Als
Kirchenschiffe
bezeichnet man die Langsraume von
Kirchen
. Hat eine Kirche mehrere Schiffe, so sind diese durch Scheidewande mit Arkadenreihen voneinander abgeteilt.
[1]
Wahrend
Saalkirchen
einschiffig sind, bestehen Kirchen oft aus mehreren parallel angeordneten Raumteilen, ?Schiff“ genannt, die unterschiedliche Breiten und Hohen haben konnen.
[2]
Eine
Basilika
ist eine Kirche, deren mittleres Schiff hoher ist als die Seitenschiffe, wobei das Mittelschiff uber eigene Fenster im
Obergaden
verfugt. Eine
Hallenkirche
dagegen hat gleich hohe Schiffe, so dass das Mittelschiff uber keine eigene Fensterzone verfugt, da es die benachbarten Schiffe nicht uberragt. Zudem gibt es auch Zwischentypen aus diesen Bauformen, wie die
Pseudobasilika
oder Staffelhalle, bei der die Schiffe in der Hohe abgestuft sind, aber nicht wie bei einer echten Basilika uber eine Fensterzone verfugen. Als
Wandpfeilerkirche
bezeichnet man Saalbauten, bei denen wandgebundene Pfeiler von den Wanden her in das Kircheninnere hervortreten, so dass an den Langswanden zwischen den Pfeilern einzelne Raumteile entstehen. Beim Raum eines
Zentralbaus
wird in der Regel nicht von einem Schiff gesprochen.
Das Mittelschiff oder auch Hauptschiff ist der mittlere Bau und in der Regel der breiteste, hochste und langste Raum der Kirche. Dieser Teil ist meist fur die Teilnehmer des
Gottesdienstes
bestimmt. Dem Hauptschiff beigestellte, durch
Saulen
oder
Pfeiler
abgetrennte Raume, werden als Seitenschiffe bzw. Nebenschiffe oder auch veraltet als Abseite bezeichnet. Alle diese Bauten zusammen werden auch
Langhaus
genannt. Der
Chor
und das
Querhaus
einer Kirche konnen ebenfalls aus mehreren Schiffen bestehen. Die Trennwande zwischen Mittelschiff und Seitenschiffen und zwischen Seitenschiffen werden Scheidewande genannt, die meist mit
Arkaden
aufgelost sind.
Sofern es das Baugrundstuck zulasst, ist das Langhaus normalerweise in westostlicher Richtung erbaut und der Chor
nach Osten ausgerichtet
? als Sinnbild der
Neuen
Sonne
bzw. der
Auferstehung Christi
. Der halbrunde Abschluss des Langhauses hinter dem Chor heißt
Apsis
.
Die zweite Etage uber Seitenschiffen wird
Empore
oder
Tribune
genannt.
Das Querschiff oder Querhaus (auch
Transept
) bezeichnet das in rechtwinkliger Position zum Langhaus verlaufende kurzere Schiff. Dieses ist meist vor dem Ubergang zum Chor angelegt und bildet so im Grundriss eine Kreuzform. Seltener sind auch mehrere Querschiffe, die im Grundriss ein Kreuz mit entsprechend vielen Querbalken ergeben. An der
Abteikirche von Cluny III
gab es ein kleines und ein großes Querhaus, eine Anlage, die auch in der englischen Gotik oft auftritt. Westquerhauser sind nur gelegentlich gebaut worden.
Die Stelle, an der Langhaus und Querschiff zusammentreffen, wird als
Vierung
bezeichnet. Im außeren Bild der Kirche ist diese Stelle haufig durch einen
Dachreiter
oder einen Vierungsturm markiert. Die beiden von der Vierung abgehenden Enden des Querhauses heißen auch Querarme.
In den Basiliken der Spatantike und des fruhen Mittelalters lauft das Querhaus als eigener Raumteil durch und trennt das Langhaus von der Apsis. Es entsteht keine Vierung (
romisches Querhaus
).
Das Hochschiff ist ein Teil des Mittelschiffes einer Basilika. Es befindet sich uber den Arkaden im Bereich der Obergaden.
