Rudolf Schleiden
Rudolf Schleiden
bzw.
Rudolph Schleiden
(*
22. Juli
1815
auf
Gut Ascheberg
bei
Plon
; †
25. Februar
1895
in
Freiburg im Breisgau
) war ein deutscher Verwaltungsjurist. Wie viele deutsche Beamte diente er der
Krone Danemark
im
Herzogtum Schleswig
und im
Herzogtum Holstein
. In der
Schleswig-Holsteinischen Erhebung
trat er in den diplomatischen Dienst der
Provisorischen Regierung (Schleswig-Holstein)
. Spater war er hanseatischer
Ministerresident
in
Washington D.C.
und
London
. Vor und nach der
Deutschen Reichsgrundung
saß er im Reichstag.
Schleidens Vater war der Kaufmann und Gutsbesitzer Christian Schleiden. Die Mutter war die Malerind
Elise Schleiden
und seine Schwester die Malerin
Angelika von Woringen
, die mit dem Juristen und Hochschullehrer
Franz von Woringen
verheiratet war. Seine Eltern zogen nach der Heirat 1806 nach Bremen. Weil die Geschafte infolge der
Kontinentalsperre
nicht florierten, erwarb der Vater 1810/11 das Gut Ascheberg bei Plon. 1825 musste der Vater das Gut wieder verkaufen. Der Vater nahm eine kaufmannische Stellung beim
Deutsch-Amerikanischen Bergwerksverein
in
Elberfeld
an. Fur die Firma arbeitete er mehrere Jahre in
Mexiko
. Die Familie zog zuruck nach Bremen. Hier begann Rudolfs Schulzeit. Nach der Ruckkehr des Vaters lebte die Familie ab 1828 wieder in Elberfeld, wo Rudolf 1834 am spateren
Wilhelm-Dorpfeld-Gymnasium
das Abitur ablegte. Zwei Jahre zuvor war sein Vater auf einer Dienstreise im Ausland an
Typhus
gestorben.
Mit Hilfe eines alteren Bruders begann Schleide an der
Christian-Albrechts-Universitat zu Kiel
Rechtswissenschaft
und
Kameralwissenschaft
zu studieren. 1838 gehorte er zu den Grundern des
Corps Saxonia Kiel
(das sich zehn Jahre spater im Schleswig-Holsteinischen Krieg verausgabte).
[1]
Als
Inaktiver
wechselte er an die
Friedrich-Wilhelms-Universitat Berlin
, die
Universitat Jena
und die
Georg-August-Universitat Gottingen
. Dort war
Friedrich Christoph Dahlmann
Freund der Familie. Seine Absetzung als einer der
Gottinger Sieben
erlebte er unmittelbar mit. Zum Abschluss des Studiums ging er zuruck nach Kiel. Da er sich (vor dem Examen) an einem
Pistolenduell
beteiligt hatte, wurde er zu zwei Jahren
Festungshaft
verurteilt.
Christian VIII.
begnadigte ihn nach seiner
Kronung
.
Schleiden bestand 1840 das
Staatsexamen
und wurde Amtssekretar in
Reinbek
. Danach wechselte er nach
Kopenhagen
als Hilfsarbeiter in der Generalzollkammer und im Commerzcollegium. Schleiden wurde bald mit wichtigen Aufgaben wie der Inspektion der Zollanstalten in Schleswig und Holstein betraut und danach studierte er das Eisenbahn- und Zollwesen in einigen Staaten des
Deutschen Bundes
,
Belgiens
,
Hollands
und
Frankreichs
. Nach der Ruckkehr 1845 trug er seine Eindrucke dem Konig vor. Daraufhin wurde er zum zweiten Chef fur das gesamte Zoll- und Handelswesen der Herzogtumer befordert. Im Jahr 1846 wurde er zum Geheimen Justizrat ernannt. Als sich in Danemark immer starker eine eher zentralstaatliche Tendenz durchsetzte, trat Schleiden weiter fur die alten Rechte der Herzogtumer Schleswig und Holstein ein. In der Folge kam es zu Konflikten mit seinen Vorgesetzten. Noch schwieriger wurde die Lage nach der Thronbesteigung von
Friedrich VII.
und der Revolution in Kopenhagen im Marz 1848. Schleiden legte seine Amter nieder und ging wie viele deutsche Beamte in danischen Diensten nach Kiel.
Schleiden stellte sich der provisorischen Regierung von Schleswig-Holstein in
Rendsburg
zur Verfugung. Er wurde als Diplomat nach Hannover entsandt, um dort um militarische Hilfe zu bitten. Danach reiste er als Vertreter der Herzogtumer als Mitglied des
Vorparlaments
in Frankfurt. Ihm gelang es bereits in der zweiten Sitzung, die Aufnahme des Herzogtums Schleswig in den Deutschen Bund durchzusetzen. Schleiden gehorte in der Folge auch dem
Funfzigerausschuss
an. Mitte Mai 1848 kehrte er nach Schleswig-Holstein zuruck, um von dort in diplomatischer Mission nach Berlin entsandt zu werden. Dort hat er sich auch an der Anwerbung von Soldaten und Offizieren fur die im Entstehen begriffene
Armee der Herzogtumer
bemuht. Er kehrte nach Schleswig zuruck und arbeitete im Departement des Auswartigen. Nachdem wahrend des ersten
Deutsch-Danischen Krieges
die Statthalterschaft nach
Flensburg
ausgewichen war, hat er weiterhin versucht im Interesse der Herzogtumer zu wirken. So reiste er 1850 etwa nach
Brussel
und
Paris
. In Paris wurde eine von ihm in franzosischer Sprache verfasste Denkschrift gedruckt und allen bedeutenden Politikern zur Verfugung gestellt. Nach dem Ende des Krieges wurde Schleiden aus dem gesamten danischen Machtbereich, zu dem auch die beiden Herzogtumer wieder gehorten, verbannt.
