Reichenberg-Gerat

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Fieseler Fi 103 Re

Fi 103 Re 4 in Neu Tramm
Typ Schul- und Selbstopferflugzeug
Entwurfsland

Deutsches Reich NS   Deutsches Reich

Hersteller Henschel Flugzeug-Werke ,
Munitionsanstalt Neu Tramm
Erstflug September 1944
Produktionszeit

August 1944?Februar 1945

Stuckzahl mind. 220, max. ca. 520?570
Von Briten erbeutete Fi 103 Re 4 in Neu Tramm
Reichenberg-Gerat wird im April 1945 aus Neu Tramm von US-Soldaten abtransportiert
Fieseler Fi 103 (V1), Reichenberg-Gerat, Standort Schweizerisches Militarmuseum Full
Exponat im Museum La Coupole

Reichenberg war die Tarnbezeichnung fur eine bemannte Fieseler-Fi-103 -Version, die im Zuge dieser Entwicklung im Zweiten Weltkrieg gebaut wurde. Sie wurde auch als V 4 bezeichnet und war eine als Kamikaze -Waffe modifizierte V1 (siehe auch: deutsches Militarprojekt ? Selbstopfer “). Die Japaner griffen dieses Prinzip auf und stellten die Yokosuka MXY-7 her.

Das Reichenberg-Gerat mit der RLM-Nummer Fieseler Fi 103 (von der Propaganda auch V1 genannt), war ein Versuchsflugzeug zur Erprobung der Tauglichkeit der Konstruktion und der Aerodynamik. Der Entwurf stammte von Robert Lusser und Willy A. Fiedler . Die Maschine wurde anstelle der automatischen Flugsteuerung mit einer Pilotenkabine sowie einer manuellen Flugsteuerung mit Querrudern umgerustet. Gebaut wurden die ersten geanderten Zelle unter der Leitung Fiedlers in einer Halle der Henschel-Werke in Berlin-Schonefeld , aus Grunden der Geheimhaltung als Segelflug Reichenberg GmbH bezeichnet, weswegen die Maschinen auch Reichenberg-Gerat genannt wurden. Das Reichenberg-Gerat wurde zu Schulungszwecken auch in einer doppelsitzigen Version gebaut und benutzt. Die Trainingsversionen hatten eine Landekufe ahnlich der Me 163 . Insgesamt konnten bis zum Februar 1945 rund 520 bis 570 modifizierte V1 hergestellt worden sein, die meisten davon in der Luftmunitionsanstalt Neu Tramm .

Es gab Vorbereitungen, das Reichenberg-Gerat als Kamikaze-Waffe zu benutzen. Dazu wurde die Militaroperation Selbstopfer ins Leben gerufen. Die Selbstaufopferungspiloten wurden dem Kampfgeschwader 200 unterstellt. Diese Organisation kam jedoch nach der Intervention des Geschwaderkommandeurs Werner Baumbach bei Hitler nicht mehr zum Einsatz. Zum angeblich geplanten Einsatz gegen die alliierten Bomberverbande kam es nie ? diese hatte die Maschine aufgrund mangelnder Flugleistungen nie gefahrden konnen.

