Die
Rezitation
(
lateinisch
recitatio
‚das Vorlesen‘
) oder die
Lesung
bezeichnet die
Interpretation
von Werken der
Lyrik
und
Prosa
mit Hilfe von
Sprache
und
Darstellung
. Ziel ist es,
literarische
Werke horbar zu machen; dies kann mittels eines
Solisten
oder einer Gruppe von Vortragenden geschehen. Dabei sind Interpretationstechniken wie Atemtechnik, Stimmtechnik sowie
Sprechtechnik
von Bedeutung.
Der Vortragende transportiert mit Hilfe der
Stimme
, Sprache, Korperhaltung und Bewegung die
Emotionen
und
Gedanken
des Textes zum Zuhorer.
Vorlesen fordert die Sprach- und Konzentrationsfahigkeit von
Kindern
.
[1]
37 % der Kinder gaben in einer Studie an, niemals vorgelesen zu bekommen. Dieser Prozentsatz ist weitgehend unabhangig vom Einkommen, Bildungsstand und Migrationshintergrund der Eltern.
[2]
In der
hellenischen
, spater
romischen Antike
war der Rezitator (solo oder mit Musikanten) ein gern gesehenes bzw. gehortes Extra des Festschmauses; bis in die Neuzeit erhielt sich die Tradition, in
Klostern
zur Hauptmahlzeit einen zum
Lektor
bestimmten Monch aus der Ordensregel oder zur Erbauung aus Heiligenviten bzw. Legenden rezitieren zu lassen.
Rezitatoren finden sich auch im
Islam
. Die
Koranrezitation
in der
arabischen
Originalsprache hat zu einer eigenen Wissenschaft gefuhrt, dem
Tadschwid
. Mit zu den beruhmtesten Rezitatoren zahlen
Mischari Raschid al-Afasi
,
Mahmud al-Husari
und
Muhammad Siddiq al-Minschawi
. Koranrezitationen werden seit dem 20. Jahrhundert vermehrt aufgenommen und sind heute auch in digitaler Form verbreitet.
In allen Erdteilen hatte das Vorlesen in den von
Analphabetismus
betroffenen Arbeiterschichten eine
bewusstseinsbildende
Funktion. Im 19. Jahrhundert erlangte es einen hohen Stellenwert als Mittel der
Arbeiterbildung
in
Manufakturen
. In
Kuba
erreichten darauf die Zigarren-Unternehmer am 14. Mai 1866
[3]
vom spanischen Gouverneur ein amtliches Verbot des Vorlesens in den Betrieben. Nach dem
Zehnjahrigen Krieg
aus Kuba geflohene Arbeiter brachten das Vorlesen in die USA. Eine Ausgabe des New Yorker
Practical Magazine
[3]
von 1873 zeigt einen Vorleser mit Zigarrenrollern. Nach der
Kubanischen Revolution
in den 1950er Jahren wurde das Vorlesen wieder offiziell gefordert. So beschaftigte beispielsweise die Zigarren-Manufaktur
Partagas
[4]
noch zu Beginn des 21. Jahrhunderts einen Vorleser, der taglich jeweils am Vormittag und am Nachmittag je eine Stunde Artikel aus den offiziellen Zeitungen vorlas.
[4]
Eine moderne Variante der mundlichen Vermittlung von Literatur sind
Horbucher
, die von der einfachen Rezitation bis zum
Horspiel
vielfaltige Formen der Auffuhrung von Texten uber Tontrager erlauben. Zu den bekanntesten deutschsprachigen Horbuchsprechern gehoren
Gert Westphal
,
Rufus Beck
(
Harry Potter
),
Christian Bruckner
und
Oliver Steller
.
Die Rezitation eines
Werkes
gegenuber einer Offentlichkeit greift nach
deutschem Recht
in das Vortragsrecht des Urhebers ein (
§§ 19
,
15 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3
Urheberrechtsgesetz). Sie bedarf somit grundsatzlich der Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers (zum Beispiel: Autor, Verlag). Voraussetzung ist aber, dass eine Offentlichkeit vorliegt, was nach der Rechtsprechung des
Gerichtshofs
eine unbestimmte Zahl potenzieller Adressaten und eine ?ziemlich große Zahl“ von Personen voraussetzt.
[5]
Eine Verletzung fremden Urheberrechts lost regelmaßig Unterlassungs- und Schadensersatzanspruche aus (
§ 97
UrhG).
Das Urheberrecht erlischt 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers (
Regelschutzfrist
,
§ 64
UrhG); danach ist eine Lesung urheberrechtlich unproblematisch.
- Susanne Held:
Vorlesen oder die Kunst, Bucher in Kinderherzen zu schmuggeln.
Klett-Cotta, Stuttgart 2006,
ISBN 3-608-94115-0
.
- ↑
Stiftung Lesen: Aussage des Generalbevollmachtigten Konzernmarketing und Kommunikation der Deutschen Bahn
@1
@2
Vorlage:Toter Link/www.stiftunglesen.de
(
Seite nicht mehr abrufbar
, festgestellt im Mai 2019.
Suche in Webarchiven
)
- ↑
Bahn-Vorlesestudie 2008 (PDF)
(
Memento
des
Originals
vom 12. Februar 2010 im
Internet Archive
)
Info:
Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht gepruft. Bitte prufe Original- und Archivlink gemaß
Anleitung
und entferne dann diesen Hinweis.
@1
@2
Vorlage:Webachiv/IABot/www.stiftunglesen.de
- ↑
a
b
Alberto Manguel
:
Eine Geschichte des Lesens
. 2. Auflage.
Nr.
17515
. Fischer Verlag, Frankfurt am Main 2014,
ISBN 978-3-596-17515-4
,
S.
163
f
. (Originalausgabe:
A History of reading
, Alfred A. Knopf (publisher), Toronto 1996; ubersetzt von Chris Hirte).
- ↑
a
b
Bernard Pichon:
Blog-trotteur
. 180° editions, Sion 2019,
ISBN 978-2-931008-13-3
,
S.
32
f
.
- ↑
Schulze in Dreier/Schulze:
Urheberrechtsgesetz.
6. Auflage. 2018, § 15 Rn. 39.