Das
Deutsche Worterbuch der Bruder Grimm
[3]
lasst offen, ob es sich um die
Metapher
Schiff
[4]
(etwa im Sinn der vor dem Verderben rettenden
Arche
) handelt oder um die bereits fruhe Ubernahme von
altgriechisch
να??
oder
νε??
(
naos
oder
ne?s
?Tempel, Tempelraum“) in das
mittelalterliche Latein
und seine Verwechslung mit
altgriechisch
να??
(
naus
?Schiff“). Jedenfalls ist die lateinische Bezeichnung
navis
(?Schiff“) seit dem Mittelalter fur den zentralen Versammlungsraum der Glaubigen in der Kirche belegt. Im klassischen Latein war die Bezeichnung eines architektonischen Raums als
navis
nicht ublich; allerdings tritt die Schiffsmetapher
[5]
fur den Staat und die Burgergemeinschaft in der Antike ofter auf.
Im Hintergrund der Vorstellung von der Kirche als Schiff stehen zwei biblische Geschichten, zum einen die Erzahlung vom wunderbaren Fischzug des Petrus (
Lk
5,1?11
EU
), zum anderen die Geschichte vom Seewandel Jesu und dem im Wasser versinkenden Petrus (
Mt
14,22?33
EU
).
Die zuletzt genannte biblische Erzahlung wird schon von
Tertullian
(geb. um 160 in Karthago, gest. nach 220 ebenda) in seiner Schrift
De Baptismo
(Kap. 12)
[6]
aufgegriffen und mit dem Begriff der Kirche zusammengebracht. In Anspielung auf die Rettung des Petrus, dessen Seewandel missgluckt, bezeichnet er das Schifflein, in dem Jesus und seine Junger auf dem See Genezareth umherfuhren, als Sinnbild der Kirche.
Vor dem Hintergrund der Verfolgungssituation in den ersten Jahrhunderten liegt diese Deutung nahe. Wie das Schiff, das Jesus und seine Junger tragt, von den Wogen geschuttelt wird und dem Verderben ausgeliefert zu sein scheint, so ergeht es in den ersten Jahrhunderten der Kirche, die unter staatlicher Verfolgung und inneren Kampfen immer mehr zu leiden hatte. Dabei wird unterstellt, dass bei Tertullians Deutung der Geschichte auch die Hoffnung mitschwang, es moge sich in der Zukunft auch ein dem Ausgang der biblischen Geschichte entsprechendes Ereignis einstellen. Wie sich der aufgewuhlte See, dem Worte Jesu gehorchend, wieder glattet, so soll an die Stelle der Verfolgungssituation ein Friedenszustand zwischen dem romischen Staat und der Kirche treten.
[7]
- ↑
Definition eines Kirchenschiffes
auf ekmd-online.de; abgerufen am 27. August 2018.
- ↑
Vgl.
Hans Koepf
:
Bildworterbuch der Architektur
(=
Kroners Taschenausgabe.
Bd. 194). Mit engl., franz. und ital. Fachglossar. Uberarb. von
Gunther Binding
. 3. Auflage. Kroner, Stuttgart 1999,
ISBN 3-520-19403-1
, S. 406; 5., durchges. und erg. Auflage. Ebenda 2016,
ISBN 978-3-520-19405-3
.
- ↑
Deutsches Worterbuch:
Band 15, Spalten 58 f. (s. v.
SCHIFF
Nr. 15).
- ↑
Wie auch englisch
nave,
italienisch
navata,
franzosisch
nef,
spanisch und portugiesisch
nave
- ↑
Z. B.
Cicero
:
Ad Familiares.
12,25:
una est iam navis bonorum omnium
(?schon gibt es nur noch ein einziges Schiff fur alle Anstandigen“).
- ↑
De Baptismo.
Kap. 12
bei
Wikisource
(lateinisch).
- ↑
Vgl. Jochen Staebel:
Navis Ecclesiae Militantis: Zur Schiffsallegorie in der emanuelinischen Baukunst.
In:
Re-Visionen. Zur Aktualitat von Kunstgeschichte.
Hrsg. von Barbara Huttel, Richard Huttel, Jeanette Kohl. Walter de Gruyter, Berlin/Boston 2002,
ISBN 3-05-007933-9
, S. 77?96, hier: S. 86,
urn
:
nbn:de:101:1-201608272188
(
Vorschau
in der Google-Buchsuche).