  • Fi 103 Re 1 : umgebaute, antriebslose Grundversion der V1. Einer der beiden fur die Treibstoffzufuhr und den Betrieb des Autopiloten notwendigen Pressluftbehalter wurde entfernt, der verbleibende an die Stelle des Autopiloten gesetzt und in dem freigewordenen Raum eine Sperrholzschale mit gepolsterter Nackenstutze als Pilotensitz installiert. Als Fahrgestell wurde unter dem Rumpf eine gefederte Landekufe angebracht, im Bug fur die nichtvorhandene Sprengladung ein Ausgleichsgewicht installiert. Zusatzlich erhielt die Re 1 einen Wasserbehalter, um im Bahnneigungsflug hohere Geschwindigkeiten erzielen zu konnen. Vor jeder Landung musste er mithilfe eines Schnellablasses entleert werden, um die Landegeschwindigkeit zu reduzieren und die Landekufe nicht zu uberlasten. Zwei V1 wurden auf diesen Stand umgerustet. Anfang September 1944 erfolgte vom Flugplatz Larz auf dem Gelande der Erprobungsstelle Rechlin ein erster Flug. Die Re 1 wurde von einer He 111 unter deren Flugel hangend in die Luft bugsiert. Das Flugverhalten erwies sich als unproblematisch. Da das Gleitflugzeug aber keine Landeklappen besaß, zerbrach es aufgrund der durch die hohe Landegeschwindigkeit auftretenden Uberlastung bei der Landung und der Pilot Wilhelm Ziegler wurde schwer verletzt. Auch die zweite Re 1 wurde kurz darauf bei ihrem ersten Flug bei der Landung zerstort, wobei der Flugzeugfuhrer Herbert Pangraz ebenfalls schwere Verletzungen davontrug
  • Fi 103 Re 2 : ebenfalls antriebslose Schulversion mit zusatzlicher Kabine im vorderen Rumpfbereich. Dafur wurde der Rumpf um 1,50 m auf etwa 9,88 m verlangert, ansonsten entsprach die Re 2 dem Vorgangermuster. Von ihr entstanden nur ein bis zwei Exemplare, von denen das erste am 20. September 1944 von Heinz Kensche erstmals geflogen wurde. Als Gewichtsausgleich fur den fehlenden zweiten Flugzeugfuhrer diente dabei ein auf dem vorderen Sitz platzierter Sandsack. Auf nachfolgenden Flugen wurden funf Piloten von Kensche in die Handhabung der Fi 103 Re eingewiesen
  • Fi 103 Re 3 : mit einem Triebwerk ausgerustete, mit der Re 2 aber ansonsten baugleiche Schulausfuhrung. Mindestens zehn Stuck wurden produziert, mit denen die Ausbildungsfluge fortgesetzt wurden. Der Erstflug erfolgte am 4. November 1944 wiederum durch Heinz Kensche. Einen Tag spater losten sich bei einem Testflug durch die Vibrationen des Antriebs Teile der Beplankung der linken Tragflache und Kensche musste mit dem Fallschirm abspringen. [1] Die weiteren Fluge erfolgten ohne weitere Zwischenfalle. Auch der Konstrukteur des Reichenbach-Gerates, Willy Fiedler, sowie Hanna Reitsch flogen die Re 3. Der letzte nachgewiesene Flug eines Reichenberg-Gerates erfolgte am 5. Marz 1945 durch Walter Starbati mit einer Re 3, bei dem bei etwa 400?500 km/h aus unbekannten Grunden nacheinander beide Tragflachen abbrachen und das Fluggerat senkrecht in einen See sturzte. Starbati kam dabei ums Leben. Danach wurden alle weiteren Arbeiten an dem Programm eingestellt
  • Fi 103 Re 4 : vorgesehene Einsatzversion mit etwa 847 kg Sprengstoff. Es waren drei Sprengkopfarten vorgesehen: eine normale Ausfuhrung fur den Angriff auf Landziele, eine mit abgerundeter Bugspitze mit Hafthohlladung fur Seeziele und eine Version ohne Sprengstoff, die lediglich mit einer stahlernen Bugspitze und einem Ausgleichgewicht ausgerustet und zum Rammangriff auf gegnerische Flugzeug vorgesehen wurde. Bis Dezember 1944 waren 220 Exemplare fertiggestellt. Einige erhielten zu Ausbildungszwecken eine Landekufe und die Bezeichnung Re 4b
  • Fi 103 Re 5 : vorgesehene Schulversion fur die Ausbildung von He-162 -Flugzeugfuhrern als Alternative fur deren nicht befriedigende Gleitausfuhrung He 162 S. Sie entsprach in etwa der Re 4, besaß aber einen verkurzten Bug, um beim Landeanflug bessere Sichtverhaltnisse zu schaffen. Dadurch ragte das dortige Ausgleichgewicht etwas aus der Rumpfspitze. Zehn Exemplare wurden produziert, der Bau von 250 weiteren vorgesehen. Uber einen Einsatz ist nichts bekannt

Technische Daten

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Kenngroße Daten (Fieseler Fi 103 Re 4)
Typ bemannte Flugbombe
Lange 8,38 m
Spannweite 5,72 m
Hohe 1,42 m
Startmasse 2250 kg
Triebwerk ein Argus - Pulso-Strahlrohr 109-014 mit 335 kp
Hochstgeschwindigkeit praktisch 675 km/h, theoretisch 780 km/h
Reichweite 330 km

Eines der wenigen erhaltenen und in Europa ausgestellten Exemplare ist im Museum La Coupole in Helfaut - Wizernes , Departement Pas-de-Calais in Nordfrankreich, als Leihgabe der Stadt Antwerpen ausgestellt. Ein weiteres Exemplar befindet sich seit 2015 im Schweizerischen Militarmuseum Full . Weitere finden sich in Nordamerika.

  • Horst Lommel: Die Geschichte der bemannten V1. Fieseler Fi 103 ?Reichenberg“. In: Luftfahrt History Nr. 2. Lautec, Siegen 2006.
  • Hanna Reitsch: Fliegen ? mein Leben. J. F. Lehmanns, Munchen 1972. ISBN 3-469-00558-3 .
  • Hanna Reitsch: Fliegen ? mein Leben. Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart 1951.
  • Flugzeugtypen der Welt. Bechtermunz, Augsburg 1997. ISBN 3-86047-593-2 .
  • Bill Gunston, Tony Wood: Hitler’s Luftwaffe. Salamander Books Ltd., London 1977.
  • The Complete Encyclodepia of World Aircraft. Barnes & Nobles Books, 1997, ISBN 0-7607-0592-5 .
Commons : Reichenberg-Gerat  ? Sammlung von Bildern

Einzelnachweise

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  1. Peter F. Selinger: Vor 60 Jahren: Absturz mit bemannter V-1 ? Testpiloten-Gluck. In: Flugzeug Classic , Nr. 12/2004. GeraMond, Munchen, ISSN   1617-0725 , S. 54/55.