Rechtsnachfolge

aus Wikipedia, der freien Enzyklopadie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Unter Rechtsnachfolge ( lateinisch Sukzession ) versteht man in der Rechtswissenschaft den Ubergang von Rechten und Pflichten von einem Rechtssubjekt auf ein anderes. Das ubertragende Rechtssubjekt heißt dabei Rechtsvorganger , das in die Rechte und Pflichten eintretende Rechtsnachfolger .

Als Rechtssubjekte kommen naturliche Personen und Personenvereinigungen wie juristische Personen , Stiftungen oder Personengesellschaften in Betracht. Die bestehenden Rechte und Pflichten dieser Rechtstrager gehen mit dem Tod einer naturlichen Person, der Ubertragung oder Liquidation einer Personenvereinigung nicht unter, sondern gehen vielmehr kraft Gesetzes oder vertraglicher Vereinbarung auf ein anderes Rechtssubjekt (den ?Rechtsnachfolger“) uber. Bestehende Gesetze kennen keine Legaldefinition des Rechtsbegriffs Rechtsnachfolge, obwohl das Burgerliche Gesetzbuch § 148 , 746 , 751 , 755 Abs. 2, 943 , 999 , 1010 , 1059a Abs. 1, 1100 , 1101 , 1102 , 1179a Abs. 3 BGB) oder die Zivilprozessordnung § 239 , 265 , 266 , 325 , 727 , 799 ZPO) ihn haufig verwenden. [1] Fur Friedrich Carl von Savigny galt 1840 die ?fortdauernde Identitat“ eines Rechtsverhaltnisses als wesentlicher Faktor der Rechtsnachfolge. [2] Bernhard Windscheid sah 1906 in der Rechtsnachfolge das ?Eintreten eines Subjects an die Stelle eines anderen“ [3] und kam damit der heutigen Definition sehr nahe.

Man unterscheidet zwischen der Einzelrechtsnachfolge (Singularsukzession) und der Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) . Grundfall der Rechtsnachfolge ist die Einzelrechtsnachfolge. Ihr Ubertragungsmodus besteht darin, dass sich der Rechtsubergang auf einen konkreten Gegenstand bezieht, der unter Beachtung der fur seine Ubertragung geltenden Rechtsvorschriften von einem Rechtstrager auf einen anderen ubergeht. [4] Der Veraußerer eines Grundstucks ubertragt es einer anderen Person, z. B. verkauft dieses im Zweifel mit allen wesentlichen Bestandteilen ( § 946 BGB ) und Zubehor ( § 926 Abs. 1 Satz 2 BGB). Bei der Gesamtrechtsnachfolge gehen alle Rechte und Pflichten ohne Rucksicht auf die fur eine Einzelrechtsnachfolge vorgesehenen Vorschriften als Gesamtheit auf den Nachfolger uber. [5]

Zu unterscheiden sind folgende Unterarten:

Ausnahmen der Gesamtrechtsnachfolge sind etwa Gesellschafteranteile an einer Personengesellschaft (siehe Fortsetzungsklausel ) und das Eintrittsrecht bei Tod des Mieters nach § 563 Abs. 2 BGB.

Internationale Staatensukzession

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Rechtsnachfolge im Staats- und Volkerrecht ist die Staatensukzession , das Einrucken eines Staates oder mehrerer Staaten in die volkerrechtliche Rechtsposition eines anderen Staates oder mehrerer anderer Staaten. Es geht also auch hier um das Verhaltnis von mindestens zwei Rechtssubjekten. [8] Zu unterscheiden ist zwischen der Einverleibung ( Annexion Koreas durch Japan 1910), Verschmelzung mehrerer Staaten zu einem ( Vereinigte Arabische Republik 1958), Angliederung eines Staatsteils an einen anderen Staat ( Hochsavoyen an Frankreich durch den Savoyerhandel 1860), Verselbstandigung ( Finnland 1919), Zerfall eines Staats in mehrere Staaten ( Zerfall der Sowjetunion 1991 in Russland und die Nachfolgestaaten der ehemaligen UdSSR , sowie in Litauen , Estland und Lettland ) und die Grundung von Protektoraten , Mandaten und Treuhandgebieten . [9] Mit ihrem Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland ist die DDR mit Wirkung vom 3. Oktober 1990 als Staats- und Volkerrechtssubjekt untergegangen und nimmt seither an der staats- und volkerrechtlichen Kontinuitat Deutschlands in der Form der Identitat der Bundesrepublik teil. [10]

