , Spanien und in den Agaischen Inseln .

Im Jahr 1173 wurde Ancona von Christian I. von Buch belagert, Erzbischof von Mainz und Erzkanzler des Heiligen Romischen Reiches . Die kaiserliche Armee war mit der Republik Venedig verbundet. Ancona uberstand die Belagerung erfolgreich nach Monaten des Widerstandes. Nach der Belagerung setzte eine wirtschaftliche und kulturelle Blutezeit ein. Grundlage war der Seehandel mit dem ostlichen Mittelmeer und dem Schwarzen Meer . In dieser Zeit wurden offentliche Gebaude und Kirchen erbaut.

Im Jahr 1532 ging die Stadt an den Kirchenstaat uber: Papst Clemens VII. nutzte die neu errichtete Zitadelle zur Sicherung seiner Macht.

Flagge
Rektorenpalast

Mit dem Abstieg von Byzanz betrachtete die Republik Venedig den Stadtstaat zunehmend als Rivalen und versuchte, die Stadt im Jahr 948 zu erobern. Dieser Versuch scheiterte jedoch. Die Bewohner der Stadt glaubten, dass die Stadt vom heiligen Blasius gerettet worden sei, der seither als Schutzheiliger der Stadt verehrt wird.

Als die Ungarn 1347 einen Versuch unternahmen, Venedig aus Dalmatien zu verdrangen und das Heer Konig Ludwigs des Großen dabei weit in die Herzegowina hinein vorstieß, unterstellte sich Ragusa der Stephanskrone . Im Jahr 1358 erkannte die Stadtrepublik die Oberhoheit des ungarisch-kroatischen Konigs an, behauptete aber eine weitgehende Selbstandigkeit.

1433 und 1458 schloss die Republik mit dem Osmanischen Reich ein Friedensabkommen und verpflichtete sich zu Tributzahlungen. [13] Daruber hinaus verpflichtete sie sich, Botschafter an den Hof des Sultans zu entsenden. Im Jahr 1481 kam die Stadt unter den Schutz des Osmanischen Reiches und verpflichtete sich im Gegenzug zu einer Tributzahlung von 12.500 Dukaten . Dafur erhielten ihre Handelsschiffe die Erlaubnis, in das Schwarze Meer zu segeln, was anderen nichtosmanischen Schiffen verboten war. Der Stadtstaat wurde vom Osmanischen Reich gegenuber der Republik Venedig diplomatisch gestutzt. Im Gegenzug wurde Ragusa fur die Osmanen zu einem bedeutenden Handelshafen. Florentinische Waren wurden uber die Hafen von Ancona auf dem Seeweg nach Ragusa transportiert.

1806 endete die Republik von Ragusa; es trat in die Illyrischen Provinzen Frankreichs ein.

Karten der Seewege und Handelszentren

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  • Gino Benvenuti: Le Repubbliche Marinare. Amalfi, Pisa, Genova, Venezia. La Nascita, le Vittorie, le Lotte e il Tramonto delle gloriose Citta-Stato che dal Medioevo al XVIII Secolo dominarono il Mediterraneo (= Quest’Italia. Collana di storia, arte e folclore. Vol. 143, ZDB -ID 433075-4 ), Newton Compton, Rom 1989.
  • Heymann Chone: Die Handelsbeziehungen Kaiser Friedrichs II. zu den Seestadten Venedig, Pisa, Genua. Berlin 1902.
  • Peter Feldbauer, Gottfried Liedl, John Morrissey: Venedig 800?1600. Die Serenissima als Weltmacht. Mandelbaum-Verlag, Wien 2010, ISBN 978-3-85476-348-2 .
  • Arsenio Frugoni: Le Repubbliche Marinare (= ERI classe unica. Vol. 13). ERI, Turin 1958.
  • Paolo Gianfaldoni: Le antiche Repubbliche marinare. Le origini, la storia, le regate (= CDGuide 11). CLD, Fornacette di Calcinaia 2001, ISBN 88-87748-36-5 .
  • Hans-Jorg Gilomen : Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters. Munchen 2014.
  • Arne Karsten : Geschichte Venedigs. Munchen 2012.
  • Hermann Kinder, Werner Hilgemann : dtv-Atlas Weltgeschichte. Band 1: Von den Anfangen bis zur Franzosischen Revolution. Munchen 2007.
  • Armando Lodolini: Le Repubbliche del mare. Ente per la diffusione e l’educazione storica, Rom 1963.
  • Manfred Pittioni: Genua ? die versteckte Weltmacht. Mandelbaum-Verlag, Wien 2011, ISBN 978-3-85476-349-9 .
  • Volker Reinhardt : Die Renaissance in Italien. Geschichte und Kultur. Munchen 2012.

Einzelnachweise

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  1. Joachim-Felix Leonhard : Die Seestadt Ancona im Spatmittelalter: Politik u. Handel , Niemeyer, Tubingen 1983
  2. Lazio guida rossa del Touring Club Italiano. Touring Editore, 1981, S. 743.
  3. Anne Conway, Giuliana Manganelli: Liguria: una magica finestra sul Mediterraneo. White Star, 1999.
  4. Croazia. Zagabria e le citta d’arte. Istria, Dalmazia e le isole. I grandi parchi nazionali. Touring Editore, 2004.
  5. Christa Poppelmann: Allgemeinbildung Weltgeschichte fur Dummies. Wiley-VCH, Weinheim 2017. online
  6. Konrad Kretschmer : Die italienischen Portolane des Mittelalters: ein Beitrag zur Geschichte der Kartographie und Nautik . Nachdruck der Ausgabe Berlin 1909, Hildesheim 1962.
  7. Hans-Jorg Gilomen: Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters. Munchen 2014, S. 84 f.
  8. a b Hans-Jorg Gilomen: Wirtschaftsgeschichte des Mittelalters. Munchen 2014, S. 85.
  9. Manfred Pittioni: Genua ? die versteckte Weltmacht. Wien 2011, S. 46.
  10. Manfred Pittioni: Genua ? die versteckte Weltmacht. Wien 2011, S. 50 ff.
  11. Hermann Kinder, Werner Hilgemann: dtv-Atlas Weltgeschichte. Band 1. Munchen 2007. S. 183.
  12. Arne Karsten: Geschichte Venedigs. Munchen 2012. S. 32 ff.
  13. Heinz Kramer, Maurus Reinkowski: Die Turkei und Europa: eine wechselhafte Beziehungsgeschichte . W. Kohlhammer Verlag, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-17-018474-9 , S. 55 (eingeschrankte Vorschau in der Google-Buchsuche).