Reunionspolitik

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Reunionspolitik (von franzosisch reunion ?Vereinigung‘) bezeichnet die Politik des franzosischen Konigs in der zweiten Halfte des 17. Jahrhunderts, die auf die Annexion jener Gebiete des Heiligen Romischen Reichs zielte, die nach franzosischer Auffassung mit bestimmten unter franzosischer Souveranitat stehenden Territorien rechtlich verbunden waren und daher mit diesen ? wieder vereint“ werden sollten. Im Zuge der Reunionspolitik fuhrte Frankreich die sogenannten Reunionskriege :

Entwicklungsuberblick [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Aufhebung der Leibeigenschaft in der Saarprovinz durch die franzosische Regierung; Einblattdruck ?Extrait des registres du conseil d’estat du roy“, Ludwig XIV. von Frankreich, Versailles 5. Januar 1685 ? Die franzosische Verwaltung ergriff in der Reunionszeit (1681?1697) zahlreiche Maßnahmen, um die eroberten Gebiete wieder aufzubauen und an Frankreich anzugleichen. Wahrend die Landesherrschaften und die Grundherren geschwacht wurden, sollte die Bevolkerung durch Erleichterungen an Frankreich gebunden werden. Mit dem Erlass vom 5. Januar 1685 wurde die Leibeigenschaft und die mit ihr verbundene Loskaufpflicht aufgehoben. Damit sollte auch die Freizugigkeit hinsichtlich der Ansiedelung und Verheiratung junger Menschen gefordert werden. Ebenso sollten die Frondienste um drei Viertel sowie die herrschaftlichen Weiderechte auf ein Viertel des vorhandenen Weidelandes verringert werden. Die Einfuhrung neuer Steuern sollte der franzosischen Staatskasse zugutekommen.

Ludwig XIV. setzte 1679 auf Vorschlag von Colbert de Croissy sogenannte Reunionskammern [1] in Metz , Breisach , Besancon und Tournai ein, die mit Hilfe alter Vertrage (meist bezogen auf mittelalterliche Lehensverhaltnisse ) die angebliche historische Zugehorigkeit bestimmter Gebiete gerichtlich feststellen sollten. Diese Gerichtsverfahren dienten dazu, den expansionistischen Zielen Ludwigs XIV. eine juristische Legitimation zu verschaffen. Sie beruhten auf fragwurdigen Grundlagen und waren auch schon im 17. Jahrhundert und selbst innerhalb Frankreichs umstritten. Ausgangspunkt der Argumentation waren jene Territorien des Heiligen Romischen Reiches, die im Westfalischen Frieden von 1648 und in den Vertragen von Nimwegen 1678/79 mit Anerkennung des Reiches unter die Herrschaft des franzosischen Konigs gekommen waren, namentlich die drei Bistumer Metz , Toul und Verdun , die zehn Reichsstadte des Elsasses und der Sundgau , die Franche-Comte und weitere Lander.

Nach franzosischer Auffassung waren mit diesen Abtretungen auch alle Gebiete, die irgendwann einmal in lehnsrechtlicher Abhangigkeit von diesen Territorien gestanden hatten, als ?Dependenz- und Pertinenzstucke“ der Souveranitat des franzosischen Konigs unterworfen. Man benutzte zur Durchsetzung dieses Anspruchs das juristische Mittel der Reunionsklage, mit der im alten Recht der Inhaber eines Gutes gegen dessen Aufteilung beispielsweise durch Erben vorgehen und seine ?Wiedervereinigung“ einfordern konnte, wenn ein Dismembrationsverbot (Aufteilungsverbot) bestand. Die Reunionspolitik ging also von der Verfassungsstruktur des Lehnsrechtes aus und benutzte die (vermeintlichen) Rechte der zwischen 1648 und 1679 durch den franzosischen Konig erworbenen Herrschaftstitel als Hebel. Sie behauptete dagegen nicht, dass die zu annektierenden Gebiete fruher einmal franzosisch gewesen seien.

Die eigens geschaffenen Reunionskammern sprachen die Urteile freilich durchweg im Sinne des franzosischen Konigs. Die betroffenen Fursten oder Stadte erhielten daraufhin die Aufforderung, sich der franzosischen Souveranitat zu unterwerfen und wurden militarisch besetzt.

Auf diese Weise wurden bis 1688 große Teile des Elsasses , Luxemburgs , der Pfalz und des heutigen Saarlandes in den franzosischen Staat eingegliedert, da das Heilige Romische Reich zu einem militarischen Widerstand nicht in der Lage war (nicht zuletzt wegen des gleichzeitigen Turkenkrieges ). Gleichzeitig wurden Gebiete, fur die eine angebliche historische Zugehorigkeit nicht rekonstruierbar war, von Frankreich annektiert, wie beispielsweise 1681 die Stadt Straßburg . Wegen des Turkenkrieges gestanden Kaiser und Reich im Regensburger Stillstand 1684 Ludwig XIV. zu, fur 20 Jahre militarisch und politisch nichts gegen die Reunionen zu unternehmen, sofern der Sonnenkonig sich mit dem bisher Erworbenen zufrieden gebe.

Nachdem Frankreich 1688 in der Kurpfalz einmarschiert war, um angebliche Erbrechte Liselottes von der Pfalz , der Schwagerin des Konigs, zu beanspruchen, entschloss sich das Reich zum Krieg, um die Reunionen ruckgangig zu machen ( Pfalzischer Erbfolgekrieg ).

1697 wurde im Frieden von Rijswijk ein Großteil der Reunionen aufgehoben, die Kurpfalz, Luxemburg, Lothringen , die Grafschaft Mompelgard und die Gebiete in der Pfalz und im Saarland wurden an ihre Herrscher zuruckgegeben und blieben beim Heiligen Romischen Reich. Allerdings musste das Reich die franzosischen Reunionen im Elsass und die Annexion von Straßburg anerkennen.

Literatur [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  • Guido Braun: Von der politischen zur kulturellen Hegemonie Frankreichs. 1648?1789 (= Deutsch-Franzosische Geschichte. 4). Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2008, ISBN 978-3-534-14702-1 , S. 38 ff. (mit weiterer Literatur).
  • Christine Petry: ≫ Faire des sujets du roi ≪ ? Rechtspolitik in Metz, Toul und Verdun unter franzosischer Herrschaft (1552?1648) (= Pariser Historische Studien , herausgegeben vom Deutschen Historischen Institut Paris, Band 73). R. Oldenbourg, Munchen 2006 ( Google Books )
  • Martin Wrede : Ludwig XIV. Der Kriegsherr aus Versailles. Theiss, Darmstadt 2015, ISBN 978-3-8062-3160-1 , S. 150 ff.

Einzelnachweise [ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

  1. Reunionskammern , Lexikoneintrag in: Meyers Großes Konversations-Lexikon . 6. Auflage, Band 16, Leipzig/Wien 1908, S. 838?839 ( Zeno.org ).