Abgrenzung zur Rechtsidentitat

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Von der Rechtsnachfolge zu unterscheiden ist die Rechtsidentitat. Bei der Ersteren tritt ein Rechtstrager umfassend in die Rechte und Pflichten eines anderen Rechtstragers ein; bei Letzterer besteht der bisherige Rechtstrager fort, wenn auch gegebenenfalls unter einem anderen Namen. Rechtsidentitat kann im Zivilrecht ebenso auftreten wie im Volkerrecht. Beispielsweise fuhrt nach deutschem Recht ein Rechtsformwechsel nach Umwandlungsgesetz (etwa: Umwandlung einer Aktiengesellschaft in eine GmbH ) nicht zur Rechtsnachfolge, sondern zur fortbestehenden Existenz des bisherigen Unternehmens, wenn auch in neuer Rechtsform und womoglich mit neuer Firma ( § 202 UmwG).

Wechsel des Rechtssubjekts

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]

Die Dynamik des Alltags kann zur Folge haben, dass Rechte und Pflichten nicht fur immer bei derselben naturlichen Person als Rechtstrager verbleiben, sondern diese zeitlebens einen Teil an andere Rechtssubjekte ubertragen kann (etwa durch Kaufvertrag , Zession , Schenkung ) oder beim Tod durch Erbschaft insgesamt auf dessen Erben ubergehen. Dies gilt gleichermaßen fur Personenvereinigungen, die Teile ihres Vermogens auf andere Rechtssubjekte ubertragen konnen (etwa durch Outsourcing , Fusion , Unternehmensverkauf ). Juristische Personen sind zwar auf unbestimmte Zeit angelegt, sie konnen jedoch ihre rechtliche Existenz durch Aufhebung oder faktischen Untergang beenden. Sonderregelungen bestehen im Falle von Liquidation oder Insolvenz . Mit der Beendigung des Insolvenzverfahrens erhalt der ehemalige Insolvenzschuldner die Verwaltungs- und Verfugungsbefugnis zuruck, die wahrend des Verfahrens dem Insolvenzverwalter zustand ( § 215 Abs. 2 InsO). Der Insolvenzverwalter selbst ist zu keiner Zeit Rechtsnachfolger des Insolvenzschuldners. Endet eine Insolvenz-, Zwangs- oder Nachlassverwaltung , tritt der materiell Berechtigte die Prozessnachfolge an. Ist kein Rechtsnachfolger vorhanden, wird die Klage mit dem Untergang der juristischen Person unzulassig. [11] Werden juristische Personen nach Liquidation oder Insolvenz aus dem Handelsregister geloscht , gibt es keinen Rechtsnachfolger mehr; sie haben aufgehort, zu existieren.

Wiktionary: Singularsukzession  ? Bedeutungserklarungen, Wortherkunft, Synonyme, Ubersetzungen

Einzelnachweise

[ Bearbeiten | Quelltext bearbeiten ]
  1. Jan Lieder : Die rechtsgeschaftliche Sukzession (=  Jus Privatum , Band 188). Mohr Siebeck, Tubingen 2015, ISBN 978-3-16-152911-5 , S. 20 ff.
  2. Friedrich Carl von Savigny, System des heutigen romischen Rechts , Band III, 1840, S. 9.
  3. Bernhard Windscheid, Lehrbuch des Pandektenrechts , Band I, 1906, § 63, 2a.
  4. Jan Lieder, Die rechtsgeschaftliche Sukzession , 2015, S. 33.
  5. Jan Lieder, Die rechtsgeschaftliche Sukzession , 2015, S. 33 f.
  6. Jan Lieder, Die rechtsgeschaftliche Sukzession , 2015, S. 36 ff.
  7. RGZ 109, 47.
  8. Kristyna Marek: Identity and Continuity of States in Public International Law , 1954, S. 10.
  9. Leonore Herbst: Staatensukzession und Staatsservituten , Duncker & Humblot, Berlin 1962, S. 21 .
  10. Gilbert Gornig : Der volkerrechtliche Status Deutschlands zwischen 1945 und 1990. Auch ein Beitrag zu Problemen der Staatensukzession. Wilhelm Fink, Munchen 2007, S. 26 f., 34.
  11. BGHZ 74, 112.