1852 siedelte Schleiden nach Bremen um und wurde auf Empfehlung von Burgermeister
Johann Smidt
mit dem Aufbau einer bremischen, diplomatischen Mission in den
USA
beauftragt. Im Sommer 1853 reiste er als bremischer Ministerresident (diplomatische Rangstufe) nach Washington. Er unternahm bald eine ausgedehnte Reise durch verschiedene Staaten der USA und durch Kanada. In der Mitte der 1850er Jahre reiste er im Auftrag der Hansestadte Bremen,
Hamburg
und
Lubeck
nach Mexiko, um dort einen Handels- und Schifffahrtsvertrag auszuhandeln. Allerdings wurde dieser von der mexikanischen Seite nicht ratifiziert.
Ihm gelang es 1861, ein gutes Verhaltnis zum neuen
amerikanischen Prasidenten
Abraham Lincoln
aufzubauen. Gleichzeitig verfugte er aber auch uber gute Beziehungen zu der
konfoderierten Regierung
. Vergeblich hat er versucht zwischen beiden Seiten zu vermitteln. Wahrend der schwierigen Situation des
Sezessionskrieges
intervenierte er oft zu Gunsten von Bremer und andern deutschen Schiffen erfolgreich bei den Kriegsparteien. Er beriet das
amerikanische Außenministerium
in
volkerrechtlichen
Fragen. Auch andere Diplomaten in Washington bis hin zum britischen Botschafter holten sich Rat bei Schleiden. 1862 wurde er auch offiziell
Hanseatischer Bevollmachtigter fur Bremen, Hamburg und Lubeck
in den USA. 1864 wechselte er in dieser Funktion nach London. Nachdem er die preußisch-osterreichische Besetzung der Herzogtumer Holstein und Schleswig infolge des
Deutsch-Danischen Krieges
scharf kritisiert hatte, war er als Diplomat nicht mehr zu halten.
Schleiden wurde daraufhin in der nun preußischen Stadt
Altona
Mitglied des Magistrats; diesen Posten hatte er aber nur bis 1870. Nach dem
Deutschen Krieg
(dem 2.
Einigungskrieg
) wurde er 1867 fur Altona in den
Konstituierenden Reichstag des Norddeutschen Bundes
gewahlt.
[2]
Dem Parlament und dann dem
Deutschen Reichstag
gehorte er bis 1873 an. Er war Mitglied der
Liberalen Reichspartei
um
Chlodwig zu Hohenlohe-Schillingsfurst
.
[3]
Im Jahr 1870 gehorte er zu der Reichstagskommission die
Wilhelm I.
in
Versailles
bat, die Kaiserkrone anzunehmen.
Nachdem er 1873 seinen Wahlkreis an einen Sozialdemokraten verloren hatte, zog er nach Freiburg im Breisgau, wo eine Schwester von ihm wohnte. Er war als Autor tatig und schrieb vor allem fur die wissenschaftliche Beilage der Augsburger Allgemeinen Zeitung. Er veroffentlichte die
Erinnerungen eines Schleswig-Holsteiners
, die zwischen 1886 und 1894 in vier Banden erschienen. Eine
Geschichte Schleswig-Holsteins
blieb unvollendet. Daneben veroffentlichte er kleinere Schriften. Auch reiste er unter anderem noch zweimal in die USA. 1883 nahm er an der Eroffnung der
Northern Pacific Railway
teil. Trotz relativ geringer Einkunfte konnte er nach seinem Tod der
Albert-Ludwigs-Universitat Freiburg
eine Stiftung zur Forderung volkerrechtlicher Arbeiten hinterlassen.
- ↑
Kosener Korps-Listen
1910,
135
, 4
- ↑
Bernd Haunfelder
,
Klaus Erich Pollmann
:
Reichstag des Norddeutschen Bundes 1867?1870. Historische Photographien und biographisches Handbuch
(=
Photodokumente zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien.
Band 2). Droste, Dusseldorf 1989,
ISBN 3-7700-5151-3
, Foto S. 291, Kurzbiographie S. 463.
- ↑
Specht, Fritz / Schwabe, Paul:
Die Reichstagswahlen von 1867 bis 1903. Eine Statistik der Reichstagswahlen nebst den Programmen der Parteien und einem Verzeichnis der gewahlten Abgeordneten
, 2. Auflage.
Carl Heymanns Verlag
, Berlin 1904, S. 112
- Johannes Rosing:
Schleiden, Rudolf
.
In:
Allgemeine Deutsche Biographie
(ADB). Band 54, Duncker & Humblot, Leipzig 1908, S. 33?41.
- Eduard Alberti,
Lexikon der Schleswig-Holstein-Lauenburgischen und Eutinischen Schriftsteller von 1829 bis Mitte 1866
, Band 2, S. 332,
Digitalisat
.
- Detlef Siemen:
Festungshaft fur Rudolph von Schleiden ? studentische Duelle im 19. Jahrhundert.
In: Gesellschaft fur Schleswig-Holsteinische Geschichte. Mitteilungen, Nr. 76, April 2009, S. 3?16 (
online
).
- Andreas von Bezold:
Rudolf von Schleiden (1815?1895). Ein schleswig-holsteinischer Diplomat und Politiker in der Zeit des Kampfes um die Unabhangigkeit Schleswig-Holsteins
. In: Zeitschrift der Gesellschaft fur Schleswig-Holsteinische Geschichte, Jg. 142, 2017, S. 119?138.